Handbuch der Staudenverwendung

Pflegemanagement 234. 9.7.1 Definition des Qualitäts- ..... den Jahren führten Haushaltseinsparungen und explodierende Kosten in der Unterhaltungspflege zu ...
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Jürgen Bouillon (Hrsg.)

Handbuch der Staudenverwendung

Jürgen Bouillon (Hrsg.)

Handbuch der Staudenverwendung

Dieses Buch ist Bestandteil der Reihe „Fachbibliothek grün“, die von Prof. Dipl.-Ing. Alfred NieseI begründet wurde. In dieser Reihe erscheinen Fach- und Lehrbücher für den Garten- und Landschaftsbau, für Landschaftsarchitekten sowie Garten- und Umweltämter. Herausgeber dieser Reihe sind Prof. Dipl.-Ing. Bjørn-Holger Lay, Prof. Dr.-Ing. Mehdi Mahabadi, Prof. Dipl.-Ing. (FH) Martin Thieme-Hack. Prof. em. Dipl.-Ing. Alfred Niesel Hochschule Osnabrück Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur Lehrgebiet Landschaftsbau/Baubetrieb Hesselkamp 79 49088 Osnabrück Prof. Dipl.-Ing. Bjørn-Holger Lay Hochschule Osnabrück Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur Lehrgebiet Baukonstruktion und Bautechnik Oldenburger Landstraße 24 49090 Osnabrück Prof. em. Dr.-Ing. Mehdi Mahabadi Hochschule Ostwestfalen-Lippe Lehr- und Forschungsgebiet Technik des Garten- und Landschaftsbaus Hellerkamp 26 42555 Velbert Prof. Dipl.-Ing. (FH) Martin Thieme-Hack Hochschule Osnabrück Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur Lehrgebiet Baubetrieb im Landschaftsbau Oldenburger Landstraße 24 49090 Osnabrück

Jürgen Bouillon (Hrsg.)

Handbuch der Staudenverwendung Aus dem Arbeitskreis Pflanzenverwendung im Bund deutscher Staudengärtner Empfehlungen für Planung, Anlage und Management von Staudenpflanzungen In Zusammenarbeit mit Jürgen Bouillon, Yvonne Bouillon, Nina Busse, Swantje Duthweiler, Klaus-Jürgen Evert, Marcel Heins, Till Hofmann, Agnes Hofmeister, Beate Hüttenmoser, Norbert Kühn, Hajo Lauenstein, Kathleen Mieth, Volkmar Seyfang, Stefan F. Tischer, Georg Zimmermann Mit einem Beitrag von Sigurd Henne, Martin Thieme-Hack 226 Fotos • 49 Zeichnungen • 25 Tabellen

Inhalt Vorwort 7 1 Einleitung 9 2 Stauden als Gestaltungsmittel 11 2.1 Staudenverwendung im Wandel der Zeit 12 2.2 Bedeutung von Stauden­ pflanzungen in der Stadt 14 2.2.1 Gestalterisch-ästhetische Funktionen 15 2.2.2 Ökologische Funktionen 16 2.3 Dynamik und Dauerhaftigkeit 20 2.3.1 Kurzfristige Dynamik 20 2.3.2 Langfristige Dynamik 21 2.3.3 Dauerhaftigkeit von Stauden 21 2.3.4 Dauerhaftigkeit von Staudenpflanzungen 24 2.4 Der Lebenszyklus einer Staudenpflanzung 27 3 Vielfalt der Stauden 31 3.1 Lebensformen 32 3.2 Wuchsformen 34 3.3 Blattausdauer 36 3.4 Ökologische Strategie­ typen 38

3.5 Staudensichtung 44 3.6 Charaktere der Stauden 45 4 Staudenpflanzungen entwerfen 47 4.1 Grundlagenermittlung 48 4.1.1 Rahmenbedingungen 48 4.1.2 Erfassung der Standort­ bedingungen 49 4.1.3 Die Lebensbereiche der Stauden 58 4.2 Gestaltungskonzept und Entwurf 66 4.2.1 Leitidee 66 4.2.2 Gestalterische Grundlagen 66 4.2.3 Gestalterisch relevante Eigenschaften von Stauden 70 4.2.4 Charaktertypen von Staudenpflanzungen 72 4.2.5 Funktionstypen der Stauden in Pflan­ zungen 75 4.2.6 Geselligkeit der Stauden in Pflanzungen 78 4.2.7 Bepflanzungstypen – Anordnung der Stauden auf der Fläche 79 4.2.8 Visualisierung von Entwurf und Bepflanzungskonzept 93

