Geheimnis Beziehung

Dieser ergibt sich jedoch nicht aus mora- lischer, religiöser oder therapeutischer Bewertung der Ab- läufe. Der Sinn von Störungen besteht so gesehen einzig.
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Michael Mary

Change Lust auf Veränderung print: ISBN 978-3-926967-05-3 epub: ISBN 978-3-926967-28-2 pdf: ISBN 978-3-926967-29-9 © 2011 Henny Nordholt Verlag Testorfer Str. 2 D 19246 Lüttow

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Inhalt Vorwort/Einleitung 4 Einleitung 5 Der Mann, der keine Lösungen mehr sucht 6 Zum Sinn von Störungen 9 Die Enge einer Lebenshaltung 12 Die Lust auf Veränderung 25 Mit Problemen zu neuen Lebenshaltungen 35 Wandlungsprozesse 38 Wandlungsprozesse im Alltag 56 Wenn die Vergangenheit im Leben auftaucht 59 Von der Zukunft in Bann genommen sein 73 Die Gegenwart sinnlich/energetischer Phänomene 92 Distanz jenseits von Identifikation 104 Überblick 110 Mit Veränderung umgehen 114 Professioneller Umgang mit Veränderung 123 Über den Autor 131

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Vorwort Das vorliegende beruht auf dem vor etlichen Jahren erschienenen Buch „Change“. Es ist vollständig überarbeitet, ergänzt und der Entwicklung meiner Sichtweise angepasst. Denn natürlich hat sich in den letzten Jahren auch meine Sicht des Themas Veränderung verändert. Das betrifft beispielsweise den Gebrauch von Begriffen. Worte wie „Heilung“ oder „Erweiterung“ benutze ich heute sehr viel zögerlicher und in anderer teilweise Bedeutung als damals. Aus meinem Wortschatz beinah gestrichen habe ich Begriffe wie „Wachstum“, „Gestaltung“ und „Bewusstheit“; und auf den Begriff der „Lösung“ verzichte ich inzwischen beinah völlig. Dafür benutze ich jetzt die Worte „Entwicklung“, „Erforschung“, „Aufmerksamkeit“ und „Bewältigung“. Zwar hat sich meine Arbeitsweise bei der Begleitung von Menschen nicht grundlegend verändert, wohl aber meine Haltung in einiger Hinsicht. Die Ansicht, dass sich ein Leben nicht planen lässt und dass Menschen, um sich verändern zu können, auf Irritationen, Probleme, ja oft sogar auf krisenhafte Entwicklungen angewiesen sind, hat sich in den zurückliegenden Jahren verfestigt. Dazu ist ein eigenes Buch entstanden, das den Titel trägt „Wer etwas ändern will, braucht ein Problem“1. Die Vorstellung, sich selbst, man könnte sich selbst, seine Beziehungen und das Leben kontrollieren, halte ich für Machbarkeitswahn. Mit anderen Worten – ich bin gelassener geworden. Daher suche ich nicht mehr nach Lösungen, im Sinne von 'etwas loswerden', sondern bin neugierig auf die Prozesse, in die ich und in die Klienten geraten und auf das, was sie Überraschendes mit sich bringen. Was immer das sein mag, es wird zu persönlicher Verände3

rung auffordern. Das ist spannend. Da immer wieder Dinge passieren, die den eigenen Absichten und Sehnsüchten widersprechen, wird jeder Einzelne auch in Zukunft zur Veränderung herausgefordert sein, und diese Aufforderung wird nicht unbedingt leicht, sondern durch oftmals durch rätselhafte und schwierige und mitunter auch leidvolle Prozesse überbracht werden. Identität, an der ein Mensch festhält, führt früher oder später in krisenhafte Entwicklungen. Der Einzelne verändert sich in vielen Fällen nicht, weil er will, sondern weil er muss, weil er von sich, seinen Beziehungen oder der Welt dazu aufgefordert ist. So mag dieses Buch als Anregung verstanden werden, nach den Veränderungen zu forschen, zu denen Menschen in schwierigen Lagen und Lebenskrisen aufgefordert werden und nach den überraschenden Möglichkeiten, die in unkontrollierbaren Ereignissen verborgen liegen.

