"Gestatten, mein Name ist Hase. Zu den Funktionen von Namen"

Warum benutzen wir Namen? Unsere Eltern rufen uns beim Namen zum Essen. Das erspart es ihnen, rauszugehen und uns von der Rutsche zu holen oder aus der Matschpfütze zerren zu müssen. Kurzum: Namen lassen uns Personen zuordnen, um mit ihnen zu interagieren. Zwei weitere Fragen zur Einstimmung: ...
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Gestatten, mein Name ist Hase. Zu den Funktionen von Namen. Von Ivo „h3x3“ Gruner, März 2013

1. Einleitung: Namen als Identifier in sozialen Systemen Warum benutzen wir Namen? Unsere Eltern rufen uns beim Namen zum Essen. Das erspart es ihnen, rauszugehen und uns von der Rutsche zu holen oder aus der Matschpfütze zerren zu müssen. Kurzum: Namen lassen uns Personen zuordnen, um mit ihnen zu interagieren. Zwei weitere Fragen zur Einstimmung: weshalb wird der Wechsel des Namens so schwer gemacht? Oder warum sind Namensänderungen nur unter restriktiven Bedingungen zugelassen, z.B. durch Eheschließung oder in Zeugenschutzprogrammen? Kurzum: weil die Zuordnung dadurch schwieriger wird, ein eindeutiger Identifier fehlt.1 Der Name ist in diesem System wie in feste IP-Adresse eines Computers, das wie ein Nummernschild auf der Datenautobahn fungiert. In diesem Sinne könnten statt Namen schlicht feste Nummern oder andere, lebenslauffeste Identifier vergeben werden. Tatsächlich wird dies bereits praktiziert: die Rentenversicherungsnummer wird eindeutig zugeordnet und bleibt bis zum Lebensende gültig. Der Name ist in diesem Sinne die unabhängige, die RV-Nummer die abhängige Variable. Der Name kann sich – vollständig oder teilweise – ändern, die Nummer bleibt. Interessanterweise wird die Vergabe der RV-Nummer durch ein Ereignis ausgelöst: den Eintritt in das erste Erwerbsarbeitsverhältnis. Sie ist also in diesem Sinne ursprünglich gekoppelt mit dem Erwerbsstatus. Damit wird ganz eindrücklich schon die Verkettung und tieferliegende Bedeutung von alphanumerischen Identifiern mit der ökonomischen Dimension von Sozialsystemen deutlich. Sprich dem, was sich in Deutschland seit circa der vorletzten Jahrhundertwende zur wohlfahrtsstaatlich geprägten, kapitalistischen Marktwirtschaft entwickelt hat.2 Es ist nicht nur vorstellbar, die Nummerierung von Menschen vom Erwerbsstatus zu entkoppeln, sondern millionenfache Realität. Ob soziale Netzwerke im Internet oder mit anderen Dingen als der Rentenversicherung befasste Behörden: überall werden wir indiziert, mit alphanumerischen Codes – einer abstrahierten und maschinenlesbaren Form von Namen – belegt. Unser „richtiger“ Name, der uns (i.d.R.) von unseren Eltern gegeben wurde spielt dabei nur noch eine untergeordnete Rolle und dient als Referenzobjekt. Mit diesem relationalen Charakter von Namen und den vielfältigen Funktionen von Namen möchte ich mich im Folgenden auseinander setzen. 1

In einem auf seine Reproduktion angelegten System ist es daher in der Sozialisation der Mitglieder angelegt, dass ihnen eine emotionale Verbindung zu ihrem Namen eingebläut wird. Der Akt, sich von dem Namen zu trennen, der buchstäblich als „in mir eingeschriebenen“ und als „zu mir gehörenden“ wahrgenommen wird, gleicht einem physischen Verlust bis hin zur Verletzung (siehe dazu Abschnitt 6). 2 Da das deutsche Modell „soziale Marktwirtschaft“ insbesondere seit der rot-grünen Agenda2010 intensiv abgebaut wurde, wäre es interessant zu ergründen, ob und wie sich die Funktion von Identifiern gewandelt hat.

