Hartz IV

Alte Länder, inkl. Berlin. Neue Länder. Werdende Mütter. 58 €. (17% der RL) ...... Arbeitssuchende können über das Job-Center die folgenden Leistungen in ...
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52 AUG 2004

Hartz IV Informationen – Fragen - Antworten

Impressum

Herausgeberin

Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin http: // www.gruene-fraktion.de

Verantwortlich

Dr. Thea Dückert MdB Arbeitsmarktpolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin eMail: [email protected]

Redaktion

Michael Schröter wissenschaftlicher Mitarbeiter Büro Thea Dückert MdB Dr. Arne Baumann Referent für Arbeitsmarktpolitik

Bezug

Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Info-Dienst Platz der Republik 1 11011 Berlin Fax: 030 / 227 56566 eMail: [email protected]

Schutzgebühr

€ 1,50

Redaktionsschluss

August 2004

Hartz IV - Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen - 08/2004

Inhalt Vorwort............................................................................................................3 Interview zum Arbeitslosengeld II: 11 Fragen an Thea Dückert.................................5 Hartz IV und ALG II: Politische Bewertung der Reform ............................................9 Arbeitslosengeld II: Zentrale Fragen für die AntragstellerInnen.............................. 13 Wie viel Geld bekomme ich als zukünftiger ALG II Empfänger? ............................ 13 Zu welchem Zeitpunkt wird die Leistung ausgezahlt?......................................... 15 Hintergrund ................................................................................................ 15 Wie ist die Regelung zu den Unterkunftskosten?............................................... 15 Welche Förderangebote stehen den ALG II Empfängern in Zukunft zur Verfügung? ............................................................................................ 16 Welche Arbeit ist zumutbar? .......................................................................... 18 Wer muss für wen Unterhalt leisten, wenn das neue Recht in Kraft tritt?.............. 19 Welche Freibeträge gelten für eigenes Vermögen und das des Partners? ............... 20 Welche Freibeträge gelten für eigenes Einkommen und das des Partners und welche Zuverdienste bleiben anrechnunsgfrei? ........................................... 21 Arbeitslosengeld II: Auswirkungen auf bisherige BezieherInnen von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, Ostdeutschland und die Kommunen .......................... 23 Welche Auswirkungen hat die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf vorherige BezieherInnen von Arbeitslosen- und Sozialhilfe? .......... 23 Welche Auswirkungen hat die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf Ost- und Westdeutschland und auf die Kommunen? ................ 24 Vergleich Ost / West..................................................................................... 24 Entlastungen für die Kommunen..................................................................... 27 Perspektiven für Ostdeutschland..................................................................... 28 Arbeitslosengeld II: Forderungen der Union ........................................................ 29 Arbeitslosengeld II: Lexikalischer Kurzüberblick ................................................... 33

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Vorwort Das neue Arbeitslosengeld II (ALG II) löst am 01.01.05 die bisher getrennten Leistungen der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe ab. An ihre Stelle tritt eine Grundsicherung für Langzeitarbeitslose, die die Aufnahme von Beschäftigung fördert. Damit gehen wir einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur grünen Grundsicherung. Arbeitslosenhilfe war nie eine Versicherungsleistung. Sozial- und Arbeitslosenhilfe sind steuerfinanzierte Fürsorgeleistungen, die völlig unterschiedlich ausgestaltet sind. Während die Arbeitslosenhilfe am vormaligen Erwerbseinkommen ausgerichtet ist, stellt die Sozialhilfe die Bedarfsdeckung sicher. Wo Arbeitslosenhilfeempfänger Zugang zu den Leistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik der Bundesagentur für Arbeit (BA) haben, waren Sozialhilfeempfänger bisher vom Instrumentarium der BA ausgeschlossen. Mit der Einführung des ALG II steht endlich die Integration in den Arbeitsmarkt im Mittelpunkt. In einer Zeit, in der Erwerbsbiographien der Vielfalt der Lebensentwürfe folgen, können die sozialen Sicherungssysteme nicht dieselben bleiben. Die Absicherung der Risiken muss neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnen und Brücken in Beschäftigung bauen. Sie muss zuverlässig funktionieren und für ausnahmslos alle Erwerbsfähigen da sein. Sie kann aber nicht dauerhaftes Ersatzeinkommen sein. Das ALG II bietet ein zuverlässiges Auffangnetz, das das Existenzminimum sichert. Durch Beiträge an die gesetzliche Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung ist gewährleistet, dass Phasen der Erwerbslosigkeit nicht zu Ausfällen in anderen Sicherungssystemen führen. Die Absicherung des vormaligen Lebensstandards kann und wird das ALG II jedoch nicht erreichen. Anders als in den Plänen der Union, garantiert das ALG II die Bedarfsdeckung. Wir teilen nicht die Grundannahme der Union, dass Arbeitslose durch Senkung der Leistung unter das Existenzminimum zur Aufnahme von Arbeit gezwungen werden müssen. Stattdessen intensivieren wir die Anstrengungen, gemeinsam mit den Betroffenen Wege zurück in die Erwerbstätigkeit zu finden. Dafür wird die Beratung nach dem modernen Fallmanagement neu gestaltet. Ein Fallmanager wird sich auf 75 bis 150 Fälle konzentrieren können, statt bisher auf 350 bis 800. Eine von Betreuer und Betroffenem gemeinsam erstellte Eingliederungsvereinbarung legt Schritte fest, mit denen in den nächsten sechs Monaten die Integration in den Arbeitsmarkt gefördert wird. Die Förderung für bisherige Sozial- und Arbeitslosenhilfebezieher im ALG II umfasst einerseits die Instrumente der Arbeitsförderung der BA (z.B. Lohnkostenzuschüsse für die Förderung der Arbeitsaufnahme; Förderung beruflicher Fortbildung; Förderung von Existenzgründung).

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Ergänzt werden diese Förderinstrumente durch Angebote, die bisher vor allem auf kommunaler Ebene im Bereich der Sozialhilfe existierten. Durch die Bereitstellung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten leistet das ALG II einen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und verringert das Armutsrisiko für Alleinerziehende und Familien. Mit Hilfe von Schuldner- oder Drogenberatungen können lähmende Problemlagen angegangen und ein Neustart möglich gemacht werden. Der neue Kinderzuschlag soll gering Verdienende davor schützen, in die Abhängigkeit des Sozialtransfers zu rutschen, nur weil sie Kinder haben. Zukunftsweisende kommunale Beschäftigungsprojekte werden fortgeführt und ausgebaut. Kommunale Beschäftigungsgesellschaften schlagen Brücken für Langzeitarbeitslose, in dem sie geförderte Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, die vor Ort gebraucht werden und sinnvoll sind – z.B. Fahr- und Pflegedienste. Durch die Qualifizierung und die Nähe zum Arbeitsmarkt wird den Teilnehmern darüber hinaus der Schritt zurück in die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung erleichtert. Für mehr Arbeitsplätze ist ein Gesamtansatz von Wirtschafts-, Innovations- und Bildungspolitik sowie Sozialreformen zur Senkung der Lohnnebenkosten nötig. Die HartzGesetze leisten dazu einen Beitrag. Es bestehen noch zahlreiche Informationsdefizite und Unsicherheiten. Deshalb haben wir in der Bundestagsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen wichtige Informationen zu den Leistungen nach dem SGB II, den Integrationsangeboten und der Verteilung der Empfänger auf Ost- und Westdeutschland zusammengestellt. Berlin im August 2004 Dr. Thea Dückert MdB Arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

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Interview zum Arbeitslosengeld II: 11 Fragen an Thea Dückert Thea Dückert ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und arbeitsmarktpolitische Sprecherin. ? Ich habe, wie es die Regierung gefordert hat, eine private Altersvorsorge abgeschlossen. Muss ich die jetzt aufgeben, damit ich ALG II bekomme? ! Die Riester-Rente ist in vollem Umfang vor der Anrechnung geschützt. Für sonstige Formen der privaten Vorsorge gilt ein Freibetrag von 200 € pro Lebensjahr. Dazu kommt ein Vermögensfreibetrag von 200 € pro Lebensjahr, der auch für die private Altersvorsorge verwandt werden kann. Eine 40-jährige könnte also z.B. 16.000 € in einer Lebensversicherung halten sowie zusätzlich ihre abgeschlossene Riester-Rente. Im Vergleich zur bisherigen Arbeitslosenhilfe wurden die Freibeträge mit dieser Neuregelung verdoppelt. ? Warum bleibt denn nicht alles wie bisher? Jetzt wird doch alles noch schlechter! ! Bisher waren SozialhilfeempfängerInnen von den Leistungen des Arbeitsamtes ausgeschlossen. Wer hingegen einmal in seinem Leben für 12 Monate sozialversichert war, bekam bis zur Rente 53% seines Nettolohnes als Arbeitslosenhilfe. Wer 2.000 € verdient hatte kam also ein Leben lang auf 1060 €, während eine Sozialhilfeempfängerin nur rund 650 € bekam. Es gab Langzeiterwerbslose 1. und 2. Klasse, obwohl beide Leistungen aus der Steuer, nicht aus der Arbeitslosenversicherung gezahlt wurden – auch Arbeitslosenhilfe war keine Versicherungsleistung. Die Arbeitslosenhilfeempfängerin bekam die volle Förderung vom Arbeitsamt, die Sozialhilfeempfängerin nicht. Für die Arbeitslosenhilfeempfängerin wurden Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt, für die Sozialhilfeempfängerin nicht. Die Sozialämter konnten durch Maßnahmen, die über 12 Monate gingen, ihre KlientInnen ans Arbeitsamt durchreichen – ohne dabei die Erwerbslosigkeit zu beenden. Das ist nun nicht mehr möglich. Die Verschiebebahnhöfe werden geschlossen. Zukünftig gibt es eine Leistung aus einer Hand. Alle Erwerbslosen werden durch Arbeitsämter und Kommunen gemeinsam betreut. Alle Langzeiterwerbslosen werden sozialversichert und haben Anspruch auf aktive Fördermaßnahmen. ? Wem nutzt das eigentlich? Im Osten niemanden!!! Uns wird doch noch der letzte Cent aus der Tasche gezogen! ! Im Osten wie im Westen sind rund 3% der Bevölkerung SozialhilfeempfängerInnen. Während im Westen allerdings auch viele Ältere in der Sozialhilfe sind, z.B. wegen niedriger Renten, ist im Osten die Sozialhilfe ein Problem der nach 1974 geborenen jungen Menschen. In der DDR gab es offizielle keine Arbeitslosen. Würden die 3% SozialhilfeempfängerInnen weiterhin von den Leistungen des Arbeitsamtes ausgegrenzt werden, würde gerade im Osten damit die junge Generation ins Abseits gestellt. Die Einsparungen aus Hartz IV werden an den Osten und an die Kommunen weitergegeben: 2,5 Mrd. erhalten die Kommunen, 0,8 Mrd. die neuen Bundesländer. In der Arbeitsmarktpolitik werden in Ostdeutschland Schwerpunkte gesetzt. Während Ostdeutschland 38% der Arbeitslosengeld (1) – EmpfängerInnen aufweist, werden hier 52% des Eingliederungstitels investiert, um eine weitere Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern. 38% des Integrationsbudgets für die ALG-IIBezieherInnen werden in Ostdeutschland ausgegeben – bei 36% der ALG-IIBezieherInnen. Das Integrationsbudget umfasst die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik.

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? Es kann doch nicht sein, dass meine Kinder wegen ein paar Euro auf dem Konto kein Geld bekommen sollen! Und muss ich jetzt etwa auch die Ausbildungsversicherung für meine Kinder auflösen? ! In der Sozialhilfe mussten bisher Sparbücher oberhalb von 256 € bei Kindern aufgelöst werden. Nach einem Vorschlag des Wirtschaftsministeriums sollten es 750 € sein. Das wären bereits 500 € mehr als in der Sozialhilfe gewesen. Die Union wollte den Freibetrag komplett streichen. Bündnis 90/Die Grünen haben sich dafür eingesetzt, dass der Vermögens-Freibetrag für Kinder deutlich erhöht wird. Am 11.08. hat die Koalition sich darauf geeinigt, auch für Kinder unter 15 Jahren den Mindest-Vermögensfreibetrag von 4.100 € gelten zu lassen. ? Muss ich meine Datsche und mein Auto verkaufen, um ALG II zu bekommen? ! Jede Leistungsbezieherin darf – anders als vorher in der Sozialhilfe - ein angemessenes Auto behalten. Also muss niemand um seinen normalen Mittelklassewagen fürchten. Datschen könnten dann zum Vermögen gezählt werden, wenn sie der Leistungsbezieherin gehören. Allerdings hätten die Kommunen und die Länder freie Hand, sie als selbst genutztes Wohneigentum zu definieren, wenn Datschen zum Wohneigentum gezählt würden. Das Wirtschaftsministerium wird keine Rechtsverordnung über Wohnraum erlassen, da hier die bisherigen Träger der Sozialhilfe zuständig sind. Wir schlagen vor, dass Kommunen und Länder auch die Frage der Datschen selbst regeln können und das Wirtschaftsministerium ihnen hierfür freie Hand lässt. ? Muss ich jede Arbeit annehmen, auch wenn es nur 1 – 2 Euro pro Stunde gibt? ! ALG-II-BezieherInnen müssen jede Arbeit dann annehmen, wenn sie nicht sittenwidrig ist. Nach der geltenden Rechtsprechung ist das dann nicht mehr der Fall, wenn die Arbeit bis zu 30 % schlechter bezahlt ist als nach Tarif vorgesehen. Jobs mit Mehraufwandsentschädigung von 1-2 € müssen dann angenommen werden, wenn sie im Rahmen einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme z.B. durch eine kommunale Beschäftigungsgesellschaft angeboten werden. ? Gibt es noch ABM – Maßnahmen, Weiterbildungen und Umschulungen über Arbeitsamt wie bisher? ! Für die bisherigen Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen stehen nach wie vor ABM, Weiterbildungen und Umschulungen offen. Neu ist, dass nun auch bisherige SozialhilfeempfängerInnen von diesen Maßnahmen profitieren können. ? Muss ich in eine kleinere Wohnung umziehen, weil ich mir die Miete jetzt nicht mehr leisten kann? ! Wer eine angemessene Wohnung bewohnt oder besitzt, muss nicht umziehen. Für die Festlegung von Obergrenzen sind die Kommunen und Länder zuständig. Im bundesweiten Durchschnitt gilt eine Wohnung von 45 – 50 m² für eine Person als angemessen, für 2 Personen von 60 m². Für jede weitere Person können im Schnitt 15 m² geltend gemacht werden. Das sind Orientierungswerte – geprüft wird wie bisher vor Ort. Zu Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld II wird in den ersten 6 Monaten die alte Wohnung nicht angetastet. Danach wird dem Einzelfall entsprechend entschieden. Hierfür haben die JobCenter breite Ermessensspielräume. Nach den bisherigen Erfahrungen leben die Anspruchsberechtigten zum großen Teil in angemessenen Wohnungen. ? Wovon soll ich denn im Januar leben, wenn es erst im Februar Geld gibt?

