gegenstandpunkt 1-14

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GEGENSTANDPUNKT 1-14 Politische Vierteljahreszeitschrift

Europa geht bis an die Grenzen seiner Methode friedlicher Eroberung und darüber hinaus

Wem gehört die Ukraine? Nationale Energiewende mit globaler Perspektive

Imperialistische Konkurrenz um den Weltmarkt für erneuerbare Energien China bereitet die ‚volle Konvertibilität‘ des Renminbi vor

Das Volksgeld soll Weltgeld werden Exkurs zu „Arbeit und Reichtum“

Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse im Kapitalismus

Mindestlohn: Gesetzliche Normalisierung des Niedriglohns Papst verdammt Kapitalismus – und erntet Kopfschütteln Deutsche Beiträge zum Sportfest in Sotschi: Die Welt zu Gast bei Feinden

GEGENSTANDPUNKT – Politische Vierteljahreszeitschrift erscheint in der Gegenstandpunkt Verlagsgesellschaft mbH Kirchenstr. 88 81675 München Tel. (089) 272 16 04; Fax (089) 272 16 05 e-Mail: [email protected] Internet: www.gegenstandpunkt.com Redaktion: Dr. Peter Decker (verantwortlicher Redakteur), T. Ebel, Dr. H. L. Fertl, H. Kuhn, W. Möhl, H. Scholler Anschrift der Redaktion und des verantw. Redakteurs: siehe Verlagsanschrift Druck: Mediengruppe Universal, Kirschstr. 16, 80999 München © 2014 by Gegenstandpunkt Verlag, München. Alle Rechte vorbehalten. Hinweis gem. Art. 2 DV BayPrG: Gesellschafter der Firma Gegenstandpunkt Verlagsgesellschaft mbH sind zu je 50 v.H.: Dr. Peter Decker, Redakteur in München; Bruno Schumacher, Verleger in München GEGENSTANDPUNKT erscheint viermal im Jahr und ist zu beziehen über den Verlag oder über den Buchhandel Die Zeitschrift erscheint jeweils gegen Ende des Quartals. ISSN 0941-5831 bei Bestellungen angeben! Einzelpreis: € 15,– Jahresabonnement: 60,– Euro inklusive Porto und Versand Förderabonnement: 120,– Euro und mehr Bestellungen direkt beim Verlag oder im Buchhandel Abbestellungen müssen spätestens vier Wochen vor Ende des Jahres erfolgen; das Abonnement verlängert sich automatisch. Der Verlag bietet das Abo auch als Ebook-Dateien (Pdf, Epub oder Mobi) an. Das Ebook-Abo kostet je Format 40,– €. Einzelpreis je Ebook-Format: 10,– € Digitalausgaben: ISSN 2198-5782 Abonnenten der Druckausgabe erhalten auf Wunsch die jeweiligen Ebook-Dateien ohne weiteren Kosten. Spenden zur Förderung der Verlagsarbeit auf das angegebene Konto mit Angabe des Verwendungszwecks: „Spende“ Konto 204040 804 Postbank München, BLZ 700 100 80 IBAN: DE46 70010080 0204040804, BIC (Swift-Code): PBNK DEFF (Swift-Code 11-stellig: PBNK DEFF 700) Schweiz: 20,– sfr Einzelpreis Druckausgabe: € 15,–

