FASER & PAPIER 2030 Nachwachsende Zukunft gestalten
Erfolgsgeschichte des Werkstoffs Papier langfristig fortschreiben Der Papiermarkt befindet sich im Umbruch. Welche Geschäftsfelder und Kundenbedarfe zeichnen sich in der Zukunft für faserbasierte Werkstoffe ab?
Für acht papierrelevante Themenlandschaften, die diese Broschüre näher beschreibt, wurden in einer Vorschau konzeptionelle Prämissen für das Jahr 2050 erarbeitet. Aus dieser Perspektive einer ferneren Zukunft blickten Vertreter verschiedener Industriebran-
Dies vorzudenken, ist für die Papierindustrie elemen-
chen, Verbände und der Wissenschaft gemeinsam auf
PROJEKT „FASER & PAPIER 2030”
tar wichtig, um die Erfolgsgeschichte unseres Werk-
den vor uns liegenden Zeitraum bis 2030 „zurück“. In
stoffs fortzuschreiben. Bereits heute gibt es innovative
sechs regionalen Zukunftsworkshops ermittelten sie
Mitglieder des Kernteams
Ansätze für Papieranwendungen als Baumaterial, als
auf Basis der Vorarbeiten weit über 1.000 Ideen für an-
Dr. Dieter Becker,
Aktuator für robotische Systeme oder als Leichtbau-
nehmbare Zukunftsbedarfe, die nach Marktpotenzial
Mitsubishi HiTec Paper Europe GmbH
werkstoff im Automobil- und Flugzeugbau. Industriell
und Zeithorizonten der Marktreife bewertet wurden.
Ekhard Beuleke, Omya International AG
etabliert sind solche Systeme noch nicht, hier besteht
Die Projektergebnisse werden Ihnen mit dieser Bro
Prof. Dr. Markus Biesalski,
daher großer Entwicklungsbedarf − und bieten sich
schüre und auf der Website www.faser-papier-2030.de
Technische Universität Darmstadt
enorme Chancen für die gesamte Papierwirtschaft. Im
als Angebot zu gemeinsamem Handeln für die Zu-
Dr. Peter Biza, Imerys S.A.
Zuge der Bioökonomie sind nachhaltige und bioba-
kunft vorgestellt. Unsere heutige Gesellschaft ist reich
Dr. Clemens Bülow,
sierte Konzepte für das Wirtschaften der Welt von
an Herausforderungen, aber sie bietet auch vielfältige
Unternehmensberatung Dr. Clemens Bülow
morgen immer stärker gefragt – und faserbasierte
Zukunftschancen. Richtige Weichenstellungen haben
Anatoli Davydov, Papiertechnische Stiftung
Werkstoffe dabei nicht mehr wegzudenken.
deshalb weitreichende Bedeutung für gesichertes
Dr. Thomas Dintelmann,
Um diese Chancen näher zu beschreiben und den
Wachstum und verantwortungsbewussten Umgang
SIG Combibloc Systems GmbH
Autoren der Themenlandschaften
Unternehmen konkrete Handlungsoptionen aufzuzei-
mit unseren Ressourcen. Papier als nachhaltig erzeug-
Heiner Grussenmeyer, Stora Enso Deutschland GmbH
WOHNEN & ARBEITEN:
gen, wurde im Januar 2014 „Faser & Papier 2030“ als
barer, biobasierter Werkstoff wird seinen herausragen-
Dr.-Ing. Johannes Kappen, Papiertechnische Stiftung
Thomas Pfeiffer,
gemeinsames Zukunftsprojekt der Papierindustrie ge-
den Platz auch in der Welt von morgen finden.
Dr. Katharina Kehren,
Wirtschaftsverband Papierverarbeitung e.V.
startet. Die anderthalbjährige Zeitreise wurde durch
Voith Paper Fabrics & Roll Systems GmbH & Co. KG
ERNÄHRUNG:
den Verband Deutscher Papierfabriken (VDP), den
Dr. Frank Miletzky, Papiertechnische Stiftung
Frank Opletal, Voith Paper GmbH & Co. KG
Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung
Dr. Dietmar Mönch, BASF SE
GESUNDHEIT & HYGIENE:
(HPV), den Wirtschaftsverband Papierverarbeitung
Dr. Johann Oberndorfer, UPM GmbH
Stefan Raum, SCA GmbH
(WPV) und die Forschungsvereinigung Papiertechnik
Frank Opletal, Voith Paper GmbH & Co. KG
MOBILITÄT:
(FPT) unterstützt. Als Partner war das Cluster Paper &
Thomas Pfeiffer,
Heiner Grussenmeyer, Stora Enso Deutschland GmbH
Fibres (CPF) einbezogen.
Wirtschaftsverband Papierverarbeitung e.V.
INFORMATION, KOMMUNIKATION, BILDUNG, WISSEN:
Besonderer Dank gilt dem aus Managern und Füh-
Joerg A. Polster
Anatoli Davydov, Papiertechnische Stiftung
rungskräften der gesamten Wertschöpfungskette
Stefan Raum, SCA GmbH
Thomas Strobel, FENWIS GmbH
Papier bestehenden Kernteam des Projekts. In einem
Prof. Dr.-Ing. Samuel Schabel,
LOGISTIK:
intensiven Diskussionsprozess und offenen Austausch
Technische Universität Darmstadt
Dr. Thomas Dintelmann,
hat es für die gesamte Branche Handlungsfelder erar-
Dr. Matthias W. Schmitt,
SIG Combibloc Systems GmbH
beitet, die Geschäftschancen in attraktiven Zukunfts-
Voith Paper Fabrics GmbH & Co. KG
ZUKUNFTSSTADT & ARCHITEKTUR:
märkten mit hoher Wertschöpfung verdeutlichen. Sie
Dr. Matthias Schulte, Papierfabrik August Koehler SE
Dr. Clemens Bülow,
ermöglichen es Unternehmen, gemeinsam mit ihren
Dr. Frank Miletzky,
Dr. Heinrich Spies, MAY+SPIES GmbH
Unternehmensberatung Dr. Clemens Bülow
Entwicklungspartnern neue Geschäftsideen zu entwi-
Papiertechnische Stiftung (PTS),
Thomas Strobel, FENWIS GmbH
ALLGEMEINE RANDBEDINGUNGEN:
ckeln sowie bisher nicht denkbare innovative Anwen-
Vorstandsvorsitzender
Xaver Weig, Weig Karton GmbH & Co. KG
Dr. Dietmar Mönch, BASF SE
dungen für faserbasierte Werkstoffe zu generieren.
www.ptspaper.de
1
INHALT 1 3
RETROPOLATION: 35 JAHRE NACH VORN – MIT DEM BLICK ZURÜCK ZU NEUEN IDEEN
VORWORT PROJEKTMETHODIK
22
T HEMENLANDSCHAFT INFORMATION, KOMMUNIKATION, BILDUNG, WISSEN
6
Interview: Heiner Grussenmeyer, Stora Enso THEMENLANDSCHAFT
Meinung: Dr.-Ing. Johannes Kappen, PTS
WOHNEN & ARBEITEN
Ziel des Projekts Faser & Papier 2030 war es, für die
währt habe. Den Blick zwischen fünf und 500 Metern
gesamte Wertschöpfungskette Papier einen Blick in
voraus pendeln zu lassen, schütze vor Überraschun-
die Zukunft des Werkstoffs und der Branche zu wer-
gen und führe auf Dauer zu einer ruhigeren, gleich-
fen. Im eigens gebildeten Kernteam engagierten sich
mäßigeren Fahrweise. Das sei für Mitfahrer im Auto
Vertreter von Branchenverbänden und mehreren Un-
angenehm – und ebenso für die Mitarbeiter eines
ternehmen über eine Projektlaufzeit von 15 Monaten.
vorausschauend agierenden Unternehmens.