5 Ausführungsplanung 97 5.1 Voraussetzungen für die Standortoptimierung 98 5.2 Bepflanzungsplanung 100 5.2.1 Pflanzenauswahl 101 5.2.2 Pflanzabstand 104 5.2.3 Bepflanzungsplan 107 5.2.4 Pflanzenliste 115 6 Aktuelle Konzepte der Staudenverwendung 117 6.1 Standardisierte Stauden­ mischungen 118 6.2 Staudenansaaten 126 6.3 Vorkultivierte Stauden­ matten 134 6.4 Saatmatten und Samen­ verbundmatten 139 6.5 Aspektbildende Verwen­ dung von Geophyten 139 7 Ausschreibung und Vergabe (Sigurd Henne und Martin Thieme-Hack) 143 7.1 Vergabe als Instrument der Qualitätssicherung 144 7.1.1 Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bewerber 145 7.1.2 Prüfung der Eignung bei der Vergabe 146

7.2 Hinweise zur Erstellung der Vergabeunterlagen 147 7.3 Hinweise für das Auf­ stellen der Leistungs­ beschreibung 149 7.3.1 Darstellung der Bau­­ aufgabe, Angaben zur Ausführung 149 7.3.2 Vorbereitende Arbeiten 151 7.3.3 Bodenarbeiten 151 7.3.4 Pflanz- und Saatarbeiten 154 7.3.5 Fertigstellungs- und Entwicklungspflege 155 8 Anlage von Stauden­ pflanzungen 157 8.1 Die Rolle des Planungs­ büros bei der Pflanzung 158 8.2 Standortoptimierung 160 8.2.1 Vorbereitung der Pflanz­ fläche 160 8.2.2 Mulch 163 8.2.3 Bewässerung 171 8.3 Staudenqualität 174 8.3.1 Qualitätssicherung vor der Lieferung 174 8.3.2 Qualitätskontrolle bei der Lieferung 177 8.3.3 Qualitätserhalt auf der Baustelle 179 8.4 Pflanzung 180 8.4.1 Zeitpunkt der Ausführung 180

8.4.2 Vorbereitung der Pflanzung 182 8.4.3 Pflanzarbeiten 185 8.4.4 Fertigstellungspflege und Abnahme 188 9 Staudenpflege – Entwicklung und Unterhaltung 191 9.1 Grundlagen 192 9.2 Vorüberlegungen zur Staudenpflege 196 9.2.1 Pflegeanspruch und -aufwand 197 9.2.2 Qualifikation und Moti­ vation der Pflegekräfte 198 9.2.3 Nachhaltigkeit der Pflege 200 9.3 Entwicklungspflege 201 9.4 Unterhaltungspflege: Pflegestufen und Pflege­ziele 202 9.5 Maßnahmen der Staudenpflege 208 9.5.1 Maßnahmen zur Säuberung 208 9.5.2 Maßnahmen zur Unkrautkontrolle 210 9.5.3 Maßnahmen zur Vitalisierung 214 9.5.4 Maßnahmen zur Ordnung und Weiter­ entwicklung 218 9.5.5 Kosmetische Maßnahmen 221 9.5.6 Werkzeugausstattung 224

9.6 Pflegestrategien 225 9.6.1 Statische und dynamische Pflege 225 9.6.2 Pflege nach dem Charakter der Staudenpflanzung 226 9.6.3 Pflege nach den Strategie­ typen der Stauden 227 9.7 Pflegekonzept und Pflegemanagement 234 9.7.1 Definition des Qualitätsbildes 235 9.7.2 Zustandsbewertung und Festlegung der Pflegeziele 236 9.7.3 Vereinbarung des Pflegestandards 240 9.7.4 Ergänzende Hinweise zur Staudenpflege 243 9.7.5 Standardunkräuter in Staudenpflanzungen 245 9.7.6 Pflegekalender 260 9.7.7 Leistungskontrolle und -bewertung 261 9.7.8 Grünflächeninformationssysteme 261

