Frauen im Aufbruch
Frauen im Aufbruch Women Emerging Dreiundzwanzig Jahre lang die einzige Frau im Senat – Von der ungelernten Arbeiterin zu Deutschlands „First Lady“ – Interpretin des ersten Millionenhits der deutschen Musikgeschichte.
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The only woman in the senate for twenty-three years – From unskilled worker to Germany’s “First Lady” – Singer of the first hit in German music history to sell a million times. These are three of twenty-four true success stories of women from Bremen, Bremerhaven and the Lower Saxon environs. Under the title “Women Emerging”, we show how women from our region accomplished great feats – feats which still have an impact today, whether in society, business, politics, scholarship or culture.
Women Emerging
Frauen im Aufbruch
Dies sind drei von vierundzwanzig wahren Erfolgsgeschichten von Frauen aus Bremen, Bremerhaven und dem niedersächsischen Umland. Unter dem Titel „Frauen im Aufbruch“ zeigen wir, wie es Frauen aus unserer Region immer wieder geschafft haben, herausragende Leistungen zu erbringen. Leistungen, die bis heute ihre Wirkung entfalten, sei es im sozialen, wirtschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Bereich.
Women Emerging 100 Jahre bremische Wirtschafts- und Kulturgeschichte A Century of Economic and Cultural History in Bremen
Frauen im Aufbruch Women Emerging
100 Jahre bremische Wirtschaftsund Kulturgeschichte A Century of Economic and Cultural History in Bremen
Herausgegeben von
Impressum Katalog zur Ausstellung Frauen im Aufbruch 100 Jahre bremische Wirtschafts- und Kulturgeschichte 3. bis 15. Juli 2011 in der Unteren Rathaushalle in Bremen
Herausgeberin Exxtra Seiten, Das Frauen-Branchen Buch, Andrea Buchelt © 2011 Buch und Ausstellung entstanden in Kooperation mit dem Bremer Frauenmuseum e.V. Auflage: 1000 Stück Texte | Bildrecherche Recherche und Text (soweit nicht anders vermerkt): Beate Borkowski Einzelne Beiträge: Bremer Frauenmuseum e.V. (Mehr Infos zu Bremer Frauen finden Sie auch auf www.bremer-frauenmuseum.de) Friederike Kersting Edith Laudowicz Dr. Renate Meyer-Braun Romina Schmitter Redaktion | Lektorat Beate Ramm | Andrea Buchelt Konzeption | Gestaltung Sandra Spranger Satz Trageser GmbH | www.tragesergmbh.de Herstellung und Vertrieb: KellnerVerlag | St.-Pauli-Deich 3 28199 Bremen | Germany
[email protected] ISBN 978-3-939928-60-7 eBook: 978-3-939928-62-1
Regionen: Bremen Bremerhaven Niedersachsen
Inhalt Seite
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Inhaltsverzeichnis... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 3
Nebenausstellung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 79
Grußwort.. ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . 4
Josepha Erling (1861–1948) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 80
Vorwort.. .............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Rita Bardenheuer (1877 –1943) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 82 Clara Rilke-Westhoff (1878 –1954) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 84
Ottilie Hoffmann (1835 –1925, Bremen) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Begründerin der deutschen Abstinenzbewegung Louise Ebert (1873–1955, Niedersachsen) .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . 12 Von Melchiorshausen ins Reichspräsidentenpalais Dorothea Mügge (1896 –1981, Bremerhaven) .. . . . . . . . . . .. . . . . 18 Unternehmerin in Sachen Bildung und Kultur Lisel Oppel (1897–1960, Bremen).. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 24 Freie (Lebens-)Künstlerin Elisabeth Forck (1900 –1988, Bremen) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 30 Widerständige Schulleiterin Bertha Lindemann (1900 –2002, Bremen) .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 36 Lehrerin in China Grete Henry-Hermann (1901–1984, Bremen) .. . . . . . . . . . .. . . . . 42 Physikerin und Philosophin auf Augenhöhe mit den Großen Anny Behrens (1903 –1987, Bremerhaven) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 48 Frauen-bewegte Sportfunktionärin Lale Andersen (1905 –1972, Bremerhaven) .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . 54 Künstlerin zwischen Kult und Abgrund Annemarie Mevissen (1914 – 2006, Bremen) .. . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Erste stellvertretende Ministerpräsidentin eines Bundeslandes Gertrud Harms-Holloway (1916 –1976, Bremen) .. . . . . . .. . . . . 66 Vordenkerin für Equal Pay Hilde Adolf (1953–2002, Bremerhaven) .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 72 Leidenschaftliche Macherin mit Humor