Zentrale Herausforderung für alle Akteure war die Frage: Wie lassen sich mögliche Zukunftsmärkte und
Meinung: Dr. Katharina Kehren,
Geschäftschancen für das Jahr 2030 so beschreiben,
Voith Paper Fabrics
dass nutzbare Erkenntnisse für frühzeitige strategi-
Interview: Dr. Matthias Schulte,
sche Weichenstellungen und neue attraktive Hand-
Papierfabrik August Koehler
26
lungsoptionen entstehen? Ist das noch kreatives THEMENLANDSCHAFT LOGISTIK
Denken – oder schon pure Fantasie?
Interviews: Dr. Heinrich Spies, MAY+SPIES Peter Neßlauer, Student, Hochschule München
Weder das eine noch das andere, meint Zukunftslotse Thomas Strobel, der das Projekt der Papiertechni-
10
schen Stiftung (PTS) über die gesamte Laufzeit meTHEMENLANDSCHAFT ERNÄHRUNG
thodisch und als Moderator begleitet hat. Denn nach
Interview: Thomas Strobel, FENWIS
seiner umfangreichen Erfahrung aus Zukunftsprojekten und Geschäftsplanung ist eine virtuelle
30
T HEMENLANDSCHAFT ZUKUNFTSSTADT & ARCHITEKTUR Interviews: Ekhard Beuleke, Prof. Dr. Thoralf
14
Gliese, Omya Ina Hilker, Felix Schoeller Gruppe
T HEMENLANDSCHAFT GESUNDHEIT & HYGIENE
„Zeitreise“ eine gute Voraussetzung, um gemeinsam mit aufgeschlossenen Menschen aus verschiedenen Perspektiven „Zukunft erfolgreich vorzudenken“. Mit
Denken in Themenlandschaften – geweiteter Blick für Bedarfe der Zukunft
diesem Herangehen lasse sich durch den intensiven Austausch verfügbarer Informationen und möglicher Wirkungen frühzeitig ein „Bauchgefühl für morgen“ entwickeln. Denn statt mit einer Vielzahl schnell
Meinung: Dr. Stefan Karrer, VDP
lebiger Trends, die sich heute oft gegenseitig beein-
Interview: Stefan Raum, SCA
flussen, arbeiteten die Teammitglieder gemeinsam an wichtigen Elementen einer vorstellbaren Zukunft.
34
T HEMENLANDSCHAFT ALLGEMEINE RANDBEDINGUNGEN
18
Meinungen: Prof. Dr. Markus Biesalski, THEMENLANDSCHAFT MOBILITÄT
Prof. Dr.-Ing. Samuel Schabel, TU Darmstadt
Interviews: Sebastian Mauerer, Student,
I nterview: Dr. Christoph Nover, SCHAEFER KALK
Hochschule München Anatoli Davydov, PTS
2
38
FORSCHUNGSZIELE NACH THEMENFELDERN
Damit erstellten sie eine Diskussionsgrundlage, die den weiteren zielgerichteten Austausch von Gedanken und Ideen deutlich erleichterte. Im Kern gehe es darum, dass Unternehmer sich so auf eine mögliche Zukunft vorbereiten, dass sie stets Zugriff auf ausreichende Handlungsoptionen haben. Strobel vergleicht diese Denkweise mit dem vorausschauenden Fahren, das sich im Straßenverkehr be-
Interdisziplinärer Austausch als Ideenbasis für neue Anwendungen
3
1
Bild heute ?
Wert des Projekts für die Branche
NACHWACHSENDE ZUKUNFT GESTALTEN ⁄ RETROPOLATION: 35 JAHREN VORAUS – MIT DEM BLICK ZURÜCK NACH VORN
„Zeitreise nach übermorgen”
„Perspektiven 2030”
„Blick zurück auf morgen”
3
2
Bedarf bis 2030
heute
Zukunftsbild 2050
Dokumentierte Prämissen
2030
2050
Projektmethodik Retropolation: Zeitreise nach übermorgen für den strategischen Blick zurück auf morgen
Horizont 2 Wachsen
Horizont 1 Kerngeschäft verteidigen und ausbauen 1– 2 Jahre kurzfristig
Horizont 3 Zukunft sichern
Innovative Produkte ent wickeln
Erfolgversprechende Geschäftsoptionen entwickeln und frühzeitig testen
Neue Geschäfte aufbauen
„Zweites Standbein” aufbauen
2 – 5 Jahre
5 – 15 Jahre
mittelfristig
langfristig
Vorteil von Zukunfts landkarten mit Retro polation: Ideen-Beiträge für drei geschäftsrelevante Planungshorizonte
Zeitrahmen
Retropolation
Entsprechend der im Projekt genutzten Methodik
mit 103 Teilnehmern aus unterschiedlichen Branchen
Die papierfernen Ideen, heute nicht ohne Weiteres
Konstrukteure und Designer frühzeitig in sich neu
der Retropolation begann die Beschäftigung mit
und Fachrichtungen zunächst knapp 1.500 konkrete
umsetzbar, wurden nach ihrer Attraktivität für eine
eröffnende Gestaltungsmöglichkeiten mit „Papier der
Zukunftsbildern in Form einer Zeitreise nach 2050.
Vorschläge. Nach Konsolidierung dieser Ideen ergab
künftige Realisierung mittels „Papier der Zukunft“
Zukunft“ eingebunden werden.