Service 265 Literatur 266 Abkürzungen 277 Bildnachweis 278 Register 279

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Autoren des Buches Prof. Dr. Jürgen Bouillon (Hrsg.) Hochschule Osnabrück Am Krümpel 31 49090 Osnabrück Dipl.-Ing (FH) Yvonne Bouillon Hochschule Ostwestfalen-Lippe Botanischer Garten Höxter An der Wilhelmshöhe 44 37671 Höxter Dipl.-Ing. Nina Busse Mainau GmbH Park Garten Forst 78465 Insel Mainau

Dr.-Ing. Beate Hüttenmoser Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen Lehr- und Versuchsgärten Schelmenwasen 6 72622 Nürtingen Prof. Dr. Norbert Kühn Technische Universität Berlin Königin-Luise-Straße 22 14195 Berlin Prof. Dr. Hajo Lauenstein ehem. RWTH Aachen Hergenrather Straße 13 A B-4730 Raeren-Hauset

Prof. Dr. Swantje Duthweiler Hochschule Weihenstephan-Triesdorf Am Hofgarten 4 85350 Freising

Dipl.-Ing. Kathleen Mieth Hauptstraße 34 02708 Dürrhennersdorf

Dipl.-Ing. Klaus-Jürgen Evert ehem. Garten-, Friedhofs- und Forstamt Stuttgart Rolandstraße 9 70469 Stuttgart

Prof. Dr. Volkmar Seyfang, ehem. Hochschule Ostwestfalen-Lippe Westerhagen 5 30890 Barsinghausen

Dipl.-Ing. Marcel Heins Hochschule Anhalt Strenzfelder Allee 28 06406 Bernburg

Prof. Dipl.-Ing. (FH) Martin Thieme-Hack Hochschule Osnabrück Oldenburger Landstraße 24 49090 Osnabrück

Prof. Dipl.-Ing. Sigurd Henne Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen Lehr- und Versuchsgärten Schelmenwasen 6 72622 Nürtingen

Dipl.-Ing. (FH) Stefan F. Tischer Stadtgrün und Umwelt Dachau Otto-Hahn-Straße 3 85221 Dachau

Till Hofmann Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof Babostraße 5 69469 Weinheim Dipl.-Ing. Agnes Hofmeister Liebermannstraße 30 J 13088 Berlin

Dipl.-Ing. Georg Zimmermann Praschweg 6 93049 Regensburg

Die Autoren sind Mitglieder des Arbeitskreises Pflanzenverwendung im Bund deutscher Staudengärtner www. stauden.de www.staudenverwendung.de

Vorwort Die Pflanzenverwendung in städtischen Freiräumen steht heute im Span­ nungsfeld zwischen Ökologie, Gestaltungsanspruch und Pflegemanage­ ment. Vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Budgets und den Folgen des Klimawandels werden darüber hinaus die Nachhaltigkeit, der spar­ same Umgang mit Ressourcen und die Reduktion der Anlage- und Unter­ haltskosten bei der Installation erlebnisreicher Staudenvegetation zum ­bestimmenden Faktor. Nie stand den Landschaftsarchitekten eine so unglaubliche Vielfalt an interessanten Staudenarten und -sorten zur Verfügung wie in den letzten fünf bis zehn Jahren. Zu sehen ist davon allerdings im öffentlichen Raum immer noch viel zu wenig. Offensichtlich ist der differenzierte Umgang mit Stauden derart komplex, dass sich oft nur versierte Spezialisten an deren Verwendung herantrauen. Geht es um differenzierte, dynamische Bepflanzungskonzepte, müssen sich Planer und Pflegekräfte mit den na­ türlichen Prozessen wie Wachstum, biologischen Zyklen und Veränderun­ gen auseinandersetzen. Mit diesen hohen Anforderungen, die eigentlich zur Kernkompetenz des Berufsstandes gehören sollten, sind sie allerdings ­häufig überfordert. Bisher fehlte ein praxisnahes Handbuch, welches Planungsbüros, Gar­ tengestaltern und Grünflächenverwaltungen bei den in den letzten zehn Jahren immer komplexer und vielfältiger gewordenen Möglichkeiten der Staudenverwendung im urbanen Raum Hilfestellungen bietet und den Planungs- und Ausführungsprozess einer Pflanzung begleitet. Die Autoren behandeln deshalb nicht nur die ökologischen und gestalterischen Grund­ lagen der Entwurfs- und Ausführungsplanung, sondern beschreiben darüber hinaus aktuelle Konzepte der Staudenverwendung, geben Hin­ weise zur Ausschreibung, Vergabe und Anlage und befassen sich intensiv mit der Entwicklung und Unterhaltung von Staudenpflanzungen. Das Handbuch Staudenverwendung führt damit erstmalig alle wesentlichen Aspekte und neueren Entwicklungen der Staudenverwendung wissen­ schaftlich fundiert und dennoch kompakt und praxisbezogen zusam­men. In keinem anderen Werk wurde bisher das Pflegemanagement von Staudenpflanzungen so umfassend und auf der Grundlage neuester ­Erkenntnisse behandelt und dargestellt.

