Geistestraining.im.Alltag.Vortrag.2006.TL.de


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Öffentlicher Vortrag von Lama Lhündrub, 2.1.2006 im Freiburger Zentrum, Stadtstraße (wörtliche Abschrift)

Die Praxis des Geistestrainings im Alltag Ich möchte zu Beginn der Unterweisung gerne selbst die Zuflucht sprechen. Das sind Gebete, durch die ich mich mit der Übertragungslinie verbinde. Das ist ein Ausdruck davon, dass nach Möglichkeit die Unterweisung nicht aus dem Ego, dem Ich heraus gegeben wird, sondern wirklich aus dem Dharma kommt. Die Unterweisung heute Abend - man könnte vielleicht auch von einem Austausch sprechen, denn ich möchte Sie dann gerne einladen, noch viele Fragen zu stellen – das Thema, das wir uns gestellt haben, ist die Praxis des Dharma, also Buddhas Lehre, im Alltag. Auch ich habe einen Alltag als buddhistischer Mönch, einen Alltag, wo ich durchaus – wenn ich in der Aktivität bin - Wochen habe von 60, 70, manchmal 80 Arbeitsstunden. Dann ist es so, dass der große Vorteil, in dem ich mich befinde, ist, dass ich zwischendurch intensiv mich zurückziehen, praktizieren konnte, und da gelernt habe, den Geist auch anders zu nutzen als ich das früher gewohnt war. Ich möchte ein wenig hiervon teilen, und vielleicht können wir ja drüber sprechen, was Sie speziell jetzt auch für Fragen haben, was Sie bewegt mit dieser Frage. Zuerst einmal: Von welchen Hintergrund her spreche ich? Ich spreche aus der buddhistischen Praxis, und wie ich auch im Vortrag vor einer Woche erwähnt habe, bedeutet das für mich eine Praxis, die auf dem Dharma begründet ist. Dharma ist ein Sanskritwort und bedeutet unter anderem Wahrheit, bedeutet auch Lehre, bedeutet aber hier in tieferem Sinne die Wahrheit, die zur Befreiung führt, die Wahrheit, die zur Offenheit des Geistes führt, die Wahrheit, die aus dem Leid heraus führt. Wenn sich diese Praxis nicht auch im Alltag bewähren würde, dann wäre sie nicht wirklich eine Praxis, die aus dem Leid heraus führt. Die meisten buddhistischen Praktizierenden haben Familie, haben einen Beruf, leben wie Sie auch, und die ganz geringe verschwindende Anzahl der Praktizierenden sind Mönche und Nonnen und haben das Privileg, sich so zurückziehen zu können und Phasen intensiver Zurückziehung abzuwechseln mit Phasen von Aktivität. Auf diesem Weg der Suche nach der Wahrheit, des Erkennens der Wahrheit – es ist nicht so, dass wir plötzlich die Wahrheit erkennen, sondern es sind viele viele kleine Schritte, viele kleine Situationen, die uns wacher machen, die uns Zusammenhänge spüren und verstehen lassen, und wir werden dann immer geschickter, mit unserem Geist umzugehen und mit Situationen umzugehen. Der entscheidende Faktor dabei, wie weit wir unseren Alltag nutzen können, um Dharma zu praktizieren, ist, wie wach wir sind, wie achtsam wir sind, wie viel wir mitbekommen von dem, was eigentlich wirklich läuft. So hängt ein Großteil der Unterweisungen zu Dharmapraxis im Alltag mit dem Wachsein zusammen, mit dem Achtsamsein auf das, was eigentlich im Geist los ist, was eigentlich in uns passiert. Gehen wir doch einfach mal so durch den Tag durch, wie das so ausschaut, wenn man wach ist. Das fängt mit dem Aufwachen morgens an. Aufwachen morgens für jemanden, der seinen Tag wirklich auf seinen spirituellen Weg nutzen möchte, könnte so aussehen, dass wir den ersten bewussten Gedanken haben und sagen: „Ahh, wieder ein Tag, den ich nutzen kann.

Wieder ein Tag, der mir geschenkt ist, um wach und mit offenem Herzen durch den Tag zu gehen.“ Wir nennen das dann, dass wir in dem Moment Zuflucht nehmen und den Erleuchtungsgeist entwickeln – aber das sind Worte. Worum es geht, ist, den Tag direkt damit zu beginnen, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Ob Sie nun buddhistische Praktizierende sind oder nicht, wenn Sie noch im Liegen oder sich gerade mal so aufsetzen im Bett, wenn Sie da schon sich an das Wichtigste erinnern, was Ihnen ein Anliegen an den Tag ist, dann hat der Tag schon mal gut begonnen mit einem Moment des Wachseins, des wirklichen Wachseins, und nicht: noch mal Umdrehen und noch mal umdrehen, dem Wecker dreimal einen draufgeben, und dann ok, irgendwann muss ich ja raus, dann möglichst schnell unter die Dusche. Dann hat der Tag mit wenig Bewusstsein begonnen. Es ist mehr so ein Tag, wo man sich den Zwängen ergibt und das tut, was man ohnehin tun muss, nämlich zur Arbeit zu gehen. Das heißt, wir beginnen den Tag mit einer Opferhaltung. Wenn wir aber den Tag in die Hand nehmen und von Anfang an uns fragen: worum geht’s mir eigentlich wirklich? Ich weiß, ich muss hundert Dinge tun, wo ich gar keine Wahl hab. Aber mit welcher Haltung möchte ich die Dinge tun? Worum geht’s mir eigentlich dabei? Wenn ich zum Beispiel sage: Die Qualität, die mich am meisten inspiriert, ist die Liebe. Oder ich möchte Mitgefühl entwickeln. Oder was auch immer für uns als Qualität im Zentrum unseres Lebens steht. Wenn wir diese Qualität direkt am Morgen schon ins Bewusstsein rufen und uns sagen: Okay, was auch immer ich jetzt zu tun hab – wenn ich jetzt meiner Frau begegne, wenn ich jetzt den Kindern begegne, beim Frühstück, wenn ich mich ins Auto setze - dieser Qualität möchte ich allen Vorrang geben. Nicht nur der Liebe, vielleicht auch der Weisheit, dass die Liebe nicht zu naiv ist, sondern wirklich eine weise Liebe oder eine liebevolle Weisheit. Für mich sind diese beiden Begriffe wirklich zum Inbegriff dessen geworden, was Dharma bedeutet: Liebevolle Weisheit zu praktizieren. Nicht einfach eine Weisheit, irgendeine Weisheit, sondern eine Weisheit, wo es um das Wohlergehen anderer auch geht. Und die warmherzig ist. Diese Warmherzigkeit ist eben nicht naiv und dumm, sondern ist eine weise Warmherzigkeit, wo wir genau unterscheiden können, was eigentlich hilfreiche Handlungen sind und was einfach nur nette, liebenswerte, aber doch nicht so hilfreiche Handlungen sind. Wenn wir diese Handlungen durch den Tag tun möchten - nehmen wir mal einen Tag. Um diesen guten Vorsatz von morgens umsetzen zu können, müssen wir achtsam sein. Das heißt, wenn ich im Bad meiner Frau begegne, oder beim Frühstück Kaffee vergossen wird, dann wach zu sein und an das eigentlich Wesentliche zu denken. Eigentlich geht es nicht um die Tischdecke. Eigentlich geht es darum, einen liebevollen Start in den Morgen zu machen. So in jeder Situation wach zu bleiben auf all das, was in meinem eigenen Geist vorgeht, wie ich normalerweise reagiere, wenn ich gefangen bin in meinen Mustern, und wie ich aber reagieren könnte, wenn ich in Kontakt mit meinem eigentlichen Anliegen bin. Buddhistische Schulung hängt in erster Linie damit zusammen, diese Fähigkeit weiter zu entwickeln, jeden Moment des Tages wach zu sein und im Zentrum zu sein, in Berührung zu sein mit dem, was eigentlich ist. Zu Anfang ist das so: Wir machen eine guten Vorsatz morgens - und dann fällt er uns abends wieder ein. Ja, so ist das halt normalerweise. Aber es ist ja toll, wenn er uns zweimal am Tag

einfällt! Das ist ja schon wunderbar! Dann gehören wir zu den Menschen, denen zweimal am Tag wunderbare Gedanken einfallen. Dann können wir das aber noch steigern. Wir können uns sogar helfen – so ganz einfache Hilfen können wir uns nehmen. Zum Beispiel eine Hilfe, die ich früher benutzt habe, war: Jedes Mal wenn ich eine Klinke anfasse, also eine Türklinke, meine Autotür, das bedeutet ja, dass immer eine neue Situation beginnt, wenn ich eine Klinke in der Hand habe. Ich gehe in ein anderes Zimmer, ich gehe in ein Haus, ich steig in mein Auto ein - dass ich diese Handlung des die-Klinke-in-die-Hand-Nehmens verbunden habe mit dem Zufluchtnehmen, mit dem mich Ausrichten auf das Wesentliche in meinem Leben. Ich erinnere mich daran. Ich gehe aus dem Zimmer ins Bad. Klinke. Ich habe den Faden noch nicht ganz verloren von gerade eben von vor zwei Minuten, als ich mich ans Wesentlichste erinnerte, jetzt kommt wieder eine kleine Erinnerung. Dann gehe ich wieder raus... Im tibetischen Buddhismus, was ich zum Beispiel von meinem Lehrer übertragen bekam: Jedes Mal, wenn du eine Tür öffnest, stell dir vor, du öffnest die Tür für das Wohl aller Wesen, für die Befreiung aller Wesen. Jedes Mal, wenn du eine Tür schließt, dann schließt du die Tür für das Leid. Du öffnest die Tür zur Befreiung, du schließt die Tür des Leides. Das ist die traditionelle Unterweisung, die in Tibet benutzt wurde. Wir können die so uns zurechtformen, dass wir sie mit dem Satz verbinden, der uns wirklich am Herzen liegt. Das hat mir geholfen. Man kann sich natürlich noch andere Hilfen einrichten. Thich Nhat Hanh, ein berühmter Lehrer, macht es so: jedes Mal, wenn das Telefon klingelt, überhaupt, wenn es klingelt: dreimal klingeln lassen und während dieser Zeit tief durchatmen. Achtsam sein. Und dann achtsam den Hörer nehmen und die neue Situation leben. Das dürfen wir uns schon erlauben, dreimal klingeln zu lassen und nicht direkt schon beim ersten und dann unvorbereitet und ohne uns gesammelt zu haben, in der neuen Situation zu sein. Dann gehen wir durch den Tag durch. Abends natürlich wäre es sinnvoll, wenn wir uns vor dem Einschlafen noch einmal anlehnen und gucken: wie war es jetzt heute mit diesem Herzenswunsch? Wie weit habe ich ihn umsetzen können? Wie hätte ich es besser machen können? Wo möchte ich noch mehr Energie reinstecken? Wenn wir das jeden Tag machen, wandelt sich unser Leben. Es gibt natürlich noch viele Detailhinweise, wie wir das umsetzen können. Wir gehen zum Meditieren, wir können beginnen, langsamer zu gehen, das ist auch etwas, das ich sehr geübt habe. Ich bin jemand, der eigentlich immer gerannt ist. Ich habe hier in Freiburg studiert, bin am liebsten im Laufschritt durch die Stadt oder mit dem Fahrrad, und möglichst keine Minute verlieren. Allmählich habe ich gelernt, die Wege mal langsamer zurückzulegen. Auch jetzt im Kloster: langsam zu gehen. Die kleinen Schritte, die ich gehe, zum Beispiel auf die Toilette oder von einem Haus zum anderen, einfach mal zu nutzen, um ganz beim Gehen zu sein. Ganz ankommen im Gehen. Ich gehe nicht nur, sondern da geht ein ganzer Mensch, da ist unheimlich viel Raum drum herum, da ist der Himmel oben drüber, da gibt’s Wolken, da gibt’s Sonne... So ein richtig offenes bewusstes Gehen im Raum zu entwickeln. Das ist etwas, das doch vielen von uns ein bisschen verloren gegangen ist. Wir sind immer auf dem Weg zu etwas. Bei dem Denken an das, was jetzt als Nächstes zu sein hat, sind wir schon gar nicht mehr beim Gehen selbst. Es ist klar, dass wir irgendwohin gehen und auch dort ankommen werden. Aber wir brauchen nicht die ganze Zeit damit zu verbringen, was dann