ISSN-L 0941- 5831 Digitalausgaben ISSN 2198-5782 PDF ISBN 978 -3 - 929 211-47 -4

GEGENSTANDPUNKT 1-14 Chronik – Kein Kommentar! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 EU-Osterweiterung zum Dritten: die „östliche Partnerschaft“ mit der Ukraine Europa geht bis an die Grenzen seiner Methode friedlicher Eroberung und darüber hinaus . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Das Assoziierungsabkommen der EU: erpresserische Angebote als Hebel, sich die Ukraine unterzuordnen . . . . . . 48 2. Europa verlangt, dass die Ukraine die Eigenständigkeit ihrer staatlichen Berechnungen aufgibt und das Lavieren zwischen den Lagern beendet. . . . . 53 3. Russland soll hinnehmen, dass die Ukraine dem europäischen Besitzstand zugeschlagen und russische Einflussnahme auf den Nachbarstaat ausgeschaltet wird. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4. Russland beharrt auf seinen wirtschaftlichen, politischen und strategischen Interessen, die mit der Ukraine verknüpft sind . . . . . . . . . . 58 5. Die Ukraine, in ihrer ökonomischen Verfassung auf Beziehungen zu beiden Seiten existenziell angewiesen, konfrontiert die EU mit ihrer Krisenlage und eröffnet einen Streit um den Preis für den von Europa betriebenen Übertritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 6. Wenn die ukrainische Führung meint, mit den russischen Angeboten taktieren zu können, ist ihre Behandlung als „Partner“ vorbei. Der Westen setzt postwendend auf den Umsturz der Regierung . . . . . . . . . . . 66 Nationale Energiewende mit globaler Perspektive Imperialistische Konkurrenz um den Weltmarkt für erneuerbare Energien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Deutschland plant eine Energiewende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Neue Energie für Deutschland und die Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Die deutsche Energiewende muss das Weltklima retten . . . . . . . . . . . . . . . 78 II. Die Umsetzung in Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Mit teurem Schmutz zu sauberen Renditen – kann ja nicht immer alles gleich klappen … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Die erneuerbaren Energien kommen dennoch aus der Nische – die „Stromriesen“ leiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Harmonischer Wildwuchs bei der neuen Energie – etwas teuer auf die Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Vom Wildwuchs der Interessen zu ihrer marktkonformen Steuerung – durch die Reform des EEG weniger Geld anders verteilen . . . . . . . . . . . . 86

III. Die Energiewende unter den Bedingungen einer neuen Konkurrenzlage: die USA auf dem Weg zum Energie-Champion aller Klassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Die fossile Energiewende der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Eine Veränderung der globalen Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Der Weltmarkt für die Erneuerbaren soll imperialistische Chefsache werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Klimaschutz und Geschäft auf amerikanisch – natürlich unterwegs im Auftrag des Herrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Die Zukunft der deutschen Energiewende: Rückzug kommt nicht in Frage, die Lage ist nicht ernst, nur anders . . . . . 93 China bereitet die ‚volle Konvertibilität‘ des Renminbi vor Das Volksgeld soll Weltgeld werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Der Ausgangspunkt: Geld als Kommandomittel staatlicher Planung . . . . . . . 95 Exportindustrie in Sonderwirtschaftszonen: Die Einführung des Kriteriums der Rentabilität in die nationale Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Nationale Kapitalakkumulation und die Karriere des ‚Volksgelds‘ zum Kreditzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Binnenmarkt und Weltmarkt: Alternativen der Verwertung von Yuan-Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 „Volle Konvertibilität“: Überantwortung des Kredits der Volksrepublik an die Finanzwelt zwecks Eroberung des Weltmarkts durch und für Chinas Kredit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Der Angriff auf die Verteilung des Nutzens aus dem Weltgeschäft und auf die Geschäftsordnung der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Exkurs zu „Arbeit und Reichtum“ Zum Verhältnis zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen im Kapitalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