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Vorwort

Das vorliegende Handbuch ergänzt somit die aktuelle Literatur zur Stau­ denverwendung und eignet sich insbesondere für freischaffende und an­ gestellte Garten- und Landschaftsarchitekten, planende und ausführende Techniker und Meister im GaLaBau, leitende Angestellte und Inhaber von GaLaBau-Firmen, Planende in Verwaltungen und im Grünflächenmanage­ ment, Dozenten und Ausbilder in Hochschulen, Meister- und Techniker­ schulen sowie Studierende. Durch die Verweise in den jeweiligen Kapiteln ist es für jeden möglich, an „seiner“ Stelle in das Handbuch einzusteigen und die Querverbindungen zu den anderen Themen herzustellen. Als sich 1998 der Arbeitskreis Pflanzenverwendung aus Vertretern von Hochschulen, Lehr- und Versuchsanstalten, Grünflächenämtern, Schauund Sichtungsgärten sowie freien Landschaftsarchitekten zusammen ­gefunden hatte, stand zunächst als wesentliches Ziel die Förderung der Staudenverwendung im öffentlichen Grün auf der Agenda. Dies hat sich inzwischen auch tatsächlich – insbesondere durch die Entwicklung standardisierter Bepflanzungskonzepte – erreichen lassen. Hinzuge­ kommen ist im Laufe der Arbeit aber auch die Auseinandersetzung mit der Stauden­verwendung an sich. Im Arbeitskreis Pflanzenverwendung konnten – dank des vorhandenen, breit gefächerten Expertenwissens und durch die Unterstützung und enge Zusammenarbeit mit dem Bund deutscher Staudengärtner (BdS) – neueste Forschungsergebnisse aus den Hochschulen und Forschungsanstalten sowie langjährige Erfahrungen aus der Praxis gebündelt, diskutiert und neu eingeordnet werden. Durch den i­ ntensiven fachlichen und wissenschaftlichen Diskurs während der jahrelangen gemeinsamen Arbeit wurde nicht zuletzt das Verständnis ­ über Begrifflichkeiten und Zusammenhänge in der Pflanzenverwendung bei allen Beteiligten gestärkt. Neben den siebzehn direkt am Handbuch beteiligten Autoren haben letztlich alle Mitglieder des Arbeitskreises Pflanzenverwendung durch ihre jahrelange Arbeit, ihre anregenden Diskussionen, zahlreichen Veröffent­ lichungen und innovativen Forschungsarbeiten zum Entstehen und Gelin­ gen des Handbuches beigetragen. Es ist bemerkenswert, dass es unter der engagierten Leitung von Jürgen Bouillon gelungen ist, ein solches Werk in einer Weise zu erarbeiten, wie sie sonst nur in Regelwerken angewen­ det wird. Das Handbuch stellt somit einen breiten Konsens aus Wissen­ schaft und Praxis dar, ohne dass individuelle, divergierende Meinungen ausgeschlossen werden. Prof. Cassian Schmidt, Leiter des Arbeitskreises Pflanzenverwendung im Bund deutscher Staudengärtner, Weinheim