(Grafik, Schritt 1)
sich eine Sammlung von insgesamt 640 Geschäfts
bewertet und der Bedarf ebenfalls einem erwarteten
Nach breiter Vorarbeit auf Verbands- und Branchen
Nach Auswertung umfangreich gesammelter In-
ideen. 375 davon wurden als papiernah klassifiziert
Zeithorizont für die Marktverfügbarkeit zugeordnet.
ebene liegt es nun bei den einzelnen Unternehmen
formationen zu diesem Zeitraum wurden von den
(s. Tabelle S. 5); sie könnten auf Grundlage des heuti-
Schnell kristallisierte sich heraus, dass innerhalb der
zu prüfen, welche Schlussfolgerungen daraus für das
Projektbeteiligten gemeinsam Annahmen definiert,
gen Know-hows der Wertschöpfungskette Papier rea-
betrachteten Zeithorizonte Nachhaltigkeits- und Res-
eigene Haus zu ziehen sind und wie diese unterneh-
die wichtige Charakteristika für eine vorstellbare Welt
lisiert werden. 265 gelten dagegen als papierfern, weil
sourcenfragen mit Sicherheit besondere Bedeutung
mensstrategisch berücksichtigt werden sollen. Hat das
von 2050 beschreiben. Für die weitere Betrachtung
sie als erkennbarer Bedarf attraktiv sind, aber Beiträge
zukommen wird.
Projekt doch gezeigt, dass profitable Nischenmärkte
wurden acht lebensnahe Aktionsfelder, so genannte
von „Papier der Zukunft“ dazu erst noch geklärt oder
Themenlandschaften, definiert: Wohnen & Arbeiten,
durch Forschungsarbeit erschlossen werden müssen.
Ernährung, Gesundheit & Hygiene, Mobilität, Infor-
in vielen Bereichen die Zukunft deutlich stärker prä-
Fokus auf Recycling
gen werden als neu entstehende Massenmärkte.
Auf regenerativer Basis erzeugte faserbasierte
Somit werden jene Unternehmen die weiterhin bes-
mation/Kommunikation/Bildung/Wissen, Logistik,
Marktchancen bewertet
Werkstoffe lassen sich recyceln und gestatten ge-
ten Entwicklungschancen haben, die dem Projekt-
Zukunftsstadt & Architektur sowie Allgemeine
Zur weiteren Einordnung und Selektion der Ideen
schlossene Kreisläufe, werden solchen Anforderungen
motto von Faser & Papier 2030 folgen, das auch die
Randbedingungen. Dieser Szenario-Rahmen wurde
wurden diese von den Kernteam-Mitgliedern hinsicht-
also besonders gerecht. Folglich sollte intensiv an
Ideensuche prägte: „Das Denkbare machen, statt das
dann mit 106 ausgewählten Prämissen – Annahmen,
lich des zu erwartenden Zeithorizonts der Marktreife
neuen Anwendungsfeldern für die umweltfreundli-
Machbare denken!“
die sich aus Zukunftsstudien zahlreicher Branchen
im Sinne erwerbbarer Produkte oder Dienstleistungen
chen Materialien geforscht werden – selbst wenn ihr
ableiten lassen – für die weitere Arbeit dokumentiert.
sowie ihrer wirtschaftlichen Attraktivität bewertet. Die
Einsatz bislang nicht wirtschaftlich erscheinen mag.
(Schritt 2)
papiernahen Ideen wurden zudem danach beur-
Denn diese Bewertung dürfte sich schnell ändern,
Auf Basis dieses Bildes von der fernen Zukunft konn-
teilt, für welche Bereiche der Wertschöpfungskette
wenn Kennziffern für den Ressourcenverbrauch in
ten die Beteiligten nun aus einem anderen Blickwin-
– Zulieferer, Erzeuger oder Verarbeiter – sie attraktiv
künftige Ökobilanzen einfließen. Holz- und cellulo-
kel auf 2030 blicken. Die Fragestellung lautete jetzt:
erscheinen. Potenziale für neuartige Geschäftsmodel-
sebasierte Materialien werden dann ganz vorn dabei
„Was muss 2030 erreicht sein, wenn der Weg zum
le, die noch außerhalb des heutigen Kerngeschäfts
sein, sofern sie rechtzeitig und vorausschauend auf
beschriebenen Zukunftsbild für 2050 möglich werden
der Branchenakteure liegen, konnten separat gekenn-
neue Einsatzzwecke hin entwickelt werden. Dazu ist
soll? Welche Bedarfe entstehen, welche Anforderun-
zeichnet werden.
der Erfahrungsaustausch in interdisziplinären Netz-
gen ergeben sich daraus?" (Schritt 3)
Für die Beurteilung der erwarteten Marktreife standen
werken eine wesentliche Voraussetzung. Denn nur so
Der Blick auf das Jahr 2030 und weiter zurück in Rich
drei Zeiträume zur Auswahl: 2015 – 2020, nach 2020 –
können einerseits wichtige Informationen zu Anforde-
tung Gegenwart erbrachte bei sechs Ideen-Workshops
2025 sowie 2026 – 2030 und darüber hinaus.
rungsprofilen gesammelt und andererseits Entwickler,
4
papiernahe Ideen
papierferne Ideen
Allgemeine Randbedingungen
74
28
Ernährung
38
38
Themenlandschaft
Gesundheit & Hygiene
83
48
IKBW
10
14
Logistik
56
20
Mobilität
15
39
Wohnen & Arbeiten
60
43
Zukunftsstadt & Architektur
39
35
375
265
Summe
5
THEMENLANDSCHAFT WOHNEN & ARBEITEN Papiernahe Ideen bis 2030
îî Papier-Möbel: mobile Wohn- und Büromöbel aus
î Faserbasiertes Sitzen – filigran und stabil zugleich
Häufiger Wechsel erleichtert Mitte des 21. Jahrhunderts sind Wohn- und Arbeitswelt weitgehend vermischt und von hoher Individualisierung, Flexibilisierung und Dezentralisierung geprägt. Das Umfeld muss ebenso flexibel und dynamisch gestaltet werden. Hierzu wiederum sind anpassungs- und wandlungsfähige Werkstoffe erforderlich, die nach ihrem Einsatz ökologisch sinnvoller Wiederverwertung zugeführt werden können. Die im Verpackungsbereich entwickelte Modulfähigkeit, Konstruktionsvielfalt und Recyclingfähigkeit von Karton und Pappe können für modulare Gestaltungsund Wandlungskonzepte der Wohn- und Arbeitsräume angewandt werden. So können standardisierte Wand- und Möbelmodule auf individuelle Ansprüche angepasst werden und einen häufigen Wohnort- und Arbeitsplatzwechsel erleichtern. Für die Logistik und Kommunikation in dezentralen und vernetzten Produktionsprozessen wird gedruckte Elektronik in Karton- und Pappeverpackungen eingesetzt.
6
Hohe Individualisierung beim Wohnen erfordert umzugsfreundliche Möbel, Lösungen zur flexibleren Raumnutzung, verschiebbare Wände, neue Nutzungskonzepte für teuren Wohnraum in Städten.
î
Viele Funktionen sind fernsteuerbar oder intelligent und autonom (Energieein sparung, Temperaturregelung, Energie gewinnung aus Abschattungen, Stromverbrauch in Nebenzeiten verlagert).