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Chronik – Kein Kommentar! (1) Schwarz-grüne Koalition in Hessen: Der Lärm um Frankfurt wird grün . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 (2) Die Große Koalition spendiert den Grünen und der Linken ein paar Zusatzrechte: Sachdienliche Hinweise auf den „staatspolitischen“ Nutzen der parlamentarischen Opposition . . . . . . . . . 6 (3) Der allgemein verbindliche Mindestlohn: Zehn Jahre Senkung der Arbeitskosten erfahren ihre systemgemäße Vollendung . . . . . . . . . . . 8 Eingeständnis der Politik über die Unvereinbarkeit von rentabler Arbeit und sicherer Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Der allgemeine Mindestlohn – die gesetzliche Normalisierung des Niedriglohns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Die „Stärkung der Tarifautonomie“ – Staatsauftrag zur Verstetigung der gebremsten Verarmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 (4) Internationale Trauerfälle, ... heute: Nelson Mandela (Versöhner, schwarzer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 (5) Viel Kopfschütteln unter den journalistischen Spin-Doctors unseres Wirtschaftssystems: Papst verdammt Kapitalismus! . . . . . . . . . . 15 (6) Deutsche Beiträge zum Sportfest in Sotschi: „Die Welt zu Gast bei Feinden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Ein surrealer Standort ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 ... ganz neu und ziemlich häßlich ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 „Alles glitzert, aber nichts funktioniert.“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Keine Atmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Geld, Preissteigerungen und Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Das System namens Putin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Abwesenheit von Menschenrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Dann gehen die Spiele los . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 PS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 (7) Österreich holt syrische Christen: Wann Asyl angebracht ist und wann nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Kein Asyl für Snowden in Deutschland! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 (8) Neue Hilfen für den deutschen Chemiearbeiter „zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung seiner Rasse“: Work-Life-Balance bei BASF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Work . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Life . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Balance. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

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GEGENSTANDPUNKT 2-14 erscheint am 13. Juni 2014

Das Abonnement des GEGENSTANDPUNKT

als Ebook Wir bieten das Abonnement der Politischen Vierteljahreszeitschrift GEGENSTANDPUNKT auch als Ebook in den Formaten Pdf, Epub oder Mobi (für Kindle-Reader) an. Das Ebook-Abo kostet je Format 40,– €. Abonnenten der Druckausgabe erhalten auf Wunsch die jeweiligen Ebook-Dateien ohne weiteren Kosten. Wir schicken Ihnen die Datei an Ihre E-Mail-Adresse. Die Dateien sind ausschließlich für die private Nutzung gedacht. Digitalausgaben ISSN 2198-5782 4

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Chronik – kein Kommentar!

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Schwarz-grüne Koalition in Hessen: Der Lärm um Frankfurt wird GRÜN Vor der Regierungsbildung zwischen der CDU und Bündnis 90/Die Grünen in Hessen sah die Welt rund um Frankfurt äußerst düster aus: „Die schwarz-gelbe Landesregierung steht vor den Trümmern ihrer Flughafenpolitik. Wissen Sie eigentlich, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern zugemutet haben, und was Sie ihnen weiterhin zumuten? … Wir brauchen eine Lärmobergrenze. Wir brauchen ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr.“ (Al-Wazir in einer Wahlkampfrede vom 13.09.2013) Seit dem 17. 12. 2013 ist die hessische Flughafenwelt wieder in Ordnung. Im Koalitionsvertrag bekennen sich Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich zu den bisher beschlossenen Ausbauplänen und Flugrouten, denn „der Flughafen Frankfurt hat nicht nur als Standortfaktor und für die dortigen Arbeitsplätze eine große wirtschaftliche Bedeutung weit über das Rhein-Main-Gebiet und Hessen hinaus. Deshalb wollen die Koalitionspartner, dass er auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt.“ (FR, 19.12.2013) Wer jetzt denkt: „Typisch! Vorher schön reden, Lärmschutzmaßnahmen, Nachtflugverbote, Rücksicht auf die Leute ankündigen und das Blaue vom Himmel versprechen – und nach der Wahl von allem nichts mehr wissen wollen!“ – der verpasst das Entscheidende. Man mag sich bei der Wahl einbilden, was man will: Fakt ist, dass man mit seinem Votum Politiker dazu ermächtigt, die eigenen Lebensbedingungen zu regeln. Die liegen dann ganz in Händen derer, die an der Macht sind, und sind ein einziges Derivat der im Amt beschlossenen politischen Notwendigkeiten, das sie bekleiden. Und so macht die Hoffnung auf Lärmstopp am Tag und Ruhe in der Nacht rund um den Frankfurter Flughafen ihre ganz folgerichtige demokratische Karriere: Sie nimmt Fahrt auf und gedeiht, weil und solange der Wahlkämpfer Al-Wazir sich den Lärmgeplagten als Träger ihrer Hoffnungen präsentiert, damit sie ihn an die Macht wählen. Hat es damit geklappt und ist im Zuge der Regierungsbeteiligung von Bündnisn 90/Die Grünen in Hessen aus dem grünen Hoffnungsträger der hessische Wirtschaftsminister geworden, ist der Wunsch der Bürger nach ein bisschen Nachtruhe selbstverständlich auch weiterhin bei ihm in besten Händen. Nur kann er eben beim besten Willen nicht viel für ihn tun. Sein Job gebietet ihm darauf zu achten, dass „Hessen auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleibt“, und wenn er als Grüner seinen Wählern glaubhaft versichert, dass Lärmobergrenzen zwar schon fein für die Bürger wären, mit Hessens Zukunft aber absolut unverträglich sind, sollte man das nicht als Schwindel durchschauen wollen, sondern ganz sachlich als konsequentes Ergebnis einer Wahl zur Kenntnis nehmen: Die an die Regierung Gewählten tun, was die Pflichten ihres Amtes sind, und zu nichts anderem sind sie gewählt worden. GEGENSTANDPUNKT 1-14

