Heimliche Helden

humanitäre Hilfe braucht. Friedensarbeit Zeit; langfristiges. Denken ist ihre Basis. Förderer verlangen jedoch bereits nach wenigen Monaten Resultate.
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ENTSCHEIDEN & ARBEITEN

Heimliche Helden

Sie bleiben statt zu flüchten. Sie arbeiten am Frieden, der von den Politikern vor allem mit Lippenbekenntnissen unterstützt wird. Sie haben weder Lobby, Geld noch Aufmerksamkeit. Aber anfangs September hatten sie in der Nähe von Berlin ihr erstes Gipfeltreffen, den «Global Peacebuilder Summit», beobachtet von Samanta Siegfried

«F

luchtursachen bekämpfen» fordern Politiker aller Couleur. Doch wer soll sie bekämpfen? Und vor allem: wie? Während sich die Parteien noch über die Antworten streiten, gibt es viele Menschen, die längst mit der Arbeit begonnen haben – teils mit großem Erfolg. Zum Beispiel Imam Ashafa und Pastor James Wuye, die in Nigeria zwischen verfeindeten christlichen und muslimischen Gruppen vermitteln; Mossarat Quadeem aus Pakistan, die Jugendliche aus den Fangarmen der Islamisten reißt und ins zivile Leben zurückholt; Assad Chaftari, der sich vom Geheimdienst-Chef zu einem Aufklärer in libanesischen Schulen gewandelt hat. Dort überzeugt er Jugendliche, dass Konflikte nicht mit Gewalt zu lösen sind. Sie gehören zu den 30 Teilnehmern des «Global Peacebuilder Summit», des ersten Gipfels für Friedensstifterinnen aus aller Welt. Vom Anders als Entwicklungs- oder 4. – 9. September versammelten sie sich in einem humanitäre Hilfe braucht Tagungszentrum in PaFriedensarbeit Zeit; langfristiges retz, ein 400-EinwohnerDenken ist ihre Basis. Förderer Dorf in Brandenburg, das friedlicher nicht sein verlangen jedoch bereits nach könnte, und tauschten sich wenigen Monaten Resultate. darüber aus, wie sie ihre kriegsgeschundenen Länder wieder aufbauen können. Immer mit der Frage: Was stärkt die Zivilgesellschaft? Dabei waren sie Teilnehmer und Referenten zugleich; Politiker oder Vertreter der internationalen Gemeinschaft suchte man an dieser Konferenz vergebens. «Sie wissen am Besten, was ihr Land braucht», sagt Michael Gleich, Moderator, Journalist und Autor, der mit seiner Stiftung «Culture Counts Foundation» den Gipfel ins Leben gerufen hat. «Wir können von ihnen lernen.» Er hat als Reporter für das Projekt «Peace Counts» über zahlreiche dieser Friedensstifterinnen in Krisenregionen berichtet und arbeitet eng mit Experten und Institutionen auf dem Gebiet der zivilen Konfliktprävention zusammen. Aus dem gemeinsamen Pool an Kontakten wurden die Teilnehmer ausgewählt. «Es war immer mein Traum, diese mutigen Menschen an einem Ort zusammenzubringen.» Weil ihre Arbeit in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen wird, nennt er sie auch «heimliche Helden».

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Mit dem Friedensgipfel wollte er ihnen einen Raum geben – zum Kennenlernen, Austauschen, Vernetzen. Aber auch die Gelegenheit, inne zu halten und zu reflektieren. «Die Konflikte sind nicht nur außen, sondern auch in mir drin», beschreibt es Fatuma Adan, eine Muslima aus dem Norden Kenias. Die 38-jährige studierte Anwältin bringt im Hinterland verfeindete Dorfgemeinschaften mit Fußballturnieren zusammen, ihr Projekt hat bereits international Anerkennung gefunden. Doch die Arbeit in Konfliktregionen zehrt. Deshalb richtete sich der Austausch der Teilnehmerinnen auch nach innen mit der Frage: Was stärkt uns? «Es ist die Leidenschaft für mein Land, die mir Kraft gibt», beschreibt es der Radiomacher Landry Nintereste aus Burundi und ist damit nicht allein. «Wenn dein Haus brennt, lässt du alles zurück oder bleibst du, um es wieder aufzubauen?», formulierte es Mossarat Quadeem aus Pakistan. Am Anfang dieser Heldengeschichten stand immer eine Entscheidung. «Es ist dieses Gefühl wenn du weißt, dass etwas ganz falsch läuft und du musst es in Ordnung bringen», erzählt Fatuma Adan, deren Eltern verfeindeten Ethnien angehören. Die Teilnehmerinnen teilen ähnliche Schwierigkeiten: Wer garantiert für die Sicherheit? Wie werden Mitarbeiter motiviert, Projekte finanziert? Fast immer gibt es jemand in der Gruppe, der bereits eine Lösung gefunden hat. «Diese Menschen sind keine normalen Menschen», sagt Ahmad Edilbi, der von dem Austausch begeistert ist. «Es sind Schöpfer.» Ahmed selbst ist einer von ihnen. Der 35-jährige Syrer hat 2011 sein Land verlassen und reiste lange Zeit ohne Zuhause mit seiner Familie in Europa umher. Währenddessen gründete er die Onlineplattform «Dubarah» – Lösung, auf der sich Flüchtlinge aus der ganzen Welt vernetzen und gegenseitig beraten. Ahmad Edilbi lebt heute dank eines Stipendiums in Kanada. Sein Heimatland gehört zu den traurigen Fällen, in denen die Zivilgesellschaft immer mehr verschwindet. Viele sind weg gegangen, wer bleibt, wird von der Regierung kontrolliert. Deshalb will er von seiner neuen Heimat aus versuchen zu helfen. «Wir müssen Menschen mit Problemen mit denjenigen zusammenbringen, die Lösungen dazu haben», sagt er, als wäre es ein Kinderspiel.