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! Nach dem geltenden Sozialrecht (SGB III) sind die Zahlung von Arbeitslosenhilfe oder vorherigem Gehalt am Monatsende zurückwirkend für den jeweiligen Monat bestimmt. Die Dezemberzahlung gilt also für Dezember und nicht für den Januar gleich mit. Wir haben den Clementvorschlag deshalb nicht akzeptiert. Am 11.08. hat sich die Koalition darauf geeinigt, dass alle ALG-II-BezieherInnen auch im Januar ihre Leistung bekommen. ? Wovon soll ich meine Versicherungen weiter bezahlen (Lebensversicherung, Unfallversicherung, Rechtsschutz...)? ! Sobald eine ALG-II-Bezieherin zusätzlich zum ALG II einen Job annimmt, gelten für Versicherungen zusätzliche Freibeträge. Ansonsten müssen Versicherungen aus dem pauschalierten Bedarfssatz gezahlt werden. ? Meine Tochter hat gerade die Schule beendet, keinen Ausbildungsplatz bekommen und ist schwanger. Wovon soll sie denn jetzt leben, wenn sie noch nie gearbeitet hat? Bekommt sie noch irgendwelche Unterstützung? Sobald eine Frau schwanger wird, hat sie Anspruch auf den vollen Leistungssatz. Ihre Tochter hätte also Anspruch auf 345 € West bzw. 331 € Ost, ihre eigenen Wohnkosten, einen einmaligen Zuschuss für die Erstausstattung des Babys sowie einen Zuschuss für Schwangere in Höhe von 58 € West bzw. 56 € Ost. Dieser Anspruch besteht unabhängig vom Einkommen und Vermögen der eigenen Eltern. Nach der Geburt würde Ihre Tochter einen weiteren Zuschuss für Alleinerziehende in Höhe von 124 € West bzw. 119 € Ost bekommen. Das Kind hätte dann zudem einen eigenen Leistungsanspruch von 207 bzw. 199 €. Auch diese Ansprüche gelten unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Eltern der jungen Mutter.

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Hartz IV und ALG II: Politische Bewertung der Reform Die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zum zukünftigen Arbeitslosengeld II ist seit Dezember 2003 beschlossen. Mit dem vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt haben wir alle Regelungen verabschiedet, die für ein gutes Funktionieren der neuen Leistung notwendig sind. Das Ziel der Reform ist die Integration von Arbeitslosen- und SozialhilfeempfängerInnen in den Arbeitsmarkt – durch den Aufbau einer steuerfinanzierten Leistung für beide Gruppen. Statt der alten Verschiebebahnhöfe gibt es nun Hilfe aus einer Hand. Für die konkrete Umsetzung vor Ort und die Gründung von Arbeitsgemeinschaften brauchen wir den gemeinsamen Gestaltungswillen und die konzentrierte Zusammenarbeit der Kommunen und örtlichen Agenturen für Arbeit. Im Mittelpunkt der Vorbereitungen muss jetzt stehen, dass die Auszahlung der Leistung, die Betreuung der Langzeitarbeitslosen die Programme zur Integration in den Arbeitsmarkt in der Anfangsphase möglichst reibungslos laufen. Die Zusammenführung der beiden steuerfinanzierten Leistungen für Langzeitarbeitslose in eine neue gemeinsame Leistung wurde von Politik und Wissenschaft schon lange gefordert. Die konkrete Umsetzung im Arbeitslosengeld II ist in allen Details ein Ergebnis des Vermittlungsausschusses, ein Kompromiss also. Die Union hat zugestimmt und trotzdem polemisiert sie auf allen Ebenen gegen die zweifellos schwierige Umsetzung. Das ist an vielen Punkten heuchlerisch. Denn es war die Union, die im Vermittlungsausschuss die Leistung bis zu einem Drittel senken wollten, die Sanktion bis zu kompletten Leistungsstreichung verschärfen wollte, die eine weitere Verbesserung der Zuverdienstmöglichkeiten verhindert und die ein Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen erzwungen hat. Und es ist eine politisch verantwortungslose Kampagne – weil mit falschen Argumenten Ängste, Unsicherheiten und Chaos erschürt werden. Die Union hatte die Einigung über das Optionsgesetz im Bundesrat bis zum Juli verzögert. Das Optionsgesetz enthält zentrale Regelungen für die Einführung des Arbeitslosengeld II und der Job-Center wie Ausgestaltung der kommunalen Entlastung, Datenabgleich zwischen Sozialhilfeträgern und Arbeitsagenturen sowie die Übergangsregelungen für die kommunalen Beschäftigungsträger. Der jetzt bestehende Zeitdruck war Teil der Unionsstrategie. Die Zusammenlegung ist eines der größten Reformprojekte der Bundesrepublik. Sie betrifft viele Menschen und berührt viele Bereiche des öffentlichen Lebens, angefangen von den Hilfeempfängern über die freien Träger von sozialen und arbeitsmarktpolitischen Programmen und Angeboten, bis hin zu den Kommunen und den Arbeitsagenturen. Allen verlangt diese Reform viel Engagement und Initiative ab. Die Union hatte sich 16 Jahre lang davor gedrückt, diese Aufgabe anzupacken. Mit durchsichtigem Grund: Hier sind keine einfachen Erfolge auf dem Silbertablett zu haben, sondern viel Mut, Feinarbeit und Gestaltungswillen erforderlich. Die Umsetzung der Reform wird wegen der Größe des Projekts Lernbereitschaft und Offenheit von Bund, Kommunen und Bundesagentur verlangen, um Verbesserungen und Feinabstimmungen vor dem 01.01.2005 wie danach zu ermöglichen. Gegenteilige Behauptungen wären nicht ehrlich. Die Zusammenlegung kann nicht bis ins letzte Detail durch Gesetzgeber und Bundesregierung am Schreibtisch geplant und dann detailgetreu in die Praxis umgesetzt werden. Deshalb haben wir von Anfang an klargemacht: Wir wollen mehr Dezentralität in der aktiven Arbeitsmarktpolitik, denn vor Ort kann am besten reagiert werden. Deshalb müssen die grundsätzlichen Ent-

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scheidungen des Gesetzgebers vor Ort mit Leben gefüllt werden, insbesondere durch die Gründung von Arbeitsgemeinschaften und deren praktisches Wirken. Die verbleibende Zeit muss deshalb für intensive Vorbereitungen vor Ort genutzt werden. Bündnis 90 / Die Grünen werten das Dritte und Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt als wichtigen und unerlässlichen Reformschritt. Mit Hartz IV ist sichergestellt, dass •

die Hilfe für alle Langzeitarbeitslose aus einer Hand in den Job-Centern erfolgt.



die Leistungen pauschaliert werden und LeistungsbezieherInnen nicht mehr um jeden Küchenstuhl kämpfen müssen.



eine aktivierende Grundsicherung für alle bedürftigen Erwerbslosen geschaffen wird.



alle Erwerbslosen einen Zugang zu Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik haben.



für die Erwerbslosen im ALG-II-Bezug Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 78 bzw. 125 € gezahlt werden.



das gesetzlich geförderte Altersvermögen besser vor Anrechnung geschützt wird.



durch einen Kinderzuschlag von bis zu 140 € Familien mit geringem Erwerbseinkommen vor dem Abrutschen in den Sozialleistungsbezug bewahrt werden.

Allerdings haben wir in den Verhandlungen mit der SPD und in den Sitzungen des Vermittlungsausschusses mit der Union einige bittere Pillen schlucken müssen: Durch die verschärfte Anrechnung des Partnereinkommens werden viele vorherige ArbeitslosenhilfebezieherInnen, besonders Frauen, keinen eigenständigen Leistungsanspruch mehr haben. Durch die verschärften Regelungen zur Zumutbarkeit, die die Union durchgesetzt hat, gilt nun jede Arbeit als zumutbar – wobei Lohndumping an der Rechtsprechung und dem BGB seine Grenze findet. Durch die zu geringen Freibeträge bei der Altersvorsorge müssen viele Betroffene große Teile ihrer Privatrenten und Lebensversicherungen auflösen. Wir haben dagegen ein individuelles Altersvorsorgekonto gefordert, nach dem 3.000 € pro Lebensjahr steuerfrei zurückgelegt– und beim Bezug von Sozialleistungen eingefroren werden können. Genauso wenig sinnvoll wie die Auflösung von Lebensversicherungen ist die Auflösung von Ausbildungsversicherungen bei Kindern. Wir sind dafür eingetreten, hier bei der Formulierung der Verordnung zur Einkommensanrechnung durch das Ministerium großzügige Regelungen zu finden. Am 11.08. hat sich die Koalition darauf geeinigt, nunmehr auch für Kinder den Mindest-Vermögensfreibetrag von 4.100 € gelten zu lassen. Bisher sollten Kinder lediglich einen Freibetrag von 750 € haben. Die Regelungen zum Zuverdienst sind zu restriktiv und liegen bei einem Einkommen unter 800 € unter den Sätzen der bisherigen Sozialhilfe. Wir fordern dagegen: bis zu 400 € muss jeder zweite Euro anrechnungsfrei bleiben. Die Einsparungen aus der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe werden zur deutlichen Entlastung der Kommunen in Höhe von 2,5 Mrd. genutzt. Damit haben die Kommunen neue Freiräume, um in Kinderbetreuung zu investieren. Jetzt liegt es

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an den Kommunen, für den Abbau der Frauenerwerbslosigkeit zu sorgen. Sie steht mit dem Fehlen von Kinderbetreuungsplätzen in Deutschland in einem direkten Zusammenhang. Die Union wollte Hartz 4 (Job-Center und Arbeitslosengeld II) im Vermittlungsausschuss blockieren. Durch das Existenzgrundlagengesetz (EGG), das die Union unter Federführung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch als Alternative zum rot-grünen Gesetz vorgelegt hatte, zog sich die soziale Schieflage wie ein schwarzer Faden: Die Leistungen sollten um ein Drittel niedriger angesetzt und mit schärferen Sanktionen (bis zur völligen Streichung) flankiert werden. •

Unterhaltspflicht zwischen erwachsenen Eltern und Kindern



keine Beiträge zur Rentenversicherung



keine verbindliche Krankenversicherungs-Mitgliedschaft



Leistungen unterhalb des bisherigen Sozialhilfesatzes



Einführung eines flächendeckenden Niedriglohnsektors mit Lohndumping



Extreme Finanzbelastungen für die Kommunen und den Bund

Im Ergebnis ist der Blockadekurs von Roland Koch gescheitert. Auch die Union konnte sich letzten Endes der Erkenntnis nicht verschließen: Die Hartz-Gesetze sind die richtigen Gesetze zum richtigen Zeitpunkt: für die Erwerbslosen und für weniger Langzeitarbeitslosigkeit. Wir haben jetzt die richtigen Werkzeuge an der Hand, um Bewegung in der Wirtschaft in Bewegung am Arbeitsmarkt umsetzen zu können. In den neuen Bundesländern macht die PDS flächendeckend Wahlkampf mit der Ablehnung von Hartz IV. Im Westen gründen sich verschiedenen Formen von „Wahlalternativen“, die mit der PDS das gemeinsame Ziel eint: weg mit Hartz IV, Wiederherstellung des status quo ante. Das Hauptargument der Hartz-GegnerInnen ist, hier würde bei den Ärmsten gekürzt. Diese Argumentation ist falsch. Die Hartz-Reform bedeutet Einschnitte für die vormaligen ArbeitslosenhilfebezieherInnen und Verbesserungen für die vormaligen SozialhilfeempfängerInnen. Wer in seinem Leben mindestens einmal 12 Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, bekam sein Leben lang mindestens 53 % des durchschnittlichen Nettolohns als Arbeitslosenhilfe. Im Klartext: wer 2000 € netto verdient hatte, bekam bis zur Rente 1060 €, während SozialhilfeempfängerInnen mit durchschnittlich 648 € auskommen mussten. Beide Leistungen waren jedoch steuerfinanziert, d.h. keine Versicherungsleistungen. Für all diejenigen, die noch nie einen längeren Einstieg ins Arbeitsleben gefunden hatten und auf Sozialhilfe angewiesen waren, bedeutete dies: keine arbeitsmarktpolitischen Leistungen vom Arbeitsamt, Einzelanträge für jeden einzelnen Bedarf, d.h. für jeden Küchenstuhl und Wintermantel, volle Anrechnung des Einkommens der Eltern, egal wie alt man wurde, kein Anrecht darauf, sein Auto behalten zu können, Anrechnung der Ersparnisse des eigenen Kindes oberhalb von 256 €, kein Beitrag für Rentenversicherung und Krankenkasse etc. Diese Aufspaltung der Langzeitarbeitslosen ist ungerecht. In Westdeutschland sind 43 % der zukünftigen ALG-II-BezieherInnen vormalige SozialhilfebezieherInnen. In Ostdeutschland ist der Anteil dieser an den zukünftigen ALG-II-BezieherInnen niedriger. Aber: im Verhältnis zur Bevölkerungszahl gibt es hier fast genauso viel SozialhilfeHartz IV - Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen - 08/2004

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empfängerInnen – Tendenz steigend. Und: hier ist es vor allem die junge Generation, die ausgegrenzt wurde. Aufgrund der stabilen Berufsbiografien in der DDR wurden die jungen Menschen erst ab Jahrgang 1974 mit einer Situation konfrontiert, in der sie es gar nicht erst in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung geschafft haben. Die 3 Mrd. €, die bisher für die Lebensstandardsicherung in der Arbeitslosenhilfe eingesetzt worden waren und nun eingespart werden, gehen zum Großteil an die klammen Kommunen: zur Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge und zum Ausbau der Kinderbetreuung. Neben 2,5 Mrd. Entlastung für die Kommunen bekommt der Osten zusätzlich 0,8 Mrd. € Hilfen. Und: aus der Gemeindefinanzreform erhalten die Kommunen bis 2007 schrittweise jährlich weitere 7,2 Mrd. Wer den status quo ante sichern will, dem fehlt für die 2,5 Mrd. € an die Kommunen und 0,8 Mrd. € Strukturhilfen für den Osten die Gegenfinanzierung. Die Politik muss sich entscheiden: will sie strukturelle Verbesserungen in den Mittelpunkt stellen oder die Lebensstandardssicherung ehemaliger ArbeitslosengeldBezieherInnen? Es spricht vieles dafür, die erste Alternative zu wählen. Und das ist auch und gerade im Sinne der SozialhilfeempfängerInnen. Denn: sie bekommen nun die vollen arbeitsmarktpolitischen Leistungen, brauchen nicht mehr jeden Küchenstuhl einzeln beantragen sondern bekommen Pauschalen, müssen nicht mehr bei ihren Eltern betteln gehen, dürfen ihr Auto behalten, dürfen mit insgesamt 4850 € ihren Kindern fast 4600 € mehr Ersparnisse belassen und werden in der Krankenkasse und Rentenversicherung Mitglied.