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Die Große Koalition spendiert den Grünen und der Linken ein paar Zusatzrechte: Sachdienliche Hinweise auf den „staatspolitischen“ Nutzen der parlamentarischen Opposition Die neue Opposition im 18. Deutschen Bundestag leidet. Sie ist mit ihren 120 von gut 600 Sitzen zu klein, um einige parlamentarische Oppositionsrechte wahrnehmen zu dürfen: etwa die Einberufung eines Untersuchungsausschusses, die Beantragung einer Sondersitzung des Parlaments oder die Anrufung des Verfassungsgerichts in Sachen Überprüfung eines neuen Gesetzes. Grüne und die Linke drängen deshalb auf Änderung der Geschäftsordnung im Bundestag: „Dem Linken-Frontmann Gysi schwant jedenfalls, dass die Opposition vier Jahre lang in die Statistenrolle gedrängt werden könnte. Eine wirkliche Kontrolle der Regierung sei dann kaum noch möglich, mit negativen Folgen für die parlamentarische Demokratie insgesamt“ (mdr.de, 23.10.13)

Dass der neue Oppositionsführer Gysi eine übergeordnete staatspolitische Sorge für sein parteipolitisches Anliegen ins Feld führt, in der Konkurrenz gegen die Regierenden mehr hermachen zu wollen, durchschaut jeder als professionelle Heuchelei, und das ist auch die langweilige Seite der Sache. Interessanter ist, dass die beiden kleinen Parteien mit ihren Drangsalen beim politischen Gegner Gehör finden – „Thomas Strobl, CDU-Vize, ... Vorsitzender des Ausschusses (für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung) ... teilt die Bedenken. ‚Wenn es zu einer großen Koalition kommen sollte, muss man sich natürlich staatspolitische Gedanken machen, wie es um die Oppositionsrechte im Deutschen Bundestag bestellt ist‘, sagte Strobl dem Tagesspiegel“ (tagesspiegel.de, 19.10.13) –

und tatsächlich zugestanden bekommen, was sie verlangen: Grüne und Linke sollen „gemeinsam einen Untersuchungsausschuss erwirken können, auch wenn sie dafür eigentlich zu wenig Sitze im Bundestag haben“,und „eine Sondersitzung des Bundestags verpflichtend beantragen können, auch wenn sie (die Opposition) laut Wahlergebnis auch dafür strenggenommen zu klein ist“ usw. (Lammert-Papier gemäß Spiegel-Online) „Linke und Grüne erhalten bis zu vier Minuten mehr Redezeit pro Debatte als ihnen laut Sitzverteilung offiziell zusteht.“ (Spiegel 4/2014)