Alma Rogge (1894 –1969) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 86 Mathilde Rupperti (1895 –1986) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 88 Elisabeth Loesche (1896 –1967) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 90 Hermine Berthold (1896 –1990) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 92 Ella Kappenberg (1897–1988) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 94 Maria Krüger (1907–1987) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 96 Käte van Tricht (1909 –1996) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... 98 Cato Bontjes van Beek (1920 –1943) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... 100 Rosemarie Pohl-Weber (1926 –1990) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... 102
Women Emerging – A Century of Economic and Cultural History.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... 105 Twenty-four Portraits of Women from Bremen, Bremerhaven and Lower Saxony.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... 106 Bildnachweis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... 118 Danksagung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... 119 PatInnen und SponsorInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120/121 Anzeigen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122–128
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Grußwort gagierte Anny Behrens aus Bremerhaven oder die bedeutende Naturwissenschaftlerin und Bildungspolitikerin Dr. Grete Henry-Hermann. Auch Bremens erste Bürgermeisterin Annemarie Mevissen, die 23 Jahre lang als einzige Frau im Senat saß, ist dabei. Besonders freue ich mich, dass auch Hilde Adolf ausgewählt wurde, unsere unvergessene Sozialsenatorin, die auch stets couragiert für die Gleichberechtigung der Frauen gestritten hat. Die Leistungen von Frauen haben sehr lange im öf-
Mich beeindruckt, dass nach einem Aufruf in der
fentlichen Bewusstsein kaum eine Rolle gespielt. Die
Zeitung fast hundert Frauen vorgeschlagen und da-
Frauenforschung hat dieses Thema zu recht nachhal-
mit für bedeutsam und wegweisend gehalten werden.
tig thematisiert und durchgesetzt, dass inzwischen ein
Schön, dass die Hauptausstellung deswegen um wei-
anderer Blick auf Geschichte geworfen wird. Insbe-
tere zwölf Porträts von Frauen ergänzt werden konnte.
sondere Frauen des 19. und 20. Jahrhunderts haben
Die Schau ermöglicht es allen Interessierten, sich ein
daran mitgewirkt, dass sich die Stellung der Frau in
Bild davon zu machen, unter welchen Bedingungen
der Gesellschaft gravierend verändert hat –sie waren
und mit welcher Kraft Frauen aus Bremen und Bre-
„Frauen im Aufbruch“.
merhaven ihren Weg gingen und damit prägende Spuren hinterließen.
Das ist auch der Titel dieser wichtigen und besonderen Ausstellung, die in der Unteren Rathaushalle und damit einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wird. Sehr gern habe ich die Schirmherrschaft dafür übernommen. Hier werden exemplarisch zwölf Lebens-
Jens Böhrnsen, Bürgermeister
läufe von Bremer Frauen nachgezeichnet, die in den
Präsident des Senats der
letzten hundert Jahren wirkten und sich auf ganz un-
Freien Hansestadt Bremen
terschiedlichen Feldern hervorgetan haben. Zu ihnen gehört die aktive Frauenrechtlerin Ottilie Hoffmann ebenso wie die in der Turn- und Sportbewegung en-
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Vorwort dieses Buch und die Ausstellung „Frauen im Aufbruch“ zusammengetragen haben. Gibt es Besonderheiten, wenn sich Frauen auf den Weg machen, um ihr Leben zu verändern? Auffallend ist der späte Zeitpunkt ihres Aufbruchs. „Die Frauenfrage“ stellte sich erst vor etwa 200 Jahren. Und bemerkenswert ist das fortwährende Kreisen um die Frage nach der jeweiligen Lösung für das Thema Kind und Kegel. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Liebe Leserinnen und Leser, So lässt sich feststellen, dass wir uns noch immer wann ist eine Person im Aufbruch? Wenn sie die
in einer Phase des Aufbruchs befinden. Viele Hürden
Klasse überwindet, in die sie geboren wurde und dabei
sind noch zu nehmen, gelegentlich auch Barrieren, die
eine gute Figur macht; wenn sie das vermeintliche
wir uns selbst setzen. Mit diesem Buch und der Aus-
Stigma der Ein-Eltern-Familie hinter sich lässt und
stellung wollen wir Wege zeigen, die Frauen gegangen
sowohl beruflich als auch privat Erfolg hat; wenn sie ent-
sind, um für sich und für andere Neuland zu betreten.
