Good news for good boys

in den 1980er Jahren nach Deutschland geflohen, zu. Integrationscoaches. Im April ... ter Sanders und George Okoro, die in der Klasse als Inte- grationslotsen ...
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Afghanische Jugendliche erleben Erfolge

Good news for good boys

Hans-Günter Sanders und George Okoro

Im Multimedia-Kurs

Im Robotik-Kurs

Besuch von der Bildungssenatorin und Airbus

Eben noch herrschte konzentrierte Betriebsamkeit im Schulzentrum Neustadt, denn demnächst sollen einer Jury selbst programmierte Roboter und eigenproduzierte Filme präsentiert werden. Doch jetzt haben alle die Arbeit unterbrochen, und man könnte eine Stecknadel fallen hören. Vorne stehen die beiden Pastoren Hans-Günter Sanders und George Okoro, die in der Klasse als Integrationslotsen arbeiten. „Good news for good boys“ habe er mitgebracht, sagt Sanders. Die jungen Männer, die allesamt aus Afghanistan stammen, lauschen konzentriert, als die beiden einen Brief verlesen. Der Brief ist auf Deutsch verfasst, Absender ist die Bremer Bildungssenatorin Claudia Bogedan. Der entscheidende Satz: „Im Moment droht keine Abschiebung nach Afghanistan.“

benattentat in Kabul ums Leben gekommen. Die Trauer und die Hilflosigkeit gegenüber der Situation zu Hause in Kabul mischen sich mit der Freude. „Er will es nicht glauben“, übersetzt einer der Jugendlichen. Schließlich seien doch bereits Afghanen aus Deutschland abgeschoben worden. Vor ein paar Wochen hatten etliche aus dieser Vorklasse vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Bescheid bekommen, dass ihr Asylantrag abgelehnt worden sei. Mit dem Brief der Senatorin ist jetzt klar: Sie dürfen bleiben, denn für die Abschiebung ist Bremen zuständig, und dort hatte man schon vor den aktuellen Bombenattentaten entschieden, niemanden in ein so unsicheres Herkunftsland wie Afghanistan zurückzuschicken.

Trauer und Freude mischen sich

Den Roboter zum Laufen bringen

Einige der jungen Männer halten den Daumen nach oben, lächeln, klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und freuen sich still. Doch dann beginnt eine Diskussion. Einer der Schüler kann die gute Nachricht nicht fassen. Vor einigen Tagen ist sein Onkel bei einem Bom-

Kurze Zeit nach dieser Botschaft arbeiten alle schon wieder fieberhaft an ihren Projekten, denn der Präsentationstermin naht. Die Robotik-Gruppe mit Vahid, Kasem und Parviz programmiert in „C“, einer professionellen Programmiersprache. Ihr Roboter soll sich in verschiede-

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bremer kirchenzeitung Juni 2017 · www.kirche-bremen.de

sein Kollege George Okoro von der afrikanischen Gemeinde ‚Living Word Ministries Bremen‘, haben ihnen damals das Radfahren beigebracht. „Sie brauchen eine Perspektive, Deutschunterricht und Einblicke in die Arbeitswelt. Wenn junge Menschen nicht angemessen gefördert und begleitet werden, könnten einige von ihnen in die Versuchung geraten, Böses zu tun. Wenn wir ihnen nicht helfen, werden sie tatsächlich die „bad boys“, für die manche sie halten. Wir sind sicher: Es gibt keine bad boys, alle sind von Gott geliebt. Das ist die Botschaft, die uns selbst trägt.“ Über persönliche Kontakte kam das Unternehmen Airbus mit ins Boot, das den Löwenanteil der Kosten trägt und Mitarbeiter für den Unterricht freistellt. Das SOS Kinderdorfzentrum übernahm die Trägerschaft und machte die beiden Pastoren und den afghanischen Arzt Hafizullah Mirzakhyl, selbst in den 1980er Jahren nach Deutschland geflohen, zu Integrationscoaches. Im April 2016 ging die Vorklasse an den Start.