sein wird. Und schon gar nicht, was danach sein wird. Dass wir schon gar nicht mehr beim nächsten Ziel sind, sondern beim übernächsten, beim nächsten Tag –und eigentlich nie in der Situation sind. Also wie auch immer Sie es dann konkret für sich machen würden, wichtig wäre, möglichst ganz in der Situation zu sein. Wenn wir uns einen buddhistischen Meister anschauen, wenn es wirklich ein Meister ist: Das Erstaunliche ist, dass er eine Vielzahl von Situationen leben kann, und er ist jedes Mal ganz da. Hat eben noch jemandem die Hand geschüttelt und einen lebenswichtigen Rat gegeben, da kommt der nächste rein: er ist voll da. Keine Spur mehr, kein Nachhängen an dem, was gerade noch war. So wird jede Situation voll angenommen und voll losgelassen, um zur nächsten zu gehen. Das ist eine Fähigkeit, die hat der Meister nicht durch bloßes Wollen erlangt, sondern durch lebenslange Übung. Das ist etwas, das sich üben lässt, diese voll Präsenz. Das ist da, wo Meditation hineinkommt. Das lernen wir, indem wir uns irgendwo bequem, möglichst gerade hinsetzen – gerade deswegen, weil es leichter ist, bewusst zu bleiben, wenn die Energien gut zirkulieren. Dann sind da ja Gedanken. Unser Geist ist ja unaufhörlich produktiv. Diese Gedanken aufsteigen und loslassen zu können, ist eine Fähigkeit, die wir entwickeln. Zu Anfang, wenn ein Gedanke aufsteigt: „Ich sollte ja noch das tun ...“ - es bleibt nicht nur bei dem Gedanken, es kommt dann direkt: „aber“ und „wie“ und „was mach ich denn dann“, es kommt zu einer Gedankenkette. Das merken wir nach – was auch immer, nach einer Minute, 5 Minuten, 10 Minuten, und können dann wieder in den Moment hineinkommen. Je mehr wir üben, je mehr wir uns daran gewöhnen, desto leichter wird es sein, schnell in den gegenwärtigen Moment zurück zu kommen. Zum Atem zum Beispiel. Diese Fähigkeit: das loszulassen, worüber ich jetzt nicht unbedingt nachzudenken habe, die ist das, was diese Meister auszeichnet. Darum können sie so fließend von einer Situation zur anderen gehen, und es hängt nichts nach. Das stärkste Beispiel für uns ist sicherlich, wenn wir uns gerade noch gestritten haben. Wir haben uns gestritten, eine neue Situation fängt an und wir haben noch den ganzen Überhang von dem, was eben war. Oder wir kommen aus dem Büro nach Hause, sind geschafft vom Tag, hatten ziemlich viel Stress - wir haben noch den ganzen Überhang, mit dem wir zu Hause ankommen. Das ist das Zeichen von dem, was alles noch so nachschleppt in uns und uns nicht ganz frei macht für die neue Situation. Was mir da zum Beispiel sehr geholfen hat - in meiner Studentenzeit habe ich das so gemacht: dass ich nicht von mir verlangt habe, ich müsste jetzt sofort loslassen können. Das erschien mir unrealistisch. Es hat auch nicht funktioniert. Es wäre mir vorgekommen wie eine Selbstvergewaltigung, dass ich mir nicht erlaube, über das nachzudenken, was mich noch beschäftigt. Ich habe mir dann abends vor dem Meditieren eine Zeit genommen: eine Viertelstunde kannst du nachdenken über alles, was du willst - denk nach, verdaue, guck dir an, was du dir angucken möchtest vom Tag... Und nach ungefähr einer Viertelstunde - das war ein Erfahrungswert - konnte ich beginnen, auf den Atem zu achten und dies Loslassen von Gedankenketten in den Vordergrund zu stellen. Aber erst mal eine bewusste Verdauungsphase für das, was ist. Das ist etwas, das vielen von uns auch fehlt in unserem stressigen Alltag, dass wir nach Hause kommen und übergangslos in die nächsten Aktivitäten gehen, die zu Hause anstehen. Da wär

es ganz sinnvoll, um mehr Achtsamkeit, Wachheit zu entwickeln, eine Viertelstunde oder auch wenn’s nur 5 Minuten auf dem Sofa sind, sich einzurichten, wo man sich einfach nur hinsetzt. Und gar nichts tut. Einfaches Nichtstun für fünf Minuten, um einen gewissen Übergang zu schaffen und dann etwas frischer zu sein für die nächsten Situationen. Ich erwähnte vorhin schon den Atem. Atem ist auch ein wichtiger Begleiter im Alltag. Wenn wir es gelernt haben, zu unserem Atem Kontakt aufzunehmen, ihn zu spüren, dann werden wir es auch im Alltag spüren können. Dann sitzen wir zum Beispiel vor dem Computer und merken: der Atem fließt ja gar nicht richtig! Dann richten wir uns ein bisschen auf, lassen den Atem weiterfließen und machen unsere Arbeit weiter. Das Verbundensein mit dem Atem, werden wir merken, ist eine wichtige Hilfe, um den eigenen Geisteszustand zu kennen. Manchmal merken wir gar nicht, wie sehr wir gestresst sind. Wenn wir auf den Atem achten, merken wir es sofort. Da kann man ein bisschen tiefer durchatmen und dann wieder weitermachen. Wir können tagsüber so viel an Spannung loslassen, wenn wir uns manchmal die Zeit nehmen, mal zwei, drei Atemzüge richtig loszulassen, in den Ausatem hinein. So gibt es viele viele kleine Hilfen, über die wir jetzt sprechen könnten, wie wir im Alltag zu mehr Wachheit kommen können, mehr Bewusstheit. Wir können uns auch Sätze aus Büchern, die uns ansprechen, aufschreiben und mitnehmen, ins Büro legen. Ganz einfache Dinge, die Sie wahrscheinlich schon tun, die uns helfen, immer wieder zum Wesentlichen zurück zu finden. Der Alltag ist aber nicht nur, wach zu sein in dem was ist, sondern es geht um eine grundlegende Änderung unserer Einstellung gegenüber den Situationen. Ich hatte vorhin schon angesprochen: Opferrolle und Täterrolle in Bezug auf uns selbst, auf unser eigenes Leben. Bin ich jetzt Opfer meines Rhythmus oder bin ich Täter von dem, was ich lebe? Nehme ich das Leben in die Hand und gestalte es oder erlebe ich es aus der Perspektive von jemandem, der gar nicht anders kann und gefangen ist darin. Das hängt zusammen mit der buddhistischen Karmalehre. Die buddhistische Karmalehre unterscheidet sich von der hinduistischen stark dadurch, dass im buddhistischen Ansatz das Handeln betont wird und dass der Handelnde verantwortlich ist für sein Leben und sein Leben in die Hand nehmen kann durch die Art und Weise, wie er denkt, wie er spricht, und wie er körperlich handelt. Und dass das bedeutet, dass wir uns aus unserem Karma auch befreien können, dass wir es gestalten können, so wie wir uns das vorstellen.Es ist allerdings eine Zeitverzögerung drin. Heute zu wollen, heißt nicht, dass wir morgen glücklich sind. Wir müssen über lange Zeit an uns arbeiten und können dadurch tatsächlich Schritte machen, große große Schritte bis hin zur vollständigen Befreiung. Das ist die buddhistische Karmalehre. Die hat nichts mit Gefangensein zu tun. Sie sagt nur, wir sind gefangen, solange wir nur in altem Funktionieren bleiben. Wir können uns also befreien, wenn wir geschickt mit unseren Handlungen umgehen, mit den Gedanken, dem Sprechen, und mit dem körperlichen Handeln. Wir können also im Laufe eines Alltags in den Tausenden von Handlungen, die wir ausführen, bewusste Handlungen setzen. Eine Handlung, die mit Liebe, mit Mitgefühl, mit Weisheit ausgeführt wird, hat, obwohl es dieselbe Handlung ist, eine andere Wirkung auf uns. Wenn ich zum Beispiel Geschirr spüle, gut, die meisten haben einen Geschirrspüler, die brauchen gar nicht mehr, aber wir nehmen trotzdem mal einen Teller in die Hand und spülen ihn, oder eine Pfanne. Wenn ich das einfach bloß so tue als eine Last oder als etwas, was einfach zu den vielen Handlungen gehört, die ich tue, ohne etwas dabei zu denken, dann hat

das eine andere Auswirkung als wenn ich sage: Ja, so wie ich die Pfanne säubere, möge auch mein Geist frei werden von allem Makel, dem Makel der Ichbezogenheit. Oder ich tue das, um meiner Familie etwas Gutes zu tun. Ich tue das aus Liebe. Sich daran zu erinnern und die kleine Handlung zu benutzen, um mich an etwas anderes zu erinnern, etwas Tieferes, was mir wichtig ist. Wir haben da den Schlüssel in der Hand, unser Leben zu verändern. Wie wir denken, wie wir sprechen, wie wir handeln, das ist das, was unser Leben eigentlich ausmacht. Wer jetzt Freigebigkeit übt, jetzt wirklich in allen Situationen, wo wir hinkommen, gibt – von seiner Zeit, mal das Ohr gibt, also zuhört, wer mal auch einen Ratschlag gibt, materielle Geschenke macht, Kranke pflegt - der wird sehen, dass im Laufe der Zeit dieses ständige freigebige Handeln, das aus dem Herzen kommt, das eigene Leben verändert. Und wirklich glücklich macht. Da ist es, wo wir unser Leben in der Hand haben. Wohingegen, wenn wir immer an uns denken, wenn ich beim Handeln auf meinen eigenen Gewinn aus bin, wird uns das nicht auf die Dauer glücklich machen. Es wird kleine Momente von Befriedigung freisetzen, aber es wird uns auf die Dauer immer besorgter machen, weil wir immer an uns selbst denken. Da geht’s also um eine wirkliche Bewusstseinsänderung, dass wir das Wohl anderer wirklich in den Mittelpunkt unseres Lebens stellen. Andere - im Buddhismus sprechen wir immer von „anderen“, aber wir sind selbst mit einbezogen. Wir machen im Dharma viele viele Gebete, wo es heißt: „Mögen alle Lebewesen Erleuchtung erlangen“ oder „Mögen alle Lebewesen glücklich sein und die Ursachen des Glücks besitzen. Mögen sie frei von Leid und den Ursachen des Leides sein“. Wir sprechen immer für alle. Da sind wir einer davon. Eines dieser Lebewesen sind wir selbst. Wir brauchen uns gar nicht daran zu erinnern, dass wir eingeschlossen sind. Wir gehören immer mit dazu, wenn es um das Wohl, um geschicktes Handeln geht, dann geht es immer um das Handeln, das allen Beteiligten, die vom Handeln betroffen sind, zum größten Wohl gereicht. Wenn wir das in unserem Handeln im Alltag berücksichtigen, ist das tatsächlich ein Schlüssel zu wirklichem Glück und führt schließlich auch zur Befreiung. Es gibt noch etwas, was ich kurz andeuten möchte – wir können das ja nachher noch weiter diskutieren: unsere Haltung Schwierigkeiten gegenüber, wie wir mit Problemen umgehen. Im Dharma sehen wir Schwierigkeiten als willkommen an. Probleme sind ein Geschenk. Das ist nicht einfach nur so daher gesagt. Ohne Schwierigkeiten könnten wir gar nicht die Qualitäten entwickeln. Es sind tatsächlich die vielen Schwierigkeiten, die vielen Probleme, die vielen Herausforderungen unseres Lebens, die unsere Qualitäten wecken. Diese Qualitäten sind eigentlich schon in uns, aber werden durch die Probleme, die Schwierigkeiten, die Herausforderungen angeregt. Darin können sie sich zeigen. Weil unser Leben nicht so einfach ist, entwickeln wir Weisheit. Wo würde sie sonst herkommen? Ein Mensch wird weise, wenn er mit vielen schwierigen Situationen gelernt hat geschickt umzugehen. Ein Mensch wird mitfühlend, weil er tatsächlich Leid begegnet. Die Mitfühlendsten sind oft die, die auch selbst sehr viel Leid erlebt haben. Wir sind freigebig, weil es da jemanden gibt, der etwas braucht. Wir sind geduldig, weil ein Problem nicht einfach so gelöst werden kann. Wir müssen abwarten. Diesen Abwarten-Können, dieses Geduldig-sein-Können ist eine Qualität, die sich entwickelt, wenn wir Schwierigkeiten annehmen und nicht immer am Kämpfen sind. Da ist eine ganz grundlegende Wandlung in unserem Herzen, die sich vollziehen muss: ein echtes Bejahen unserer Schwierigkeiten: Innerlich, die die ich nur mit mir selbst habe und wo