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2. Die Kontrollfunktion von Namen Wie bereits beschrieben, machen Namen die Mitglieder von menschlichen sozialen Systemen (mehr oder weniger eindeutig) identifizierbar. Dies zeigt sich z.B. an der Sanktionierung von Unterschriftenfälschung, die das bestehende System von Identifizierung durcheinander bringt. Darin drückt sich eine weitere Funktion von Namen aus, die über den (vermeintlich) harmlosen Aspekt der Identifizierung: Kontrolle. Namen sind das Medium mittels dessen Handlungen zu Personen zugeordnet werden können, die z.B. der Sanktionierung eben dieser dienen können.3 Dies schlägt sich u.a. in der Strafverfolgung nieder. Stellen wir uns vor, es wird „gegen Unbekannt“ ermittelt. „Unbekannt“ steht als Platzhalter, für eine bisher nicht identifizierte Person. Jegliche Merkmale, die im Ermittlungsprozess zusammengetragen werden, haben das Ziel, diesen Zustand zu beheben. Sobald der oder die TäterIn gefunden wurde, lassen sich die Merkmale ihrem Namen zuordnen. Wobei natürlich die den Namen tragende Person gemeint ist. Trotzdem hat der Name in diesem Zusammenhang eine übergeordnete und hervorgehobene Container-Funktion. 3. Die Container-Funktion Bleiben wir beim Thema Strafverfolgung, um diese Container-Funktion zu erläutern. Und ersetzen wir „Unbekannt“ durch „Jack the Ripper“. 4 Die Londoner Polizei suchte nach einer Person, deren Ergreifung das Ende einer Mordserie bedeuten würde. Sie suchte nach einer Person, die – qua Fremdzuschreibung – unter dem besagten Namen sein Unwesen trieb. Die Ergreifung (und Hinrichtung) einer beliebigen Person, als Ergebnis von Ermittlungsfehlern oder einfach zwecks Beruhigung der Stadtbevölkerung, hätte keine Morde verhindert. Die Polizei musste die Person finden, dessen Name ein Container für bestimmte Merkmale, d.h. Handlungen (in diesem Fall mehrfacher Mord) war. Name und Person sind in diesem Fall untrennbar miteinander verknüpft. 4. Die Machtfunktion von Namen Das Phänomen von Namen ist, wie jeder andere Aspekt sozialer Systeme, Wandel unterworfen. Die Namen von „heute“ z.B. sind in der Regel sehr kurz. Mittelnamen und Namenszusätze sind seltener geworden. Karl Gustav Friedrich von und zu Gutenberg sowie Marie-Annegreth Claudia Fischbach sind durch ein Zwei-Komponenten-System ersetzt worden. Gestatten: Karl Gutenberg und Marie Fischbach. Doch es geht dabei nicht um Fragen der Syntax. Es geht vielmehr darum, was mit Namen ausgedrückt wird: nämlich die Stellung in einem sozialen System. Diese Funktion lässt sich zum Beispiel an häufig vorkommenden Nachnamen verdeutlichen: Müller, Bäcker, und am offensichtlichsten: Bauer. Diese Namen stehen für Berufe. Und Berufe definieren – über die 3

Auch der umgekehrte Fall geht natürlich damit einher: auch positive Handlungen, sowie Leistungen und Güter, z.B. vertraglicher Natur, können zugeordnet werden. Gerade Verträge, die einen bestimmten Austausch zwischen Person (namens) A und Person (namens) B festschreiben, sind ein gutes Beispiel. 4 „The Ripper“ ist hier übrigens Fremdzuschreibung (siehe FN 9) und zugleich eine Art Namenszusatz.