Bemerkenswert ist dies insofern, als in den Reihen der Regierungsparteien ja schon bekannt ist, wie und wozu eine Opposition von ihren parlamentarischen Rechten Gebrauch zu machen pflegt. Ob die Regierung ein Vorhaben im Parlament vorstellt, ein Gesetz zur Abstimmung bringt oder die Chefin höchstselbst mit einer „Erklärung“ aufwartet, um der Nation die Zweckmäßigkeit ihres Wirkens und dessen guten Sinn für Deutschlands Zukunft zu erläutern: Für eine Opposition ist das alles dasselbe, nämlich die Gelegenheit, immer und immer wieder das komplette Unvermögen derer vor Augen zu stellen, die da an der Macht sind. Notorisch entdeckt sie „handwerkliche Fehler“ bei der Ausübung der Amtsgeschäfte, noch lieber „Fehltritte“ bei den Amtsträgern, die sich zu „Skandalen“ aufblasen lassen. Bei den Regierten deutet sie auf Interessen, die 6

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schon wieder „übergangen“, und auf „Gerechtigkeitslücken“, die noch weiter aufgerissen werden – und verfolgt mit all dem den einen Zweck: Sich gegenüber denen, die an der Macht sind, und vor dem Volk, das sie dorthin gewählt hat, als die ewig bessere politische Alternative zu präsentieren. Für diese Selbstdarstellung im parlamentarischen Dauerwahlkampf hat nun ausgerechnet das Regierungslager der Konkurrenz die Bühne ein wenig erweitert. Der zitierte CDU-Experte fürs parlamentarische Regelwerk führt zur Begründung dieser Großzügigkeit „staatspolitische Gedanken“ an, und auch wenn er deren Inhalt weiter nicht verrät: Schwer zu ermitteln ist die Produktivkraft nicht, die in der Demokratie eine gut funktionierende Opposition für die Ausübung des Regierungsgeschäfts darstellt. Die liegt als erstes darin, als institutionalisiertes Auffangbecken für jede Art von Unzufriedenheit zu fungieren, die die regierenden Volksdiener bei der Wahrnehmung ihrer Amtspflichten im Land hervorrufen. Denn wer immer sich worin auch immer in seinen Belangen von den regierenden Amtsinhabern schlecht bedient sieht, findet in der Mannschaft, die im Startloch zur Machtübernahme scharrt, das Angebot fix und fertig vor, aus seiner Unzufriedenheit das Beste zu machen: Er braucht sie bei nächster Gelegenheit nur denen zur Betreuung überantworten, die besseres Regieren versprechen, und sich auch weiter nicht mit der Frage zu befassen, für welchen Dienst an welchem Interesse auch die nur wieder an die Macht gewählt werden wollen. Sich dahingehend beim Publikum zu empfehlen, ist das Bestreben jeder guten Opposition, worüber sich der zweite „staatspolitische“ Gesichtspunkt erschließt, der es einer regierenden Mehrheit nahelegt, ihren Widersachern von der Opposition auch mal ein wenig mehr Raum zur Selbstdarstellung zu gewähren. Denn in diesem Wettstreit von Alternativen besseren Regierens, der diese so „bunte parlamentarische Debattenkultur“ bestimmt, haben die regierenden Parteien einen uneinholbaren Startvorteil: Ihre Kompetenz zur Ausübung des Regierungsgeschäfts stellen sie regelmäßig praktisch unter Beweis, nämlich durch die Ausübung der Macht, an die sie die Mehrheit im Volk gewählt hat. Ihr politischer Wille überzeugt damit, dass er gilt, wozu sie aus allem, was ihnen da so vorschwebt zur Pflege der im Land eingerichteten Geschäftsordnung, nur ein Gesetz zu machen brauchen. So kommt es, dass jedes Votum, mit dem die Opposition ihre Kompetenz in schlechtes Licht zu rücken versucht, eine einzige Steilvorlage für die Regierenden ist, mit Demonstrationen ihrer eigenen Machtvollkommenheit aufzuwarten. Was sich da ihnen gegenüber als politische Alternative vorträgt, ist von vorneherein keine, sondern bloßes „Wunschdenken“, und das begründen sie ausführlich: Weil es das Votum einer parlamentarischen Minderheit ist, ist es gar nicht „mehrheitsfähig“, scheidet als demokratisch salonfähige Alternative also grundsätzlich aus; weil es nicht zur Gesetzeslage passt, die die Regierung schafft, ist es ganz und gar „unrealistisch“, entzieht sich also selbst jeder halbwegs vernünftigen Befassung; weil es die Haushaltsplanung des Finanzministers durcheinanderbringt, ist es von vornherein „nicht finanzierbar“, also schon wieder nur ein einziges Dokument des Unvermögens, die Staatsgeschäfte so zu führen, wie es sich gehört und die Regierung es vorbildlich tut, usw. So soll die Opposition als repräsentatives Sprachrohr aller mit den amtierenden Machthabern Unzufriedenen ruhig vernehmbar zu Wort kommen – um beim GEGENSTANDPUNKT 1-14