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Einleitung

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Einleitung

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tauden lassen sich auf unendlich vielfältige Weise verwenden. Von der farbenprächtig-auffälligen Rabattenpflanzung bis zur naturhaften Unterpflanzung von Gehölzen lässt sich ein breites Spektrum verschie­ dener Pflanzungsideen verwirklichen. In jüngster Zeit gibt es vermehrt Be­ strebungen Pflanzenkombinationen zu entwickeln, die auch mit geringem Pflegeaufwand auf großer Fläche ganzjährig interessant wirken und so ungenutzte oder unattraktive Bereiche in Städten temporär oder lang­ fristig bereichern können. Es lassen sich für jeden Standort und fast jede Situation im öffentlichen Freiraum geeignete Lösungen finden. Stauden bieten eine unerschöpfliche Vielfalt an Formen und Farben. Gut kombiniert und der jeweiligen Standortsituation entsprechend, bereichern sie jeden öffentlichen Freiraum. Stauden sind dauerhaft und können langlebige Gemeinschaften bilden. Einmal angepflanzt, erscheinen sie jedes Jahr von Neuem und entwickeln sich üppiger und prächtiger. Stauden schärfen den Sinn für Dynamik und Veränderung. Der Lauf der Jahreszeiten, der Wechsel von Werden und Vergehen lassen sich an ihnen ablesen. Stauden bieten vielen Wildtieren Lebensraum und Nahrungsquelle. Sie lassen Natur in der Stadt erlebbar werden. Staudenpflanzungen eröffnen somit eine große Chance. Aber die richtige Konzeption entscheidet letztlich darüber, ob die Begeisterung auch anhält. Denn neben Fragen einer ästhetisch effektvollen Kombination müssen öko­ logisch wichtige Faktoren wie Standorteignung und Konkurrenzkraft be­ dacht werden. Ob die Pflanzung dann tatsächlich dauerhaft funktionsfähig bleibt, steht und fällt mit der gärtnerisch richtigen Ausführung. Außerdem ist eine flexible, kenntnisreiche Pflege unerlässlich, um langfristig Freude an der Staudenpflanzung zu haben. Gerade bei Staudenpflanzungen offen­ baren sich die engen Beziehungen zwischen Planung, pflanzlicher Dynamik und Pflege. Sie sind nicht voneinander zu trennen, wenn Pflanzungen dauerhaft gelingen sollen. Wurden Staudenpflanzungen früher aus Kostengründen vordergründig wegrationalisiert, ergreifen heute immer mehr Städte und Gemeinden die Chance, mit neuen Stauden, interessanten Pflanzenanordnungen, vegetationstechnischer Optimierung und intelligenter Pflege nachhaltige Staudenpflanzungen umzusetzen. Dieses Handbuch soll dazu dienen, alle Verantwortlichen und Interes­ sierten in öffentlichen Verwaltungen, Ausbildungsstätten, Planungsbüros und Betrieben des Garten- und Landschaftsbaus auf das Thema Stauden und ihre vielfältigen Möglichkeiten im öffentlichen Grün aufmerksam zu machen. Konkrete Hinweise zu Bepflanzungstypen und zur Pflanzenaus­ wahl sowie zur fachgerechten Pflanzung und Pflege sollen Entscheidungs­ hilfen darstellen, welches Bepflanzungskonzept das Richtige für einen Freiraum darstellt, um tatsächlich eine attraktive Staudenpflanzung auf Dauer entstehen zu lassen.

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Stauden als Gestaltungsmittel

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Stauden als Gestaltungsmittel

Abb. 1 (links) AstilbenTal Killesberg, Stuttgart. Planung: Herta Hammerbacher, 1939. Aufnahme 1984. Abb. 2 (rechts) Gestaltungsstil der 1950erJahre, Rekon­struktion in Anlehnung an Karl Plomin, Stadtpark Hannover.