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Grenzen von Kultursystemen hinweg – u.a. die sozial festgelegte Stellung in einer hierarchisch organisierten Gesellschaft. Besonders deutlich wird dies, wenn wir Bauer und Müller5 den Typus „von und zu Gutenberg“ gegenüberstellen. Die heutige Bedeutung dieser Art von Zusätzen entspricht in keiner Weise mehr ihrer ursprünglichen. Denn diese sind Ausdruck der außerordentlich hervorgehobenen Stellung bestimmter Gruppen in der Gesellschaft einer bestimmten Zeit. Gruppen, die durch ihre Stellung, ausgedrückt im Namenszusatz, ganz konkret Macht über Andere auszuüben legitimiert waren. Im Feudalismus galt dies exklusiv für die zwei oberen Stände, die Adligen und den Klerus. Diese Funktion hat sich bis heute erhalten und drückt sich in Titeln wie Prof., Dr., oder MdB aus. Sag mir deinen Namenszusatz, und ich verrate dir, als wie wichtig dein Umfeld deine damit verknüpfte Funktion bzw. soziale Gruppe erachtet – wie groß deine Machtfülle ist.6 „Herr Oberstudienrat“ und „Herr Lehrer“ kommen dabei (leider?) nicht so gut weg. Es ist einzuschränkend hinzuzufügen, dass der Wandel von Namen und ihren Zusätzen mitnichten gleichzusetzen ist mit Fortschritt. Diese optimistische Sicht der Dinge hält der Realität nicht stand. Denn Wandel ist zuvorderst Ausdruck der dynamischen Veränderung sozialer Machtverhältnisse.7 Eine Feststellung, die sicherlich auf weniger banal erscheinende bzw. wahrgenommene Phänomene wie der Bedeutung von Namen in sozialen Systemen, übertragbar ist. 5. (Nach)Namen als kollektive Identitäten Nehmen wir folgende Nachnamen: Goldschmied, Müller und Öztürk. Alle drei sollen hier als Ausdruck bzw. stereotypischer Vertreter bestimmter Gruppen gelten. Die bereits angesprochene Transkulturalität der Funktionen von Namen schlägt lässt sich darin nieder, dass aus allen drei Namen spezifische Berufe bzw. Stellungen abzulesen sind.8 Darüber hinaus jedoch verraten gruppenspezifische Namen eben auch die Zugehörigkeit von Personen zu eben diesen Gruppen. So vermutet man reflexartig hinter dem Namen Goldschmied eine Person mit einer nicht nur diffusen, sondern recht konkreten Verbindung zum jüdischen Glauben. Müller lässt auf eine Person „deutscher Abstammung“ schließen, Öztürk wiederum „türkischer Abstammung“. Dieser Reflex zeigt: Namen – und zwar insbesondere Nachnamen –

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Wie man an deutschen Nachnamen sieht, tragen Namen auch eine Geschlechterdimension in sich: in der Regel kommen Nachnamen, die auf Berufe zurückgehen, in der männlichen Form. Ein Herr Bäuerin bzw. Herr Müllerin ist mir persönlich jedenfalls noch nicht untergekommen. 6 Nicht zuletzt drückt alleine schon die Tatsache, dass die Namen einiger Weniger schmückende Zusätze bekommen, auf ganz banaler Ebene ein mehr bzw. weniger an etwas, d.h. Macht, aus. 7 Natürlich spielt sich Wandel auf allen Ebenen der Funktionen von Namen ab, man denke nur an Nicknames im Online-Kontext: sie benennen selbstgewählte Avatare, d.h. bewusst erschaffene Ableger unserer Identität. Ein anderes Beispiel: (vor allem berufsbezogene) Namen sind spezifisch für ihre Zeit. Ihre Häufigkeit ist mit bestimmten Zeitperioden verknüpft. Namen können daher mit ihren Trägerinnen und Trägern aussterben sowie neu geboren werden. 8 Öztürk: öz steht für rein oder pur. Zusammen bedeutet es so etwas wie „der reine Türke“.