Einleitung Im Laufe eines Menschenlebens verändert sich Vieles. Beispielsweise die Art und Weise zu denken und zu fühlen, ebenso der Zustand des Körpers. Erwartungen an das Leben, Ziele, Vorstellungen, Pläne, Meinungen, Ideen und Ideale wandeln sich. Menschliche Beziehungen wechseln, lange bestehende Freundschaften lösen sich auf, Liebesbeziehungen enden, neue mögen beginnen. Die gesellschaftlichen Bedingungen ändern sich. Unvorhersehbare Schicksalsschläge, Unfälle und Zufälle greifen in das Leben ein. Da sich all das unabhängig vom Willen abspielt und Menschen oftmals massiv davon betroffen sind lohnt es, sich mit dem Thema Veränderung intensiv zu befassen und der Frage nachzugehen, wie Menschen mit den Ereignissen und Wechselfällen ihres Lebens umgehen können. Ich beantworte die4

se Frage in den verschiedenen Kapiteln dieses Buches anhand der Begriffe Störung, Angst, Lust, Grenze und Prozess. Im ersten Teil erläutere ich den Sinn von Störungen und Problemen, der darin besteht, die Enge einer nicht mehr adäquaten Lebenshaltung aufzubrechen. Dann beschreibe ich im zweiten Teil, wie dieser Versuch, die Grenzen einer Identifikation zu überschreiten und ‚ein anderer’ zu werden, Angst auslöst und wie sich diese Angst in dem Bestreben äußert, zu bleiben, wer man war. Im dritten Teil beantworte ich die Frage, wie Menschen zu neuen Erfahrungen gelangen und wie sie sich dabei an sich selbst und nicht an irgendwelchen Ratschlägen oder Expertenmeinungen orientieren können. Schließlich beschreibe ich Veränderung als einen Prozess, in dem die Auseinandersetzung zwischen der Angst davor und der Lust darauf zu einer neuen Lebenshaltung führt. Abschließend betrachte ich Veränderungsprozesse unter Aspekten der Selbstregulation und professioneller Begleitung und äußere einige Überlegungen zur Rolle von Therapie in Wandlungsprozessen.

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Der Mann, der keine Lösungen mehr sucht Vor kurzem rief ein Klient an, der eine heftige Lebenskrise durchlaufen hatte. Am Beginn dieser Entwicklung stand seine Ehe vor dem Aus und sein Unternehmen war in Konkurs geraten. Alles Bedeutende in seinem Leben drohte zusammen zu brechen. Der Mann brauchte mehr als zwei Jahre, um aus diesem tiefen Tal herauszukommen und wieder Lust am Leben zu empfinden. Was ihm in dieser Zeit am meisten geholfen habe, so sagt er, waren einige Worte, die ich ihm in einer der ersten Sitzungen nachdrücklich ans Herz legte: „Hören Sie auf, nach Lösungen zu suchen, suchen Sie einen Weg!“ An diesen Satz habe er sich in schweren Momenten erinnert, er habe ihm geholfen, das anzunehmen, was ihm geschah und allmählich eine Perspektive aufzubauen. Heute könne er sagen, er habe durch seine Lebenskrise viel Neues gelernt und sich zum Positiven verändert. Er könne seine eigenen Gefühle deutlicher wahrnehmen und sei selbstbewusster geworden, weshalb er sich in seiner Beziehung nun besser behaupte. Dadurch würde er sich tiefer auf die Liebe zu seiner Frau einlassen. Nachdem er den Konkurs durchgestanden habe, sehe er materielle Belange gelassener und habe viel an Lebensmut und Zuversicht gewonnen. Heute gebe er den menschlichen Aspekten des Lebens mehr Bedeutung als den materiellen, vorher sei das umgekehrt gewesen. Der Mann, der keine Lösungen mehr sucht, ist im Laufe dieser Entwicklungen „ein anderer“ geworden. Seine Geschichte steht am Anfang dieses Buches, weil sie beispielhaft zeigt, wie Menschen im ersten Anlauf den Problemen ihres Lebens begegnen und wie diese in einem zweiten Anlauf dann tatsächlich bewältigt werden. Im ersten Impuls sucht jeder nach einer Lösung für seine Probleme. Eine Lösung muss her, sie soll das Problem ver6