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tauden bieten eine große Palette an Verwendungsmöglichkeiten. Über Blüten- und Blattfarben, Texturvielfalt des Laubes und winterliche Strukturen können sie als künstlerisches Ausdrucksmittel eingesetzt werden und oft langfristig wirksame Artengemeinschaften bilden. Mit Staudenpflanzungen kann räumlich-funktionellen Gestaltungskonzepten eine individuelle Atmosphäre gegeben werden. Neben diesen ästhe­tischen Funktionen erfüllen sie im städtischen Umfeld gleichzeitig auch eine Reihe von ökologischen Funktionen. Der besondere Reiz der Staudenpflanzungen liegt darin, dass es dynamische, also sich verändernde Systeme sind. In der ökonomischen Betrachtungsweise bedeutet das, dass sich Ideengeber, Planende und Pflegende über das Werden und Vergehen von Stauden­ pflanzungen, also ihren Lebenszyklus, Gedanken machen müssen.

2.1 Staudenverwendung im Wandel der Zeit Staudenrabatten als ästhetisches Gestaltungsmittel Seit der Entwicklung des architektonischen Gartens im frühen 20. Jahr­ hundert ist die Staude ein zentrales Gestaltungselement der Garten­ architektur. Zunächst standen hierbei gestalterische Qualitäten im Zen­ trum des Interesses. Beeinflusst durch die englische Gartenkünstlerin Gertrude Jekyll (1843–1932) und eigene Traditionen aus der Bieder­ meierzeit wurden Stauden im frühen 20. Jahrhundert in Deutschland außerordentlich beliebt. Im Gegensatz zur betont malerischen englischen Staudenrabatte, bei der Stauden mit Sommerblumen und Blütengehölzen zu kunstvollen Blütenbildern in warmen und kalten Tönen zusammen­ gesetzt wurden, wurde in Deutschland meist mit streng grafischer Anord­ nung gearbeitet. Rabatten wurden in der Regel nach dem „Rapportprinzip“ gepflanzt, bei dem eine feste Farbfolge in klaren Kontrasten durch regel­ mäßige Wiederholungen zu ornamentalen Bändern zusammengesetzt wurde. Beispiele hierfür finden sich bei Fritz Encke, Erwin Barth und Heinrich Wiepking.

Staudenverwendung im Wandel der Zeit

Neue Landschaftlichkeit mit Stauden In den 1930er-Jahren gewann die Staudenverwendung durch die ­Entwicklung des Wohngartens eine neue Qualität und wurde aus der ­Rabattenform in eine neue Landschaftlichkeit geführt (Herta Hammerbacher, Hermann Mattern, Otto Valentien, Mien Ruys). Stauden­ habitus und Struktur wurden zu zentralen Gestaltungselementen (Abb. 1). Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich eine große Vielfalt neuer Staudenbilder und Bepflanzungskonzepte (Abb. 2). Einen besonderen Einfluss hatte hier vor allem die von Richard Hansen und Hermann Müssel 1971 begründete Pflanzenverwendung nach Lebensbereichen und Geselligkeitsstufen (Rosemarie Weisse, Urs Walser). Sie ge­ währleis­teten ein harmonisches Artengefüge mit langfristig verläss­licher Entwicklung (vgl. Hansen und Stahl 1997). In den 70er-Jahren beein­ flussten auch neue ökologische Erkenntnisse die Staudenverwendung, wurden ungebremste oder scheinbar ungebremste Sukzessions­folgen diskutiert und getestet (z. B. Kasseler Schule).

Aktuelle Staudenverwendung Durch die Erweiterung der Aufgabenbereiche der Landschaftsarchitektur über Gärten und Parks hinaus, entstand im späten 20. Jahrhundert eine große Vielfalt an neuen Pflanzkonzepten für das Stadtgrün. Zu den wich­ tigsten Strömungen der aktuellen Staudenverwendung im öffentlichen Grün gehören weit­läufige Pflanzenlandschaften mit konkurrenzstarken Stauden (Wolfgang Oehme, Petra Pelz, Piet Oudolf, Heiner Luz). Andere Planer entwickeln kreative Abstraktionen von Naturlandschaften oder naturnahen Pflanzen­gemeinschaften (Cassian Schmidt, Henk Gerritsen) (Abb. 3). Neben europäischen Landschaftscharakteren üben amerikanische oder asiatische Landschaften einen großen Einfluss auf neue Staudensortimente und Gestaltungsideale aus. Es wird experimen­ tiert mit Pflanzungen und Aussaaten oder den Kombinationen aus beiden.