îî Multifunktionelle Möbel: aus Stuhl wird Liege oder
Karton und Pappe – stabil, leicht, kostengünstig,
Tisch, aus Schreibtisch wird Bett – flexibel verwend-
aus nachwachsenden Rohstoffen produziert und
bare Möbel und -elemente für platzsparende Wohn-
recyclingfähig.
und Büroeinrichtung, an veränderte Bedürfnisse
îî Baukasten-Wohnung: anpassungsfähige Umge-
Prämissen 2050
Papierferne Ideen
und Wohnsituationen anpassbar; potenziell neue
bungen für variables Wohnen und Arbeiten nach
Märkte für Papierverarbeiter; Bedarf an Forschung
Baukastenprinzip – verschiebbare Wände, Raum-
und Entwicklung (F&E): feuerbeständige Ausrüs-
teiler u. a. Module aus Karton und Pappe; flexible
tung von Papier für Möbelsektor.
Gestaltung integrierter Wohn- und Arbeitsräume.
îî Möbelbaukasten: Wände, Raumteiler strukturie-
îî Intelligente Accessoires: Tapeten, Gardinen, Rollos
ren, flexibel erweitern oder verkleinern – je nach
mit Temperatur, Klima und Feuchtigkeit regulieren-
Lebensabschnitt und -umständen; flexible Gewich-
den Funktionen aus recyclingfähigen, nachwach-
tungen von Wohnen/Arbeiten – einzeln oder in
senden Rohstoffen für Wohn- und Arbeitsräume.
Gruppe; potenziell neue Märkte für Papierverarbei-
îî Papier-Häuser: komplett in Modul-Bauweise aus Pa-
ter; F&E-Bedarf: feuerbeständige Ausrüstung.
pier, Karton und Pappe für mehr Umzugs-Mobilität
îî Wärmedämm-Schaltung: gemäß Jahreszeit und
sowie als leichte, gleichzeitig stabile Notunterkunft
Witterung zur energiesparenden Regulierung des
für Katastrophengebiete.
Raumklimas; Wohlfühlatmosphäre im Haus ganz
îî Computer-Gehäuse: leicht und kostengünstig aus
nach Wunsch der Bewohner; Forschungsbedarf:
nachwachsenden, recyclingfähigen Rohstoffen für
papierbasierte Speichermedien; analog auch schalt-
PCs, Notebooks etc.
bare Schalldämmung denkbar.
î
Vermischung Wohnen – Arbeiten er fordert flexible und situativ konfigurierbare Raumkonzepte/Module.
î
Dynamisierung und Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse, neue Organisations- und Führungskonzepte, kollaborative Arbeitsformen, fortschreitende Automatisierung.
î
Verstärkte Einbindung reaktions- und wandlungsfähiger Systeme in die Produktionsarbeit: von der zentral gesteuerten Fabrik zu dezentral agierenden, intelligenten Einheiten. Flexibles Wohnen und Arbeiten – Zukunftsmärkte für faserbasierte Werkstoffe
7
NACHWACHSENDE ZUKUNFT GESTALTEN ⁄ THEMENLANDSCHAFT WOHNEN & ARBEITEN
Viele futuristische Ideen „Die Papierlandschaft einschließlich der Herausfor-
Die Prämissen 2050 sind der eigentliche Gewinn
derungen der letzten Jahre war mir wohl bekannt. Ebenso bewusst waren mir die eher konservative Einstellung der Branche gegenüber Neuerungen und deren zuweilen träge Umsetzung etwa im Vergleich zur Automobil- oder Elektronikindustrie. Bis zu meiner Einbindung in das Projekt war meine Vorstellung von Zukunftsmanagement recht vage. Also habe ich mir als frischgebackene Innovationsmanagerin einen Überblick zu den entsprechenden Ansätzen und
Bei der Papierfabrik August Koehler SE, kon zernunabhängiger Papierproduzent mit über 200-jähriger Branchentradition, zeich net Dr. Matthias Schulte als Bereichsleiter Technologie verantwortlich. Naheliegend, dass sich der Experte für Innovationsmana gement und Perspektivplanung im Kernteam von Faser & Papier 2030 engagierte.
Sie saßen dabei auch mit Wettbewerbern eng zusammen, lief das denn reibungslos? Ja, die Zusammenarbeit war absolut professionell, strikt ergebnisorientiert. Das hat sich im Verlauf sogar noch gesteigert. Förderlich dazu war die Vorwettbewerblichkeit des Projekts. Und der Nutzen? Nach meiner Überzeugung hat von den Mitstreitern im Kernteam jeder viel mit nachhause genommen – insbesondere eine neue Art Umgang mit den Kernfragen für unser Überleben als Branche: Was wird
Methoden verschafft.
künftig gebraucht, welche Bedarfe entwickeln sich?
Dr. Matthias Schulte, Bereichsleiter Technologie,
Wie sehen die Lebensbedingungen im Jahr 2050 aus?
Papierfabrik August Koehler SE
dene Zukunftsreise ins Übermorgen schienen mir
Dr. Schulte, wie viel Zeit haben Sie in das Zukunftsprojekt investiert? Wir hatten zehn Kernteam-Meetings, plus An- und
zunächst etwas zu abenteuerlich für die konservative
Abreise, jeweils mit Übernachtung, gründlicher
Produkten und Technologien gerecht? Oder brauchen
Papierlandschaft und zu intuitiv für unsere über-
Vorbereitung und Auswertung – einige Wochen
wir ganz neue Ansätze?
wiegend technisch denkenden Köpfe. Zu meiner
Arbeitszeit kommen da schon zusammen, die sich
Ihr abschließendes Fazit: Ich sehe den besonderen Nutzen des Projekts in der
positiven Überraschung hat es das Kernteam mithilfe
aber absolut gelohnt haben.