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Arbeitslosengeld II: Zentrale Fragen für die AntragstellerInnen Wie viel Geld bekomme ich als zukünftiger ALG II Empfänger? Das Arbeitslosengeld II bietet ein zuverlässiges Auffangnetz, das das Existenzminimum sichert. Durch Beiträge an die gesetzliche Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung ist gewährleistet, dass Phasen der Erwerbslosigkeit nicht zu Ausfällen in den anderen sozialen Sicherungssystemen führen. Die Absicherung des vormaligen Lebensstandards bei Erwerbstätigkeit kann und wird das Arbeitslosengeld II jedoch nicht erreichen. Auch bei Arbeitslosengeldbeziehern wird nach Ablauf ihres Arbeitslosengeldbezugs und einem weiteren, zweijährigen Übergangszeitraum die Bedarfsdeckung zum gültigen Prinzip. Die Leistungen werden nur dann kostenfrei erbracht, wenn die Leistungsbezieher/in über ein Girokonto verfügt. Ansonsten erfolgt die Gutschrift über eine „Zahlungsanweisung zur Verrechnung“, die bei den Banken gebührenpflichtig ist. Bündnis 90 / Die Grünen fordern an diesem Punkt Verbesserungen, da er diejenigen betrifft, die Schwierigkeiten bei der Einrichtung eines Bankkontos haben. Die folgenden Tabellen geben einen Überblick über die Höhe der Leistungen: Höhe der Regelleistung im SGB II (§ 20 SGB II): Empfänger

Alleinstehend/Alleinerziehend

Bedarfsgemeinschaft

volljährige Partner Kind ab Alter von 15 bis 18 Kind bis Alter von 14 Sonstige Personen in der Bedarfsgemeinschaft

Alte Länder, inkl. Berlin

Neue Länder

345 €

331 €

(RL)

(RL)

311 €

298 €

(90% der RL)

(90% der RL)

276 €

265 €

(80% RL)

(80% RL)

207 €

199 €

(60% RL)

(60% RL)

276 €

265 €

(80% RL)

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Zuschläge/Mehrbedarfe (§§ 21,24 SGB II): Empfänger

Alte Länder, inkl. Berlin

Neue Länder

58 €

56 €

(17% der RL)

(17% der RL)

124 € pauschal oder 41 € pro Kind, max. 207 € insges.

119 € pauschal oder 39 € pro Kind, max. 199 € insges.

120 €

115 €

(35% RL)

(35% RL)

Medizinische Ernährung

Mehrbedarf in angemessener Höhe

Mehrbedarf in angemessener Höhe

Für 2 Jahre nach Bezug von Arbeitslosengeld

2/3 der Differenz zwischen ALG und ALG II, nach 12 Monaten 50% davon, maximal 160 € für Single bzw. 320 € für verheiratete

2/3 der Differenz zwischen ALG und ALG II, nach 12 Monaten 50% davon, maximal 160 € für Single bzw. 320 € für verheiratete

Werdende Mütter

Alleinerziehende Behinderte mit Leistungen nach § 33 SGB XII

Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II; Berechnungen des BMWA für 2005): Empfänger

Durchschnittliche Bruttowarmmiete1

ehemalige Bezieher AlHi

379 €

ehemalige Bezieher HLU

353 €

Beispiele (West)2: Beispiel 1: Paar mit 2 Kindern:

Beispiel 2: Alleinerziehende mit 2 Kindern:

Paar: 622 € ,

Alleinerziehende: 345 €

2 Kinder (12 und 16): 483 €,

2 Kinder (unter 15): 414 €; Zuschlag: 124 €;

Unterbringungskosten (ehemals HLU): 353 €

Unterbringungskosten (ehemals HLU): 353 €

Gesamt: 1.458 €

Gesamt: 1.236 €

§ 22 SGB II regelt, dass Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen getragen werden, soweit angemessen. Hier sind lediglich die errechneten Durchschnittswerte angegeben.

1

2

Nicht eingeschlossen in die Beispielsrechnungen sind einmalige Leistungen nach § 24 SGB II, insbesondere für Erstausstattung der Wohnung und für Bekleidung sowie Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten, die pauschaliert oder in tatsächlicher Höhe erbracht werden. Auch nicht eingeschlossen sind etwaige Zuverdienstfreibeträge nach § 30 SGB II. Nicht aufgeführt sind außerdem die Beiträge zu den Sozialversicherungskassen. Ebenfalls unberücksichtigt blieb das Kindergeld.

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Diverse Fallbeispiele zur Höhe der neuen Leistung hat das Wirtschaftsministerium in einer Broschüre zusammengestellt, die unter www.bmwa.bund.de/Navigation/arbeit,did=38430 herunter geladen werden kann. Zu welchem Zeitpunkt wird die Leistung ausgezahlt? Die vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagene Verschiebung der ersten Auszahlung des ALG II für vormalige Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen auf den 01. Februar hat für starken Unmut gesorgt. Bündnis 90/Die Grünen hatten dieses Ansinnen scharf kritisiert und in der Koalition deutlich gemacht, dass sie dieses Vorhaben nicht mittragen können. Die Koalition hat sich nun im Spitzengespräch am 11.08. Unklarheiten wegen des erstmaligen Auszahlungstermins von ALG II für vormalige Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen sind ausgeräumt. Das ALG II wird für alle Anfang Januar ausgezahlt. Diese und eine Änderung beim Kinderfreibetrag wird von der Koalition jetzt in ein Gesetz gegossen, das nach dem Ende der Sommerpause im Bundestag verhandelt wird. Hintergrund Das Ministerium plante eine Verordnung, nach der Einnahmen, die in den letzten fünf Kalendertagen eines Monats dem Betroffenen zufließen, dem Folgemonat zuzurechnen sind. Damit sollte eine Harmonisierung der Auszahlungszeitpunkte zwischen bisherigen Arbeitslosenhilfebeziehern und Sozialhilfebeziehern in der Übergangssituation zum 01.01.2005 erreicht werden. Die Arbeitslosenhilfe für Dezember 2004 würde dem Januar 2005 zugerechnet werden. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II entstünde für bisherige Arbeitslosenhilfebezieher damit in der Regel erst im Februar 2005. Die in Höhe einer Monatszahlung anfallenden Einsparungen für die öffentlichen Haushalte in 2005 bezifferte das Wirtschaftsministerium mit 1,9 Mrd. €. Eine entsprechende oder auch nur ähnliche Regelung zur „Fünf-Tage-Regelung“ gibt es bisher weder im BSHG (vgl. VO zu §76 BSHG) noch bei der Bedürftigkeitsprüfung in der Arbeitslosenhilfe (vgl. AlhiV). Die Regelung würde bedeuten, dass ein Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts von zwei Monaten herhalten müsste. Eine solche Regelung würde dazu führen, dass die bisherigen Arbeitslosenhilfe-Bezieher für Januar 2005 formal als nicht hilfebedürftig eingestuft werden, obschon die Arbeitslosenhilfe des Dezembers 2004 für die Deckung der Lebenshaltungskosten des Monats Dezember bestimmt ist. Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für Januar 2005 stünden damit nur formal zur Verfügung, nicht aber tatsächlich. Die öffentlichen Haushalte würden sich zu Lasten der bisherigen Arbeitslosenhilfebezieher entlasten. Die Koalition hat sich nun darauf geeinigt, für die vormaligen ArbeitslosenhilfebezieherInnen Anfang Januar entgegen den ursprünglichen Absichten des Wirtschaftsministeriums den vollen ALG-II-Satz auszuzahlen. Wie ist die Regelung zu den Unterkunftskosten? Im SGB II ist gesetzlich verankert, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung für zukünftige ALG II Empfänger in Höhe der tatsächlichen Leistungen erbracht werden, soweit diese angemessen sind (§ 22 SGB II). ALG II Empfänger bekommen also nicht nur einen Anteil ihrer Miete erstattet, sondern die gesamte Höhe der Unterbringungskosten. Die Wohnung muss dabei aber als angemessen gelten. Die Angemessenheit selbst ist nicht im SGB II geregelt. Das ist sachge-

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recht, da sich die Angemessenheit nicht generell und abstrakt definieren lässt, sondern von den örtlichen Gegebenheiten abhängt. Über die Angemessenheit wird deshalb vor Ort entscheiden. Sie richtet sich nach der bisherigen Praxis in der Sozialhilfe. Diese wurde entweder durch Landesgesetze oder durch die Verwaltungspraxis der Gemeinden bestimmt. Eine eigene Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zu dem Komplex ist nicht vorgesehen, weil die Situation vor Ort besser beurteilt werden kann und die Kommunen – wie schon zuvor bei der Sozialhilfe – für die Auszahlung der Wohnkosten und die damit verbundenen Verwaltungsabläufe zuständig sind. Im Durchschnitt gelten – auch nach Einführung des ALG II - die folgenden qm-Zahlen einer Wohnung als angemessen: 1 Person

45 – 50 qm

2 Personen

Ca. 60 qm oder 2 Wohnräume

3 Personen

Ca. 75 qm oder 3 Wohnräume

4 Personen

Ca. 85 – 90 qm oder 4 Wohnräume

Diese Zahlen werden weiterhin ebenfalls bei der Beurteilung von Wohnraum Anwendung finden, der sich im Besitz der Leistungsbezieherin befindet. Ist der Wohnraum größer, kann schon jetzt das zuständige Amt eine Untervermietung verlangen. Die mit dem Wohnungsbesitz verbundenen Belastungen wie Heizkosten, Müllgebühr etc. und angemessene Hypothekenzinsen werden weiterhin vom zuständigen Job-Center übernommen. Die Erfahrungen aus der Sozialhilfe zeigen: Ein Umzug aufgrund nicht angemessener Wohnung wird die seltene Ausnahme sein. Zunächst ist in § 22 SGB II geregelt, dass die Unterbringungskosten selbst dann für sechs Monate übernommen werden müssen, wenn die Wohnung nicht angemessen ist. Veranlassen Kreis oder Stadt bei nicht angemessener Wohnung einen Umzug, müssen sie die Umzugskosten tragen. Jeder einzelne Umzug wird also eine vorsichtige Abwägung erfordern, die den örtlichen Wohnungsmarkt und das gewohnte soziale Umfeld der ALG II Empfänger genauso berücksichtigen muss wie die finanziellen Handlungsspielräume der Kommune zur Finanzierung eines solchen Umzugs. Umzüge in großem Umfang entsprechen weder dem Willen des Gesetzgebers noch sind sie auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen zu erwarten. Welche Förderangebote stehen den ALG II Empfängern in Zukunft zur Verfügung? Wir intensivieren die Anstrengungen, zusammen mit den Betroffenen möglichst schnell Wege zurück in Erwerbstätigkeit und Beschäftigung zu finden. Dafür wird die persönliche Beratung und Betreuung nach den Erkenntnissen des modernen Fallmanagements neu gestaltet und intensiviert. Ein Fallmanager wird sich – je nach Beratungsbedarf - auf 75 bis 150 Fälle konzentrieren können, statt bisher auf 350 bis 800. Eine gemeinsam erstellte Eingliederungsvereinbarung legt die Schritte und Maßnahmen fest, mit denen in den folgenden sechs Monaten die Integration in den Arbeitsmarkt gefördert wird. Die Förderung für die bisherigen Sozial- und Arbeitslosenhilfebezieher im Arbeitslosengeld II umfasst einerseits die Instrumente der Arbeitsförderung, die von der Bundesagentur für Arbeit angeboten und mit dem Hartz 3 Gesetz modernisiert wurden. Dazu gehören zum Beispiel Lohnkostenzuschüsse für die Förderung der Arbeitsaufnahme, insbesondere für Langzeitarbeitslose, deren Leistung am neuen Arbeitsplatz erst nach einiger Seite 16