nen Geschwindigkeiten bewegen, dann auf einer Linie fahren, eine Schleife drehen und die Greiffunktion vorführen. Dazu passend soll er akustische und optische Signale geben. Geduldig geht Gerhard Urban, Ingenieur und Betriebsrat bei Airbus, noch einmal die Programmierschritte mit den Jugendlichen durch, damit sich der Roboter in der gewünschten Geschwindigkeit und im richtigen Radius dreht. Faveur Gaius, Informatiker und Elektriker im Lehrerteam, hakt auf einer Checkliste Schritt für Schritt ab, was funktioniert. Einen Raum weiter sitzen Nisar, Mohammad, Ajabnoor, Shoaib und die anderen im Medientechnik-Kurs von Wolfgang Lindenau, ebenfalls Airbus-Mitarbeiter. Sie schneiden ihre letzten Videosequenzen und unterlegen Vertrauen aufbauen sie mit Ton. Die Software beherrschen sie mittlerweile aus dem Eff-eff und erklären nebenbei ihre Filmideen. Die richtige Haltung verändere alles, meint Sanders. „Wer 6.000 Kilometer von seinen Eltern getrennt lebt, „Sie brauchen eine Perspektive“! ist innerlich zerrissen: Er trauert, dass er sie verlassen musste und sucht gleichzeitig nach neuen Perspektiven. „Kennengelernt haben wir die Jungs aus Afghanistan Wir arbeiten täglich daran, Vertrauen in die Zukunft in einem Zelt auf dem Stadtwerder, wo sie im Herbst aufzubauen.“ 2015 untergebracht waren“, erinnert sich Hans-Günter Wenn man die Disziplin, den höflichen Umgang miteiSanders, Pastor im Ruhestand aus der Neustadt. Er und nander und die Ruhe im Klassenraum sieht, weiß man,

warum die Integrationscoaches so begeistert sind. „Wir sind auch als Seelsorger da. Wenn in Kabul wieder eine Bombe hochgeht, brauchen die Jungs jemanden, der Schmerz und Trauer teilt.“

„Wir sind Vaterfiguren geworden“ Für die jungen muslimischen Männer sind die beiden Integrationscoaches die „Pastors“, mit denen sie auch Glaubensfragen diskutieren. „Was ist das für ein Geist in diesem Land, warum tut ihr das für uns?“, werden die beiden Pastoren immer wieder gefragt.

Erfolgsmodell wird weitergeführt Das Projekt in der Delmestraße wird weitergehen, im nächsten Schuljahr folgen weitere Berufsorientierungsund Sprachförderkurse, Airbus weitet seine Unterstützung noch aus. Angedacht sind auch Kurse in mechanischer Fertigung, die auf metallverarbeitende Berufe vorbereiten, und ein Sanitäts- und Erste Hilfe-Kurs für junge Flüchtlinge, die in den medizinischen Bereich gehen wollen. Bleibt zu hoffen, dass die jungen Leute später auch einen Ausbildungsplatz finden. Text: Matthias Dembski | Fotos Matthias Dembski/Airbus

Wenn die Motivation Einzelner zwischendurch doch mal durchhängt, kracht es auch mal kräftig. Dabei schenken sich die Coaches und die Jugendlichen nichts. „Ich habe einen der jungen Männer mal gefragt, was er zuletzt gemacht hat, als er sein Elternhaus in Afghanistan verließ“, erzählt Hans-Günter Sanders. „Seine Antwort: ‚Ich habe zum Himmel geschaut und gebetet.‘ – Da habe ich gesagt: Mach‘s hier genauso: Du bist bis hierher gekommen, bete und arbeite, dann packst du‘s hier!“ Deutschland sei das Land, in dem Disziplin und Wissen zählten, meint George Okoro. „Wir sind für die Jungs so etwas wie Vater-Figuren geworden, vor denen sie bei aller Freundschaft doch Respekt haben.“ Die gemeinsame Botschaft des Projektes: Hängt euch rein, ihr könnt es schaffen, aber der Weg ist lang, habt Geduld und haltet durch!

Flüchtlings-Projekt im Schulzentrum Neustadt Kontakt zu Pastor Hans-Günter Sanders über das SOS Kinderdorf Bremen Telefon 0421/59 712-0 [email protected] Spendenkonto SOS Kinderdorf IBAN DE73 2905 0101 0001 0451 60 BIC SBREDE22 Verwendungszweck: Flüchtlingsarbeit www.sos-kinderdorf-bremen.de

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