ich auch gar nicht andere für verantwortlich mache, und dann die vielen Situationen, wo ich eigentlich so normalerweise denke: ja, das ist jetzt die Schuld der anderen. Da sind andere verantwortlich. Ich würde gerne woanders sein. Sich anzunehmen mit dem, was ich in mir erlebe, was mir passiert, und dieses, was mir passiert, als eine willkommene Herausforderung anzunehmen. Das bedeutet, den Dharma im Alltag praktizieren. Jede Situation ist eine Herausforderung an unsere Achtsamkeit, eine Herausforderung an unsere Liebesfähigkeit, eine Herausforderung an unsere Weisheitskraft: weise damit umzugehen, so dass tatsächlich die Situation sich verbessert. Mein Lehrer Gendün Rinpoche sagte immer: Es ist ganz leicht, die Situation zu verschlechtern, aber ziemlich schwer, eine Situation zu verbessern. Das erfordert einen hohen Grad an Wachsamkeit, einen hohen Grad an Mitgefühl und Einfühlungsvermögen, einen hohen Grad an Weisheit. Ich glaube, ich höre mal hier auf mit dieser Einführung. Ich könnte natürlich noch viel darüber sprechen. Wir haben jetzt die ganze Woche damit verbracht. Wir haben da eine ganze Übertragung erlebt. Mir fällt noch etwas ein. Mir ist heute schon eine Frage gestellt worden. Die will ich noch beantworten. Wir Buddhisten sind ja auch bekannt dafür, dass wir unheimlich hohe Ideale haben. Buddhaschaft für jedes Wesen erreichen... Also, jeder darf Buddha werden. Wie gehe ich denn damit um? Dann heißt es auch noch: In jedem von uns ist die Buddhanatur. Wie gehe ich denn mit diesem Ideal um, diesem Anspruch einerseits, liebevoll, weise, freigebig, geduldig usw. sein zu wollen, und auf der anderen Seite meine tatsächliche Situation mit meiner sehr beschränkten Fähigkeit, achtsam zu sein, und mit der Herzensöffnung, mit der es manchmal nicht so weit her ist, und mit der Geduld, die nicht allen Situationen gewachsen ist, mit dem Ärger, der auftaucht, dem Stolz, der Eifersucht und all den Emotionen. Da ist eine Spannung, und diese Spannung zwischen Anspruch und Wirklichkeit – wollen wir es mal so nennen - ist etwas, was alle spirituellen Wege kennzeichnet. Ich glaube, da sind die Buddhisten nicht die einzigen. Der erste Umgang damit – wenn wir drüber lachen könnten, das wäre das Beste. Wenn wir das mit einem gewissen Humor nehmen könnten, dass wir halt tatsächlich so unerleuchtet sind. Und uns das Ideal nicht als einen „ich-muss-doch“-Anspruch vorhalten, sondern einfach als eine Inspiration, als eine Ermutigung: „Schau hin, es könnte auch anders sein“, als eine solche Ermutigung, den Anspruch entschärfen und einfach dankbar sein, wenn wir Vorbildern begegnen, wenn wir Bildern begegnen, die uns inspirieren. Das ist das eine, das wir tun können.Das andere ist, das wir immer daran denken sollen, dass wir aus Sicht der erleuchteten Meister keine Sünder sind. Das ist nicht unsere tiefste Wesensschicht. Wir sind ichbezogen, wir sind egoistisch. Geben wirs ruhig zu. Ich auch. Wir haben eine gute Portion Egoismus in uns, und der Weg besteht darin, da allmählich rauszufinden. Immer wieder entdecken wir, wie viel wir noch drinstecken. Die Meister haben mir und uns allen immer wieder Mut gemacht, indem sie uns gesagt haben, „Das ist nicht dein wahres Wesen. Das ist nicht, was deine tiefste Wesensschicht ist.“ Das nennt wir Schleier im Buddhismus. Das ist wie eine Decke oder wie ein Mantel, der die wahre Natur verschleiert. Gendün Rinpoche benutzte oft dieses Beispiel von einem Goldklumpen, der im Boden vergraben ist. Die Schleier unserer Ichbezogenheit sind einfach die Erde, die wir wegräumen müssen, bis der Goldklumpen zum Vorschein kommt. Es ist ganz wichtig, nicht an sich zu verzweifeln, diesen Anspruch zu stark herauszuarbeiten, sondern immer sich auch zu erinnern, Kontakt aufzunehmen, was ohnehin schon da ist. Und daraus wieder Mut zu

schöpfen. Wir haben alle Momente von Offenheit. Wir kennen alle Momente von spontaner Liebe, von Freigebigkeit, wo Qualitäten durchblitzen, die sonst manchmal im Alltag wie vergessen sind. Wir sollten diese Momente wahrnehmen, und immer wieder Kontakt aufnehmen mit dem, was eigentlich ist. Und dann dem, was sonst halt auch ist, 99 Prozent der Zeit vielleicht - nicht zu denken, das wäre alles. Wir sind nicht zutiefst Sünder, sondern wir sind zutiefst Buddhas. Nur wissen wir es noch nicht, wir haben es noch nicht wirklich hervorgebracht. Der Dharmaweg besteht darin, diese zutiefst in uns schlummernden Qualitäten hervor zu räumen und ans Licht zu bringen und nutzbar zu machen. Aber eigentlich sind sie immer schon da. Unsere gewöhnliche Liebesfähigkeit, unser gewöhnliches Mitgefühl, unsere gewöhnliche Freude sind einfach etwas gedämpfte Erscheinungsformen von der eigentlichen Liebe, der wahren Liebe, dem wahren Mitgefühl, der wahren Freude, die in uns schlummern. Es ist, wie wenn wir gedämpftes Licht hätten. Wenn die Sonne nicht mehr richtig durchkommt, es ist eine dicke Wolkendecke, es kommt nur noch ein bisschen Licht durch. Es ist ziemlich dunkel tagsüber, obwohl die Sonne scheint. Das Wegfallen, das Auflösen der Schleier ist, wie dass die Sonne endlich durchkommen kann. Das sind alte buddhistische Beispiele, die ich Ihnen erzähle. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, immer wieder sich daran zu erinnern. Und nicht zu verzweifeln an der Diskrepanz zwischen dem, was ich meine zu sein jetzt mit meinen ganzen Schleiern, und dem Ideal, dem Anspruch, der einem vorgehalten wird. Die Reise im Buddhismus wird so beschrieben, dass ich mit meinen ganzen Schleiern anfange, die Schleier sich auflösen und dann das wahre Sein hervorkommt. Wenn dann ein Ideal dem verschleierten Menschen gegenübergestellt wird, dann wird er die Reise auf das Ideal zu machen, im Grunde genommen aber bei seiner Buddhanatur wieder ankommen. Die Reise führt zurück in sich selbst. Es ist nicht eine Reise anders wohin. Der Dharmaweg führt zur eigentlichen Natur dessen, was wir sind. Deswegen gibt es viele Unterweisungen dann auch, das Streben aus dem Wollen, aus dem Ich heraus, allmählich loszulassen, und sich immer mehr hinein zu geben in die Qualitäten, die ohnehin da sind. Das nennt man eigentlich den „Weg der Befreiung“. Der Weg der Befreiung ist nicht auf Willen gebaut. Mit dem Wollen lässt sich keine Erleuchtung erlangen. Wille brauchen wir insofern, als wir immer wieder den festen Entschluss brauchen, auszusteigen aus den ichbezogenen Mustern. Diese Art von Wollen brauchen wir. Aber sobald wir in der Entspannung, in der Achtsamkeit, im Gewahrsein ankommen, hat der Wille seine Aufgabe getan. Dann geht’s nur noch um Entspannung, geht es nur noch darum, sich loszulassen, immer mehr anzuvertrauen dieser eigentlichen Geistesdimension. Jetzt lade ich gerne noch Ihre Fragen ein. Aus Ihren Fragen kann ich dann noch mehr verstehen, was Sie heute Abend bewegt und viel besser die Dinge erklären – oder ich hoffe es zumindest – als wenn ich so frei spreche. Frage: Ich hab als erstes die Frage, Lama: Was heißt Lhündrub, und kannst Du uns Deinen Dharmanamen übersetzen? Ja, Lhündrub heißt „spontan verwirklicht“, hat aber nichts mit meinen Qualitäten und Fähigkeiten zu tun! Mein voller Dharmaname heißt Karma Sönam Lhündrub. Karma, weil ich in der Karma Kagyü Linie Zuflucht genommen habe, Sönam Lhündrub heißt „positive Kraft“ oder „Verdienste“, und die sind hier „spontan verwirklicht“. Als ich das als meinen Mönchsnamen bekam, da dachte ich: Hm, das sieht nach viel Arbeit aus! Denn da bei der spontanen Verwirklichung anzukommen.... Und Sönam ist ein anderes Wort für „heilsame

Aktivität“. Bis heilsame Aktivität dann wirklich spontan wird, braucht es eine Menge Übung. Aber es heißt kurz übersetzt „Sponti“! Frage: Kannst Du die fünf Dhyani-Buddhas mit den fünf Störgefühlen in Verbindung setzen? und mit den fünf Weisheiten und welche Emotionen daraus entstehen? Das kann ich gerne, und ich will versuchen, es so zu machen, dass es nicht intellektuell wird. Essentiell hätte ich’s gerne! Genau. Wollen wir uns auf das Essentielle ausrichten. Ich muss aber erst alle anderen mit auf den Weg bringen. Im tantrischen Buddhismus wird von fünf Emotionen gesprochen, die als die insgesamt fünf Hauptaspekte emotionaler Verblendung genannt werden. Das Zentrum ist Unwissenheit. Unwissenheit bedeutet mangelndes Gewahrsein, mangelndes Gewahrsein darüber, wie die Dinge wirklich sind. Das wichtigste davon ist, zu denken, es gäbe ein Ich, wo es kein Ich gibt, wo es kein Selbst gibt, keinen bleibenden Wesenskern. Das ist die Unwissenheit. Daraus speisen sich vier andere. Das sind Ärger, Zorn, Wut, das ist eine Gruppierung, das sind die ablehnenden Emotionen. Dann ist da der Stolz. Dann ist die Eifersucht. Eifersucht beinhaltet Rivalität und Neid. Verzeihung, da ist erst die Begierde, Anhaftung, alles was die anhaftenden Emotionen angeht, und dann ist die Eifersucht. Ich spreche ja über ein Mandala, wo aus diesen fünf Emotionen dann fünf Buddhas werden. Nun ist das ein innerer Prozess. Ich will den mal am Beispiel des Ärgers, der Wut, beschreiben. Normalerweise ist Ärger, Wut, Zorn eine Energie der scharfen Abgrenzung. Etwas läuft nicht richtig, und dann kommt eine Energie in mir, die das nicht will. Dieses mich abgrenzen und auch zerstören wollen von dem was ist oder zurückgeben wollen – diese Energie ist eigentlich ein enger Geisteszustand, ein ganz enger, ein verspannter Geisteszustand. Das haben alle Emotionen an sich: innere Verspanntheit. In dem Moment, wo ein Praktizierender den Blick ins Zentrum der Wut oder des Wütenden lenken kann, kann es sein, dass die Wut, der Ärger, der Zorn in einem einzigen Moment – das ist nicht mal eine Zehntelsekunde, das ist ein Moment – fort ist. Was dann bleibt, ist ein völlig klares Bewusstsein, ein völlig klares Gewahrsein, das aber immer noch genau sieht, was da ist – auch das sieht, was vielleicht anders zu sein hat. Wir nennen das das spiegelgleiche Gewahrsein. Das ist der erste dieser fünf Aspekte von Gewahrsein, um die Du gebeten hast, dass sie erklärt werden. Und der Buddha, der dafür steht, ist der Buddha Akshobya. Buddha Akshobya hält einen Vajra, einen Diamanten, in der Hand, einen Donnerkeil. Das ist die energische Kraft des spiegelgleichen Gewahrseins, die alles durchschaut. Wo es keinerlei Täuschung mehr gibt. Dann machen wir weiter auf unserer Reise und nehmen wir uns den Stolz. Stolz ist eine Emotion – sie wird in sieben verschiedene Formen von Stolz dann noch unterschieden im Dharma – aber an sich ist das eine Form von Ichbezogenheit, wo wir uns besser fühlen als andere. Eine Form von Stolz ist auch, sich schlechter zu fühlen als andere, und zwar die schlechteste von allen. Wenn schon, dann der schlechteste. Es ist eine Form von starker Ichbezogenheit, und wir alle haben großen Stolz in uns, auch wenn wir nicht nach außen stolz wirken. Stolz nährt sich wie die Eifersucht aus dem Vergleichen mit anderen. Und wir sind nicht gleich wie die anderen! Sondern wir sind besser. Wir sind wichtiger. Das ist die enge Geistesenergie. Wir sind nicht herzensoffen im Stolz. Der Stolze kümmert sich um sich und wie er gut dasteht und freut sich daran, ist auch entspannt da drin, aber hat nicht wirklich das