gegen der herrschenden Norm die Ehelosigkeit wählt
Wir wünschen eine anregende Auseinandersetzung.
und nach persönlicher und beruflicher Selbständigkeit strebt; wenn sie die Sicherheit der gewohnten Umge-
Andrea Buchelt
bung verlässt und allein in ein fernes, fremdes Land
Initiatorin und Organisatorin der Ausstellung
geht; wenn sie Bildungschancen und Talent nutzt und
„Frauen im Aufbruch“
ihr wahres Potential verwirklicht; wenn sie Usancen
Herausgeberin der Exxtra Seiten –
und den Status quo ignoriert und Ämter und Positionen
Das Frauen Branchen Buch für den Nordwesten
erwirbt, die zuvor noch keine ihres Geschlechts oder ihrer Hautfarbe oder ihrer Konfession innehatte … Beispiele für räumlichen, sozialen, beruflichen, politischen und persönlichen Aufbruch. Beispiele gewonnen aus vierundzwanzig Lebensgeschichten, die wir für
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Ottilie Hoffmann (1835 –1925) Mit Milch und Kaffee gegen Alkoholmissbrauch Begründerin der deutschen Abstinenzbewegung
Ottilie Hoffmann (1835 – 1925, Bremen) Mit Milch und Kaffee gegen Alkoholmissbrauch Begründerin der deutschen Abstinenzbewegung Ottilie Hoffmann war eine aktive Frauenrecht lerin. Sie setzte sich für das Recht bürgerlicher Frauen auf gesellschaftliche Teilhabe ein. Im Kampf gegen den Alkoholmissbrauch sah sie ihre Lebens aufgabe. Sie gründete den Deutschen Bund absti nenter Frauen in Bremen, mit dem sie die Abstinenzbewegung im Deutschen Kaiserreich etablierte und die Trinksitten veränderte. Ottilie Franziska Hoffmann, die am 14. Juli 1835 geboren wurde, wuchs mit drei Geschwistern in großbürgerlichen Verhältnissen in Bremen auf. Ihre Eltern, der Kaufmann Ludwig Otto (1786 –1871) und Franziska Hoffmann, geb. Horn (1805 –1871) erzogen ihre Kinder zwar standesbewusst in Abgrenzung zu den anderen Ständen der patriarchalisch strukturierten Gesellschaft. Dennoch war insbesondere Ottilies Mutter gesellschaftlichen Veränderungen wie der als „Frauenfrage“ diskutierten Akzeptanz der Erwerbsarbeit bürgerlicher Frauen gegenüber aufgeschlossen. Ottilie Hoffmann erhielt die typische Erziehung einer „höheren“ Tochter: Privatschule bis zum 14. Lebensjahr, Klavier- und Gesangsunterricht. Anschließend kam sie in einen privaten Haushalt zu Verwandten in England, um die Pflichten einer Hausfrau zu erlernen. Beim häuslichen
Unterricht ihrer Tante wurde ihr aber schnell klar, dass
bundesweit vernetzt. Er gehörte dem Bund Deutscher
Kochen, Nähen, Stricken und Sticken nicht das war, was
Frauenvereine an, dem Dachverband der bürgerlichen
ihr Leben ausfüllen würde. Häusliche Arbeiten lagen ihr
Frauenbewegung, der 1894 von Ottilie Hoffmann mit-
überhaupt nicht. Auch konnte sie sich nicht vorstellen,
begründet wurde. Bedeutende Führerinnen der Frau-
die einer bürgerlichen Frau zugedachte Rolle der Ehe-
enbewegung wie Helene Lange, Marie Stritt, Jeanette
frau einzunehmen, deren Wirkungskreis an das Haus ge-
Schwerin, Alice Salomon u.a. hielten auf Einladung des
bunden war, während der Mann zur Arbeit ging und am
Frauenerwerbsvereins Vorträge in Bremen.