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Zeit das Niveau der Kollegen erreicht. Dazu gehört auch die Förderung beruflicher Fortbildung im Rahmen von Weiterbildungskursen, um so die Kenntnisse und Erfahrungen der zurückliegenden Berufsausbildung zu aktualisieren und zu erweitern. Dazu gehört aber auch die Förderung der Selbständigkeit und Unternehmensgründung, um die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Ergänzt und erweitert werden diese Förderinstrumente durch die Angebote, die bisher vor allem auf kommunaler Ebene im Bereich der Sozialhilfe existierten. Durch die Bereitstellung und Vermittlung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten wird auch im Bereich des Arbeitslosengeldes II ein dringend notwendiger Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf geleistet und das Armutsrisiko für Alleinerziehende und Familien verringert. Mithilfe von Schuldner- und Drogenberatung können lähmende Problemlagen angegangen und ein Neustart möglich gemacht werden. Die zukunftsweisenden Beschäftigungsprojekte, die im Rahmen der Sozialhilfe in den vergangenen Jahren von engagierten Kommunen aufgebaut wurden, sollen im Arbeitslosengeld II fortgeführt und ausgebaut werden. Die kommunalen Beschäftigungsgesellschaften schlagen Brücken für Langzeitarbeitslose, in dem sie geförderte Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, die vor Ort gebraucht und sinnvoll sind – wie etwa Fahr- und Pflegedienste -, und in denen Qualifizierung und Arbeitsmarktnähe den Teilnehmern den Schritt zurück in die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ermöglichen. Über den Fortbestand oder die Neueinrichtung von Beschäftigungsprojekten entscheiden nach Einführung des ALG II Bundesagentur für Arbeit und Kommune in den kommunalen Arbeitsgemeinschaften gemeinsam. Das am 02.07. verabschiedete Optionsgesetz sieht vor, dass kommunale Beschäftigungsangebote von der BA verpflichtend auf Rechnung des Bundes bis 31.12.2005 fortgeführt werden müssen, wenn die BA nicht innerhalb von 2 Wochen nach Einrichtung durch die Kommunen ihre Zustimmung versagt. Für die Finanzierung dieser Übergangsregelung stehen im Haushalt des BMWA 1,3 Mrd. € im Jahr 2005 zur Verfügung (Teil der 6,3 Mrd. € für ALG II Eingliederungsleistungen), die über die BA an die Träger ausgezahlt werden. Wenn also eine Kommune vor Einführung des Arbeitslosengeld II, also bis 31.12.2004, Beschäftigungsprojekte einführt, werden diese auch in 2005 fortgeführt. Die Kommunen müssen also jetzt handeln, um die arbeitsmarktpolitische Infrastruktur zu erhalten. Für die Ausschöpfung der Mittel ist allerdings dringend notwendig, dass die Kommunen als bisherigen Träger der Sozialhilfe für ihre Sozialhilfeempfänger insbesondere nach dem 31.07.2004 Beschäftigungsprojekte bewilligen. Liegen diese Bewilligungen nicht vor, können die Mittel nicht von der BA an die durchführenden Träger ausgezahlt werden. Die BA muss die Mittel in Höhe von 1,3 Mrd. € umgehend in Form von Bewilligungsbescheiden an die Träger weitergeben, damit diese bereits jetzt Planungssicherheit für das nächste Jahr erhalten; ansonsten erfolgen aufgrund der erforderlichen Fristen Mitarbeiterkündigungen in erheblichem Ausmaß. Bündnis 90/Die Grünen fordern darüber hinaus die Ausweitung des Programms „Arbeit für Langzeitarbeitslose“ an stelle seiner Einstellung zum 31.12.04 Bisher umfasste dieses Programm 41.000 Plätze, 100.000 hätten finanziert werden können. Wir fordern die Ausweitung auf 300.000 Plätze. Mit Qualifizierung und individueller Unterstützung, wie sein in diesem Programm verwirklicht sind, muss ein Weg zurück ins Arbeitsleben gefunden werden. Weiterbildungsangebote, Lohnkostenzuschüsse und Förderung der Selbstständigkeit sind weitere taugliche Brücken in den ersten Arbeitsmarkt, die im SGB II zur Verfügung stehen. Statt einer Dequalifizierungsfalle wird den Teilnehmern mit dieHartz IV - Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen - 08/2004

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sen Maßnahmen eine Perspektive aus der Langzeitarbeitslosigkeit geboten. Deswegen müssen diese Möglichkeiten im Vordergrund stehen. Dies muss der Maßstab sein für alle künftigen Angebote. Eine groß angelegte Ausweitung der Beschäftigung mit Mehraufwandsentschädigung von ein bis zwei Euro pro Stunde ist kein Rezept zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Statt bloßer Beschäftigungstherapie für Erwerbslose wollen wir Arbeitsgelegenheiten einrichten, die die regulären Entgeltpauschalen mit Qualifizierungselementen kombinieren. Welche Arbeit ist zumutbar? Wer eine zumutbare Arbeit verweigert, wird sanktioniert. Die Regelleistung wird in dem Fall für drei Monate um 30% gekürzt, der Zuschlag im Übergang vom Arbeitslosengeld (1) zu ALG II für die Dauer der Sanktion nicht mehr ausgezahlt. Bei wiederholten Pflichtverletzungen kann diese Sanktion ausgeweitet werden. Die Erstattung der Unterkunftskosten erfolgt weiterhin. Jugendliche, die eine zumutbare Arbeit nicht annehmen, erhalten für die Dauer von drei Monaten keine Geldleistung mehr, sondern nur noch Miete, Heizung und ggf. zusätzlich ergänzende Sachleistungen. Nach dem SGB II ist grundsätzlich jede Arbeit zumutbar. Diese Regelung hat die Union gegen den Willen der Koalition im Vermittlungsausschuss durchgesetzt. Im ursprünglichen rot-grünen Gesetzentwurf war als Kriterium für die Zumutbarkeit die ortsübliche tarifliche Entlohnung wie schon im SGB III festgelegt. Allerdings setzt die Rechtsprechung auch der verschärften Zumutbarkeit Grenzen. Zu Dumpinglöhnen mit mehr als 30% Unterschied zu den Tariflöhnen wird niemand arbeiten müssen – dies stellt das Bürgerliche Gesetzbuch klar. Die Gerichte werden im Einzelfall über die Zumutbarkeit entscheiden. Dies kann für einzelne Betroffene günstiger sein als der bisher von Gerichten festgelegte Unterschied von maximal 30 %. Die von der Union durchgesetzte Lösung bedeutet also: Richterrecht statt klare Regelung. Der DGB wird Musterprozesse seiner Mitglieder unterstützen. Bündnis 90/ Die Grünen regen an, branchenbezogene Mindestlöhne durch eine Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen in Verbindung mit einer Novelle des Gesetzes über Mindestarbeitsbedingungen von 1952 zu erreichen, um Mindeststandards für Arbeit zu setzen.

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Wer muss für wen Unterhalt leisten, wenn das neue Recht in Kraft tritt? Die Ausgestaltung der Unterhaltsleistungen waren in den Verhandlungen zum SGB II im Bundesrat im Dezember 2003 ein wesentlicher Streitpunkt zwischen Regierung und Opposition und ein zentrales Anliegen der grünen Bundestagsfraktion. In der Sozialhilfe waren bisher Eltern und Kinder zu gegenseitigem Unterhalt verpflichtet. Wer z.B. nach der Schule keinen Ausbildungsplatz fand und danach nie eine Arbeit aufnahm oder nach dem Studium keinen Job fand, musste auch dann von den Eltern finanziert werden, wenn er oder sie schon lange den elterlichen Haushalt verlassen hatte. Andererseits mussten auch Eltern, die Sozialhilfe beantragten, befürchten, dass ihre Kinder für sie herangezogen werden. Letzteres war aber bereits durch die Einführung der Grundsicherung im Alter minimiert worden, mit der für die erwachsenen Kinder von Eltern, die die Grundsicherung im Alter beantragen, sehr hohe Freibeträge festgeschrieben worden waren. Diese Regelung wurde nun in das neue SGB XII überführt. Während also die Unterhaltsleistung von Kindern für ihre Eltern de facto nur noch in sehr hohen Einkommensbereichen stattfand, mussten Eltern für ihre erwerbslosen Kinder so lange einstehen, bis diese einen Job fanden. Für beide Seiten war dies sehr belastend. Das SGB II begrenzt nun den vom Jobcenter durchsetzbaren Unterhaltsrückgriff von Kindern gegenüber ihren Eltern. Wer seine Erstausbildung abgeschlossen hat oder das 25. Lebensjahr überschritten hat, wird in jedem Fall durch das Job-Center betreut und erhält einen eigenen Anspruch auf Arbeitslosengeld II – es sei denn, die betreffende Person zieht es vor, selber einen Unterhaltsanspruch gegenüber Verwandten geltend zu machen. In der Regel dürften es die Betroffenen aber vorziehen, auch selbstständig als erwachsene Menschen behandelt zu werden. Wer jünger als 25 Jahre ist und die Erstausbildung noch nicht abgeschlossen hat, wird auch durch das Job-Center betreut. Allerdings wird sich in diesem Fall das Job-Center durch die Eltern die Unterhaltsansprüche der Kinder gegen sie rückerstatten lassen. Wird eine Frau unter 25 schwanger oder erzieht ein Kind, muss sie ihre Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Eltern nicht mehr geltend machen und bekommt auch dann ein volles ALG II, wenn ihre Eltern ein hohes Einkommen haben und sie ihre Erstausbildung noch nicht abgeschlossen hat. Eine Unterhaltspflicht von Kindern von ALG-II-BezieherInnen gegenüber ihren Eltern besteht im Gegensatz zur bisherigen Sozialhilfe nicht mehr. Wären die alten Sozialhilferegeln 1:1 übertragen worden, wie die Union das gefordert hatte, hätte die 55-jährige Facharbeiterin, die nach 40 Jahren Berufstätigkeit arbeitslos wird, nach Auslaufen des beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld (1) bei ihren Söhnen und Töchtern betteln gehen müssen. Dieses Ansinnen haben wir erfolgreich verhindert. Ansprüche an andere Leistungsträger oder aus Erbschaften, Schenkungen und Steuererstattungen werden mit dem ALG II verrechnet. Gegenüber getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten sowie dem nichtehelichen Vater eines Kindes gilt der Unterhaltsrückgriff, d.h. das Job-Center holt sich beim Unterhaltspflichtigen die Leistungssumme ganz oder zum Teil wieder.

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Welche Freibeträge gelten für eigenes Vermögen und das des Partners? Eigenes Einkommen, eigenes Vermögen sowie Partnereinkommen und -vermögen werden auf die Leistung angerechnet. Leistungen aus der Sozialversicherung (Arbeitslosen, Kranken- oder Rentenversicherung) und eigene Unterhalts- oder sonstige Versicherungsansprüche sind vorrangig. Wer also Ansprüche auf Arbeitslosengeld (1), eine Rente oder auf Krankengeld hat, muss diese erst geltend machen. Wie bei der Arbeitslosenhilfe bleibt eigenes Vermögen in Höhe von 200 € pro erreichtes Lebensjahr anrechnungsfrei, mindestens 4.100 €, maximal 13.000 €. Zusätzlich bleiben 200 € pro Lebensjahr für die Private Altersvorsorge anrechnungsfrei, ebenfalls maximal 13.000 €. Der Vermögensbeitrag kann ebenfalls für Freistellungen bei der Altersvorsorge verwandt werden. Wer 40 Jahre alt ist, kann demnach insgesamt 16.000 € von seiner Altersvorsorge behalten, wenn er seinen Vermögensfreibetrag ebenfalls für Zwecke der Altersvorsorge ausschöpft. Der Partner bzw. die Partnerin hat die gleichen, nach Lebensalter gestaffelten Freibeträge für Vermögen und Altersvorsorge. Voraussetzung für die Freistellung bei der Altersvorsorge ist ein Verwertungsausschluss, der eine Auszahlung des Rentenvermögens vor Eintritt des Rentenalters ausschließt. Darüber hinaus müssen Riester-Renten und Betriebsrenten, die auf den Namen des bisherigen Arbeitgebers laufen, beim Leistungsbezug nicht aufgelöst werden. Für jedes Mitglied der Haushaltsgemeinschaft gilt darüber hinaus ein Freibetrag von 750 €, der für notwendige Anschaffung gespart bleiben kann. Dieser Freibetrag gilt auch für Kinder. Die Einrichtung dieses individuellen Anspruches auch eines Kindes auf einen Freibetrag ist im Vergleich zur bisherigen Sozialhilfe eine Verbesserung. Nach einem Vorschlag des Wirtschaftsministeriums sollten Ersparnisse, die über diesen Betrag hinausgehen, für den individuellen Lebensunterhalt verbraucht werden, d.h. ein Kind mit 1000 € Ersparnissen hätte keine Leistung bekommen. Seine 1000 € wären jedoch nicht auf das Vermögen der Eltern angerechnet worden. Diese hätten weiterhin für sich selbst den vollen Leistungssatz bekommen. Dieser Vorschlag erfuhr unter anderem von Bündnis 90/Die Grünen scharfe Kritik. Zwar wäre dieser Freibetrag rund 500 € höher als in der Sozialhilfe gewesen. In der Arbeitslosenhilfe wurde das Sparguthaben von Kindern bisher jedoch nicht angerechnet. Die Koalition hat sich nun am 11.08. darauf geeinigt, dass für alle Kinder ab Geburt der Mindest-Vermögensfreibetrag von 4100 € gilt, nicht erst ab 15 Jahren. Erst oberhalb dieses Freibetrages wird das Vermögen auf die Leistung für das Kind angerechnet – jedoch nicht auf die Leistungssätze für die Eltern. Ein Kind mit größerem Vermögen bekommt so lange keine eigene Geldleistung, bis sein Vermögen oberhalb des Freibetrages aufgezehrt ist. Da ab dem 15. Geburtstag Jugendliche als erwerbsfähig gelten und somit einen individuellen Leistungsanspruch in derselben Form wie Erwachsene haben, gilt für sie der Mindestfreibetrag für Vermögen in Höhe von 4100 € + 200 € pro Lebensjahr für die Altersvorsorge + 750 € Freibetrag für notwendige Anschaffungen. Ab dem 21. Lebensjahr übersteigt der Vermögensfreibetrag den vorherigen Grundfreibetrag. Angemessener Hausrat, ein angemessenes Kraftfahrzeug, eine angemessene eigene Wohnung oder ein angemessenes eigenes Haus werden nicht auf das ALG II angerechnet. Vermögen, das der Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstückes für Behinderte oder Pflegebedürftige dient, wird ebenfalls nicht angerechnet. Zins- oder Tilgungsleistungen werden nicht vom Job-Center übernommen, wenn sie der Vermögensbildung dienen. Angemessene Schuldzinsen für Hypotheken werden vom Job-Center hingegen