schwinden lassen und das mit der unerwünschten Entwicklung verbundene Leid auflösen. Dazu wird eine 'Strategie' gebraucht, und die will man sich irgendwo beschaffen. Dieser Ansatz ist nachvollziehbar, aber so funktioniert es nicht. Kein Problem verschwindet einfach so, zumindest keines, das diesen Namen verdient. Vielmehr werden die Menschen durch Störungen und Leid in Prozesse geführt, aus denen sie eines Tages verändert hervorgehen. Ein Umgang mit den großen Probleme des Lebens, ergibt sich, indem ein Mensch seine Lebenshaltung und in der Folge davon sein Verhalten sich selbst, anderen Menschen und der Welt gegenüber verändert. Indem er „ein anderer“ wird. Solche Haltungsänderungen stellen oft schwierige und zeitlich aufwendige Prozesse dar. Leider rufen Wissenschaftler, Psychologen und Therapeuten den Eindruck hervor, für die Schwierigkeiten des Lebens ließen sich stets schnelle und einfache Lösungen finden, und sie bieten die angeblich dazu passenden Strategien an. Kern dieser Hoffnung ist die Idee, Menschen könnten sich jederzeit und aus freien Willen verändern. Alles scheint möglich, wenn man es nur richtig macht, Erfolg, Gesundheit, Glück.2 Mit diesem Machbarkeitsglauben ist die Hoffnung entstanden, man könne sich vorzeitig oder zumindest so rechtzeitig auf die wechselnden Bedingungen des Lebens einstellen, dass Probleme und Leid, Krisen und Schmerzen beinah überflüssig würden. Diese Hoffnung trügt, denn Identitätsänderungen gehören zu den schwierigsten Aufgaben im Leben eines Menschen. So hat beispielsweise die Hirnforschung nachgewiesen, dass die psychische Struktur bereits in den ersten Lebensjahren umfassend geprägt wird. Im Erwachsenenalter ist es dann äußerst schwierig und aufwendig, die psychischen Struktu7

ren zu verändern. Der Forscher Gerhard Roth bemerkt hierzu „Gezielte Veränderungen der Persönlichkeit sind allerdings in jedem Fall schwer, wie die Psychotherapie zeigt, und können nur ‚von außen’ passieren.“ 3 Der Mensch kann sich aus eigenen Antrieb heraus nicht zielgerichtet verändern, dazu muss er von außen aufgefordert werden. Zu diesem Außen gehört allerdings auch der Bereich seines Selbst, den man als Unbewusstes bezeichnet. Der Mann, der keine Lösungen mehr sucht, hat seine Persönlichkeit, seine Identität verändert. Er hat zu einer veränderten Lebenshaltung gefunden und erfährt das Leben nun auf eine veränderte Weise. Das erforderte die Bereitschaft, seine Probleme nicht loswerden zu wollen, sondern einen Weg zu suchen, wie sie bewältigt werden können. Der Mensch muss scheitern, entweder an sich, an Beziehungen, an der Welt, um sich auf den Weg zu machen. Erst dann macht es Sinn, nach neuen Lebenshaltungen zu suchen, mit denen man unter den veränderten Umständen wieder gut klarkommt. Diese Bereitschaft, sich seinen Problemen zuzuwenden und die darin enthaltenen Aufforderungen zur persönlichen Veränderung zu entdecken, möchte ich mit diesem Buch und der darin beschriebenen Sichtweise auf die Phänomene „Störung“ und „Problem“ unterstützen.