Herz offen für die anderen. Er möchte eins sicherlich nicht: sich auf die gleiche Stufe begeben wie die anderen. In dem Moment, wo Stolz sich auflöst, entsteht das Gewahrsein der Gleichheit. Der Gleichheit aller Phänomene. Nicht nur der Menschen und der Lebewesen, es ist das Ende des verkehrten Unterscheidens von besser und schlechter, das Auflösen von all den unnötigen Gegensätzen, die den Geist eng machen. Das ist das Gewahrsein der Gleichwertigkeit. Was eigentlich auf der tiefsten Ebene damit gemeint ist, ist, dass die Gleichwertigkeit aller Phänomene in ihrer Leerheit, in der Abwesenheit eines Ichs, eines Selbst, erkannt wird. Wir alle sind gleichwertig. Nicht weil wir die gleichen Qualitäten äußerlich hätten, sondern weil wir alle die selbe Natur des Geistes haben. Da gibt es kein besser und kein schlechter. Da gibt es keinen, der Lehrer ist und keinen der Schüler ist. Auf dieser tiefsten Ebene sind wir alle gleich. Einzutauchen in das Gewahrsein der Gleichwertigkeit ist das Ende allen Stolzes. Der dazugehörige Buddha, der das repräsentiert, ist Rabnasambhava. Er hält einen Juwel in der Hand. Dieses wunscherfüllende Juwel ist - das Eintauchen in die Nicht-Ichbezogenheit ist die Erfüllung aller Wünsche. Deswegen hat er dieses wunscherfüllende Juwel in der Hand. Solange wir noch im Ich und Du sind, in der Dualität, sind wir immer noch im Wünschen, im haben Wollen und nicht haben Wollen, im besser sein Wollen und nicht schlechter sein Wollen. Sobald wir Zugang zu dieser Gleichwertigkeit gefunden haben, ist es so, als hätten wir einen wunscherfüllenden Juwel gefunden. Solange wir noch im Ich und Du sind, sind wir immer noch in der Dualität, im Habenwollen, im Wünschen, im besser sein Wollen und nicht schlechter sein wollen. Sobald wir Zugang zu dieser Gleichwertigkeit gefunden haben, ist es so, als hätten wir einen wunscherfüllenden Juwel gefunden. Reisen wir weiter zur Emotion der Begierde. Begierde bedeutet Anhaften, Habenwollen. Genauso wie Ärger, Zorn das Wegstoßen war. Vielleicht gibt es hier auch Weinkenner unter uns, oder Leute, die sich mit Filmen sehr gut auskennen, oder Menschen, die sich speziell mit Autos sehr gut auskennen, oder mit gutem Kuchen - jedenfalls, was auch immer, welche Begierde und Anhaftung, in welchem Bereich auch immer sie sich äußert, wir werden zum großen Kenner in dem Bereich, wo unsere Begierde am größten ist. Wir kennen uns gut aus. Aber wir leiden auch darunter, dass wir mit unserer Begierde immer mehr wollen, immer präziser genau das wollen und nichts anderes, ich möchte den Sportschuh und nicht den anderen, ich möchte den Film sehen und nicht anderes, die Schauspielerin und möchte den Kuchen usw., ich möchte nur in dem einen Cafe in Freiburg noch essen gehen, und das sind die einzigen, die die Pralines haben, so wie ich das möchte, und der Wein – es wird immer schwieriger, den Wein zu finden, der einem dann noch schmeckt -- weil die Begierdeenergie sich immer weiter fortfrisst und es wird immer schwieriger, noch zufrieden zu sein. Es ist halt so. Große Begierde, starke Unzufriedenheit. Und in dem Moment, wo sich die Begierdeenergie auflöst, entweder in einem langen Prozess des Reinigens der Begierdeenergie oder durch das direkte Schauen in die Natur der Begierde selbst – was bleibt, wird das „alles unterscheidende Gewahrsein“ genannt. Das alles unterscheidende Gewahrsein ist dasselbe Gewahrsein, das wir auch schon vorher gesehen haben, aber es hat eben auch diese Qualität, nicht nur die Gleichheit und die Gleichwertigkeit zu sehen, sondern auch die Qualitäten aller Erscheinungen, all dessen, was der Geist wahrnimmt, genau unterscheiden zu können. Diese Qualität bleibt, aber es ist kein Anhaften mehr da. Es ist keine Begierde mehr da. Es ist kein Leid mehr da, der Geist ist nicht mehr eng. Der entsprechende Buddha dafür ist Amithaba, der Buddha Amithaba, der mit einer Nektarschale im Schoß dargestellt wird. Nektar als der Nekarozean mit den hundert Geschmäckern und hundert Düften, wo alle Sinne befriedigt sind. Weil dieses „alles unterscheidende Gewahrsein“ so fein ist und alles wahrnimmt und mit der Dynamik dieses

Gewahrseins eine völlige Zufriedenheit sich einstellt. Das ist dieser Aspekt des erleuchteten Gewahrseins, der da beschrieben wird. Wenn wir jetzt noch weiter reisen, kommen wir zur Eifersucht. Eifersucht, Neid, Rivalität beruhen auch auf sich Vergleichen mit anderen. Der Unterschied zum Stolz besteht darin, dass wir schlechter abschneiden. Dass wir etwas nicht haben, das andere haben. Dass wir Qualitäten nicht besitzen, die andere besitzen, dass wir uns nicht dran freuen können. Dass der andere eine Frau oder einen Mann hat, den wir gerne auch hätten, dass wir nicht so schnell laufen können wie andere, aber gerne schneller laufen würden – überall. Obs im Sport ist, obs im Beruf ist, das ist die ganze Energie der Rivalität. Die nimmt zwei große Ausprägungen an: die eine ist, die Ärmel hochzukrempeln und zu sagen: ich werds denen aber zeigen! Und dann aus der Eifersucht, der Rivalität heraus größere Anstrengungen zu machen, um besser zu sein als der andere, aber was uns motiviert, ist Eifersucht, ist Neid, ist Rivalität. Oder den anderen runterziehen, zu sagen: der ist ja nichts, der kann ja nichts, schlecht zu reden über den, alles zu tun, um dem anderen seine Qualitäten wegzumachen. Oder dem anderen Hindernisse zu schaffen, zu schauen, dass er keine Erfolge, dass seine Firma keine Erfolge hat, schlecht drüber zu reden usw. Das sind die zwei großen Reaktionen, die sich aus der Eifersucht ergeben. Wenn sich die Eifersucht aufgelöst hat - die Qualität des Gewahrseins, die dann bleibt, nennen wir das „allvollendende Gewahrsein“. Das hat zwei Bedeutungen. Zum einen bleibt die Qualität übrig, Dinge bewirken zu können - wie diejenigen, die die Ärmel hochkrempeln und dann alles tun. Es ist ein Gewahrsein, das freudig sich für das Wohl anderer einsetzt. Andererseits ist es aber auch allvollendet in dem Sinne, dass die Eifersucht immer was zu bemängeln hat. Rivalität hat immer was zu bemängeln, und das allvollendende Gewahrsein sieht endlich, dass es gar nie etwas zu bemängeln gab, dass die Erscheinungen des Geistes, so wie sie sind, schon vollendet sind. Das heißt, dass diese Form des Gewahrseins die Erscheinungen in ihrer Vollkommenheit sieht. Es hat also diese beiden Bedeutungen. Der Buddha, der für diesen Aspekt der Befreiung steht, ist Amoghasiddhi. Amoghasiddhi hat einen Doppelvajra, ein Doppelszepter, mit vier Enden, die für die vier erleuchteten Aktivitäten stehen. Weil alle Aktivitäten ausgeführt werden können, die befreiende, die vermehrende, die kontrollierende und die heftige Buddhaaktivität. Das waren die vier äußeren Emotionen. Jetzt haben wir im Zentrum des Ganzen die Unwissenheit. Unwissenheit - ich sagte es schon – war mangelndes Gewahrsein. Mangelndes Gewahrsein ist immer eine Form von Dualität. Wir sind in Ich und Du, in Subjekt und Objekt gefangen. Das bedeutet, dass wir annehmen, ich wäre hier als Beobachter und das andere wäre woanders, nicht Ich. Dieser grundlegende Irrtum wird Dualität genannt oder Unwissenheit. Wir nennen das die grundlegende Spaltung der Wirklichkeit, in Subjekt und Objekt. So nennen wir das im Dharma. Sich aus dieser grundlegenden Spaltung zu befreien, ist das, was wir Heilung nennen oder auch Erleuchtung. Ein Erleuchteter, ein Erwachter, ein Buddha ist jemand, der nicht mehr in Dualität, nicht mehr in der Annahme eines Ichs verweilt, wo es kein Ich gibt. Dieses Erwachen zu diesem grundlegenden Gewahrsein wird das Dharmadhatu Gewahrsein genannt, das Gewahrsein des Raumes der Phämomene oder des Raumes der Wahrheit. Dhatu ist Dimension oder Raum, und Dharma bedeutet Wahrheit. Das ist ein Gewahrsein, wo sich der Raum auftut, der charakteristisch ist für dieses erleuchtete Gewahrsein, wenn die Fixierung auf einen Wesenskern wegfällt. Das ist eine Erfahrung, die man machen kann - die nicht nur man machen kann, das ist die Erfahrung der Erleuchteten. Der Begriff „Raum der Wahrheit“ steht im Unterschied zur Enge der Unwissenheit. Das ist, was damit gemeint ist. Aus der Enge der