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übernommen. Sachen und Rechte, deren Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist (10 % geringer als der aktuelle Substanzwert), werden auf die Leistung nicht angerechnet. Bündnis 90 / Die Grünen setzen sich dafür ein, dass kleine Datschen nicht als verwertbares Vermögen angerechnet werden. Aus dem BMWA gibt es hinsichtlich dieser Forderung bereits positive Signale. Weitergehende Informationen zur Vermögensanrechnung stehen auf den Homepages des BMWA und der Bundesagentur für Arbeit bereit: www.bmwa.bund.de/Navigation/arbeit,did=38430 bzw. http://www.arbeitsagentur.de/ Die Bundesagentur für Arbeit hat unter Tel. 0180 – 101 20 12 eine Hotline eingerichtet, bei der Fragen zum ALG II individuell geklärt werden können. Für Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, die vor dem 1.1.1948 geboren sind besteht ein höherer Vermögensfreibetrag von 520 € je Lebensjahr (statt 200 €). Welche Freibeträge gelten für eigenes Einkommen und das des Partners und welche Zuverdienste bleiben anrechnungsfrei? Die neue Regelung für die Zuverdienstmöglichkeiten der LeistungsempfängerInnen im ALG II löst die die alten Regelungen in der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe ab. Angerechnet wird Einkommen aus Erwerbsarbeit, aber auch aus Kapitalerträgen, Mieten, Kindergeld und Unterhaltsleistungen. Verschiedene Sozialleistungen wie Grundrenten, Erziehungsgeld, Leistungen der Pflegeversicherung, Blindengeld und Leistungen der freien Wohlfahrtspflege werden hingegen nicht auf die Leistung angerechnet (so genanntes privilegiertes Einkommen). In Zukunft können 15% des (Nettoerwerbs-)Einkommens anrechnungsfrei behalten werden, wenn das Bruttoeinkommen die Grenze von 400 EUR nicht übersteigt. Zwischen 400 EUR und 900 EUR sind weitere 30% des Einkommens anrechnungsfrei, zwischen 900 EUR und 1.500 EUR wiederum nur weitere 15% des Erwerbseinkommens. Die ursprüngliche Staffelung nach Größe der Bedarfsgemeinschaft und mit Sockelbetrag, wie sie im Regierungsentwurf vor dem Vermittlungsausschuss vorgesehen war, ist nicht mehr Bestandteil des Gesetzes. Sie wurde im Kompromiss mit der Union durch neue Regelungen ersetzt. Die Zuverdienstmöglichkeiten sind in den Einkommensbereichen ab etwa 800 EUR nun geringfügig großzügiger gestaltet als die bisherigen Regelungen im BSHG. Dagegen werden die Zuverdienstmöglichkeiten in den darunter liegenden Einkommensbereichen, insbesondere im Mini-Job Bereich, gegenüber dem BSHG deutlich reduziert. Dadurch verschlechtern sich die Anreize zur erstmaligen Aufnahme von Arbeit im Bereich der geringen Einkommen erheblich. Bündnis 90 / Die Grünen kritisieren diese Regelung scharf und fordern die SPD auf, mit uns eine Neuregelung der Zuverdienstmöglichkeiten umzusetzen. Unser Vorschlag heißt: „Jeder 2. Euro bis 400 €“. Er zielt auf eine deutliche Ausweitung der Freibeträge in den unteren Einkommensbereichen. Bis zur Minijob Grenze von 400 € sollen 50% des Erwerbseinkommens statt bisher 15% behalten werden können. Im darüber liegenden Einkommensbereich soll die jetzige Regelung fortgelten (30% bis 900 €, 15% bis 1.500€). Damit können wir im Vergleich zur jetzigen Regelung die Hürden in den ersten Arbeitsmarkt deutlich senken. Die Annahme eines Minijobs würde kombiniert mit ALG II zu einem stark verbesserten Haushaltseinkommen führen. Eine Reduzierung von Schwarzarbeit und eine Ausweitung der ergänzenden Erwerbstätigkeit von ALG II Empfängern

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wäre die Folge. Dies hätte wiederum die Reduzierung der ALG II Regelleistung zur Folge. Das ist wichtig: arbeitsmarktpolitische Leistungen sollten möglichst weitgehend als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt dienen. Der Anreiz zur Arbeitsaufnahme auch in geringem Umfang muss daher verbessert werden, damit sich Eigeninitiative lohnt. Hiervon würden auch und gerade Alleinerziehende profitieren, die nur Teilzeit arbeiten können und deswegen in niedrigen Einkommensbereichen verbleiben, aber so den Anschluss an den Arbeitsmarkt nicht verlieren würden. Eine Kombination von Erwerbstätigkeit und sozialer Absicherung durch das ALG II nimmt zudem den Gedanken der Grünen Grundsicherung auf und vermindert zugleich effektiv die ALG-II-Transfers an all diejenigen, die aufgrund der besseren Zuverdienste Arbeit aufnehmen. Das Partnereinkommen wird auf den ALG-II-Bezug ebenfalls angerechnet. Auch hierfür gelten die genannten Freibeträge. Nicht angerechnet werden zudem Beiträge zu angemessenen privaten Versicherungen, notwendige Werbungskosten, Wegepauschalen sowie bei Selbstständigen Betriebsausgaben. Durch die verschärfte Anrechnung des Partnereinkommens werden viele vorherige ArbeitslosenhilfebezieherInnen, besonders Frauen, keinen eigenständigen Leistungsanspruch mehr haben. Wir haben dies in den Verhandlungen zum Gesetz mit der SPD und im Vermittlungsschuss mit der Union scharf kritisiert, konnten uns mit unserer Position aber nicht durchsetzen.

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Arbeitslosengeld II: Auswirkungen auf bisherige BezieherInnen von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, Ostdeutschland und die Kommunen Vor allem die bisherigen BezieherInnen von Arbeitslosenhilfe reagieren sehr verunsichert auf die Einführung des Arbeitslosengeld II. In den neuen Bundesländern ist der Anteil der ArbeitslosenhilfebezieherInnen besonders hoch. Deswegen wird die Umstellung oft als besonderes Problem für den Osten bezeichnet. In dieser Argumentationshilfe wird den Auswirkungen der Reform auf die Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger unter besonderer Berücksichtigung Ostdeutschlands nachgegangen. Welche Auswirkungen hat die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf vorherige BezieherInnen von Arbeitslosen- und Sozialhilfe? Ab dem 01.01.2005 werden Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Arbeitslosengeld II zusammengeführt. Mit der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe bestanden bisher zwei steuerfinanzierte Hilfesysteme für Erwerbslose nebeneinander. Sozialhilfe wurde an diejenigen gezahlt, die zuvor noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld aufgebaut hatten. Die Sozialhilfe war für alle Bedürftigen gleich hoch. Die gezahlte Arbeitslosenhilfe orientierte sich demgegenüber ein Leben lang am vorangegangenen Einkommen. Wer einmal in seinem Leben über einen Zeitraum von 12 Monaten 2000 € netto verdient hatte und anschließend erwerbslos blieb, bekam danach bis zur Rente als Single 1060 € Arbeitslosenhilfe (53 % des früheren Netto bei Singles, 57 % bei Familienvorständen mit Kindern). Wer dagegen noch nie einen Job hatte, bekam als Single den Sozialhilfesatz von durchschnittlich 292 €, wobei der Gesamtbetrag inklusive Wohnkosten und sonstigen Hilfen durchschnittlich 648 € betrug. Aber: der Bedarf für Kleidung, Möbel etc. musste in jedem Fall jeweils einzeln geltend gemacht werden. Es wurde also keine Gesamt-Pauschale überwiesen, sondern für jeden Küchenstuhl war ein gesonderter Antrag zu stellen. Für ArbeitslosenhilfebezieherInnen wurde in die Rentenkasse eingezahlt, für SozialhilfebezieherInnen nicht. ArbeitslosenhilfebezieherInnen waren Mitglied einer Krankenkasse, für SozialhilfeempfängerInnen wurden Arztrechnungen vom Sozialamt einzeln erstattet. Einen Anspruch auf Integrationsleistungen des Arbeitsamtes hatte nur der oder die Arbeitslosenhilfebezieher/in. Zwischen Sozialämtern (kommunale Trägerschaft) und der Bundesagentur für Arbeit kam es zum Problem der Verschiebebahnhöfe. Wenn das Sozialamt vor Umsetzung der Reform durch eine Beschäftigungsmaßnahme dafür sorgte, dass der Sozialhilfeempfänger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld aufbaute, wurde dieser zum Kunden des Arbeitsamtes. Das Sozialamt hatte ein Problem weniger. Wer allerdings als Berufseinsteiger auf Hilfe vom Arbeitsamt hoffte, wurde an das Sozialamt zurückverwiesen. In dem Fall hatte das Arbeitsamt ein Problem weniger. Diese Verschiebebahnhöfe werden durch die Hilfe aus einer Hand abgeschafft. Durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die nun auch ALG-II-BezieherInnen offen stehen, werden keine neuen Ansprüche auf Arbeitslosengeld (1) mehr aufgebaut werden. Das ALG II verbessert die Integrationsleistungen und das Verhältnis von Betreuenden und Betreuten. Die Verschiebebahnhöfe werden aufhören zu existieren – Arbeitslosenund Sozialhilfe werden zusammengeführt. Stattdessen wird die Integration in den Arbeitsmarkt oberstes Ziel der beteiligten Einrichtungen. Beide bisherigen Leistungsträger werden ihre spezifischen Erfahrungen und Qualifikationen in die Vermittlungsarbeit der Job-Center einbringen können. Für SozialhilfeempfängerInnen bedeutet die Einführung des ALG II einen Gewinn: sie werden in Zukunft einen durchschnittlichen Leistungsanspruch von 651 € (als Single)

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haben, in dem die weiteren Bedarfe weitgehend pauschaliert enthalten sind und bei der monatlichen Auszahlung berücksichtigt werden. Gleichzeitig sind sie bezüglich der arbeitsmarktpolitischen Förderung nunmehr den bisherigen ArbeitslosenhilfeempfängerInnen gleich gestellt. Für viele ArbeitslosenhilfeempfängerInnen bedeutet der Übergang ins Arbeitslosengeld II jedoch einen Einschnitt. Das Arbeitslosengeld II nimmt Abschied vom Prinzip der Lebensstandardsicherung. Nach Schätzungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) werden die Einkommensverluste der bisherigen ArbeitslosenhilfebezieherInnen insgesamt bei circa 3 Mrd. € liegen, wobei 2,5 Mrd. Einsparungen zur Entlastung der Kommunen verwandt werden. Zugleich sollen aber neue Anreize zur Vermittlung in den Arbeitsmarkt und eine bessere Betreuung verwirklicht werden. Denn: Arbeit bedeutet gesellschaftliche Teilhabe und ist besser als eine langfristige Alimentierung im gesellschaftlichen Abseits. Zwar können durch eine Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente nicht direkt Arbeitsplätze geschaffen, aber die Dauer der individuellen Arbeitslosigkeit verkürzt werden. Welche Auswirkungen hat die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf Ost- und Westdeutschland und auf die Kommunen? Vergleich Ost / West Im Gebiet der früheren BRD werden 18 % der früheren Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen durch ALG II eine höhere Leistung bekommen; im Gebiet der früheren DDR 15 %3. Eine niedrigere Leistung werden 51 % (West) bzw. 44 % (Ost) beziehen. Gar keine Leistung mehr werden im Westen 20 % und im Osten 36 % der früheren ArbeitslosenhilfebezieherInnen erhalten. Insgesamt führt dies zu den genannten 3 Mrd. € Einkommensverlusten bei früheren Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen. Während in Ostdeutschland gut 19 % der zukünftigen ALG-II-BezieherInnen bisher Sozialhilfe und 81 % Arbeitslosenhilfe bezogen haben, kommen in Westdeutschland etwa 43 % der LeistungsbezieherInnen aus der Sozialhilfe und 57 % aus der Arbeitslosenhilfe4. In Berlin beträgt dieses Verhältnis 45 % (Sozialhilfe) zu 55 % (Arbeitslosenhilfe). Gleichzeitig sind die ostdeutschen Bundsländer überproportional vom Wegfall der Leistung betroffen. Während in Mecklenburg Vorpommern etwa 30 % der ArbeitslosenhilfebezieherInnen ihren Leistungsanspruch verlieren, sind dies im benachbarten Niedersachsen knappe 16 %. In Thüringen verlieren fast 33 % den Anspruch, im benachbarten Hessen nur knapp 18 %. Die Statistik zeigt: während der Anteil der SozialhilfeempfängerInnen an der Gesamtbevölkerung zwischen Ost und West wenig variiert, ist der Bevölkerungsanteil an ArbeitslosenhilfebezieherInnen an der Gesamtbevölkerung im Osten wesentlich größer. Der Sozialhilfebezug im Osten war – anders als im Westen - immer ein Problem der Jüngeren. Über die Jahre hätten sich die Problemlagen inklusive der Verschiebebahnhöfe jedoch immer weiter angeglichen. Bei der höheren Arbeitslosenquote im Osten wäre jedoch der Anteil der – aus den arbeitsmarktpolitischen Leistungen ausgegrenzten – Sozialhilfeempfänger im Osten über einen Bevölkerungsanteil hinaus angestiegen, der schon jetzt so hoch ist wie im Westen – hier jedoch vor allem die Jugend umfasst, während im Westen der Sozialhilfebezug quer durch die Generationen geht. 3 4

Quelle: BMWA, Fortschreibung auf 2004 Quelle: IAB, Fortschreibung auf 2004

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Die Älteren haben in langen Jahren Erwerbstätigkeit Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe aufgebaut. Dagegen verharrt bisher ein großer Teil der jüngeren Generation von Erwerbslosen ohne Aussicht auf arbeitsmarktpolitische Förderung in der Sozialhilfe. Diese Aufspaltung der Erwerbslosen wird jetzt aufgelöst. In der ehemaligen DDR ist vor allem die untere Mittelschicht von den Einkommenseinbußen betroffen. Im Gegensatz zur BRD gab es in der DDR überproportional viele Doppelverdiener-Ehen. Durch die Anrechnung des Partnereinkommens werden nun all diejenigen ArbeitslosenhilfebezieherInnen, die in Bedarfsgemeinschaften mit einem Familieneinkommen deutlich oberhalb des ALG-II-Bedarfssatzes leben, keine Arbeitslosenhilfe mehr bekommen. Aufgrund der längeren und sichereren Berufsbiografien vor Eintritt der Arbeitslosigkeit gibt es zudem wesentlich weniger Haushalte in der ehemaligen DDR, die trotz Arbeitslosenhilfebezugs bereits an der Schwelle zur Sozialhilfe gelebt haben. Deswegen sind die Einbußen hier besonders deutlich spürbar. Bündnis 90/Die Grünen hatten bereits im Gesetzgebungsverfahren darauf gedrängt, die verschärfte Anrechnung des Partnereinkommens nicht umzusetzen, da es hierdurch zwei strukturelle Verlierer gibt: den Osten und die (älteren) Frauen. Unsere Forderung konnten wir jedoch nicht durchsetzen. Eine Abschmelzung der Lebensstandardsicherung haben wir dagegen immer für richtig gehalten: Die Frage ist in diesem Zusammenhang, ob die durch die Lebensstandardsicherung bisher gebundenen Mittel mit der Dauerfinanzierung von Erwerbslosigkeit besser angelegt sind als durch direkte wirtschaft- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Die Reform setzt auf bessere Integration bei gleicher Leistung für bisherige Sozialhilfe- und ArbeitslosenhilfebezieherInnen. Für die älteren Personen, die nach einem langen Erwerbsleben in das ALG II gehen, bedeutet dies eine große persönliche Härte. Profitieren werden hingegen auch im Osten die Jüngeren, die bisher noch keine Chance hatten, zu KundInnen der Arbeitsämter zu werden, sondern vielmehr von ihren Eltern abhängig blieben oder zu SozialhilfeempfängerInnen wurden. Nunmehr haben sie einen ALG-II-Anspruch und werden durch die Jobcenter betreut. Gerade diese Betreuung ist wichtig, um nicht die nachwachsende Generation durch die Maschen des Sozialstaates fallen zu lassen. Die Zukunft dieser Generation wird sich vor allem daran entscheiden, ob bei anziehender Konjunktur sofort verbesserte Vermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und die jungen Leute Perspektiven geboten bekommen – sonst droht die weitere Abwanderung der jungen Generation. Ab 1990 gerieten Personen, die vor dem Leistungsbezug nicht den Weg in die Erwerbstätigkeit gefunden hatten, als Arbeitslose in die Sozialhilfe – also ab dem Geburtsjahrgang 1974. Gleichzeitig wurden in den Betrieben vor allem bisher schon Beschäftigte gehalten. Es gibt sehr viele Betriebe in Ostdeutschland, in denen es keine/n Beschäftigte/n ab Jahrgang 1974 gibt. Rationalisierungen wurden durch den längerfristigen Übergang in die Arbeitslosenhilfe für die Älteren und durch das Fehlen von Chancen und Neuanstellung für die Jüngeren ermöglicht.