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Nach drei intensiven Tagen in der Dorfidylle fuhren die Teilnehmerinnen in Richtung Hauptstadt. «In Berlin konnten sie ihre konkreten politischen Forderungen vorbringen», erklärt Michael Gleich den zweiten Teil des Gipfels. Am Donnerstag beim Unterausschuss für zivile Krisenprävention des Bundestags, am Freitag beim Auswärtigen Amt, das die Konferenz finanziell mitträgt und bei den Visa-Anträgen geholfen hat. Sie trafen auf Politiker von konservativ bis links und erzählten von ihren Schwierigkeiten und den Lösungen, die sie dazu gefunden haben. Forderungen haben sie genug, allen voran: Passt eure Politik unseren Realitäten an, nehmt uns wahr, erkundigt euch nach unseren Bedürfnissen. Dabei betonten sie einen zentralen Konflikt: Anders als Entwicklungs- oder humanitäre Hilfe braucht Friedensarbeit Zeit; langfristiges Denken ist ihre Basis. Förderer verlangen jedoch bereits nach wenigen Monaten Resultate. «Ein Brunnen ist eben schneller gebaut als tiefliegende Feindseligkeiten aufgelöst», sagte eine Teilnehmerin. Schließlich fragten sie nach Unterstützung für ihre neu gegründete Koalition, die zu einer globalen Friedensbewegung werden soll. Nächstes Jahr wollen sie sich wieder treffen. «Der Gipfel liegt nun in ihren Händen», sagt Michael Gleich, der sich bereit erklärte, mit der Culture Counts Foundation erneut die Organisation zu übernehmen. Die Chancen stehen gut, immerhin hat Rüdiger König, Leiter der Abteilung für Krisenprävention des Auswärtigen Amts, in der Abschlussrede seine Unterstützung angekündigt. Bis es soweit ist, haben sich die Teilnehmerinnen bereits selbst vernetzt: Zum Beispiel will eine Somalierin von Fatuma Adans Fußballprojekt lernen und in ihrer Heimat ebenfalls eines aufziehen. Fatuma Adan wiederum will souveräner in den Medien auftreten und erhält von Radiomacher Landry Nintereste einige Lektionen in Interviewführung. So wollen sie ihre Vision, die sie in der Woche formulierten, sogleich in die Tat umsetzen: Gemeinsam auf lokaler Ebene für den globalen Frieden arbeiten. «Gebt uns eine Stimme», sagte Fatuma Adan vor dem Unterausschuss des Bundestages. «Dann werden wir irgendwann so laut werden, dass man gar nicht mehr anders kann, als uns zuzuhören.» Wer die neu gegründete Friedenskoalition unterstützen will kann das mit einer Spende tun: Culture Counts Foundation, Volksbank Stuttgart, DE83 6009 0100 0349 5120 00, BICC: VOBADESS

Bild 1: Sri Lanka, Pakistan und Nigeria im Dialog in Paretz. Bild 2: Sima Samar aus Afghanistan (mitte) und Fatuma Adan. Die Auszeit in dem friedlichen Dorf beschreiben sie als eine heilende Erfahrung. Bild 3: Der Initiator Michael Gleich überliess den Auftritt im Bundestag ganz den Friedensstiftern. Bild 4: Von nun an wollen sie sich an den Händen halten: Abschied der Friedensstiftern beim auswärtigen Amt. Fotos: Eric Vazzoler

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