Bitte genauer: Was ist für Ihr Unternehmen herausgekommen? Der Schritt vom Abstrakten zum Konkreten steht uns
Weitung unseres konzeptionellen Ansatzes. Immer
Die hier gewählte Retropolation (von übermorgen nach morgen) und insbesondere die damit verbun-
unseres Zukunftslotsen geschafft, auf den richtigen
Werden wir den Anforderungen mit den bestehenden
stärker beschleunigte Entwicklungszyklen und eine
verschiedenster Fachbereiche mit an Bord zu ho-
War das von Anfang an klar? Die Retropolationsmethodik war mir neu. Darauf
noch bevor. Erst dann kann der Mehrwert an sich für
Gegensatz zu tradiertem, investitionsgüterabhängi-
len. In regelmäßigen Kernteam-Meetings und einer
musste ich mich erst einmal einlassen. Ich bin offen
das jeweilige Einzelunternehmen gehoben werden. In
gem, manchmal etwas behäbigem Denken. Hier hat
Reihe Workshops in interdisziplinären Gruppen sind
herangegangen, war aber lange ungeduldig – der
unserem Haus werden wir die Prämissen und Ablei-
F&P 2030 neue Möglichkeiten und Chancen eröffnet:
in lockerer Atmosphäre acht Themenlandschaften
Weg bis zur finalen Ideenfindung schien mir sehr
tungen in einem bereits geplanten eigenen Workshop
Eine Traditionsbranche ist zukunftsorientiert unter-
mit zahlreichen futuristischen Ideen entstanden. Sie
lang. Letztlich zeigte sich aber, dass die Ideensamm-
analysieren und filtern. Die Resultate fließen in die
wegs. Ein guter Anfang ist also gemacht. Das wird
bilden die Basis für individuelle Zukunftsbilder, wäh-
lung nur einen kleinen Teil des Projektnutzens dar
interne Arbeit ein, werden aktiv in die betriebliche
letztlich auch der Öffentlichkeit und Politik nicht
rend die Ideen potenzielle Bedürfnisse der Zukunft
stellt. Viel wichtiger erscheint mir inzwischen die
Zukunftsplanung eingebunden.
verborgen bleiben.
aufzeigen. Mal sehen, wohin die Reise tatsächlich
Erarbeitung der acht Themenlandschaften zum
gehen wird.”
voraussichtlichen Zustand unserer Welt im Jahr
Kurs zu kommen und dabei diverse Querdenker
sich stark verändernde Welt stehen in einem gewissen
í
www.koehlerpaper.com
2050, die erst die Basis für jegliche Ableitungen schaffen. Dafür hat unser Team zu Recht viel Zeit aufgewandt.
Warum gerade die Prämissen? Das hängt mit der Methodik zusammen und ist der eigentliche Gewinn des Projekts für mich: Um strategisch richtige Schlussfolgerungen ziehen zu können, muss man weg vom Kurzfristdenken, sich zunächst komplett von den Anwendungen und Dr. Katharina Kehren, Innovationsmanagerin, Voith Paper Fabrics GmbH & Co. KG
Technologien von heute lösen und buchstäblich über den Tellerrand hinauszuschauen lernen.
www.voith.com
8
Fähige Mitarbeiter, modernstes Know-how …
… als Bedingungen des Erfolgs von morgen
9
THEMENLANDSCHAFT ERNÄHRUNG
Prämissen 2050
î î
9–10 Milliarden Menschen Weltbevölkerung; 2/3 davon leben in Städten.
Durch Klimawandel gestiegene Nachfrage nach Hochwasserschutz und Bewässerungssystemen, Nachfrage nach effizienterer Nahrungsmittelproduktion und Bereitstellung von sauberem Trinkwasser ist nur mit umweltfreundlichen Produkten und auf grünen Technologien basierenden Prozessen zu befriedigen.
Diese Veränderungen werden sich drastisch auf die Papierindustrie auswirken, klare Risiken, aber auch Chancen bringen. Vor allem die Entwicklung CO2neutraler Produkte wird zunehmend bedeutsam für eine breite Zustimmung zu papierbasierten Produkten auch bis zum Ende des Jahrhunderts. Eine weitere Produktdiversifizierung zur Erschließung neuer Märkte erscheint unumgänglich für den künftigen Erfolg der Papier- und Zellstoffindustrie.
î
Neue Produktionsflächen für vegetarische Nahrungsmittel in bisher unfruchtbaren Gebieten (autarke Gewächshäuser), in Städten (Vertical Farming) und im Meer (Aqua Farming) sind nachhaltig erschlossen; Flächenbedarf der traditionellen Landwirtschaft gesunken; höchste Nahrungsmittelausbeute durch gezielten Einsatz von Bewässerung und Düngemitteln.
Innovative Verpackungslösun gen – Ressourcen schonen, Verluste mindern
Papiernahe Ideen bis 2030 Rekultivier- und Hydropapiere für Aussaat und Aufzucht von Grünpflanzen
î
Fleisch wird im Großlabormaßstab pro duziert. Gesündere und physiologisch ausgewogenere Ernährung durch Functional Food aus „Essensdruckern“ mit individuell dosierten Inhaltsstoffen. Überwachung von Körperparametern in der Kleidung lässt Krankheiten und Gefährdungen früher erkennen; Verbrauch an Medikamenten sinkt – ebenso die Menge des Lebensmittelabfalls.
î
Papierferne Ideen
îî Klimakontroll-Folien: Landwirte können dank Folien îî Smart Living: intelligente Verpackungsmateria aus Papier Erträge trotz Negativwirkungen der
lien mindern Verschwendung von Lebensmitteln;
globalen Erwärmung steigern; die Folien erlauben
tragen zu drastischer Erhöhung der Mindesthalt-
sowohl eine Filterung gestiegener UV-Belastung als
barkeit bei; Angaben dazu werden der Umgebung
auch gezieltes Wassermanagement für die Pflanzen;
kommuniziert – der Kühlschrank weiß, womit er
optimales Klima für Nutzpflanzen wird geschaffen.
gefüllt ist und was wegen nahenden Verfalls zeitnah
îî Nahrungsmittelproduktion: Rekultivier-Papiere helfen bei Begrünung versteppter Gebiete und Indus-
auf den Tisch sollte.
îî Schwimmende Inseln: Ozeane werden wegen
Umwelt im Fokus
triebrachen, bei Anzucht von Nutzpflanzen; gezielt
rasanten Bevölkerungswachstums als Wohn- und
Das Szenario führt sich schon heute abzeichnende
mit Dünger kombiniertes Saatgut auf papierbasier-
Landwirtschaftsflächen immer interessanter; Werf-
Entwicklungen fort: Ein Großteil der auf weit über
tem Trägermaterial lässt sie optimal starten, schützt
ten haben ganz neuen Markt für riesige künstliche
neun Milliarden Menschen angewachsen Weltbevöl-
Samen vor Fressfeinden und Erosion, übernimmt
Inseln; Energie- und Nahrungsmittel-Farmen entste-
kerung lebt nun in Megacitys. Deutliche Auswirkun-
Wasserregulation in den ersten Monaten, verrottet
hen auf dem Wasser.
gen des Klimawandels (z. B. Wassernot, Hochwasser,
nach dem Anwachsen.
îî Kunststeak: dank rasanter Fortschritte der Lebens-
Innovative Verpackungen sorgen aktiv für Frische und Haltbarkeit von Lebensmitteln, steigern zugleich deren Sicherheit (Frische-Indikator) – auch in entlegenen Gebieten.