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Die Tabelle stellt Arbeitslosenquote, Anteil an Sozialhilfeempfängern sowie Anteil an Arbeitslosenhilfeempfängern in Ost und West sowie in Sachsen und Brandenburg nebeneinander: Arbeitslosenquote (% der Erwerbspersonen)

% der Bevölkerung Arbeitslosen-hilfebezieherInnen

(2004)

(2004)

18,8

6,2

2,8 / 3,1

8,5

1,9

3,2 / 3,2

Gesamt

10,7

2,7

3,3 / 3,4

Brandenburg

19,2

6,2

2,8 / 3,0

Sachsen

18,2

5,9

2,9 / 3,1

Ost

% der Bevölkerung SozialhilfeempfängerInnen (2002 / 2003)

(ohne Berlin) West (ohne Berlin)

Quellen: statistisches Bundesamt, IAB

Die Tabelle zeigt: die Sozialhilfequote ist im Westen nur unwesentlich höher, während Arbeitslosenquote und Arbeitslosenhilfequote im Osten wesentlich höher sind. Die Alterstruktur der SozialhilfeempfängerInnen im Osten ist deutlich anders als im Westen: % an SozialhilfeempfängerInnen in 2002 / 2003

Ost ohne Berlin

West ohne Berlin

Kinder bis 15 Jahre

33% / 32,9%

32% / 33,6%

SeniorInnen ab 655

3,2% / 1,2%

7,8% / 3,9%

Brutto-ArbeitskräftePotential

52,5% / 55,6%

43,4% / 46,8%

Häuslicher Bindung

8,4% / 10%

10,6% / 10,7

Krankheit, Behinderung etc.

3,2% / 2,1%

6% / 5%

Nichterwerbstätig wegen

Quelle: statistisches Bundesamt

Während in Westdeutschland im Zeitverlauf der Sozialhilfebezug sinkt (von 3,6 % in 1997 auf 3,2 % in 2002 und 2003), nimmt er in Ostdeutschland zu (von 2,2 % in 1997 auf 3,0 % in 2002 und 3,1 % in 2003). In 2003 haben sich die Anteile der SozialhilfeempfängerInnen an der Gesamtbevölkerung in Ost und West bis auf 0,1 % angenähert. Mittlerweile gibt es bezüglich der Sozialhilfequote weniger einen Ost-West Gegensatz, sondern vielmehr ein Nord-Süd-Gefälle.

5

starker Rückgang durch die neue Grundsicherung im Alter

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Vor diesem Hintergrund muss sich die Politik entscheiden: legt sie den Schwerpunkt auf die Erweiterung der Möglichkeiten für alle oder auf diejenigen, die schon im Berufleben waren? Es spricht einiges dafür, auch an die Chancen der Jüngeren und die Wachstumspotentiale der Zukunft zu denken. Diese Konsequenz ist für die Betroffenen in der älteren Generation bitter, aber dann gerecht, wenn die Job-Center sich beider Generationen in Ostdeutschland gleichermaßen annehmen und die aktive Arbeitsmarktpolitik für beide Generationen gleich günstig aufgebaut wird. Das hieße: an die Stelle der Lebensstandardsicherung für Teile der Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen sollten bessere Chancen für alle treten. Eine verbesserte Integration vormaliger SozialhilfeempfängerInnen, eine Stärkung der Investitionskraft der Kommunen, der Aufbau einer tragfähigen Wirtschaftsbasis im Osten sowie eine Schwerpunktsetzung in der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Regionen mit mehr als 15% Erwerbslosigkeit lassen sich aber nicht gleichzeitig mit einer Beibehaltung des bisherigen Arbeitslosenhilfesystems finanzieren. Entlastungen für die Kommunen Die Kommunen in Ost und West werden insgesamt um 2,5 Mrd. € jährlich entlastet. Die Entlastung der Kommunen wird im Osten etwas geringer als im Westen sein, da die Zahl der Sozialhilfeempfänger im Osten etwas niedriger ist. Das ist gerecht: vorherige Be- und jetzige Entlastungen müssen im richtigen Verhältnis stehen. Gleichzeitig muss aber die überproportional hohe Belastung durch ArbeitslosenhilfebezieherInnen berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund wurden für den Osten im Rahmen des Finanzausgleiches zusätzliche 800 Mio. € netto bereit gestellt. Damit ist sichergestellt, dass durchweg alle Länder – auch im Osten – im Vergleich zum Status Quo entlastet werden. Stellt man die Zahlen gegeneinander: 3 Mrd. weniger Steuerleistung bundesweit an die Arbeitslosenhilfebezieherinnen, jedoch 2,5 Mrd. € kommunale Entlastung bundesweit und 800 Mio. € Förderung für Ostdeutschland, dann wird die Zielrichtung dieser Mittelverlagerung deutlich: die Kommunen bekommen mehr Möglichkeiten, eigene Akzente in der Sozialpolitik zu setzen, der Osten bekommt zusätzlich eine strukturelle Förderung. Die Kommunen wiederum sollen von den 2,5 Mrd. € Entlastung bundesweit 1,5 Mrd. € Entlastung in den Ausbau der Kinderbetreuung investieren. Der Versorgungsgrad mit Kinderbetreuung ist im Osten immer noch wesentlich besser als im Westen – vor allem der Westen hat Nachholbedarf. Durch die zunehmende Verarmung der Kommunen wurde jedoch in den letzten Jahren mit dem Abbau von Betreuungsplätzen begonnen. Wo aber die Betreuung fehlt, wird für erwerbsinteressierte Eltern und insbesondere Alleinerziehende auch die Arbeitsplatzsuche schwierig. Darüber hinaus stärkt die Entlastung der Kommunen ihre Investitionskraft. Ab 2005 werden die Kommunen durch die Reform der Gewerbesteuer weitere 3,3 Mrd. € mehr erhalten. Die Gesamtentlastung von 5,8 Mrd. € ab 2005 wird dauerhaft wirken und auch die Investitionsfähigkeit der Kommunen stärken. Zusätzlich können die Kommunen seit April 2003 über die Kreditanstalt für Wiederaufbau Investitionsmittel zu günstigen Bedingungen erhalten. Die ostdeutschen Kommunen sind an diesem Programm ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend beteiligt. Mit weiteren 4 Mrd. € unterstützt der Bund seit Mai 2003 den bundesweiten Ausbau von Ganztagsschulen durch die Kommunen. Bis 2007 werden Kommunen zudem durch konsequenten Subventionsabbau deutliche Steuer-Mehreinnahmen von bis zu 1,46 Mrd. € haben.

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Perspektiven für Ostdeutschland Zur Zeit erlebt Deutschland ein sehr langsam einsetzendes Wachstum. Ostdeutschland ist mit dem 1. Mai 2004 vom Rande des Geschehens in die Mitte der EU gerückt. Ein Beitrag für die arbeitsmarktpolitische Zukunft Ostdeutschlands ist das Bemühen, diese Position in der Mitte Europas für Wachstumschancen zu nutzen. Hierbei spielt die Investitionskraft der Länder und der Kommunen eine wichtige Rolle. Das wird aber nicht reichen. Bündnis 90 / Die Grünen setzen auf die stärkere Förderung von Forschung und Entwicklung in Ostdeutschland. Vor allem die Privatwirtschaft wird in Zukunft eine direkte Unternehmensförderung erfahren müssen. Die von Bündnis 90 / Die Grünen kritisierten Übergangsregelungen für die freie Arbeitsplatzwahl innerhalb der EU wird von vielen ostdeutschen Kommunen als Klotz am Bein gesehen. Investoren in Grenznähe werden vor allem dann neue Standorte aufbauen, wenn sie auf das Arbeitskräftereservoir in beiden Ländern zugreifen können. Deswegen treten wir für größere Freizügigkeit und den schnellen Aufbau eines integrierten Arbeitsmarktes ein. Denn: wirklich offene Grenzen schaffen Arbeit – auf beiden Seiten der Grenze. Die strukturellen Schwierigkeiten Ostdeutschlands werden in der weiteren Ausgestaltung von Hartz IV eine wichtige Rolle spielen. Bereits verbindlich vereinbart wurde in der Koalition, 38% des Integrationsbudgets für die ALG-II-BezieherInnen in Ostdeutschland auszugeben – bei 36% der ALG-II-BezieherInnen. Das Integrationsbudget umfasst die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik. Ein Abrutschen aus dem Arbeitslosengeld (1) in den ALG-II-Bezug durch Integration in den Arbeitsmarkt zu verhindern, bildet einen Schwerpunkt des Eingliederungstitels der Bundesagentur für Arbeit nach dem SGB III. Während Ostdeutschland 38% der Arbeitslosengeld (1) – EmpfängerInnen aufweist, werden hier 52 % des Eingliederungstitels investiert, um eine weitere Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern. Bündnis 90 / Die Grünen setzen sich dafür ein, die Chancen für die Erwerbslosen in Regionen mit überproportional hoher Erwerbslosigkeit weiterhin in den Mittelpunkt der Bemühungen zu stellen. Kürzungen beim Leistungsbezug werden für die Betroffenen dann nachvollziehbar werden, wenn sie dem Aufbau von Chancen jenseits des Leistungsbezuges dienen. Klar ist aber auch: die Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente bringt nicht direkt zusätzliche Arbeitsplätze. Das bleibt Aufgabe der Konjunktur, Wirtschaft- und Strukturpolitik. Aber die bessere Betreuung, die Konzentration auf Integrationsmaßnahmen und das Konzept von Fördern und Fordern können individuell und insgesamt die Dauer der Arbeitslosigkeit verkürzen.

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Arbeitslosengeld II: Forderungen der Union In der aktuellen politischen Auseinandersetzung versucht sich die Union als Opposition zu Hartz IV zu profilieren und damit wie die PDS von den Protesten im Osten zu profitieren. Der sächsische Ministerpräsident Milbradt will sogar an Montagsdemonstrationen teilnehmen, obwohl Sachsen im Dezember dem Gesetz zugestimmt hat. Im Juli hat Milbradt lediglich gegen die flankierende Rechtsverordnung gestimmt. Das ist mehr als widersprüchlich. Liest man die Forderungen, die die Union vor der Verabschiedung von Hartz IV in den Bundestag eingebracht hat, erscheint das zynisch. Wir haben die Vorschläge der Union aus dem Existenzgrundlagengesetz (EGG) vom 08.09.2003 und die im Sozialgesetzbuch II (SGB II) umgesetzte Hartz-IV-Refom gegenübergestellt. Die Gegenüberstellung zeigt: Das Existenzgrundlagengesetz hätte im Vergleich zum SGB II eine deutliche Verschlechterung für alle Betroffenen bedeutet.

Sanktionen

ALG II

EGG

Bei Verweigerung einer zumutbaren Arbeit in einem ersten Schritt für 3 Monate Kürzung der Regelleistung von 345 € um 30%. Kürzung um weitere 30 % bei weiteren Verstößen möglich.

Im ersten Schritt Kürzung um einen durch die Länder festzulegenden Prozentsatz. Bei erster Sanktion Weiterzahlung von Wohnkosten.

Bei fehlender Mitwirkung Kürzung um 10% für 3 Monate.

Bei Wiederholung komplette Streichung der Leistung, auch der Wohnkosten.

Wohnkosten werden weiter erstattet.

Keine Sachleistung als Alternative.

Bei Jugendlichen komplette Streichung der Regelleistung möglich.

Verschärfung im Vergleich zur bisherigen Sozialhilfe.

Wohnkosten werden weiter erstattet. Bei Sanktion alternativ Ausgabe von Sachleistungen oder Gutscheinen. Weniger scharf als Regelungen in bisheriger Sozialhilfe.

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Unterhaltspflicht

Jugendliche und junge Erwachsene ohne Erstausbildung oder unter 25 Jahren müssen durch die Eltern soweit möglich finanziert werden.

In jedem Fall voller Unterhaltsrückgriff: Eltern müssen für ihre erwachsenen Kinder aufkommen, aber auch Kinder für Eltern, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld Für alle sonstigen AntragstellerInnen Leistungen durch Job-Cen- ausgelaufen ist. ter, kein Unterhaltsrückgriff. Beispiel: Arbeitslosengeld Eigenständiger Leistungsanspruch läuft mit 50 Jahren bei der in jedem Fall für Schwangere und Mutter aus, 25-jährige Tochter hat einen Job: volle Unjunge Mütter. terhaltspflicht durch die Tochter für die Mutter. Eigenständiger Leistungsanspruch für Schwangere und junge Mütter.

Sozialversicherung

Beiträge für Rentenversicherung (78€) und Kranken-/ Pflegeversicherung (125€).

Nur Beiträge für Krankenversicherung, wenn bereits versichert.

Verbesserung im Vergleich zur Sozialhilfe.

Rentenbeitrag nur in Einzelfällen. Grundsätzlich kein Beitrag zu Sozialversicherungen, im Krankheitsfall direkte Erstattung der Kosten, Abrechnung nach Kassensätzen. Modell Sozialhilfe.