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Zum Sinn von Störungen Der Mann, der keine Lösungen mehr sucht, hat sich (seine Identität und Lebenshaltung) verändert, aber er tat das keineswegs aus freien Stücken. Lassen Sie mich gleich zu Anfang etwas noch einmal betonen: Kein Mensch ändert sich freiwillig. Kein Mensch beabsichtigt, ein anderer zu werden. Wenn ein Mensch sich ändert, dann weil er dazu gezwungen wird! Dieser Aussage werden viele LeserInnen spontan widersprechen. Schließlich hat schon jeder den Wunsch nach Veränderung verspürt und Schritte in diese Richtung unternommen, vielleicht sogar Erfolg damit gehabt. Manche werden betonen, sich nach Veränderungen regelrecht gesehnt und diese dann bewusst und absichtlich eingeleitet zu haben. Dem mag ich nicht widersprechen, denn auf den ersten Blick scheint eine Veränderung tatsächlich oft freiwilliger geschehen zu sein. Doch woher stammt das Motiv für solche Veränderung, woher kommt die Sehnsucht danach? Aus einer langweiligen Gegenwart und aus unerfüllten Wünschen also aus einem mehr oder weniger unerträglichen Leben! Würden Menschen sich an das Projekt Veränderung wagen, ohne von Langeweile oder der Sehnsucht nach etwas Besserem dazu getrieben zu sein? Wohl kaum; und wozu sollten sie das tun, wenn doch alles gut läuft. Und da sie weder Langeweile noch Sehnsucht absichtlich herbeiführen, macht es auch in Fällen ersehnter Veränderung kaum Sinn, von einer „gewollten“ oder „beabsichtigten“ Veränderung zu sprechen, man könnte bestenfalls sagen, der Veränderung wäre zugestimmt worden. Halten wir fest, dass auch diejenigen, die Veränderungen begrüßen, schlicht und einfach durch sich selbst, durch Lebendigkeit suchende, unbewusste Anteile ihrer Persönlichkeit zur Veränderung gedrängt werden. 9

Die meisten Veränderungen im Leben der Menschen werden indes nicht ersehnt, sondern als aufgezwungen und unausweichlich erlebt und demzufolge erlitten. Beispielsweise wird Veränderungen äußerer Umstände in der Regel nicht zugestimmt, es sein denn, es handelt sich um positiv empfundenen Ereignisse, etwa eine Verliebtheit oder einen Lottogewinn oder eine Beförderung, und auch dann ist das ja nicht durch denjenigen selbst verursacht worden. Wem aber ein Unfall geschieht, der wird nicht begeistert sein, sondern leiden. Gleiches gilt für Krankheiten oder Beziehungskrisen, berufliche Rückschläge oder Schicksalswendungen, sogar für unabänderliche Vorgänge wie das Altern und für vieles andere mehr, das unabhängig vom Willen geschieht. Dass Menschen sich nicht freiwillig ändern sondern aufgrund eines in unabänderlichen Entwicklungen enthaltenen Drucks, ist weder bedauerlich noch stellt es eine negative Interpretation der Dinge dar. Schließlich bedarf es einer tiefliegenden Motivation zur persönlichen Veränderung, die ja immer einen gehörigen Kraftakt darstellt. Und die stelle sich erst ein, wenn etwas nicht mehr funktioniert. Wenn man mit seinem Latein am Ende ist, wenn man sich allmählich in eine Sachgasse manövriert hat oder wenn man in eine Lage hinein geworfen wurde, dann findet Veränderung einen bewussten Ausgangspunkt, erst dann wird sie angestrebt. Wir können diese Feststellung umdrehen und daraus schließen: Um sich zu verändern, braucht der Mensch Störungen. Um seine Persönlichkeit und in der Folge davon seine Lebenssituation verändern zu können, braucht er Sehnsucht, Leid, Krisen, Krankheiten oder Schicksalsschläge. Unabhängig von solchen Störungen und auch unabhängig davon, ob sie begrüßt oder abgelehnt werden, findet keine Persönlichkeitsveränderung statt.