Unwissenheit befreit, da öffnet sich der Raum des Gewahrseins. Alle Arbeit auf dem buddhistischen Weg geht darum, diese Herzensöffnung freizusetzen, die dieses eine Gewahrsein hervorbringt, das diese fünf Aspekte hat. Das ist immer das selbe Gewahrsein. Es sind nicht fünf verschiedene Weisheiten. Es ist ein Gewahrsein, eine Weisheit. Wenn Sie unter Umständen Bücher lesen, in denen von fünf Weisheiten gesprochen wird können Sie gleich streichen. Das eine selbe Buddhagewahrsein. Diese fünf Buddhas, die ich genannt habe, sind nur fünf Arten, den Juwel von verschiedenen Seiten zu schauen. Mal leuchtet er blau, mal grün, mal rot und gelb. Es sind auch nur die verschiedenen Arten und Weisen, den Juwel unseres Geistes zu beschreiben. Ich konnte diese Erklärung nicht kürzer machen. Das tut mir leid für die, die sie jetzt so lang anhören mussten, aber wenn ich schon drauf antworte, dann muss ich richtig drauf antworten. Der fünfte Buddha heißt Vairocana, das habe ich nicht gesagt. Er hat das Dharmarad in der Hand. Ein Rad, das wie so ein Schiffermannsrad aussieht, mit acht Knöpfen dran und acht Speichen, die in der Mitte zusammenlaufen. Das ist das Symbol des achtfachen edlen Pfades, den der Buddha gelehrt hat. Das war der edle achtfache Pfad, der zum Auflösen der grundlegenden Unwissenheit führt. Frage: ... die Beziehungen von Störgefühlen zu positiven Gefühlen ... Was mir einfällt: Zorn – Mitgefühl, Neid – Furchtlosigkeit, das weiß ich. Gibt’s da noch mehr Entsprechungen? Entsprechungen – ich glaub, du sprichst da grade von Gegenmitteln. Oder: worin es sich wandelt, wenn man die Weisheit erkennt – Zorn wandelt sich in Mitgefühl, Neid wandelt sich in Mitgefühl Nee nee nee ganz und gar nicht. Eine Emotion wandelt sich nie in etwas Heilsames. Sie hört auf und gibt etwas entsprechendem Heilsamen Raum. Das ist so ein frühbuddhistischer Irrtum, dass wir die Lehren so übersetzt haben, dass wir sagten: Zorn wird sich in Mitgefühl wandeln. Das wird er nie tun. Können Sie lange drauf warten. Eifersucht wird sich nie in Mitfreude wandeln. Das eine ist das Gegenmittel fürs andere. Oder wird zum Vorschein kommen, wenn zum Beispiel Zorn, Ärger, Wut, dieser Komplex, ganz gereinigt ist, dann ist keine Ablehnung anderen mehr gegenüber, das heißt, es ist ganz natürlicherweise Herzensöffnung, die sich dann zeigt. Wenn Eifersucht, Rivalität, Neid vollständig aufgelöst ist, wird ganz natürlich die Mitfreude am Wohlergehen der anderen auftauchen. Wenn Stolz gereinigt ist, wird ganz natürlich Demut und ein Gefühl von Verbundenheit, von Freundschaft auftauchen, weil der Stolz nicht mehr stört. Wenn die Begierde weg ist, wird ganz natürlich Liebe zum Vorschein kommen. Weil einfach statt des Habenwollens, des an mich Ziehens, das aufgelöst wird, ganz natürlich die innere Haltung kommen wird, Menschen, nicht nur eine Person, unterstützen zu wollen. Das ist ganz natürlich. Das heißt aber nicht, dass sich die Begierde in die Liebe gewandelt hat. Das wird sie nie tun. Das ist ganz wichtig. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen schon buddhistische Literatur gelesen haben, manchmal wird da vom Umwandeln der Emotionen gesprochen. Das gibts nicht. Das hängt mit einem tibetischen Begriff zusammen, der bedeutet auch Transformieren, umwandeln. Der einzige Zusammenhang, in dem man vom Umwandeln der Emotionen sprechen kann, ist, wenn ich eine Emotion in einen größeren Kontext stelle.

Ich werde es versuchen. Es ist sehr schwer, ein gutes Beispiel zu finden. Wir arbeiten damit, uns selbst als Buddhas vorzustellen. Das ist eine Visualisation, dass man sich selbst als einen Buddha vorstellt. Meistens nicht als Buddha Shakyamuni, sondern als Chenresig oder Tara, oder es gibt verschiedene Ausformungen. Wenn ich dann in dieser Arbeit - mit dieser neuen Form, mein eigenes Sein zu sehen - eine Emotion erlebe: es taucht dann zum Beispiel Begierde auf, und ich erinnere mich beim Auftauchen der Begierde, dass ja meine eigentliche Natur Buddha ist, dann wird diese Begierde in einem anderen Kontext gesehen und löst sich dank des Sehens dieses anderen Kontexts darin auf. Ein Buddha hat keine Begierde, sondern ich werde in dieser Begierde an das Eigentliche erinnert, was die Energie der Begierde ist: nämlich die Fähigkeit, Kontakt aufzunehmen und in Kontakt zu treten mit anderen. Das ist die eigentliche befreite Energie von Begierde. Da kann man sagen, dass durch das Arbeiten mit dem größeren Kontext wie ein Gefühl von Umwandlung der Emotion entsteht. Aber es ist nicht eigentlich, dass die Emotion sich wandelt, sondern es wird ein anderer Kontext geschaffen. Sie hat dadurch gar kein Fundament mehr: indem ich mich daran erinnere, dass in dieser Buddhadimension gar kein Ich ist, fällt die Begierde in sich zusammen und es bleibt einfach das übrig, was diese Fähigkeit des Kontakts angeht und die Offenheit. Ich hoffe, das war jetzt nicht zu abstrakt für Sie. Ich glaube, schon ein bisschen! Stellen Sie mir mal eine konkrete Frage! Frage: In der Regel hat man im Alltag 99% Erde hat und, wenn man Glück hat, 1% von den „Juwelengefühlen“. Jetzt haben wir gehört, dass das eine Prozent das Wahre ist und die 99 sind Schmu ... Das fällt mir immer wieder schwer. Was gibt’s für eine Möglichkeit dahin zu kommen, dass man mehr Überzeugung gewinnt, diese der geringere Anteil ist das Dauerhafte und der Rest ist eigentlich vergänglich und auflösbar ... Ja, ich kann euch dieses Vertrauen höchstens ein bisschen einimpfen, aber ihr müsst schon selbst drauf kommen, dass es so ist. Das Kriterium ist, wie du es schon angedeutet hast, was ist eigentlich dauerhaft, was bleibt, und was ist nicht dauerhaft. Das was wirklich bleibt, nennen wir das Wahre, und das andere nennen wir das Vorübergehende. Ein Geist, der sich entspannt und immer weiter entspannt, da kommen diese Qualitäten zum Vorschein, die sind einfach da, die bleiben. Und die Schleier lösen sich auf. Deswegen wird das, was bleibt, diese ewige Dimension des Geistes, die immer diese Qualitäten hat und schon längst hat – unser aller Geist hat schon längst diese Qualitäten! Wir brauchen sie nicht zu erzeugen. Dieses Entdecken von diesen zeitlosen Qualitäten, die immer schon da sind, hat dazu geführt, dass man alles andere als vorübergehende Schleier betrachtet und von daher als nicht letztendlich wahr. Natürlich sind sie wahr, meine Probleme sind konkret, wenn ich kein Geld habe, habe ich kein Geld, da kann ich mir noch so lange sagen, das ist alles illusorisch, ich kann mir keine Brötchen kaufen dafür. Das ist wahr auf der relativen Ebene. Auf der letztendlichen Ebene ist es so, dass die Sorgen und all das, was auftaucht – wenn ich hineinschaue, sind sie nicht mehr zu finden. Aber der Raum, der sich auftut, das ist immer derselbe Raum, den ich finde, mit immer denselben Qualitäten, und deswegen nennen wir ihn wahr. Alles andere, was sich verflüchtigt durch den bloßen meditativen Blick, nehmen wir als vorübergehende Täuschung. Du bist sicherlich nicht sicherer geworden jetzt, aber – so ist es halt. Was ich hören lassen möchte, ist, dass es kein Negieren der konkreten Wirklichkeit ist, in der wir alle stehen. Kein

Verneinen davon. Wir verneinen nicht, dass es tatsächlich so ist, dass wir uns mit all den vielen Dingen zu beschäftigen haben, die du „Erde“ nennst – 99% Erde, hast du gesagt. Das verneinen wir nicht. Wir sagen: okay, dicke Spannung, aber vorübergehend. Vorübergehend bedeutet, es kann ein paar Leben dauern. Ich musste mich selbst erst an diesen etwas seltsamen Humor der buddhistischen Lehrer gewöhnen! Diese Lehrer haben so einen weiten Blick, das ist ein Blick über viele Leben hinweg, und da ist es nicht so tragisch, wenn wir in diesem Leben viele Schwierigkeiten haben. Wichtig ist, wie wir damit umgehen. Da wir nicht davon ausgehen, dass der Geist stirbt, wenn der Körper stirbt, das heißt, dieses Gewahrsein geht weiter nach dem Tod, da wir nicht davon ausgehen, dass das unsere einzige Chance ist, geht es drum, wie wir mit diesem Gewahrseinsstrom, diesem dynamischen Gewahrsein umgehen. Wenn es sich immer ein bisschen mehr befreit, dann ist das wunderbar. Das ist die gute Nachricht. Der Rest, dass wir halt viele Probleme haben, ist halt einfach so. Damit arbeiten wir. Das ist, wie wenn wir in ein Haus einziehen, das völlig zugerümpelt ist, und wir dann aufräumen müssen. Das machen wir einfach, auch wenn’s lange dauert. Frage: Du hast auch über Fatalismus gesprochen. Ich merke, wenn ich in den Zustand des Gewahrseins oder des Beobachtens komme, und meine eigenen Verstrickungen und Verhaftungen sehe, dass ich dann auch spüre, dass ich was dagegen tun kann, also die Kraft zum Handeln ist dann da, aber oft mache ich es mir selbst dann sehr bequem, indem ich sage: Ob es jetzt zwei oder drei Leben dauert, das sehe ich dann mit Gelassenheit. Ich hab manchmal auch Verhaltensweisen an mir, ich bin in einem kalten Raum und friere, ich weiß, ich könnte aufstehen, aber ich bin gerade am arbeiten – und dann sage ich: ist ja egal. Obwohl ich spüre, wie ich mich fühle, und was dagegen tun müsste, denk ich: es spielt keine Rolle. Das wie so ein eigenartiger Selbstbetrug, der so von höherer Ebene sagt: Das macht alles kosmisch gesehen gar nichts. Was kann ich dagegen tun? Ja, da gibt es viele Hilfen. Weil wir alle so träge sind, drum ist die hinduistische Lehre über Karma - die mehr fatalistisch klingt, aber die sich auch gewaltig entwickelt hat, da hat auch eine Entwicklung stattgefunden - drum ist sie ja auch nahe an der Wahrheit, weil die meisten ihr Leben tatsächlich so leben, dass sich gar nicht viel ändert. Weil wir diese unglaubliche Trägheit in uns haben. Buddha Shakyamuni und andere erleuchtete Meister haben viel darüber gesprochen, dass es halt doch eine Rolle spielt, dass man nicht einfach so sagen kann: okay, ein Leben mehr oder weniger spielt keine Rolle. Denn diese Handlung verzögert alles, weil wir dann Leben um Leben im selben Leid, in derselben Enge des Herzens gefangen sind. Das wird uns sehr deutlich beschrieben, was die Konsequenzen davon sein können. Denn ein nicht gut genutztes Leben – es ist nicht sicher, dass wir es in der Weise wieder bekommen. Das ist wie überall im Leben. Wenn wir die Chancen nicht nutzen, kommen sie nicht unbedingt wieder. Dieses Leben ist ein Riesen-Chance. Es wurden viele Unterweisungen darüber gegeben, den Tag auch im Bewusstsein zu beginnen, was für eine Chance der heutige Tag ist und die Chance auch wirklich zu nutzen. Auch ich – wenn ich am Computer sitze und kalte Füße kriege, denke ich: Lhündrub, du warst doch schon mal schlauer als jetzt, oder? Steh doch mal auf. Brauchst doch nicht unbedingt dir noch ne Erkältung zu holen. Und sich dann doch eben den Impuls zu geben, der Weisheit zu folgen. Ein Dharmapraktizierender, der schnelle Fortschritte macht, im Sinne von wirklich Auflösen von Ichbezogenheit, im Entwickeln von echten Qualitäten, ist jemand, der seiner Weisheitsstimme folgt. Nichts kann diese Weisheitsstimme ersetzen, denn sie ist der Motor.