Versteppung weiter Landstriche) haben zu strate-
îî Trinkwasserreinigung: Einsatz von Papier als Nano-
mitteltechnologie nicht mehr unterscheidbar, ob
gischem Umdenken geführt: Grüne klimaneutrale
filtermaterial dank smarter Beschichtung – selbst
ein Steak vom Bauernhof kommt oder bakteriell
Technologien werden nicht mehr nur gefördert, son-
kleinste Partikel von Medikamenten, Hormone,
erzeugt; bei gleich gutem Geschmack ist das künst-
dern gefordert. Stetiger Preisanstieg beim Trinkwas-
Bakterien und Viren werden in kommunalen Klär-
liche Steak in der Öko-Bilanz jedoch überlegen und
ser brachte eine neue Industrie zu Gewinnung und
anlagen separiert; parallel entscheidender Beitrag
durch den ausgeglichenen Nährstoffmix gesünder.
î
schonendem Einsatz der wertvollen Ressource hervor.
zur Trinkwasserversorgung durch Meerwasserent-
Zunehmender Verlust landwirtschaftlicher Flächen
salzung.
Neue Technologien für die Trinkwasser versorgung: vielfach lokale und dezentrale Aufbereitung von Regen-, Brauch- und Abwasser.
10
begünstigte neue Technologien, die eine effizientere
îî In aller Munde: Papier wird selbst Nahrungsmittel
und ressourcenschonendere Nahrungsmittelproduk
dank Ausstattung mit Vitaminen und Mineralien –
tion ermöglichen. Zugleich ist der Stellenwert effizien-
geringer Kaloriengehalt, schnelle Verfügbarkeit und
terer Nutzung von Lebensmitteln gewachsen.
tausende Geschmacksrichtungen.
îî Hydrokulturen: Nutzung von Papierwolle zur Aussaat und Aufzucht von Jungpflanzen.
11
NACHWACHSENDE ZUKUNFT GESTALTEN
Enormes Potenzial dank engagierter Menschen Thomas Strobel, Geschäftsführer der FENWIS GmbH, Gauting, arbeitet seit Jahren als team orientierter Zukunftslotse mit besonderer Industrienähe. Seine Kompetenzen bei einer Zukunftsvorschau mit „Retropolation“ und daraus abgeleiteten strategischen Handlungs optionen nutzen sowohl Branchenverbände als auch innovative mittelständische Unter nehmen. Mit seiner breiten, branchenüber greifenden Berufserfahrung übernahm Strobel die methodische Steuerung und die Modera tion des Projekts Faser & Papier 2030.
der Teilnehmer können wir damit für ein Zukunftsbild
Know-how mit interdisziplinären Denkansätzen „wei-
öffnen – für das, was übermorgen sein soll. Wenn
tergesponnen“ wird. Dabei werden erst allen Beteilig-
wir aus dieser Perspektive auf 2030 schauen, können
ten die heutigen Möglichkeiten bewusst, bevor diese
wir treffsicherer und zielorientierter ermitteln, was
dann mit neuen Ideen in die Zukunft multipliziert
morgen gebraucht wird, als wenn wir es nur mit den
werden.
Erfahrungen der Vergangenheit tun.
Zur Nachhaltigkeit: Die Papierindustrie ist führend bei der Recyclingquote und beim Einsatz nachwachsen-
Bei gut 100 Workshop-Teilnehmern und acht Themenlandschaften ist die Zahl von rund 1.500 Ideen zu Bedarfen von morgen sehr hoch – wie war das möglich?
der Rohstoffe – trotzdem verpasst man ihr häufig das
Unser bewährtes Konzept für die Ideen-Workshops
tung von Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit
erleichtert den Teilnehmern, wie auch mehrfach in
des Industriezweigs.
Etikett einer Branche, die Bäume umsägt und Wälder abholzt. Auf dem Weg in die Zukunft brauchen wir also auch mehr Kommunikation für eine faire Bewer-
dieser Broschüre nachzulesen, den Blick über den
Herr Strobel, was ist der praktische Nutzen einer „Zukunftslandkarte“? Nach meinen Erfahrungen mit Industrieunternehmen
heit für Milliarden Gehirnzellen“ und damit zu vielen
Welche Erkenntnisse zu „Papier der Zukunft“ nehmen Sie persönlich mit? Papier als faserbasierter Werkstoff aus nachwach-
neuartigen Assoziationen. Zusätzlich nehmen wir den
senden Rohstoffen hat enormes Potenzial für eine
„mitreisenden“ Experten die im Berufsalltag vorherr-
Welt, die nachhaltiger und ressourcenschonender
dessen Möglichkeiten jenseits von Druckerpapier und
und dem 2012 abgeschlossenen Projekt „Perspekti-
schenden Befürchtungen, „verrückt klingende“ Ideen
ist als unsere heutige. Ich bin nach der erfolgreichen
Schachteln bekannter werden: feuerfestes Papier,
ven 2025“ des Forschungskuratoriums Textil ist es für
zu äußern. Deshalb stellen wir diese Ideensuche für
Projektarbeit überzeugt, dass durch interdisziplinäre
Leichtbau mit Papierwerkstoffen, Papier als Isolations-
Firmen und Branchen in einem Geschäftsumfeld mit
Innovationen und Bedarfe der Zukunft stets unter das
Zusammenarbeit und Forschung viele gestaltende
material in Gebäuden etwa – um nur drei Beispiele
gravierenden Veränderungen wichtig, auch im unter-
Motto: „Das Denkbare machen, nicht das Machbare
Berufsgruppen wie Designer, Konstrukteure und Ent-
anzureißen.
nehmerischen Sinne „vorausschauend zu fahren“. Mit
denken!“ Das klingt nach einem Wortspiel, aber in den
wickler neue Anwendungen mit neuen Eigenschaften
steigender Interdisziplinarität und verschwimmenden
Workshops entfaltet diese Denkweise immer wieder
von „Papier der Zukunft“ erschließen können, wenn
Branchengrenzen betrifft das früher oder später fast
die gewünschte Wirkung.
Tellerrand. Der offene Austausch zwischen interessierten Menschen führt zu einer Art „Gedankenfrei-
Thomas Strobel, Geschäftsführer FENWIS GmbH
www.fenwis.de
í
alle Unternehmen. Wer sich rechtzeitig aus verschie-
Vordenken gut vorbereitet. Mit dem Geld, das heute
Gab es Faktoren, die Sie bei dieser Zeitreise beeindruckt haben? Drei Punkte habe ich als herausragend erlebt: sehr en-
verdient wird, kann er Geschäftschancen für morgen
gagierte Menschen, die Vielfalt der Branche mit Blick
erschließen und Handlungsoptionen entwickeln.
auf „Papier der Zukunft“ und Nachhaltigkeitsaspekte
denen Blickwinkeln damit beschäftigt, wie Zukunft aussehen sollte oder kann, ist mit diesem bewussten
der Papierverarbeitung.