öffentlichen Leben teilhatte. Ottilie entschied sich für die Ehelosigkeit und den Beruf der Lehrerin, um sich ihren
Von 1881 bis 1890 lebte Ottilie Hoffmann in Eng-
Lebensunterhalt selbst zu verdienen. So konnte sie auch
land, wo sie in einem Privathaushalt als Erzieherin
ihre Eltern unterstützen, als es der Familie wirtschaftlich
arbeitete. Die Hausherrin Rosalind Carlisle war die
schlechter ging.
Vorsitzende der englischen Temperenzbewegung, einer Vereinigung, die sich dem Kampf gegen den Al-
Wie überall im Deutschen Kaiserreich, gab es auch
kohol verschrieben hatte. Von Lady Carlisles sozialen
in Bremen eine große Anzahl unverheirateter und damit
Aktivitäten beeindruckt und von der Sache überzeugt,
unversorgter bürgerlicher Frauen. Der Beruf der Lehre-
verpflichtete sich Ottilie Hoffmann 1882 zur Totalab
rin war der einzige Beruf, der einer Frau von höherem
stinenz und trug seither die weiße Schleife, das welt-
Stand zugebilligt wurde. Eine Frau, die gezwungen war
weite Erkennungszeichen der Abstinenz. In England
erwerbstätig zu sein, musste das verheimlichen, um ihr
begegnete Ottilie Hoffmann der amerikanischen Frau-
gesellschaftliches Ansehen nicht einzubüßen. Um die-
enrechtlerin und Sozialreformerin Frances Willard.
ser „Frauenfrage“ zu begegnen, gründete Ottilie Hoff-
Die Gründerin des Weltbundes christlich abstinenter
mann gemeinsam mit einer engen Freundin ihrer Mutter,
Frauen forderte Ottilie auf, in Deutschland ebenfalls
der Schriftstellerin Marie Mindermann, 1867 den „Verein
einen solchen Bund ins Leben zu rufen. Zurück in Bre-
zur Erweiterung des weiblichen Arbeitsgebiets“, später
men, fand sich für Ottilie Hoffmann schon 1890 ein ers-
Bremer Frauen-Erwerbs- und Ausbildungsverein, mit
ter Ansatz, den Kampf gegen den Alkoholmissbrauch
Samariterkursen, Nähschule, Fortbildungskursen und
aufzunehmen: Beim Aufbau der Nordwestdeutschen
Arbeitsvermittlung. In den 1890er Jahren kamen „kauf-
Industrieausstellung hatte es viele Unfälle gegeben,
männische“ und gewerbliche Ausbildungs- und Fort-
da den Arbeitern in den Kantinen nur alkoholische Ge-
bildungskurse und ein Seminar für Hauswirtschaftsleh-
tränke ausgeschenkt wurden. Kurzerhand entschloss
rerinnen hinzu. Der Bremer Frauenerwerbsverein war
sich Ottilie Hoffmann im Verbund mit dem Vaterländi-
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Ottilie Hoffmann
Lisel Oppel (1897 – 1960, Bremen)
schen Frauenverein und dem Bezirksverein gegen den
Alkoholismus, welcher Familienglück und Volkswohlfahrt Unkonventionell aus Überzeugung
Missbrauch geistiger Getränke sowie mit freiwilligen
untergräbt, mit allen Mitteln, die den Frauen zu Gebote Freie (Lebens-)Künstlerin
Helferinnen auf dem Messegelände in einem gläsernen
stehen, entgegenzuwirken“. Der abstinente Frauenbund
Pavillon zur Frühstücks- und Mittagszeit Kaffee, Milch,
unterhielt zwei Speisehäuser, dazu beitragen sollten, Lisel Oppel war Malerindieund Keramikerin. Von
Bouillon mit Brötchen, Erbsen- oder Bohnensuppe
die Gaststättenkultur zu verändernaus undviel „auch ihrer Wahlheimat Worpswede auf erwerbsReisen,
und Würstchen anzubieten. Der Erfolg gab ihr Recht.