Wenn wir diese Stimme nicht hören in uns, sie spricht ja zu jedem einzelnen von Ihnen – wir haben alle Gedanken, die uns kommen, die wir die Weisheitsstimme nennen können. Etwas, das wir verstanden haben. Wenn wir dem, was wir verstanden haben, nicht folgen, dann bringen wir diese Stimme eigentlich zum Schweigen. Sie hat keine Chance, uns den Weg zu weisen. Diese Gedanken können nicht stärker werden. Dharmaunterweisungen - so wie heute Abend hoffentlich - sind dazu da, unsere Weisheitsgedanken, unsere Weisheitsstimme zu stärken und uns Mut zu machen, ihr auch zu folgen. Wenn zwischen einer Unterweisung und dem Umsetzen dieser Unterweisung ein Monat verstreicht, ist ein Monat verloren. Sagen wir mal: ich habe eine Erkenntnis, das kann auch durch einen Roman gekommen sein, den Sie gelesen haben, irgendetwas berührt Sie, Sie haben etwas erkannt. Eigentlich wäre es Zeit, etwas zu ändern in Ihrem Leben. Bis wir diese Veränderung vollziehen - diese Latenzzeit ist, was die Veränderung angeht, verlorene Zeit. Der weiseste Mensch setzt heute um, was er heute verstanden hat. Was er heute erkannt hat, wird heute umgesetzt. Wenn es dann morgen ist, dann ist einfach ein kleines bisschen Latenzzeit. Wenn mans aufschiebt – ich kenne viele Menschen, die viel erkannt haben, aber die ihrer inneren Stimme nicht folgen, die das nicht umsetzen, und so verstreichen Leben und werden nicht wirklich genutzt, so wie dieser Mensch es hätte nutzen können. Wir sprechen nicht über irgendjemanden. Wir sprechen über Ihre Gedanken, Ihre Weisheitsstimme. Sie nehmen heute aus dieser Begegnung irgendetwas mit, was sie berührt hat – vielleicht hat Sie das mit der Klinke ganz zu Anfang berührt oder etwas mit dem Atem oder dass Sie einfach denken, ich sollte mehr drüber lesen, über diesen Buddhismus, da ist was Interessantes dabei, und dann verstreicht Zeit. Dann verstreicht Zeit. Anderes schiebt sich wieder dazwischen. Diese Vergesslichkeit, das nicht Zuhören, was die innere Stimme sagt, das ist ein großes Hindernis. Da will ich Sie alle ermutigen, Ihrer Stimme zu folgen und das umzusetzen, was Sie erkannt haben. Wenn ich heute erkannt habe, dass ich eigentlich meine Eltern anrufen sollte, um ihnen ein paar nette Worte zu sagen, weil wir uns ein Jahr nicht gesprochen haben, weil irgendein Knatsch war, dann sollte ich das heute tun. Und nicht morgen. Oder spätestens morgen! Aber morgen ist dann schon wieder - es geht dann immer so weiter. Frage: Ich hab da noch eine zweite Frage. Je nach Lebenssituation habe ich es manchmal als vorteilhaft empfunden, mir kleine erreichbare Ziele zu setzen - oder große Ziele, die mich begeistert haben und sehr viel Energie produziert haben. Ist das rein intuitiv nach der Situation, was ich so spüre, oder ... Wie wärs denn mit der Kombination der beiden? Im Rahmen eines großen Ziels kleine Schritte zu machen – wie wärs denn damit? Sehr schön, ja! Im Moment ist es eher so, wie ich damit umgehe, das ist eine Frage, die stelle ich mir sehr häufig, weil – da möchte man irgendwo hin mit seinem Leben, sich verändern, in eine bestimmte Richtung gehen. Ich habs mal so rum, mal so rum versucht – gibt’s da einen Königsweg? Ja, da gibt’s einen Königsweg. Ich glaub, das ist gerade der. Ich glaube tatsächlich, dass die Buddhisten ziemlich Meister darin sind, immer diese RiesenPerspektiven aufzuzeigen, die großen Ideale, und dann die Kunst der kleinen Schritte. Angefangen beim Atemzug, beim Voreinandersetzen der Füße, Essen, Klinke in die Hand, was auch immer, alles wird genutzt: die Kunst der kleinen Schritte. Aber alle diese Schritte sind ausgetestet über zweieinhalbtausend Jahre und führen in Richtung auf das große Ziel. Das heißt, die kleinen Schritte integrieren sich in die große Vision, sie sind Teil der großen Vision. Sie sind die Anwendung der großen Perspektive auf

das jetzt Mögliche. Die kleinen Schritte gehen wir ja, weil wir gemerkt haben, dass wir nicht mit einem Sprung zum Ziel kommen. Da ist ja eine Weisheit, die uns zu den kleinen Schritten führt. Nur müssen wir sichergehen, dass die kleinen Schritte tatsächlich auch in die selbe Richtung führen wie das große hehre Ziel, dass uns vor Augen schwebt. Welches Ziel auch immer Ihr Ziel ist – das braucht nichts mit Erleuchtung zu tun haben, wahrscheinlich haben Sie Qualitäten in Ihrem Leben, die Sie sehr schätzen, und die für Sie die wichtigsten menschlichen Qualitäten sind. Wenn Sie diese Qualitäten bewusst leben und auch was dafür tun, dass die stärker werden in Ihrem Geist, dann sollten alle kleinen Schritte des Alltags in Richtung auf diese Qualitäten gehen. Das ist für mich die Lösung, das ist der Königsweg, würde ich sagen. Die kleinen Schritte müssen gegangen werden. Es gibt keine Möglichkeit, sie zu überspringen. Jede Situation lädt uns ein, den nächsten kleinen Schritt zu nehmen. Wenn ich entspannt bin in einer Situation und achtsam, wach, motiviert, zum Wohle aller zu handeln, sind das hervorragende Voraussetzungen für die jetzt gerade beginnende Situation. Entspannt, achtsam, wohlwollend – um das in drei Worten zusammenzufassen. Da habe ich eine große Chance, dass aus der Situation was Gutes wird. Frage: Ich finde es oft schwierig zu unterscheiden – ein Problem anzunehmen, wie lange nimmt man es als Herausforderung an, oder gibt es vielleicht Situationen, die einen einfach überfordern, wo man sagt, es ist vielleicht auch gut zu gehen? Ja, ja natürlich! Die Herausforderung besteht darin zu wissen, wann ich gehen muss. Wir müssen nicht alles bis ans Ende leben! Wir dürfen uns auch aus Situationen rausbegeben. Sie dürfen auch aus dem Saale rausgehen! Das ist eine der Freiheiten, die wir so selten wahrnehmen! Wir haben die Freiheit, in einer Situation zu bleiben oder nicht darin zu bleiben. Das ist auch Karma. Es ist, als wenn wir uns manchmal gar nicht richtig bewusst entscheiden würden, in einer Situation zu bleiben. Es ist so, als wenn wir Opfer der Situation wären. In den meisten Situationen können wir tatsächlich aufstehen und rausgehen. Das ist auch eine Herausforderung, das dann zu tun. Und dann mit dem zu leben, was dann draußen ist, und dass die Tür hinter uns sich vielleicht verschließt und für lange Zeit verschlossen bleibt und mit allen Konsequenzen dann zu leben . Frage: Ich hätte noch zwei Dinge, weil wir von Störgefühlen gesprochen haben. Wie sieht das mit Trauer aus? Die zählt nicht zu den Störgefühlen? Mir kam grad die Idee, ob Trauer nicht ein Ausdruck von Ohnmacht ist? Insofern also doch problematisch. Das andere, das ich fragen wollte: du sagst immer so schön, wenn man tief in die Begierde, Wut reinguckt, dann löst sie sich auf. Wie macht man das? Ja, das sind zwei Fragen. Sie hat nach der Trauer gefragt und nach dem Hineinschauen in die Emotionen. Trauer ist ein sehr vielschichtiges Gefühl, und ich glaube sogar, es gibt Trauer frei von Ichbezogenheit. Es gibt zumindest ein Berührtsein durch das Fortgehen eines Menschen, das Sterben eines Menschen oder das Ende einer Beziehung, ein Berührtsein, das wir Trauer nennen können, aber das nicht unbedingt ichbezogen sein muss. Ich sage das, weil ich die Betroffenheit gesehen habe in unserem Lehrer Gendün Rinpoche, wie er betroffen sein konnte, berührt sein konnte. Es ist dann nicht eine lange Trauer, die sich über Tage hinweg zieht, aber Momente von tiefer Betroffenheit, ja, die können sein - deswegen ist aber nicht der Geist verschleiert.

Die normale Trauer, die wir so kennen normalerweise, ist ein Gefühl, wo wir stark haften, wo wir etwas nicht gut akzeptieren können – ein Tod, ein Weggang, eine Trennung, ein Verlust. Darin ist eine Durchmischung von Habenwollen und Nicht-Habenwollen. Habenwollen von dem, was vorher war, und Nicht-Habenwollen von dem, was jetzt ist. Da durchmischen sich in der Trauer die Emotionen des Anhaftens und Ablehnens. Manchmal ist in der Trauer auch ein Element, dass mein Ichgefühl gekränkt ist, dass ich gekränkt bin durch das, was passiert ist. Das ist der Stolz, der sich da reinmischt. Natürlich ist immer die Unwissenheit vorhanden, die meint, ich bin. Aus diesem Ich bin – und die meint, jetzt habe ich weniger als ich vorher hatte – da speisen sich auch große Elemente der Trauer. Deswegen wird Trauer nicht als eine einheitliche Emotion im Buddhismus beschrieben, sondern muss dann untersucht werden auf die stärkeren Anteile, die jetzt mitschwingen. Es gibt viele verschiedene Formen von Trauer. Jetzt sage ich das immer so leicht mit dem Hineingucken in die Emotionen. Das habe ich aber nur im Hinblick auf diese schwierige Frage da hinten gemacht! Weil er wollte dann gleich vom ursprünglichen Gewahrsein was hören, dem Gewahrsein der Buddhas! Und da habe ich jetzt nicht die Kunst der kleinen Schritte beschrieben, sondern den großen Schritt beschrieben, der durch das direkte Hineingucken – ich erklär dir gleich wie es geht! – durch das direkte Hineingucken in die Emotion kann ich besser erklären, was vorher war und was dann nachher ist, nachdem sich die Unwissenheit aufgelöst hat. In der Meditation üben wir diesen direkten Blick. Wahrscheinlich haben Sie schon mal meditiert, oder auch wenn nicht: sobald man sich hinsetzt und meditiert, ist es so: es mag eine Phase geben, wo es angenehm ist, aber es wird auch schnell unangenehm, und es tauchen auch Emotionen auf. Beim Meditieren tauchen ständig Emotionen auf. Und wenn es die Gefühle von Langeweile sind oder von Alleinsein, es taucht jede Menge Stoff auf. Dieser Blick wird so geübt, dass ich entweder ins Gefühl hineinschaue oder in den, der meint, dieses Gefühl zu haben. Der erste Blick wird so gemacht, dass ich schaue: Wo ist der Ärger? Wo ist der Stolz? Dann im eigenen Geist: ich bin ärgerlich, und dann – wo ist der Ärger? Ich suche ihn, und der Gedanke - eben war noch ein ganz starker ärgerlicher Gedanke da – in dem Moment, wo ich gucke, ist er weg. Denn Ärger lebt davon, dass ich nicht auf den Ärger schaue, sondern immer auf das Objekt des Ärgers. Ich muss nur lange genug über den nachdenken, der mich genervt hat, Ärger wird ganz stark! Und wenn ich den Ärger selbst versuche zu sehen, hat der Ärger seine Nahrung nicht mehr und fällt in sich zusammen. Das ist eine interessante Entdeckung. Das kann man mit jeder Emotion machen. Man muss den Blick abwenden vom Objekt der Emotion und in die Emotion selbst schauen. Das ist etwas, das schwierig ist, denn was uns interessiert im Ärger, ist das Objekt des Ärgers und die Tatsache, dass ich Recht haben möchte. Das sind zwei Objekte: ich und andere, also mein Rechthaben ist das andere Objekt. Dann kann ich den Blick aber auch auf den lenken, der meint, dieses Gefühl zu haben. Wer ist denn da ärgerlich? Wie so eine innere Frage. Innerlich suche ich: Wo ist der Beobachter? Wo ist der, der gerade noch ärgerlich war - und ich finde ihn nicht. Ich finde genauso wenig den, der etwas haben möchte: ich möchte unbedingt jetzt – was weiß ich, eine Frau, ein Auto, ein Eis, was auch immer. Wo ist denn der, der nicht ohne das leben kann? Ich finde ihn nicht. Dieses Nicht-finden vom Subjekt ist eine Entdeckung des offenen Raumes, das Nicht-finden der Emotion ist eine Entdeckung desselben Raumes. Egal auf wen ich schau, ob Subjekt oder Objekt, es tut sich immer der selbe Raum auf, dass selbe Gewahrsein. Normalerweise, wenn wir schauen, ist es noch nicht das nonduale Gewahrsein, das sich auftut. Das unbeholfene Schauen in den eigenen Geist führt zu einem vorübergehenden