Zumutbarkeit

Union hat durchgesetzt: jeder Job ist zumutbar.

Weitere Verschärfungen:

Koalitionsentwurf vor Vermittlungsausschuss: „ortsübliche tarifliche Entlohnung“.

Umzug auch für befristeten Teilzeitjob, auch wenn PartnerInnen dadurch getrennt werden.

Eingeschränkte Zumutbarkeit bei Pflege von Angehörigen oder Kindererziehung.

Eingeschränkte Zumutbarkeit nur bei Kindererziehung.

Existenzgründung

Ich-AG-Zuschuss und Existenzgründungszu-chüsse möglich.

Nur Darlehen möglich.

Pauschalierung

Einmalige Leistungen weitgehend pauschaliert, dadurch höherer Leistungssatz.

Pauschalierung ins Belieben der Länder gestellt.

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Höhe der Leistung

345 € West / 331 € Ost plus Wohnkosten.

Ist ins Belieben der Länder gestellt.

Zusätzlich einmalige Bedarfe für Schwangere, Klassenfahrten, Wohnungsbrand.

Union wollte in den Ländern die Leistung im Vergleich zum Sozialhilfesatz absenken und gleichzeitig mehr Zuverdienst oberhalb von 400 € zulassen.

Erhöhung im Vergleich zur Sozialhilfe. Zuverdienst

Ursprünglich plante die Koalition, Zuverdienst in Abhängigkeit von der Haushaltsgröße auszuweiten. Union setze durch: bei 400 € 15 % anrechnungsfrei, bei zusätzlichem Zuverdienst über 400 € bis 900 € weitere 30 %, bei zusätzlichem Zuverdienst über 900 € weitere 15 %.

Kein anrechnungsfreier Zuverdienst bei Verdienst von bis zu 400 €; oberhalb von 400 € 50 % anrechnungsfrei. Beispiel: 600 € Verdienst: 0 % von 400 € und 50 % von 200 € = 100 € Zuverdienst.

Beispiel: 600 € Verdienst: 15% von 400 € + 30 % von 200 € = 120 € Zuverdienst. Dadurch deutliche Absenkung der Zuverdienstmöglichkeiten in Einkommensbereichen bis 800 € und geringfügig höherer Zuverdienst bei mehr als 800 €. Grüne Forderung jetzt: Bis 400 € 50% statt 15% anrechnungsfrei.

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Vermögen, Rente

200 € Vermögen pro Lebensjahr anrechnungsfrei. 200 € Private Rentenversicherung pro Lebensjahr anrechnungsfrei, mindestens 4100 €; Vermögensfreibetrag kann ebenfalls für Privatrente verwandt werden. Verdoppelung der Freibeträge im Vergleich zur Arbeitslosenhilfe. Riester-Rente zusätzlich anrechnungsfrei. Pro Kopf 750 € pro Person darüber hinaus anrechnungsfrei. Für Kinder 4.100 € Vermögen plus 750 € für Anschaffungen anrechnungsfrei; in der Sozialhilfe bisher: 256 €. Beispiel 40 Jahre:

Vermögen wird nur in Härtefällen nicht angegriffen, keine festen Freibeträge. Erst ab dem 50. Lebensjahr Renten-Freibetrag von 13.000 € + 500 € für jedes weitere Lebensjahr. Deutliche Verschlechterung im Vergleich zur Arbeitslosenhilfe durch Streichung der Freibeträge für unter-50jährige. Riester-Rente anrechnungsfrei. Kein weiterer Pro-Kopf-Freibetrag. Kein Freibetrag für Kinder. Beispiel 40 Jahre:

8.000 € + 8.000 € = 16.000 € Ren- Keine Rentenvorsorge jentenvorsorge zusätzlich zur Riester- seits der Riester-Rente mögRente möglich. lich. Beispiel 60 Jahre:

Beispiel 60 Jahre:

12.000 € + 12.000 € = 24.000 € Rentenvorsorge zusätzlich zur Riester-Rente möglich.

13.000 € + 5.000 € = 18.000 € Rentenvorsorge zusätzlich zur Riester-Rente möglich.

Für alle vor 1948 geborenen Übergangsregelung: Vermögensfreibetrag beträgt 520 € pro Lebensjahr. Auto

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Angemessenes Auto kann behalten Auto muss verkauft werden. werden, Verbesserung im Vergleich zur Sozialhilfe.

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Arbeitslosengeld II: Lexikalischer Kurzüberblick •

Abkürzungen

Im Zusammenhang mit der Neuregelung sind u.a. die folgenden Abkürzungen wichtig: BMWA= Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit BA= Bundesagentur für Arbeit ALG II = Arbeitslosengeld II SGB = Sozialgesetzbuch SGB II: regelt das ALG II SGB III: regelt die Arbeit der Bundesagentur für Arbeit und das Arbeitslosengeld (1) SGB V,VI,VII: regeln Kranken-, Renten und Unfallversicherung Hartz 3: Vorschläge zum Umbau der Bundesagentur für Arbeit und zur Änderung des SGB III Hartz 4: Vorschläge zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und zur Einführung des SGB II •

Aktive Arbeitsmarktpolitik

Alle Erwerbslosen erhalten Zugang zu allen Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung, auch wenn sie aufgrund der Anrechnung des Partnereinkommens keine passive (also finanzielle) Leistung erhalten. (Æ Eingliederungsleistungen; Æ Leistungsarten) LeistungsbezieherInnen werden nicht mehr passiv alimentiert, sondern erhalten aktivierende Angebote. An die Stelle von Ausgrenzung und Leistungsbezug werden Integration und aktive Hilfe treten. Vermittlung in Beschäftigung und Ausbildung werden zum zentralen Anliegen der Job-Center. Bisher waren die SozialhilfeempfängerInnen von den Leistungen des Arbeitsamtes ausgeschlossen. Die Kommune konnte allerdings eigene Maßnahmen wie z.B. Beschäftigungsgesellschaften für die SozialhilfeempfängerInnen begründen. •

ALG II

Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und der Einführung der JobCenter wird eine Hilfe aus einer Hand für alle Erwerbslosen geschaffen. Verschiebebahnhöfe zwischen den Sozialleistungen wird es nicht mehr geben. Das Arbeitslosengeld II orientiert sich in seiner Höhe an den neuen Regelsätzen der Sozialhilfe (alte Bundesländer und Berlin 345 €, neue Bundesländer ohne Berlin 331 €) plus weitgehend pauschalisierte Bedarfe. Hinzu kommen Mietkostenzuschuss, Heizkosten und sonstige Bedarfe. •

Altersvorsorge

Betriebsrenten, die auf den Namen des bisherigen Arbeitgebers laufen und Riester-Renten müssen beim Leistungsbezug nicht aufgelöst werden. Zusätzlich wird die private Altersvorsorge, die nicht gesetzlich gefördert war, aber nach dem 60 Lebensjahr ausgezahlt wird (teilweiser Verwertungsausschluss), in Höhe von 200€ pro Lebensjahr vor der Anrechnung geschützt. Dieser Freibetrag für private Altersvorsorge kann mit dem Vermögensfreibetrag von 200€ pro Lebensjahr zusammengerechnet werden.

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Antrag

Den Antrag auf ALG II stellen frühere SozialhilfeempfängerInnen beim Sozialamt, frühere ArbeitslosenhilfeempfängerInnen bei der Arbeitsagentur. Die bisherigen Leistungsträger verschicken die Anträge aber bereits an ihre jeweilige Klientel. Bündnis 90 / Die Grünen befürworten eine wesentlich vereinfachte Antragstellung, wie sie bereits durch das Land Brandenburg vorbereitet wird. Tipps zum Ausfüllen des Antrages auf ALG II gibt der DGB unter http://www.dgb.de/homepage_kurztexte/borschuere_hartzIV.htm Unter http://www.arbeitsagentur.de/ kann eine Broschüre der Arbeitsagentur zum Thema sowie der Antrag heruntergeladen werden. •

Arbeitsgemeinschaften

In Arbeitsgemeinschaften arbeiten die örtliche Arbeitsagentur und die Kommunen zusammen und erbringen gemeinsam die Leistungen nach dem SGB II, in dem die Arbeit der Job-Center und das ALG II geregelt ist. Durch die Arbeitsgemeinschaften werden JobCenter eingerichtet. •

AusländerInnen

AusländerInnen mit Arbeitserlaubnis haben vollen Zugang zum ALG II. •

Auszahlung

Die Leistung wird zum 1. eines jeden Monats ausgezahlt. •

Bedarfsgemeinschaft

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören PartnerInnen sowie deren minderjährige Kinder. Die Leistung ALG II wird für die gesamte Bedarfsgemeinschaft erbracht. •

BerufsrückkehrerInnen

Die Möglichkeit der Förderung von BerufsrückkehrerInnen hatte sich mit Hartz 3 verschlechtert. Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung können weiterhin durch die BA gefördert werden, nicht aber der Lebensunterhalt während der Maßnahmen – dieser würde bei festgestellter Bedürftigkeit nur noch über das ALG II erfolgen. Die Koalitionsfraktionen haben deshalb im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit am 15.10.2003 einen Entschließungsantrag verabschiedet, der die BA auffordert, BerufsrückkehrerInnen über die Möglichkeit des Unterhaltsgeldes aus ESF Mitteln der EU zu unterrichten und dieses an sie auszuzahlen (Ausschussdrucksache 15(9)791). Es zeigt sich jedoch, dass BerufsrückkehrerInnen im Moment durch die BA nicht optimal betreut werden und auch die entsprechenden Mittel für den Unterhalt nicht ausreichend erbracht werden. Dementsprechend müsste die Verpflichtung der BA in den Zielvereinbarungen zwischen BMWA und BA für jeden Agenturbezirk festgeschrieben werden.

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Beschäftigungsgesellschaften

Kommunale Beschäftigungsgesellschaften bleiben dann erhalten, wenn die Job-Center ihnen Projekte zuweisen. Die Zusammenarbeit mit den Sozialhilfeträgern und den freien Wohlfahrtsverbänden stellt sicher, dass niemand in einen Verschiebebahnhof gerät. Übergangsregelungen vom alten zum neuen Recht mit einem Finanzvolumen von 1,3 Mrd. € ermöglichen den Kommunen, bis zum 31.12. Verträge mit Beschäftigungsgesellschaften weiterhin abzuschließen. Die Bundesagentur für Arbeit darf dem nur in begründeten Ausnahmefällen widersprechen. Nach dem 01.01.2005 sind die kommunalen Arbeitsgemeinschaften (Träger der Job-Center) Vertragspartner. •

Betreuungsschlüssel

Durch einen Betreuungsschlüssel von 75 Erwerbslosen pro Fallmanager wird eine individuelle Betreuung möglich. Vermittlung in Beschäftigung und Ausbildung werden zum zentralen Anliegen der Job-Center. Durch einen Abbau von bürokratischen Vorschriften wird ein flexibles Agieren der FallmanagerInnen möglich. In einem ersten Schritt wird der verbesserte Betreuungsschlüssel für Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre verwirklicht. Für die anderen Erwerbslosen beträgt der Betreuungsschlüssel zunächst 1:150. •

Einkommensanrechnung

In Zukunft können 15% des (Netto-) Erwerbseinkommens anrechnungsfrei behalten werden, wenn das Bruttoeinkommen die Grenze von 400 EUR nicht übersteigt. Zwischen 400 EUR und 900 EUR sind weitere 30% des Einkommens anrechnungsfrei, zwischen 900 EUR und 1.500 EUR wiederum nur weitere 15% des Erwerbseinkommens. •

Eingliederungsleistungen; Eingliederungsvereinbarung

Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wird durch Eingliederungsleistungen und Anreize gefördert. (Æ Einstiegsgeld Æ Einkommensanrechnung) Die gesamten Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik stehen hierfür zur Verfügung. Neben den bisher im SGB III vorhandenen Leistungen können weitere dem individuellen Bedarf angepasste Leistungen erbracht werden. Arbeitssuchende und Fallmanager/in schließen eine Eingliederungsvereinbarung über die Leistungen ab, die beide Seiten zu erbringen haben. •

Einstiegsgeld

Wenn dadurch eine Eingliederung in den 1. Arbeitsmarkt möglich wird, können ALG-IIBezieherInnen ein befristetes Einstiegsgeld zusätzlich zum Erwerbseinkommen erhalten. Dieses übersteigt die Möglichkeiten des ergänzenden Leistungsbezuges entsprechend der geltenden Freibeträge deutlich und setzt damit einen Anreiz zur Aufnahme von Erwerbsarbeit. Die Höhe des Einstiegsgeldes wird individuell in Abhängigkeit der vorherigen Dauer der Arbeitslosigkeit und der Größe der Bedarfsgemeinschaft vereinbart. •

Entlastung der Kommunen

Die Kommunen werden finanziell um 2,5 Mrd. € entlastet. Hiervon sollen sie 1,5 Mrd. € für den Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige verwenden. Ab 2005 werden die Kommunen durch die Reform der Gewerbesteuer weitere 3,3 Mrd. € mehr erhalten. Bis 2007 werden Kommunen zudem durch konsequenten Subventionsabbau deutliche SteuerMehreinnahmen von bis zu 1,46 Mrd. € haben.