tätigen Frauensie eine gepflegte Gastlichkeit mit häuslicher entwickelte sich zu einer weltläufigen Künstle-
Von den Arbeitern wurde das Angebot angenommen,
Atmosphäre Alkohol“ rin. Freiheitund warmit ihrpreiswerten wichtiger Speisen als der ohne Besitz welt-
so dass die Anzahl der Arbeitsunfälle beim Abbau der
anzubieten. Das erste, 1910 nahebedeutender dem damals proletalicher Güter, Unabhängigkeit als ein
Ausstellung merklich zurückging.
risch Konventionen geprägten Stephaniviertel gegründete, alkohoholvon geleitetes, abgesichertes Lefreie Speisehaus hatte ein Lese- und Spielzimmer sowie ben.
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Fortan kämpfte Ottilie Hoffmann gegen die bestehen-
eine Buchausleihe. In zwei Stockwerken voneinander
de Trinkkultur. 1891 gründete sie gemeinsam mit dem
getrennt, wurde Frauen aus der ärmeren Bereits an es dervon „Mädchenschule HedwigSchicht Krie-
Kaufmann Johannes Schröder den „Bremer Mäßigkeits-
und aus einem dem Mittelstand frequentiert. 1919 kaufte bisch“, privaten Lyzeum in Bremen, fiel Ottilie Lisel
verein“. 1915 in „Verein für alkoholfreie Speisehäuser“
Hoffmann auf eigene Kosten ein zweites weilvon sie Oppels künstlerische Begabung auf. AlsHaus, Jüngste
umbenannt, existiert er unter dem Namen „Bremer Verein
zu Recht auch bei den Gesellschaftsschichten acht Geschwistern am oberen 14. Oktober 1897 geboren,
Ottilie Hoffmann von 1891“ bis heute. In verschiedenen
Bedarf an alkoholfreien Speisehaus vermutete. Mit wuchs sieeinem in einem künstlerisch und musisch aufge-
Bremer Stadtteilen, in Arbeiter- und Fabrikvierteln, in den
beiden Häusern gelang es dem abstinenten Frauenbund, schlossenen, weltoffenen Bremer Bürgerhaushalt auf.
Hafengebieten und in Gegenden mit hoher Kneipendich-
zumEltern, festen der Bestandteil der Bremer Gaststättenkultur zu Die renommierte Wirtschaftswissenschaft-
te entstanden nach und nach alkoholfreie Speisehäuser.