Eckdaten des Projekts Faser & Papier 2030
îî Projektlaufzeit: Januar 2014 bis März 2015 îî Kernteam aus 18 Vertretern der gesamten Wert-
îî 6 interdisziplinäre Ideen-Workshops mit 103 Teilnehmern unterschiedlicher Altersgruppen durchge-
Sie haben das F&P-Projekt 15 Monate begleitet. Wie gehen Sie an die Klärung solcher Zukunfts fragen heran? Methodisch arbeiten wir mit einer „Retropolation“ –
Zu den Menschen: 18 Kernteam-Mitglieder aus der
schöpfungskette: Papierzulieferer, -erzeuger und
führt – 1.457 Ideen zu zukünftigen Bedarfen in den
gesamten Wertschöpfungskette Papier haben sich
-verarbeiter
8 Themenlandschaften gesammelt
wir gehen in unseren Vorstellungen erst nach über-
außergewöhnlich zielorientierten Austausch gepflegt.
morgen, blicken von dort auf morgen „zurück“. Das
Sie haben damit auch die Vorarbeit für die kreative
erleichtert die Ideenentwicklung für künftige Bedarfe.
Leistung der über 100 Teilnehmer der Ideen-Work-
Der Vorteil: Durch eine Zeitreise in die ferne Zukunft,
shops geleistet.
hier nach 2050, verlassen wir die Einschränkungen
Zur Vielfalt der Branche: Ich bin immer wieder begeis-
dessen, was heute noch nicht geht. Die Gedanken
tert, welche Potenziale entstehen, wenn vorhandenes
12
über die Projektlaufzeit von 15 Monaten mit hohem persönlichen Einsatz engagiert und dabei einen
îî Informationspool durch Auswertung von 90 Zukunftsstudien aufgebaut
îî 8 Themenlandschaften für Zukunftsperspektiven ermittelt
îî 314 Prämissen für 2050 zusammengetragen îî 106 Prämissen für ein Zukunftsbild 2050 des
îî daraus 640 konsolidierte Ideen mit deutlichem Kundennutzen erarbeitet, davon 375 für eine aus heutiger Sicht „papiernahe“ Umsetzung sowie 265 „papierferne“ Bedarfe, für die es lohnt, Beiträge von „Papier der Zukunft“ vorzudenken
Projekts ausgewählt
13
THEMENLANDSCHAFT GESUNDHEIT & HYGIENE
Prämissen 2050
Grundlagen- und Anwendungsforschung für die (Papier-)Welt von morgen
Beitrag zu Präventation und Therapie Steigendes Gesundheitsbewusstsein, ausgewogene Ernährung und wachsende Gesundheitsausgaben lassen unsere Lebenserwartung ständig ansteigen. 100-Jährige sind keine Seltenheit mehr. Aus Patienten von einst wurden Kunden und gesundheitsbewusste Konsumenten. Gesundheit ist zum Lifestyle-Produkt geworden. Hygiene ist ein zentraler Baustein für die flächendeckende und nachhaltige Gesundheitsvorsorge. Intelligente Filtersysteme, funktional ausgerüstete Oberflächenbeschichtungen in der Wohn- und Arbeitsumgebung oder am Körper sowie verändertes menschliches Verhalten führten zu einem Rückgang von Krankheits- und Allergieerregern. Diese präventiven Maßnahmen konnten den Gesundheitszustand der Menschen nachhaltig verbessern. Die Kombination aus revolutionären medizinischen Behandlungsmethoden und proaktiven Assistenzsystemen ermöglicht ein gesundes und selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter.
14
î
Wandel des Gesundheitssektors vom regulierten Angebots- zum vielseitigen Nachfragemarkt: Aus Patienten wurden gesundheitsbewusste Kunden; Gesundheit ist Konsumgut und Lifestyle-Produkt geworden.
Jetzt Zukunftsstrategien entwickeln
Die Vorstellungen für künftige Anwendungen reichen
„Die Papierindustrie erfährt derzeit einen gewalti-
weit: Vorstellbar sind beispielsweise im Themenfeld
gen Wandel angestammter Strukturen. Märkte und
Mobilität Leichtbauteile aus papierbasierten, feuerfes-
Anforderungen verändern sich mit großer Dynamik.
ten Wabenstrukturen, die, im Flugzeugbau eingesetzt,
Die Digitalisierung hat das Mediennutzungsverhal-
Gewicht und Treibstoff sparen. Im Wohnungsbau sind
ten umgewälzt. Gleichzeitig treibt der E-Commerce
Papiere mit geschlossenen Hohlraumstrukturen für
die Nachfrage nach Verpackungslösungen voran.
Isolationsanwendungen denkbar oder auch feuerbe-
Neue Anwendungen und Märkte für Papier müssen
ständige Papierwolle zur Wärmedämmung.
erschlossen werden. Aktuelle Entwicklungen wie
Die entwickelten Vorschläge reichen nicht bis in den
Industrie 4.0 werden neue betriebliche Strukturen
Bereich der Produktentwicklung. Sie skizzieren aber
erfordern und Innovationszyklen verkürzen.
Lebensräume, künftige Bedarfe und damit nicht
Der VDP hat daher gemeinsam mit den Nachbarver-
zuletzt Märkte der Zukunft. Am Ende des Denkprozes-
bänden der papierverarbeitenden Industrie und der
ses steht die Ableitung neuer Anwendungen für den
Zulieferindustrie das Zukunftsprojekt Faser & Papier
Werkstoff Papier, mit denen sich eine erhöhte Wert-
2030 gefördert, das eine Vision der Zellstoff- und
schöpfung erzielen lässt.
Papierindustrie im Jahr 2030 skizzieren und Antwor-
Die im Projekt Faser & Papier 2030 bereitgestellte
ten auf die Fragen der Zukunft geben will. Mehrere
Wissensbasis und eine Vielfalt von Zukunftsvisionen
Mitglieder des VDP haben sich aktiv an der Arbeit
für neue Handlungsfelder bieten den Unternehmen
des Kernteams beteiligt und ein positives, zum Teil
die Möglichkeit, ihre firmenspezifischen Zukunftsstra-
begeistertes Feedback über die neu gewonnenen
tegien zu entwickeln.”
Perspektiven für das Produkt Papier abgegeben.
î
Altersbedingte Kernthemen: gesund altern, Mobilität erhalten, chronische Krankheiten heilen, Gewebe und Organe regenerieren, mehr Therapie und Pflege.
Papierferne Ideen
îî Organzucht: körperverträgliche Trägermaterialien
î
Funktionale Filtersysteme ermöglichen sauberes Trinkwasser, saubere Luft (z. B. Regenwassernutzung, Brauchwasseraufbereitung, Feinstaubfilter).
î î
aus natürlichen Fasern als Basis für Zellkulturen; darauf Zucht von Knochen- und Sehnenersatz, von transplantierbarem Hautersatz, Implantaten.
îî Medikamentenentwicklung: Mikroorganismen als Rohstoff und/oder Wachstumsförderer; Bakterien-
Preiswerte Diagnostiksysteme sind breit verfügbar.