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Ergänzender ALG-II-Bezug

Erwerbstätige, die von der Höhe her weniger als ALG II verdienen, erhalten ergänzendes ALG II und werden ebenfalls durch die Job-Center betreut. Der ergänzende ALG-II-Bezug ersetzt den Bezug von ergänzender Sozialhilfe. •

Erwerbsfähigkeit / zu betreuender Personenkreis

Alle Erwerbsfähigen werden durch die Job-Center betreut. Nur wer zu jung, zu alt oder zu krank ist, bekommt andere Leistungen. Wer zwischen 15 und 65 Jahre alt ist und mehr als drei Stunden arbeiten kann (Regelung nach SGB VI) wird zur KundIn des Job-Centers, - auch wenn er oder sie zeitweilig nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. •

Fallbeispiele

Diverse Fallbeispiele zur Höhe der neuen Leistung hat das Wirtschaftsministerium in einer Broschüre zusammengestellt, die unter www.bmwa.bund.de/Navigation/arbeit,did=38430 heruntergeladen werden kann. •

FallmanagerInnen

Gemeinsam mit den Hilfebedürftigen erheben die FallmanagerInnen die persönliche Bedarfslage der Betroffenen und erstellen mit ihnen einen individuelles Angebot, das vertraglich festgehalten wird. Dieses Angebot folgt dem Prinzip des "Fördern und Fordern". •

Informationen

Informationen über das ALG II geben die örtlichen Arbeitsagenturen und Sozialhilfeträger. Die Bundesagentur für Arbeit hat unter Tel. 0180 – 101 20 12 eine Hotline eingerichtet, bei der Fragen zum ALG II individuell geklärt werden können. Tipps zum Ausfüllen des Antrages auf ALG II gibt der DGB unter http://www.dgb.de/homepage_kurztexte/borschuere_hartzIV.htm Unter http://www.arbeitsagentur.de/ kann eine Broschüre der Arbeitsagentur sowie der Antrag heruntergeladen werden. Das Wirtschaftsministerium hat unter www.bmwa.bund.de/Navigation/arbeit,did=38430 seinerseits eine Informationsbroschüre eingestellt. Der deutsche paritätische Wohlfahrtsverband bietet unter http://www.paritaet.org/gv/infothek/hartz_iv/ ein umfassendes Informationsangebot zum neuen ALG II, das auch auf die besondere Situation verschiedener Gruppen wie z.B. MigrantInnen eingeht. •

Integrationsangebote

Im Jahr 2005 stehen für Eingliederungsleistungen (so genannte „aktive Leistungen“ z.B. durch Beschäftigungsgesellschaften) insgesamt 6,3 Mrd. € für ALG-II-BezieherInnen bereit.

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Job-Center / Aufbau der Job-Center

Die Job-Center werden flächendeckend in 2005 schrittweise durch Zusammenarbeit der Arbeits- und Sozialämter in einer Arbeitsgemeinschaft aufgebaut. Durch verschiedene Projekte wurde die Kooperation der beiden Ämter in den letzten Jahren vorbereitet und bereits erste Job-Center eingerichtet. Es entstehen mit den Job-Centern lernende Organisationen, die prozessorientiert arbeiten. Als erster Schritt hat ab dem 01.01.2005 die Auszahlung der Leistung Vorrang. Sollte ein Job-Center noch nicht existieren, können vorherige SozialhilfeempfängerInnen ihre Leistung weiterhin über das Sozialamt, vorherige ArbeitslosenhilfebezieherInnen über die Arbeitsagentur beziehen. Innerhalb der Job-Center sind die Arbeitagenturen für die arbeitmarktpolitischen Leistungen und den Regelsatz zuständig, während die Kommunen Leistungen für Unterkunft und Heizung, Kinderbetreuung, Schuldner- und Suchtberatung, psychosoziale Betreuung und einmalige Bedarfe übernehmen. •

Jugendliche

Erwerbsfähige Hilfebedürftige unter 25 Jahren werden vorrangig in Ausbildung vermittelt. Gelingt das nicht sofort, erfolgt die Vermittlung in Arbeit oder Beschäftigung, wenn diese der Berufsbildung dienlich ist. Damit wird sichergestellt, dass eine zeitweilige Vermittlung auch dann erfolgen kann, wenn die Vermittlung in Ausbildung zu einem späteren Zeitpunkt gelungen ist, bis dahin jedoch mehrere Monate Wartezeit bestehen. Jede/r Jugendliche soll ein Angebot bekommen. •

Kinder und andere unterhaltsberechtigte Personen

Alle unterhaltsberechtigten Familienmitglieder von ALG-II-BezieherInnen werden ebenfalls durch das Job-Center betreut und erhalten Leistungen nach dem ALG II, die sich an den Regelsätzen der Sozialhilfe plus pauschalisierte Bedarfe orientieren. Für erwerbstätige Eltern wird ein Kinderzuschlag von bis zu 140€ für bis zu 36 Monate geschaffen, der Familien vor dem ergänzenden Arbeitslosengeld-II-Bezug bewahren soll. •

Kinderbetreuung

Neben den im SGB III festgeschriebenen Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung können weitere Maßnahmen ergriffen werden, die für die individuelle Eingliederung notwendig sind. Darunter fällt auch die Vermittlung von Kinderbetreuung. Erwerbslose und Erwerbstätige haben in Zukunft einen Anspruch auf die bevorzugte Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen. Damit wird Tendenzen wie in Hamburg ein Riegel vorgeschoben, Erwerbslose aus der Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen auszugrenzen und ihre weitere Vermittlung zu verunmöglichen.

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Kommunale soziale Angebote außerhalb der Arbeitsmarktpolitik

Die sozialen Angebote in den Kommunen, die nicht direkt im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktpolitik stehen, wie z.B. Schuldnerberatung, Obdachlosenhilfe, Suchthilfe etc. (so genannte „freiwillige Leistungen“ der Kommunen) bleiben erhalten. Hilfen zur Arbeit, die bisher durch die Sozialhilfeträger betreut wurden, werden in Zukunft durch die JobCenter getragen, Sozialleistungen für Nicht-Erwerbsfähige durch die Kommunen. Durch die Kommunen werden weiterhin diejenigen Sozialhilfeempfängerinnen voll betreut, die nicht erwerbsfähig sind (d.h. weniger als 3 Stunden pro Tag arbeitsfähig). Diese erhalten ein Sozialgeld, dass in seiner Höhe dem ALG II entspricht. •

Leistungsarten

Arbeitssuchende können über das Job-Center die folgenden Leistungen in Anspruch nehmen: • Information, Beratung • Geldleistungen • Sachleistungen sowie als Integrationsleistungen: • Vermittlung • Erstattung von Bewerbungskosten • Trainingsmaßnahmen • Mobilitätshilfen • Weiterbildung • Förderung der Teilhabe von Behinderten am Arbeitsleben • Eingliederungszuschüsse • ABM • Vermittlungsgutscheine und als weitere notwendige Leistungen ggf.: • • • • •

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Vermittlung von Kinderbetreuung Schuldner- und Suchtberatung Psychosoziale Betreuung Einstiegsgeld Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz

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Nicht-LeistungsbezieherInnen

In der Öffentlichkeit wird über die negativen Folgen der Neuregelung gerade für diejenigen LeistungsbezieherInnen diskutiert, die in Zukunft aufgrund der verschärften Anrechnungsregelungen keine Leistung mehr erhalten. In den Verhandlungen zu Hartz 4 haben Bündnis 90/Die Grünen bereits darauf hingewiesen, dass für Nicht-LeistungsbezieherInnen Integrationsmöglichkeiten geschaffen werden müssen. Die Problematik dieses Personenkreises wird nicht dadurch gelöst, dass – wie von SPD Seite vorgeschlagen – nun allein Arbeitsmarktmaßnahmen für zukünftige LeistungsbezieherInnen ausgebaut werden. Vielmehr muss sichergestellt werden, dass in einem bestimmten Umfang auch Nicht-LeistungsbezieherInnen einen Anspruch auf Integrationsleistungen bekommen. Dies wollen Bündnis 90 / Die Grünen durch eine entsprechende Quote am Integrationsbudget sicherstellen, um eine ausschließliche Konzentration der Hilfen auf EmpfängerInnen passiver Leistungen zu verhindern. Ziel führend wäre eine Quote von 10%. •

Option

Mit einer Experimentierklausel auf Grundlage von Art. 106 Abs. 8 Grundgesetz erhalten 69 Kommunen die Möglichkeit zur Option, d.h. sie übernehmen die Auszahlung des ALG II und die Einrichtung des kommunalen Job-Centers unter eigener Federführung. Diese 69 Optionsmöglichkeiten werden entsprechend der Sitzverteilung im Bundesrat auf die Länder verteilt. Kreise und kreisfreie Städte, die die Option wahrnehmen wollen, müssen bis zum 15.09. einen entsprechenden Antrag an das BMWA stellen und sich dafür die Zustimmung ihrer zuständigen Landesbehörden einholen. Die Option läuft über einen Zeitraum von sechs Jahren. Optionsplätze, die durch ein Bundesland nicht genutzt werden, werden auf die anderen Bundesländer gleichmäßig weiterverteilt. Eine lokale Konzentration ist damit ausgeschlossen. Verbunden mit der Experimentierklausel ist eine Wirkungsforschung, die die optierenden Kommunen in ein bundesweites Benchmarking einbindet. Die Finanzierungsbasis für Arbeitsgemeinschaften und optierende Kreise ist dieselbe. Optierende Kommunen bekommen genau dieselbe finanzielle Ausstattung wie die Arbeitsgemeinschaften. Für das gesamte Bundesgebiet wird es ein so genanntes Integrationsbudget geben, das die kombinierten Kosten für Verwaltung und Eingliederungsleistungen (Beschäftigungsgesellschaften etc.) umfasst. Dieses Integrationsbudget wird im Jahre 2005 entsprechend der Zahl der Hilfeempfänger auf die Kreise und kreisfreien Städte verteilt. •

Partnereinkommen

Die Anrechnung des Partnereinkommens orientiert sich am bisherigen Recht der Sozialhilfe. Der nach den Leistungssätzen festgelegte gemeinsame Bedarf plus Werbungs- und Versicherungskosten wird vom Familieneinkommen abgezogen, eine eventuell bestehende Differenz unter Berücksichtigung der sonstigen Freibeträge (Zuverdienst, Altersvorsorge etc.) ausgeglichen.

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Sanktionen

Jugendliche und junge Erwachsene unter 25, die sich der Vermittlungsleistung entziehen, erhalten 3 Monate lang keinerlei Leistung nach dem ALG II. In diesem Fall werden ihnen allerdings die Wohnkosten und ggf. ergänzende Sachleistungen gewährt. Für Erwachsene wird bei fehlender Eigeninitiative oder einer Verletzung der Mitwirkungspflichten in einem ersten Schritt die Leistung um 10% der Regelleistung für den Haushaltsvorstand für 3 Monate gekürzt (rund 90 €), bei Ablehnung einer zumutbaren Arbeit um 30 %. Der Zuschlag im Übergang von ALG I zu ALG II entfällt während dieser Zeit. Diese Sanktion kann weiter gesteigert werden. In einem nächsten Schritt werden weitere 30 % des Regelsatzes gekürzt. Bei wiederholter Verletzung der Meldepflicht wird das Arbeitslosengeld II zusätzlich um jeweils weitere 10 Prozent abgesenkt. In dem Fall können an Stelle der Geldleistung teilweise Sachleistungen erbracht werden. Die Erstattung der Unterkunftskosten erfolgt weiterhin. •

Sonderbedarfe

Nur noch außergewöhnliche Sonderbedarfe wie z.B. Wohnungsbrand werden durch die Sozialhilfe gesondert abgedeckt und sind nicht im pauschalierten ALG II enthalten. Alle sonstigen Leistungen werden pauschaliert durch die Job-Center gezahlt. •

Sozialversicherung für ALG-II-BezieherInnen

Alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung versichert. Für sie werden Beiträge zur Renten-, Kranken und Pflegeversicherung in Höhe von 78 bzw. 125 € zusätzlich zum ALG II direkt an die Sozialversicherungen gezahlt werden. Wer von der Versicherungspflicht freigestellt ist, bekommt einen Zuschuss zur privaten oder berufsständischen Versicherung. •

Übergang von Arbeitslosengeld (1) in ALG II

Der Übergang vom Arbeitslosengeld ins Arbeitslosengeld II wird für die Betroffenen durch einen auf zwei Jahre befristeten und degressiv ausgestalteten Zuschuss abgefedert. Er beträgt zwei Drittel der Differenz zwischen zuletzt bezogenem Arbeitslosengeld und ALGII-Regelsatz, maximal 320€ für nicht getrennt lebende Bedarfsgemeinschaften bzw. 160€ für Singles. Pro Kind im Haushalt erhöht er sich um 60€. Sonstige Sozialleistungen wie Wohngeld werden angerechnet. •

Vermögensanrechnung

Eigenes Einkommen, eigenes Vermögen sowie Partnereinkommen und -vermögen werden auf die Leistung angerechnet. Leistungen aus der Sozialversicherung (Arbeitslosen-, Kranken- oder Rentenversicherung) und eigene Unterhalts- oder sonstige Versicherungsansprüche sind vorrangig. Wie bei der Arbeitslosenhilfe bleibt eigenes Vermögen in Höhe von 200 € pro erreichtes Lebensjahr anrechnungsfrei. Zusätzlich bleiben 200 € pro Lebensjahr für die Private Altersvorsorge anrechnungsfrei, wenn mit dem Versicherer ein teilweiser Verwertungsausschluss vor Eintritt des Rentenalters vereinbart worden ist. Riester-Renten und Betriebsrenten, die auf den Namen des bisherigen Arbeitgebers laufen, müssen darüber hinaus nicht verwertet werden. Personen, die nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert waren und statt dessen z.B. in ein berufsständisches Versorgungswerk eingezahlt haben, müssen diese Rücklagen ebenfalls nicht angreifen. Pro Person in der Bedarfsgemeinschaft werden weitere 750 € als Ersparnisse für Anschaffungen nicht angerechnet. Kinder und Jugendliche bekommen bis zum 20. Lebensjahr den Grundfreibetrag von 4.100 € für Vermögen von der Anrechnung freigestellt. Seite 40

Hartz IV - Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen - 08/2004



Zielsteuerung; Evaluation

Die Jobcenter werden flexibel, effizient und kundInnenorientiert arbeiten. Die Steuerung erfolgt über Zielvereinbarungen und effektives Controlling. Für Erwerblose, die nach dem Bezug des ALG I in das ALG II geraten, zahlt die Bundesagentur für Arbeit einen Aussteuerungsbetrag an den Bund. •

Zumutbarkeit

Eine Arbeit ist einem Elternteil dann nicht zumutbar, wenn sie ein unter dreijährigen Kindes erziehen. Gleiches gilt für die Pflege von Angehörigen. Wenn die Entlohnung gegen Gesetze oder die guten Sitten verstößt, kann hiergegen geklagt werden. •

Zusammenarbeit Arbeitsamt, Sozialamt und Kommunen

Kommunen und Bundesanstalt für Arbeit gestalten den Aufbau der Job-Center gemeinsam. Der Bund übernimmt die Finanzierung, die BA die Trägerschaft der Leistung. Die Erfahrung und das Know-how der Sozialhilfeträger werden im neuen System weiter genutzt. Dies wird durch entsprechende Finanzierungs- und Beteiligungsmodelle sichergestellt. •

Zuverdienst

Æ Einkommensanrechnung

Hartz IV - Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen - 08/2004

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