werden. „Zum EssenAlwin nachOppel Ottilie (1848-1929) zu gehen“ fand ler Edmund Guido undgroße sei-
Sie boten mehr als die herkömmlichen Gaststätten: es
Akzeptanz der Bevölkerung. ne aus derin Schweiz stammende Frau Amalie Oppel
waren Orte der Volksbildung mit Lese- und Spielräumen
(1863-1927) förderten das Talent ihrer Tochter und
(Zeitungen, Bücher und Spiele lagen aus), Ruheräumen
In zahllosen und mit Sorge. dem Besuch von intrugen für eine Vorträgen gute Ausbildung Der Wunsch,
mit Weckdienst für Arbeiter und eine Stillstube für junge
ternationalen nationalen Kongressen der AlkoholKünstlerin zu und werden, war in der Familie nichts Unge-
Mütter. Ottilie Hoffmann wollte so Familien ärmerer Bevöl-
gegner setztezumal sich Ottilie unermüdlich fürOpdie wöhnliches, zwei Hoffmann Schwestern von Amalie
kerungsschichten vor dem Kreislauf von Alkoholkonsum,
Mäßigkeitsund Abstinenzbewegung einwaren. und erwarb pel in der Schweiz bekannte Malerinnen
Unfällen, Arbeitslosigkeit, Armut und Gewalt bewahren
sich weltweite Anerkennung. Sie unterstützte die Grün-
und damit insbesondere Frauen und Kinder schützen. Im
dung von Vereinen, die sich um Alkoholkranke kümmer-
Jahr 1900 gründete die nunmehr Fünfundsechzigjährige
ten, wie dem „Blaukreuz“, dem „Guttempler-Orden“ und
den Deutschen Bund abstinenter Frauen, den ersten im
dem „Verein abstinenter Lehrerinnen“. 1903 gelang es
Deutschen Reich. Der Verein setzte sich zum Ziel „dem
Ottilie Hoffmann, den 9. Internationalen Kongress gegen
den Alkoholismus nach Bremen zu holen, der die „Teil-
Ottilie Hoffmann wurde 90 Jahre alt. Sie starb am
nahme und Mitwirkung der Frau im Kampf gegen den
20. Dezember 1925. Mit ihrem Engagement vermoch-
Alkoholismus“ zum Thema hatte. Als das von Männern
te sie es, viele bürgerliche Frauen für das Ehrenamt im
dominierte Organisationskomitee die meisten Rednerin-
sozialen Bereich zu gewinnen.
nen von der Liste strich, beriefen Ottilie Hoffmann und ihre Mitstreiterinnen eine öffentliche Frauenversammlung mit etwa 1000 TeilnehmerInnen ein. Der Kongress brachte einen bedeutenden Schub für die Bewegung: viele große Frauenvereine schlossen sich der Abstinenzbewegung an, z.B. der Landesverein der preußischen Volksschullehrerinnen, der Evangelische Frauenbund, der Allgemeine deutsche Lehrerinnenverein und der Verband fortschrittlicher Frauenvereine. Der Deutsche Bund abstinenter Frauen in Bremen wurde zum Vorreiter für weitere Gründungen im Deutschen Reich. Bis 1912 bildeten sich in 48 Städten Ortsgruppen. 1924 in „Deutscher Frauenbund für alkoholfreie Kultur“ umbenannt, setzt sich dieser Verein noch heute für eine neue Trinkkultur ein und betreibt Aufklärung beim Umgang mit Alkohol. Ottilie Hoffmann legte 1912 den Vorsitz
Ottilie Hoffmann vermutlich an ihrem 90. Geb. (1925)
des Frauenbundes nieder. Als Ehrenvorsitzende und Vorsitzende des „Vereins für alkoholfreie Speisehäuser“
Literatur und Quellen:
beteiligte sie sich aber weiterhin aktiv an der Entwick-
• Beate Borkowski: Weiblichkeitsideale und Frauenberufsbildung im wilhelminischen Kiel. In: TOP 35. Berichte der Gesellschaft für Volkskunde in Schleswig-Holstein e.V., 18. Jg. (S. 6-29). Juni 2008.
lung der Abstinenz- bzw. Mäßigkeitsbewegung. Für ihre Verdienste in der Alkoholfrage wurde Ottilie Hoffmann von Kaiser Wilhelm II. mit dem Frauenver dienstkreuz in Silber geehrt und Kaiserin Auguste Viktoria würdigte in einer 1903 gewährten Audienz Ottilie Hoffmanns Arbeit gegen den Alkoholismus.
• Cecilie Eckler-von Gleich (Hrsg.): „Komm, wir gehen nach Ottilie!“. 100 Jahre Frauenbewegung und Abstinenz. Die Ottilie HoffmannHäuser in Bremen. Bremen: Donat Verlag 2000. • Festschrift 100 Jahre Deutscher Frauenbund für alkoholfreie Kultur e.V. in Bremen. Bremen: Dt. Frauenbund für alkoholfreie Kultur 2000. • Mathilde Planck: Ottilie Hoffmann. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Bremen: Franz Leuwer Verlag 1930. • Interview mit Anneliese Hormann am 26. April 2011.
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