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kennzeichnen nicht nur Individuen, sondern bringen darüber hinaus eine Konnotation von kollektiver Zugehörigkeit und Identität mit sich. Diese Erkenntnis können wir nun analog und ergänzend zu der bereits im vorigen Abschnitt erläuterten Machtfunktion von Namen in Stellung hinzufügen. Und zwar in zwei Schritten. Erstens: wenn wir der Annahme folgen, dass Namen kollektive Identitäten konstituieren, dann muss daraus logisch der Schluss erwachsen, dass sich durch sie auch die Beziehungen zwischen den Angehörigen dieser Identitäten, d.h. Gruppen überträgt. Unter heutigen Umständen gehört wenig dazu, ein Beispiel dafür zu finden. Man muss sich nur die Diskussion um die negative Wirkung von „ausländisch klingenden Namen“ bei Bewerbungen vor Augen halten. Die hiervon betroffenen Namensträgerinnen und -träger werden Opfer der Beziehungen zwischen „ihrer“9 Gruppe und einer anderen. Die Tätergruppe bildet in diesem Fall die so genannte „Mehrheitsgesellschaft“. Hierbei schwingt natürlich auch die Ab- und Ausgrenzungsfunktion von Identitäten mit. 10 Die Beziehungen der beiden Gruppen spielen sich dabei immer auf mehreren Ebenen ab. Dies sei hier vorläufig nur stichwortartig abgehandelt: historische, kolportierte sowie persönlich erlebte Erfahrungen formen ein Bild bzw. ein Narrativ von der jeweils anderen Gruppe, das mehr oder weniger filigran bzw. holzschnittartig ausfallen kann. Ja, es geht hier um Stereotype – kalter Kaffee, will man meinen. Doch ich glaube, nichtsdestotrotz ist es wichtig darauf hinzuweisen, wie sich sämtliche positive wie negative Effekte von Stereotypen auch auf den Bereich der Namen übertragen und wirken. Denn: Namen sind (Teil von) Identitäten, ob kollektive oder individuelle. Wenn wir also den Namen von Menschen erfahren, dann aktiviert dieser ganz real und wirkungsmächtig die gesamte Erfahrung, die wir damit verbinden – ob es unsere eigene ist oder eine uns durch Sozialisation zugetragene. Diese Erkenntnis führt mich zum nächsten Punkt innerhalb der Darlegung gruppenspezifischer Machtmechanismen. Zweitens: Nehmen wir zwei weitere Nachnamen zu unseren obigen Beispielen hinzu: Buschkowsky und Giovanni. Wieso die zwei? Die Auswahl ist nicht ganz zufällig. Zuerst Buschkowsky: dies ist ein polnischer Nachname. Ein Mann, der ihn unter anderem trägt, ist seit 2001 Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln und seit einigen Jahren quasi Stammgast in „politischen“11 Talkshows. Ob Herr Buschkowsky gerne italienisch essen geht, ist mir nicht bekannt. Dass es in Deutschland jedoch Myriaden italienischer Restaurants mit dem Namen Giovanni gibt, gilt als empirisch gesichert. Wo liegt nun die Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden Namen? Kurz: Mit beiden scheint die Mehrheitsgesellschaft nur geringe bis keine Probleme zu haben, was auf eine abgestufte Hierarchie zwischen den Gruppen in Gesellschaften hindeutet. Polnisch klingende Nachnamen und Giovanni verbindet die 9

Zugehörigkeit zu einer Gruppe basiert auf wahrgenommener Fremd- und Selbstzuschreibung. Auch: relationaler Charakter von Identitäten. 11 Über Hinweise, wie man zynisch bzw. abfällig gemeinte Wörter mit einem intuitiven und allgemeinverständlichen Zeichen deklariert, wäre ich sehr dankbar! Gänsefüßchen in allen Ehren, aber… 10