Verblassen der Emotion, aber nicht zu einem direkten klaren Aufhören und wie so ein Aufreißen des Himmels ist, es ist nur ein Verblassen der Emotion. Dieses Schauen in den eigenen Geist ist meistens zu stark mit Wollen verbunden, mit dem Sehen-Wollen. Der Meditierende übt sich darin, immer leichter zu schauen, immer – eigentlich nur so einen kleinen Anstoß zu geben dem Bewusstsein, weg von dem, was die Begierde oder den Ärger auslöst, hin zu dem, was im eigenen Geist ist. Das ist wie eine ganz subtile Achtsamkeitsänderung. Da kann dann tatsächlich der Himmel aufreißen. Solange das Wollen zu stark ist, ist das Wollen selbst das, was die Schleier zusammen hält. Wenn der Wille raus ist aus der inneren Schau, dann kann sich der Himmel wirklich auftun. Wenn der Himmel sich wirklich auftut, dann entsteht die Sicht dessen, was wir das zeitlose Gewahrsein nennen. Das ist ein langes Training. Wenn es so einfach wäre, könnten wir das einfach hier unterrichten und nächste Woche hätten Sie das alle gesehen. Ist aber nicht so. Auch die Schüler, die ich im Dreijahresretreat unterrichte, würden das alle gerne sehen, sind auch sehr motiviert, aber es läuft nicht so. Sie brauchen Zeit. Manchen gelingt es im ersten Dreijahresretreat, das wirklich überzeugend zu erfahren. Viele machen noch ein zweites Dreijahresretreat, um das zu stabilisieren. Es braucht wirklich viel viel Übung, bis da Gewissheit entsteht. Aus der Gewissheit dann noch zur Meisterschaft zu gelangen, das nach Belieben einsetzen zu können, alle Emotionen so durchschauen zu können, das ist ein ganzer Lebensweg. Das ist wirklich ein weiter Weg. Viele kleine Schritte. Frage: Da spielt ja auch der Körper eine gewisse Rolle? Wenn ich jetzt Wut habe und mich frage, wo ist sie denn, und sie ist gar nicht da – dann merke ich schon im Kiefer eine Verspannung, oder wenn ich Angst habe und frage, wo ist sie , dann habe ich trotzdem Herzklopfen oder kann nicht gut atmen – solche Dinge sind ja einfach da Ja, die klingen langsamer ab. Der Meditierende schaut dann in diese Körperempfindungen hinein und bemerkt das Herzklopfen, bemerkt das rote Gesicht, die Fülle im Gesicht und schaut hinein: Ist der Ärger dort? Ist der Ärger im Herzklopfen? Ist der Ärger – global gesagt – im Adrenalinausstoß? Und merkt, dass er auch da nicht zu finden ist. Das sind die körperlichen Begleitsymptome. Wo ist der eigentliche Ärger? Wo steckt er? Wir merken dann: der Ärger stak im Gedanken des Ärgers, den ich gerade hatte, und der Gedanke scheint keine Substanz zu haben. Er ist nicht mehr da, wenn ich ihn suche. Ich muss wieder ans Objekt denken, um wieder ärgerlich zu werden, dann taucht der Ärger wieder auf – das geht! Ohne Probleme! In dem Moment, wo ich diesen Ärger wieder anschauen möchte, ob es sich da um etwas Solides handelt, ist er wieder nicht zu sehen! Das ist unglaublich befreiend. Im Grunde genommen handelt es sich bei allen diesen Emotionen nur um vorübergehende Phänomene. Und ich kann entscheiden – und diese Freiheit sollte ich nutzen – welchen Wert, welche Bedeutung ich diesen Geistesmomenten zumesse. Denn – natürlich haben wir die Freiheit, ärgerlich zu sein. Wir haben die Freiheit, in all diesen Emotionen so lange zu verweilen, wie wir das wollen. Aber die meisten von denen entdecken wir doch als recht unangenehm. Da haben wir das Bedürfnis, da auch auszusteigen. Viele von diesen Emotionen führen dazu, dass andere leiden, nicht nur wir selber. Da haben wir das Bedürfnis auszusteigen.

Wir merken, dass wir sie eigentlich nur vorbei ziehen lassen brauchen. Wir müssen auch gar nicht immer hingucken und die wie so abknallen, das ist gar nicht nötig! Wir müssen uns nur entspannen und den Gedanken keine Bedeutung beimessen. Emotionen ziehen durch den Geist, wie Wolken durch den Himmel ziehen. Wir brauchen dann gar nichts zu tun. Ihre Natur ist, dass sie vergänglich sind. Weil sie vergänglich sind, haben sie keine bleibende Natur. Dass sie keine bleibende Natur haben, nennen wir ihre Leerheit, die Abwesenheit von einer bleibenden Natur. Das wirklich zutiefst zu erkennen, ist befreiend. Was wir normalerweise tun: wir sitzen dem Gaukelspiel unserer Emotionen auf und messen ihnen eine immense Bedeutung zu. Ärger, Begierde, Eifersucht, Stolz und die ganzen Mischformen davon. Wir lassen uns von diesen Emotionen unser Leben bestimmen. Wir könnten es aber auch anders haben. Da müssen wir uns aber üben. Um das anders zu haben, müssen wir uns üben im Loslassen. Uns üben darin, Gedanken durchgehen zu lassen durch den Geist, ohne ihnen Bedeutung beizumessen. Das übt sich. Das ist, warum wir Buddhisten immer so viel von Meditation sprechen. Denn die Meditation ist der Ort, wo wir das üben können. Frage: ... oft passieren mehrere Dinge gleichzeitig, ich möchte Dinge nicht aus dem Blick verlieren, was ich mir auch noch für den Tag vorgenommen habe ... dann überlagern sich Gefühle ... die alten Dinge beschäftigen mich noch weiter, ich habe auch die Erfahrung gemacht, es tut mir gut, sie noch da sein zu lassen, zu erzählen, weil ich sie dadurch loswerden kann ... Zweierlei vielleicht dazu. Die Erfahrung teilen wir, es passieren viele Dinge gleichzeitig. Es sind auch Dinge, die gleichzeitig unsere Aufmerksamkeit beanspruchen. Da sprechen wir im Dharma davon, dass wir eine Grundhaltung entwickeln. Dass wir eine Grundhaltung nähren in uns, zum Beispiel die Haltung des Wohlwollens. Dass wir in den Momenten, wo wir ein bisschen Freiheit haben, diese wohlwollende Grundhaltung verstärken, Achtsamkeit üben, weil wir uns dann in den Situationen, wo es von allen Seiten kommt, ein bisschen auf diese Grundhaltung verlassen können. Oder sogar vollständig drauf verlassen können, wenn wir merken, die zieht dann wirklich durch. Ich kann wohlwollend den Telefonhörer abnehmen, wohlwollend meiner Frau gerade noch was sagen, und der Hund, der mir zu Füßen liegt, kriegt auch noch ein Streicheln. Wohlwollend kann ich das alles gleichzeitig machen. Und auch noch meinen PC oder was auch immer ... Es geht darum, diese Grundhaltung zu stärken. Es ist nicht möglich, in jeder Situation bewusste Gedanken zu haben: jetzt geht es um Wohlwollen. Das ist alles zu träge, wenn wir uns darauf verlassen. Zu Anfang müssen wir mit sehr strukturierten Gedanken arbeiten, um diese Grundqualitäten zu stärken. Dann tragen uns die Grundqualitäten durch. So wie – das ist ein Beispiel, das ich diese Woche auch benutzt habe – ein gut geübter Reiter nicht mehr aus dem Sattel fällt, auch wenn er einschläft. Den hält seine Grundhaltung, er hat die Grundfähigkeit, auf dem Pferd zu sitzen, so weit entwickelt, dass er schlafend auf dem Pferd weiterreiten kann, wenn das Pferd weiß wo es hingeht oder in der Gruppe geritten wird. Das ist ein altes Beispiel aus Tibet. Der wirklich erfahrene Praktizierende fällt nicht aus dem Sattel. Wenn es eine unerwartete Situation gibt, ist die Grundhaltung so stark, dass spontan aus diesem Wohlwollen heraus reagiert wird auf die Situation. Das ist die eine Sache, wie damit umgehen mit den vielen Einflüssen, da geht’s um diese Stärkung der Grundhaltung.

Das andere ist, dass Sie offenbar mit dem Erzählen von dem, was Sie am Tag beschäftigt hat... Das hat ja zweierlei Funktionen. Das eine ist, dass ich mich lösen kann davon, dass es auch mal geteilt wurde, und im Teilen kann mein Partner, meine Partnerin ja auch teilen etwas von dem, was ich erlebt habe, dadurch bleiben die Leben miteinander verwoben. Beides ist sinnvoll. Die Meditationspraxis würde dann helfen, dieses Loslassen noch leichter geschehen zu lassen, mit größerer Leichtigkeit auch zu Hause anzukommen, weil schon viel unterwegs losgelassen wurde, und dann sehr viel wohlwollender dieses Teilen, dieses Erzählen zu machen. Dass wir sehr schnell schon bereit sind, gemeinsam mit dem anderen Menschen in die nächste Situation hinein zu gehen und zu gestalten, weil wir unbelastet sind von dem, was vorher war. Ich habe in meinem Leben beobachtet, dass ich früher sehr viel erzählen musste, viel teilen musste und wirklich Bedürfnis hatte abzuladen, und je mehr diese Fähigkeit des Loslassens im Geist entsteht, ich das eigentlich gar nicht mehr brauche und mit anderen schon direkt so teilen kann, was jetzt dann noch wichtig ist, was ihr Leben ist und was dann schon die nächste Situation ist, die wir gemeinsam miteinander gestalten können. Also dass ich mich viel weniger belastet fühle von meinem Alltag, als ich mich vielleicht vor 20 Jahren gefühlt habe. Ich erlebe das so: da geht nichts verloren, was die zwischenmenschlichen Qualitäten angeht. Ich bin einfach freier für die nächsten Situationen. Können Sie was damit anfangen? Frage: Ich hab noch mal ne Frage zu dem Umgang mit Gefühlen. Und zwar die Sichtweise, wie man auf dem buddhistischen Weg mit Gefühlen umgeht. Es gibt viele, die sozusagen kritisieren, vielleicht auch aus Missverständnis der buddhistischen Lehre, weil so eine Vorstellung da ist, Gefühle wie Freude Mitgefühl oder Trauer ... anhaftende Gefühle sind, wie man damit umgeht? Ob man dann sagt: mein nicht ichbezogener Geist stellt sich drüber, sagt, dass sind alles Phänomene, die brauche ich nicht ausleben, die kann ich ablehnen oder unterdrücken, da gibt die romantische Gegenhaltung, die sagen, ogottogott, die Buddhisten sind herzlos, die kümmern sich um die Gefühle nicht. Ja. Sehr schön. Der eine ist so ein typischer Buddhist, der die Gefühle wegrationalisiert. Ich bin doch so leer, und wenn’s nicht leer ist, sind sie zumindest störend, ich brauche keine Gefühle, ich stelle mich drüber, ich habe ohnehin schon so viel meditiert... Dieser Mensch wird ganz schön viel Schwierigkeiten begegnen auf die Dauer. Weil nichts aufgelöst ist. Und keine wirkliche Bekanntschaft mit den Gefühlen geschlossen wurde. Sie sind nicht erkannt worden als das, was sie wirklich sind. Gefühle sind die Dynamik unseres Geistes, die ganz natürliche Dynamik, und sie sind einfach etwas verzerrt durch diese Komponente der Ichbezogenheit. Wenn wir diese Verzerrung rausnehmen, und das ist das, was wir Erkenntnis nennen, - die Erkenntnis nimmt den Filter raus, alles immer aus der Ichperspektive zu sehen. Aber die Dynamik des Geistes geht weiter. So ist jemand, der erwacht, der ist total lebendig! Die wirklich erwachten Menschen sind ganz wache, lebendige Menschen, die einen wachen lebendigen humorvollen freudvollen Geist haben. Es ist also keineswegs so, dass die Buddhisten die Gefühle weghaben wollen. Denn mit Gefühlen meinen wir ja im deutschen Sprachraum alles, was gefühlt wird. Da gehört ja auch Freude und Liebe dazu! Und viele andere Gefühle. Sondern worum es auf dem Dharmaweg geht, ist, diese leiderzeugende Verzerrung rauszunehmen, zu bereinigen, die uns immer wieder in leidvolle Zustände stürzt. Das ist ein Riesenmissverständnis, was durch die frühe Rezeption des Buddhismus im Westen hereingekommen ist. Da haben Schopenhauer, Nietzsche kräftig beigetragen, dieses Missverständnis zu erzeugen. Das war eine etwas nihilistische Sicht des Buddhismus, die durch die wohlwollende, aber unzureichende Lektüre der frühesten Schriften, die hier im Westen übersetzt wurden, entstanden ist. Und hat sich niedergeschlagen in unglaublich vielen