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Vorbringen ihres alternativen „politischen Gestaltungswillens“ dann ihrer hoffnungslosen Inkompetenz in Sachen Politik und Ohnmacht in Sachen Gestaltung überführt zu werden. An der Minderheit im Parlament, die sich immer wieder als die bessere Alternative zur regierenden Mehrheit aufstellt, immer wieder den Beweis zu führen, dass es in der Demokratie zur Mehrheit, die regiert, einfach keine Alternative gibt: Dieser „staatspolitische“ Nutzen ist der Großen Koalition die kleine Erweiterung der parlamentarischen PR-Plattform linker und grüner Volksvertreter wert. (3)

Der allgemein verbindliche Mindestlohn: Zehn Jahre Senkung der Arbeitskosten erfahren ihre systemgemäße Vollendung Mit einem gesetzlichen, flächendeckenden und allgemeinen Mindestlohn von 8,50 Euro wollen die neuen Koalitionsparteien die von ihnen wahrgenommenen Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt korrigieren. In diese Diagnose fasst die aktuelle Regierung die Bestandsaufnahmen der einschlägigen staatlichen Verwaltungsinstanzen, dass es einem zunehmenden Teil des deutschen Arbeitsvolkes unmöglich wird, von seiner Arbeit zu leben. Gleichzeitig sind die Koalitionsparteien in ihrem Vertrag voll des Lobes für eben denselben Arbeitsmarkt: „Der Arbeitsmarkt ist aufnahmefähig wie selten zuvor“. Darin rühmen sich die Regierungsparteien für den Erfolg, den sie in den wechselnden Koalitionen der vergangenen Regierungsperioden mit der gelaufenen Öffnung des Arbeitsmarkts erreicht haben. Beide Ergebnisse sind allerdings zwei Seiten derselben Medaille. In ihrer zweifachen Bilanz offenbart sich nämlich ein Eingeständnis der Politik über die Unvereinbarkeit von rentabler Arbeit und sicherer Existenz Mit dem kritisch vorgebrachten Imperativ, dass man doch von seinem Lohn leben können müsste, geben die Regierungskoalitionäre das doppelte Ergebnis bisheriger Arbeitsmarktpolitik zu Protokoll: Die Kosten der Arbeit sind so planmäßig gesunken, dass es ihnen jetzt zu weit geht. Den Erfolg schreiben sie selbstverständlich sich zu: die Arbeitslosenzahlen sinken, noch nie waren so viele „in Arbeit“, deutsche Unternehmen verfügen über so viel rentable Arbeit wie nie zuvor, Deutschland gewinnt die innereuropäische Konkurrenz, es kommt gut aus der Krise, und der Staat genießt Kredit. Die andere Seite, dass und wie das Mittel der Wahl, Senkung der Arbeitskosten auf breiter Front, auf die Lohnabhängigen durchgeschlagen hat, beliebt die Regierungskoalition in ihrem Vertrag dagegen als verwunderlichen Kollateralschaden wahrzunehmen: „Gute Arbeit muss sich einerseits lohnen und existenzsichernd sein. Andererseits müssen Produktivität und Lohnhöhe korrespondieren, damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten bleibt. Diese Balance stellen traditionell die Sozialpartner über ausgehandelte Tarifverträge her. Sinkende Tarifbindung hat jedoch zuneh-