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Um sich zu verändern braucht der Mensch das Störende, das Verwirrende, das Unbekannte. Deshalb betrachte ich die Probleme und Irritationen des Lebens, wie etwa Sehnsüchte, Lebensträume, Unzufriedenheit, Langeweile, körperliche oder seelische Symptome, Krankheiten, Beziehungskonflikte, Lebenskrisen und anderes als Aufforderungen zur Veränderung. Die beste Definition die ich kenne davon, was ein Problem ist, lautet: Ein Problem ist, wenn sich in der Psyche etwas abspielt, das laut Selbstbeschreibung dort nicht hingehört. Die Betonung liegt auf 'laut Selbstbeschreibung'. Es ist das bisherige Ich das sagt, dieses Ereignis muss ungeschehen gemacht werden, die Folgen dieses Unfalls müssen behoben werden, diese Einsamkeit muss beendet werden, diese quälenden Sehnsüchte müssen abgestellt werden … usw. Man könnte ohne weiteres behaupten, dass Störungen einen Sinn haben. Dieser ergibt sich jedoch nicht aus moralischer, religiöser oder therapeutischer Bewertung der Abläufe. Der Sinn von Störungen besteht so gesehen einzig darin, mit ihnen zurechtzukommen. Veränderung braucht keine weitere Erklärung oder Rechtfertigung als die Tatsache, dass nur ein veränderter Mensch mit einer Störung leben oder umgehen kann. Weil er, wenn er dann ein Anderer ist, den Vorgang nicht mehr als Störung erlebt, oder weil er Wege gefunden hat, das, was bisher störte, in seine Selbstvorstellung zu integrieren. Auch dadurch wäre er 'ein Anderer'.

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Die Enge einer Lebenshaltung Um den Sinn von Störungen zu erläutern sollte ich beschreiben, wer oder was durch eine bestimmte Entwicklung gestört wird. Im Sprachgebrauch antwortet ein Mensch auf diese Frage mit dem Begriff ICH! Ich werde gestört, meine Pläne werden durchkreuzt, meine Absichten vereitelt. Wer oder was ist dieses „Ich“ und welcher Bereich ist „mein“? Stellen wir uns vor, jemand bekäme eine starke Grippe, von der er sich selbstverständlich gestört fühlt. Fragt man an dieser Stelle nach, wer derjenige sei, der gestört wird, begegnet man einer bestimmten Identität. Einer Identität, mit der der betreffende identifiziert ist. Der Betreffende fühlt sich gestört, weil er mit „gesund sein“ identifiziert ist. Würde man nun sagen „Was ist das Problem damit, krank zu sein“ bekäme man die Antwort „Ich will aber gesund sein“. Das Problem besteht demnach weniger darin krank zu sein, als vielmehr darin, gesund sein zu wollen. Es ist demnach der „Gesunde“, der sich von der Grippe gestört fühlt. Derjenige sagt „Ich sollte gesund sein“. Die Grippe ist nun dasjenige, das sich in seiner Wahrnehmung abspielt und von dem er sagt, es gehöre nicht dorthin. Die Grippe hält ihn von Dingen ab, die er gern tun möchte und verfrachtet ihn ins Bett. Der „Kranke“ hingegen mag durchaus Positives darin finden, im Bett zu liegen, loszulassen und richtig auszuschlafen und kein Problem mit der Situation haben. Ob die Krankheit ein Problem ist hängt also davon ab, ob der Betreffende mit der Identität „der Gesunde“ oder mit der Identität „der Kranke“ identifiziert ist, also davon, wozu er „Ich“ sagt. Das gilt bei allen menschlichen Problemen: Es ist immer das Ich, das gestört ist, aber das Ich repräsentiert nie den ganzen Menschen. Es ist Ausdruck einer Identifikation mit bestimmen Bewusstseinszuständen oder Persönlichkeitsan12