kommentierenden Schriften von Leuten, die nie die Urtexte gelesen haben und nie lebenden Meistern der buddhistischen Tradition begegnet sind. Da möchte ich den sentimentalen Kritikern sagen, dass sie wirklich mal in den Kontakt mit Buddhisten treten sollen, also mit den Meistern auch und gucken, ob die so – schal sind und so wenig Herz haben. Das ist das eine. Das andere ist, dass man sich wirklich Sorgen machen muss um die ersten, die Sie genannt haben, die diesen theoretischen Blickwinkel haben und sich einreden, dass die Gefühle unwichtig sind und überhaupt keine Substanz haben. Die haben wirklich gar nichts erkannt. Das ist sehr gefährlich. Das ist eine intellektuelle Verdrehung der Lehre und der wahren Natur der Emotionen. Jemand, der die Emotionen erkannt hat, so wie sie sind, verliert alle Angst vor Emotionen. Man braucht sich noch nicht mal einzureden, dass sie leer sind. Das ist ein RiesenUnterschied. Während jemand, der sich das nur ein redet, im Grunde genommen Angst vor Emotionen hat. Er läuft vor ihnen davon, kann ihnen nicht ins Auge schauen, will am besten gar nichts damit zu tun haben. Der wird vielem vielem Leid begegnen. Frage: Wie war das mit der Angst? Ist Angst nicht auch eine Emotion? Die hast du jetzt eben nicht genannt? Ja, Angst habe ich nicht genannt, weil es gibt die Begierde-Angst, die Ärger-Angst, die StolzAngst, die Eifersucht-Angst, die Unwissenheit-Angst. Angst verbindet sich mit allen diesen Emotionen. Du weißt vielleicht, dass das Wort Angst mit dem Wort Angina, Enge, zu tun hat und eigentlich genau das beschreibt, was ich mit Herzensenge vorhin ausgedrückt habe. Angst ist überall! Angst ist allgegenwärtig, in allen Emotionen, die einen engen Geist machen. Da ist die grundlegende Angst, nicht zu sein, die Angst, nicht zu existieren, die Angst, nicht das zu bekommen, was ich möchte: Begierde, die Angst, das zu kriegen, was ich nicht möchte: Ärger, die Angst, nicht erkannt zu werden als der Tolle, der ich bin: Stolz, die Angst, nicht so toll zu sein wie andere – ja, überall ist Angst drin! Deswegen haben wir Angst nicht als eine extra Emotion beschrieben in der vermeintlichen Abgrenzung zu anderen, sondern – die ist überall drin. Weil sie aus der Unwissenheit stammt. Angst beginnt dort, wo die Annahme eines Ichs einsetzt. Die Auflösung von Angst, dieser grundlegenden existentiellen Angst, wird erst erfahren, wenn sich auch dieser grundlegende Irrtum aufgelöst hat, ein Ich anzunehmen. Frage: Dazu konkret eine Frage. Wenn das Ich, das Ego, ein Irrtum ist, dann ist doch dass Karma, mein Karma, ein Irrtum. Oder? Denn wenn’s mich nicht gibt, kanns ja auch Karma, mein Karma, nicht geben. Das ist wirklich gut gedacht und entspricht der Wirklichkeit. Ich möchte das für die anderen kurz darstellen. Ganz verknappt ist da unglaublich viel Wahrheit drin. Karma wird nur erfahren, solange ich in der Ichbezogenheit bin. Damit Karma reift und im Geist als karmische Eindrücke frei wird, braucht es den Bezugspunkt von Subjekt und Objekt. Wer in die Dimension eingetreten ist oder für einen Moment auch nur darin verweilt, die wir die Nondualität nennen, wird kein Karma erfahren. Er erfährt kein Karma in dieser Zeit, wo das Bewusstsein in Nondualität weilt. Es ist tatsächlich so. Die Nondualität ist der Raum frei von Ichbezogenheit und darin kommt kein Karma zum Tragen. Karma kommt zum Tragen in der Welt der Dualität. Das ist durchaus richtig. Wir fallen aber immer wieder raus aus dieser Nicht- Ichbezogenheit im eine Ichbezogenheit, solange wir die Tendenzen der Ichbezogenheit nicht vollständig gereinigt haben. Die Reinigung der Ichbezogenheit nennen wir die Reinigung des Karmas.

Der Buddha, definitionsgemäß, ist jemand, der frei von aller Ichbezogenheit ist und deswegen auch beschreiben wird als jemand, der alles Karma gereinigt hat. Und er weilt 24 Stunden am Tag in Nondualität. Das ganze Funktionieren eines Buddhas in der Welt geschieht ohne Bezug zu nehmen auf ein vermeintliches Ich. Ich hoffe, dass es nicht noch weniger klar geworden ist durch die Erklärung, aber – die Bemerkung war wirklich völlig richtig. Frage: Angenommen, man möchte jetzt von dieser Ichbezogenheit loskommen, könnte man ja annehmen, wenn ich auf alles verzichte, was ich haben will, dann komme ich dem ja näher. Aber dadurch geht’s mir ja wieder schlechter, weil ich alles, was ich eigentlich gerne haben möchte, ja nicht habe – da komme ich ja auch nicht weiter! Ja, das ist natürlich nur für das Ich schlecht. Jaja, aber ich komme ja trotzdem nicht weiter! Ich möchte dich noch auf ein anderes Problem hinweisen. Wenn ich mich entscheide, ich will mit meiner Ichbezogenheit aufräumen, und ich werde jetzt alles unterlassen, was ich haben möchte, da werde ich mich nicht drum kümmern. Da bleibt immer noch der ichbezogene Wunsch des Ich, frei von Ichbezogenheit zu werden. Das ist ein Dilemma! Siehst du das Dilemma? Da ist eine Schwierigkeit. Und genau um diese zentrale Schwierigkeit dreht es sich auf dem Weg der Meditation: zu meditieren, ohne aus dem Ich heraus zu meditieren, ich, der Erleuchtung erlangen möchte. Das beginnt damit, dass wir uns darin üben, äußerlich schon Handlungen zu unterlassen, die die Ichbezogenheit nähren. Aber es geht nicht drum, weniger Dinge zu haben! Du kannst alles fortschenken und als Bettler durch die Welt gehen und bist der größte ichbezogene Mensch, den es gibt. Äußere Armut oder Verzicht ist nicht ein Garant dafür, dass die Ichbezogenheit nachlässt. Wichtig ist, zufrieden zu sein mit dem, was ist und nicht mehr haben zu wollen, und wenn jemand kommt, der etwas brauchen kann von dem, was ich habe, das geben zu können. Diese Qualitäten sind wichtig. Aber da durch äußere Askese zu versuchen – das Wort Askese kennst du? Das Aufgeben von allen Annehmlichkeiten des Lebens und immer mehr sich einschränken – dadurch kommt man leider nicht zur Erleuchtung. Weil es immer noch das Ich ist, dass immer noch entscheidet, dass jetzt noch mehr aufgegeben wird. Es ist immer noch das Wollen, ich will irgendwo hin. Dieses „Ich will“ zur Erleuchtung. Um wirklich Erleuchtung zu erlangen, muss auch der Erleuchtungswunsch aufgegeben werden. Ja, das ist tatsächlich so. Deswegen ist es ganz wichtig, was ich vorher erklärt habe. Es führt doch nur zurück zu dem, was ohnehin schon da ist als Potential. Wenn wir das tief verstanden haben, beginnen wir loszulassen und uns zu entspannen, immer mehr zu vertrauen, dass das einfache Öffnen, ohne was zu wollen, der eigentliche Weg ist. Das sich Entspannen, sich Öffnen, ohne wohin zu wollen, ist der eigentliche Weg. Und da hinein haben wir jetzt im Moment vielleicht noch nicht so viel Vertrauen, aber wir können uns ja noch eine Weile abstrampeln und merken, dass das nicht so viel bringt. Dann allmählich merken wir, alles Abstrampeln nützt nichts. Was was bringt, ist wirklich dieses Vertrauen in das, was ohnehin schon ist. Die Anstrengung müssen wir nur machen, immer wieder dieses Vertrauen zu finden, immer wieder diese Öffnung zu finden, immer wieder dieses Loslassen. Da ist ein bisschen Anstrengung notwendig. Aber – dann geht’s nur noch ums Loslassen. Wenn das Loslassen spontan geworden ist, dann geht der Prozess von selbst weiter. Dann wird es ganz einfach mit der Dharmapraxis. Dann brauchen wir uns gar nicht mehr zu motivieren zur Dharmapraxis. Es geht ganz von selbst. Ganz von innen heraus. Mit großer Leichtigkeit.

Frage: Von welchem Punkt an ist das genau? Kann man das ein bisschen ... Ich weiß nicht, obs da einen Punkt gibt – es ist das Vertrauen, das das zum Kippen bringt. Es ist also nicht ein Punkt, sondern es ist wie – die Angst loszulassen, das Vertrauen, dass Loslassen unschädlich ist. Zuerst haben wir ganz viel Angst loszulassen, die Kontrolle aufzugeben: was passiert, wenn ich nicht mehr kontrolliere? Was passiert, wenn der Beobachter nicht mehr alles checkt? Diese Angst verhindert, dass wir tatsächlich tiefe Meditationserfahrungen machen und diese Offenheit entdecken können. Dann entsteht aber mehr Vertrauen, wir üben uns im Loslassen, jeder gemachte Erfolg des Loslassens stärkt unser Vertrauen darin, dass Entspannung tatsächlich heilsam ist. Und allmählich wird die Angst weniger und das Vertrauen nimmt zu. Das ist so ein gleitender Prozess. Im Leben eines Menschen sind das dann manchmal Momente, aber es gibt keinen Punkt, wo man das so sagen kann. Wer dann die Natur des Geistes wirklich erfahren hat, der hat den Punkt schon längst überschritten, weil er hat die Natur des Geistes erfahren, und diese Erfahrung bewirkt, dass man völlig sicher ist, dass diese erwachte Erfahrung nicht durch den Willen erzeugt werden kann. Alle, die diese Erfahrung machen, in diese Offenheit hineinfinden, wissen, dass das nicht vom Willen erzeugt werden kann, dass das nur durch Offenheit, durch Loslassen, durch Hingabe, durch Herzensöffnung passiert, aber nicht durch irgendwas, was man mit den Willen erzeugen kann. Dann ist völlige Gewissheit darüber da und von da an geht der weh natürlich wirklich leicht weiter. Frage: Nee, also ich glaub nicht, weil wenn mans doch weiß, dass man mit dem Willen nichts ausrichten kann, dann ist das ja besonders schwierig! Ah nein, das ist ganz einfach. Du brauchst es einfach nur zuzulassen! Ja, und das kann ich eben nicht Ja! Wir üben uns im Zulassen und Loslassen! Wir üben uns weiter. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist. Ungefähr zehn Na, dann machen wir doch hier Schluss.