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mend zu weißen Flecken in der Tariflandschaft geführt. Durch die Einführung eines allgemein verbindlichen Mindestlohns soll ein angemessener Mindestschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichergestellt werden.“ (alle Zitate Koalitionsvertrag)

In Sachen Schuldzuweisung mag es sich ja auszahlen, dass die Politik die Verantwortung für den Lebensunterhalt der Lohnabhängigen an die Autonomie der Sozialpartner abzuwälzen pflegt. Doch ganz von selbst sind diese Löcher in der Landschaft nicht entstanden, darauf hat die Politik schon tatkräftig hingewirkt. Sie entdeckte in den traditionellen Tarifverträgen und ihren bindenden Besitzständen das entscheidende Geschäfts- und Beschäftigungshindernis und erteilte sich selbstkritisch den einen Auftrag: Die Arbeitgeber müssen mehr dürfen. Wegen der schwankenden Auftrags- und der schwierigen Konjunkturlage der Wirtschaft, wegen der zu bestehenden Konkurrenz mit den europäischen und globalen Märkten, zum Abbau der Dauerarbeitslosigkeit und der Klemme in den deutschen Sozialkassen. Den verkrusteten Arbeitsmarkt aufbrechen und die starren Tarifverträge flexibilisieren, das waren die Kampftitel, mit denen die Politik antrat, die traditionelle Tariflandschaft um moderne Formen des Arbeitsrechts zu erweitern. Also werden die rechtlichen Vertragskonstruktionen Leiharbeit und Werkverträge, die von unbefristeten Vollzeitarbeitsplätzen abweichende Arbeitsverhältnisse erlauben, ausgeweitet und von Schranken befreit, damit neben, außer- und vor allem unterhalb tarifvertraglicher Bindungen jede Form atypischer Beschäftigungsverhältnisse möglich wird. Um auf dem Arbeitsmarkt auch die Nachfrage zu schaffen, organisiert und justiert der Staat in seiner Abteilung Soziales seine Sozialhilfe- und Arbeitslosenkasse unter den Stichworten Agenda 2010 bis Hartz IV neu, damit die Versicherten entsprechend genötigt werden, die neuen Sonderangebote am Arbeitsmarkt auch anzunehmen. Dass das bei einigen Dauerarbeitslosen nur mit Löhnen geht, von denen sie nicht leben können, sieht der Staat auch ein. Mit dem Angebot zum Aufstocken von Billiglöhnen bis zum staatlich definierten Existenzminimum sorgt er nötigenfalls dafür, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit nicht an den Lohnkosten für die Existenznotwendigkeiten der Betroffenen zu scheitern braucht. Der Druck auf das Lohnniveau wird zudem noch durch die Freizügigkeit für Arbeitskräfte aus den neu hinzugewonnenen EU-Ländern verstärkt: Die importierten osteuropäischen Billiglöhner dürfen ihre landesüblichen Lohn- und Lebensniveaus samt Arbeitsgewohnheiten in die Konkurrenz am deutschen Arbeitsmarkt einbringen. Das Ausbalancieren dieser neuen rechtlichen Rahmenbedingungen bestellt der Staat bei seinen beiden autonomen Sozialpartnern, er überantwortet es also dem freien Spiel der Marktkräfte. Bei denen schlagen die neuen Freiheiten entsprechend komplementär ein. Die Arbeitgeber, deren Interesse nach Lohnsenkung ins Recht gesetzt ist, erpressen die Arbeitnehmer zu immer mehr Zugeständnissen, die die Gewerkschaften Zug um Zug hinnehmen, wenn sie Schlimmeres vermeiden können. Das führt bei den Mitgliedern beider Organisationen zu Zweifeln am Nutzen dieser Vereinigungen. Nicht wenige Arbeitgeber drohen GEGENSTANDPUNKT 1-14