Abb. 3 (links) Natura­ listische Pflanzenverwendung, Hermannshof, Weinheim. Abb. 4 (rechts) Weit­ läufige Staudenlandschaften, Gräflicher Park, Bad Driburg. Planung: Piet Oudolf.

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Stauden als Gestaltungsmittel

Seit den 1990er-Jahren erlangt englische Pflanz­ tradition mit der kombinierten Verwendung von Stauden und Sommerblumen zunehmend Be­ deutung in der deutschen Staudenverwendung (Christine Orel). Die Pflanzenverwendung im öffentlichen Grün wird heute zunehmend durch den Pflege­ etat bestimmt. Um Grünflächenämtern einen leichteren Einstieg bei der Staudenverwendung zu ermöglichen, wurden Staudenmischungen mit stressresistenten Arten entwickelt (Arbeits­ kreis Pflanzenverwendung im Bund deutscher Staudengärtner). Die verwendeten Arten ergän­ zen sich im Idealfall zu einem stabilen selbst­ regulierenden System, bei dem der Erhalt des Gesamteindrucks wichtiger ist als der Erhalt einzelner Pflanzen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass derzeit eine große Auswahl an Bepflanzungskonzepten und Bepflanzungsidealen mit Stauden zur Verfügung steht. Besonders hervorzuheben ist der große atmos­ phärische Ausdruck durch eine verstärkte Verwendung von Gräsern und weitläufige Staudenbilder mit großer Fernwirkung (Abb. 4). Diese neue landschaftliche Staudenverwendung eignet sich besonders für große Pflanzflächen in Parkanlagen, auf Stadtplätzen, in Wohnsiedlungen und im Straßenbegleitgrün.

Buchtipp Spannende Zeitreisen durch die Staudenverwendung und ihre Protagonisten bieten: Duthweiler (2011): „Neue Pflanzen für • Swantje  neue Gärten: Entwicklung des Farbsortiments von Stauden und Blumenzwiebeln und ihre Verwendung in Gartenanlagen zwischen 1900 und 1945 in Deutschland“. Kühn (2011): „Neue Staudenverwendung“. • Norbert  • Bettina Rehm-Wolters und Markus Zeiler (2011): „Stauden im Garten: Gestaltungsideen für immerblühende Beete“. • Mascha Schacht (2012): „Gestaltung mit Stauden: Von Karl Foerster bis New German Style“.

 

2.2 Bedeutung von Staudenpflanzungen in der Stadt Die Funktionen von Staudenpflanzungen in der Stadt sind so vielfältig wie die Verwendungsbereiche von Stauden im öffentlichen Freiraum. Dabei kann grundsätzlich zwischen gestalterisch-ästhetischen Funktionen auf der einen Seite und ökologischen und ingenieurbiologischen Funktionen, einschließlich vielseitiger Wechselwirkungen, auf der anderen Seite diffe­ renziert werden. Wie die Geschichte der Staudenverwendung in der Stadt zeigt (R Kap. 2.1), standen zunächst die gestalterisch-ästhetischen Wir­ kungen im Vordergrund. Mit der Schärfung des gesellschaftlichen Be­ wusstseins für den Umwelt- und Naturschutz aufgrund der Zunahme von Umweltproblemen zu Beginn der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhun­ derts gewannen verstärkt ökologische und ingenieurbiologisch-funktio­ nale Aspekte der Staudenverwendung an Bedeutung. In den nachfolgen­ den Jahren führten Haushaltseinsparungen und explodierende Kosten in der Unterhaltungspflege zu einem Rückgang von Staudenpflanzungen im öffentlichen Grün und der Wunsch nach pflegearmen und gleichzeitig ästhetisch zufriedenstellenden Konzepten entstand (vgl. Boison und Seyfang 1994, 1995). Vor diesem Hintergrund wurde 1998 der Arbeits­ kreis Pflanzenverwendung im Bund deutscher Staudengärtner gegründet (weiterführend siehe Bouillon 2012). Nach einer Befragung des Arbeitskreises bei über 30 städtischen Grün­ flächenämtern seit 2006 ist derzeit wieder eine zunehmende Verwen-