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Mehrheitsgesellschaft nicht so stark mit negativen Narrativen, wie z.B. türkischen oder arabisch klingenden Namen. Vor dem Hintergrund ist z.B. davon auszugehen, dass, bei sonst gleichem Qualifikationsniveau, bestimmte Namen Vor- bzw. Nachteile gegenüber anderen mit sich bringen. Wenn man so will, bewirbt sich die kollektive Identität, die man nicht ablegen kann, also immer mit. 6. Namen als Ausdruck von menschlicher Würde und Identität Um noch einmal auf das im ersten Abschnitt erwähnte Phänomen zurück zu kommen: was, wenn „unser“ Name durch einen für uns abstrakten Code ersetzt oder gar ersatzlos gestrichen wird? Ich, eine Nummer? Ein scheinbarer sinnloser Matsch aus Zahlen und Buchstaben? Das fühlt sich intuitiv komisch an, löst gar Unbehagen aus. Nummerierte Menschen, dass gab‘s doch irgendwo schon mal. Zwei Buchstaben: K und Z. Die Konzentrationslager des Nazi-Systems standen bzw. stehen u.a. dafür, Menschen ihrer Würde und ihrer Menschlichkeit zu berauben – und zwar auch, indem ihre Namen durch Nummern ersetzt wurden. Dieses Element des Nazi-Systems fand Eingang in viele Dystopien des 20.Jahrhunderts. Namen sind elementarer Bestandteil menschlicher Identität. Sie gehören zu uns – wenn man sie uns raubt, fehlt buchstäblich „ein Teil von uns“. Das KZ-Beispiel zeigt eindrücklich, dass dieser Teil – unser Name – ein Stück unserer Würde ist. Ein Name ist konstituierend für unsere transzendente Identität. Wird er uns genommen, ist es, als würde man uns ein wichtiges Organ dieses Astralkörpers heraus reißen. Vor diesem Hintergrund erscheint auch das grausame Schicksal der vielen Menschen, die beim Versuch der illegalisierten Einreise im Mittelmeer ertrinken, in einem harten Licht. Diese Menschen tauchen in den Mainstream-Medien nur als „Namenlose“ auf, der oder die Einzelne interessiert nicht. Für sie gibt es keinen „Friedhof der Namenlosen“, wie er für Soldaten existiert und der ihnen zumindest einen Hauch ihrer menschlichen Würde zugestehen würde. Ohne Name zu sein, bedeutet ohne Würde und ohne Recht auf ein würdiges Leben zu sein. 7. Fazit Namen drücken eine Menge aus. Letztendlich zeigt sich: Namen sind Metaphern. Sie tragen Inhalte in sich, die von der Umwelt gelesen und interpretiert werden können. Wie bei allen Metaphern, so werden auch Namen geframed. Sie transportieren ein bestimmtes Set an Bedeutungen, andere wiederum werden ausgeblendet. Dieser dynamisch-interpretative Charakter unterscheidet Namen von maschinenlesbaren Codes. Im Grunde habe ich am Beispiel von Namen grundsätzliche Phänomene in sozialen Systemen illustriert. Nach demselben Schema könnte man mit Hautfarben oder Sprachen verfahren – sie sind Bedeutungscontainer.12 Metaphern, über die sich soziale Interaktion konstituiert und 12

Sprache an sich konstituiert sich durch Bedeutungscontainer, die durch eine Syntax in Beziehung gesetzt werden und anhand dieser interpretiert werden. Das Wort „Eltern“ steht beispielsweise für Personen, aber auch für die Kompetenz dem eigenen Kind einen Namen geben zu dürfen. Wiederum ein Ausdruck von Macht.

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aus deren Bedeutungszusammenhang sich eine spezifische Konfiguration sozialer Verhältnisse, insbesondere Macht- und Hierarchieverhältnisse, ablesen lässt. Archäologinnen und Archäologen, die aus Scherben von Tonkrügen Aussagen über die das pharaonische Ägypten ableiten, machen nichts anderes. Vor dem Hintergrund der Erläuterungen des Sechsten Abschnitts scheint es pietätlos, die folgende Frage zu stellen: aber ist es vorstellbar, dass wir13, in den sozialen Systemen, in denen wir leben, Namen durch Codes ersetzen, ohne unsere Identität zu verlieren? Oder sogar ganz ohne Namen auskommen können? Und was passiert, wenn sich Personen unter einer selbstgewählten Identität, einem gemeinsamen Namen versammeln? Ich denke konkret an Phänomene wie „Anonymous“, einer Art lockerem Verbund individueller Identitäten, die sich temporär einer kollektiven Identität anschließen – und dadurch eine übergeordnete Einheit, eine körperlose, aber handlungsfähige und handlungswillige (!) Entität bilden. Die mediale Aufmerksamkeit für Anonymous bestätigt, dass „das System“ auf diese Entwicklung reagiert. Es ist verwirrt und verunsichert, denn Zuordnung ist kaum bis nicht möglich. Ähnlich wie bei einer Konfrontation zwischen Guerillas und Staaten in der physischen Welt ist die Unterscheidung „wir-sie“ bzw. Freund-Feind gestört – was zu reflexartigen Abwehrreaktionen führt. Aber das ist jetzt wirklich ein anderes Thema. Danke fürs Lesen!14

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Die Frage, wer „wir“ eigentlich sind, kann hier aus Platzgründen leider nicht behandelt werden. Wer jetzt noch Kraft hat, der/die ist eingeladen, sich als Nachtisch noch eine Untersuchung zu Namen in Science-Fiction und Fantasy auf den Teller zu schaufeln: http://epub.ub.uni-muenchen.de/14563/1/14563.pdf. 14

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