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mit einem Austritt aus ihrer Tarifgemeinschaft, und auch so mancher Arbeitnehmer vermisst den Nutzen seiner Gewerkschaft und genehmigt sich eine einprozentige Budgeterhöhung durch Kündigung seiner Mitgliedschaft. Die ausländischen Wanderarbeiter haben mit deutschen Gewerkschaften sowieso nichts zu tun, was ihre Importeure dementsprechend zu schätzen und auszunutzen wissen. So oder so, mit und ohne Tarifvertrag, setzt das die Deregulierung des Arbeitsmarkts durch und bringt alle staatlich angepeilten Ziele voran – bis auf eines: Die Sanierung der Sozialversicherungen mag sich nicht so recht einstellen. An den Rechnungen dieser Kassen bemerkt die politische Aufsicht, was sich in Sachen Lohn im Lande tut, und zwar wegen des durchschlagenden Erfolgs der staatlichen Beschäftigungsprogramme. Die erlaubten Abweichungen von der unbefristeten und sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung werden nicht bloß ausnahmsweise, sondern gern und dauerhaft genutzt. Um diese Lage sorgt und kümmert sich der Staat nun immerhin schon seit gut zwei Legislaturperioden. Der politische Wortschatz wird um den Begriff des Prekariats bereichert, das an der Kante des Existenzminimums entlangschrammt und aktuell von Armut, später ganz sicher von Altersarmut bedroht ist. Die Sorge, die in dieser Diagnose formuliert wird, ist aufschlussreich: Die staatliche Aufsicht weiß um den Grund dieser Bedrohung, will ihn aber nicht missen. Das sozialstaatliche Angebot zur Versöhnung von „Produktivität“ der Arbeit und „Existenzsicherung“ der Lohnarbeiter heißt dementsprechend: „sozialversicherungspflichtige Beschäftigung“. In dieser Form der Beschäftigung verschwindet nämlich für die Staatsaufsicht die existenzielle Bedrohung durch kapitalistische Beschäftigung vollständig. Wer lebenslang so verpflichtet ist, der ist in „guter Arbeit“: Der hat – selbstredend bei harter Arbeit und Vollzeit – zum Leben genug Geld. Dem kann darüber hinaus sein Beitrag abgeknöpft werden für die vielfältigen Wechselfälle, die die Kalkulation mit der Produktivität seiner Arbeit garantiert mit einschließt und für die sein individueller Lohn nie reicht. Diesen Widerspruch hat der Staat mit seinen Sozialversicherungen organisiert und auf diesen Inbegriff der gelungenen Arbeitswelt möchte er die prekäre Lohnarbeit als Regelfall wieder zurückführen. Also werden alle eröffneten Lizenzen, von den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen abzuweichen, mit Schranken versehen, die zum Ziel haben, diese idealtypischen Verhältnisse möglichst zu erhalten oder wieder in Aussicht zu stellen. In Sachen Leiharbeit und Werkverträge gilt es, den Fremdpersonaleinsatz mit laufend per Genehmigungspflicht anzupassen, zeitlich oder marktbezogenen Befristungen und beschränkenden Maßnahmen einzugrenzen. Vor allem ist der Drehtüreffekt einzuschränken, die beliebte Anwendungsvariante, bisher Festangestellte zu kündigen und über Subunternehmer gleich wieder, dafür billiger, zu beschäftigen. Die ausgiebige und endlose Benutzung von Praktikanten und geringfügig Beschäftigten wird befristet, dann auch mal wieder erleichtert – und so weiter. Auch bei den Beitragssätzen und Leistungen der Sozialversicherungen ist ein permanentes Nachjustieren geboten. Eine Besonderheit stellt der Regulierungsbedarf bei den europäischen Billiglöhnern dar. Ihre Integration senkt zwar auftrags- und bestimmungsgemäß 10

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