Implantologie und Tissue Engineering setzen auf Biofasern. Mangels Abstoßungsreaktionen sind nachgezüchtete künstliche Ersatzteile und Organe bei Transplantationen jetzt Standard.
nutzung für Entwicklung und Herstellung durch Pharmaunternehmen. Dr. Stefan Karrer, Vorsitzender Kuratorium für
îî Bakterienfänger: Patienten schlucken präparierte
Forschung und Technik der Zellstoff- und Papier
Fänger, die Erreger im Körper aufnehmen, scheiden
industrie im VDP e. V.
diese dann wieder aus – Vermeidung komplizierter
www.vdp-online.de
Operationen.
15
NACHWACHSENDE ZUKUNFT GESTALTEN ⁄ THEMENLANDSCHAFT GESUNDHEIT & HYGIENE
Papiernahe Ideen bis 2030
îî Biobasierte Filter: aus nachwachsenden Rohstoffen, in geschlossenen Kreisläufen recyclingfähig, schützen vor Infektionen und Krankheitserregern, trennen bioaktive Substanzen in Flüssigkeiten, Gasen und Luft ab; Einsatz in Gesundheitswesen, Analytik, zu flächendeckender Bereitstellung von sauberem Trinkwasser oder Atemluft in Städten bis ganzen Ländern.
îî Schneller heilen: reduzierte Behandlungszeiten und -kosten dank integrierter Indikatorfunktionen smarter faserbasierter Verbandsmaterialien; Informationen zu Heilungsprozess bzw. Entzündung von Wunden durch Farbumschlag ohne Verbandsabnahme; mit pharmazeutischen Wirkstoffen versetz-
Spannender Blick weit nach vorn
Was hat es für die Branche insgesamt gebracht? Eine große Anzahl von neuen Ansätzen wurde
Stefan Raum verantwortet beim führenden internationalen Hygieneartikler SCA das Produktmanagement aus technischer Sicht für die Märkte in Afrika, dem Mittleren Osten und Indien. Sein Arbeitgeber produziert neben Körperpflege-, Damen- und Inkonti nenzprodukten vor allem Hygienepapiere für Endverbraucher und Großkunden aus Gastronomie, Gesundheitswesen, Industrie und Handel. Der 44-jährige Maschinenbau ingenieur (MBA) brachte die Perspektive des Konsumgüterherstellers ins Faser & Papier 2030-Projekt.
erarbeitet, darunter Anregungen für neue Produkte, für ganz neue Geschäftsmodelle. Das fand ich sehr beeindruckend. Einige davon sind sicherlich kurz- und mittelfristig umsetzbar; andere – insbesondere die scheinbar papierferneren Themen – brauchen einen längeren Atem, mehr Risikobereitschaft und enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Sehr positiv fand ich, dass die komplette Wertschöpfungskette von Zulieferern, Herstellern und Verarbeitern durch Unternehmen, Verbände und akademische Institutionen
Stefan Raum,
vertreten war. Diese einzigartige Mischung hat we-
Produktmanagement, SCA
sentlich zum Erfolg des Projekts beigetragen. Dadurch liegt nun auch für jeden Teilnehmer ein greifbares
tes Material gibt diese gezielt ab.
îî Funktionalisierte Bettwäsche und Matratzenauf
Produktfamilien, neue Anwendungsformen und sogar
Ergebnis vor. Den größten Nutzen ziehen vermutlich
faserbasiertem, verrottbarem Material, antibakteri-
Herr Raum, Perspektivplanung ist für Sie kein neues Thema? Die Suche nach Zukunftstechnologien, neuen
ell, saugfähig und absorptiv; hygienische Bereitstel-
Anwendungs- und Absatzfeldern ist angesichts der
einen oder anderen Themenlandschaft können auch
Wo sehen Sie im Ergebnis Forschungsfelder mit besonderem Potenzial? Papier kann weit mehr, als landläufig angenommen
lung, Verwendung und Entsorgung.
Veränderungen bei den Marktbedingungen und
die Massenhersteller konkrete Schlussfolgerungen
wird. Unser Werkstoff lässt sich mit vielen anderen
lagen: für Krankenhäuser und Altenheime aus
îî Krankheitserkennung: faserbasiertes Trägermaterial
kleinere und mittelständische Unternehmen, die sich auf bestimmte Nischen spezialisiert haben. Aus der
Anforderungen der Kunden und Verbraucher natür-
ableiten. Außerdem konnten wir einmal mehr die
kombinieren, kann damit gänzlich neue Funktionali-
für Diagnostiksysteme und Schnelltests – preiswert,
lich ein Dauerthema. Bei uns als deutscher Markt-
Innovationskraft unserer Branche nachweisen.
täten abdecken, Stichworte hier wären beispielsweise:
an Hautoberfläche, in Atem oder Urin für verbesser-
führer wie auch im Verein der Zellstoff- und Papier-
te Früherkennung und rechtzeitige Therapie einfach
Chemiker und -ingenieure, dessen Hauptausschuss
zu handhaben.
Leichtbau, gedruckte Schaltkreise, absorbierende Stoffe. Als nachwachsender Rohstoff ist Papier fossilen
ich angehöre, stehen die Zukunftsperspektiven
Und für Ihr eigenes Unternehmen, für Sie selbst … … ergeben sich aus den vorwettbewerblich allge-
ganz oben auf der Agenda. Neu für mich war die
mein gehaltenen Ideenlisten reichlich Input für die
bis zu Hightech-Vorhaben: Papier wird morgen und
sierte Oberflächen gegen Elektrosmog im Wohn-
Methodik des Herangehens bei Faser & Papier 2030,
betriebliche Innovationspipeline, wahrscheinlich auch
übermorgen aufgrund seiner einzigartigen Material-
und Arbeitsumfeld; absorbierende/reflektierende
erst den Blick sehr weit nach vorn zu richten und
konkrete F&E-Impulse. Zur Festlegung der verschiede-
eigenschaften ein technologisches Schwergewicht.
Oberflächen (Vliese, Tapeten, Futter in Kleidung)
dann ein Stück zurück in die immer noch mittelfris-
nen Faser & Papier 2030-Themenbereiche hatten wir
Davon bin ich überzeugt.
wirken gegen Laserlicht und elektromagnetische
tige Zukunft.
zunächst 90 internationale Studien ausgewertet. Das
îî Strahlenschutz: funktional beschichtete faserba-
Strahlung.
Rohstoffen überlegen. Von klassischen Anwendungen
zu perspektivischen Entwicklungstrends, viel Inspira-
Was sollten dafür nächste Schritte sein? Ich plädiere für branchenübergreifende Forschungs-
tion für die eigene Arbeit. Ich fand die Zusammenar-
kooperationen. Wir brauchen Allianzen mit neuen
beit mit den Kollegen und Wissenschaftlern äußerst
Branchen und Industriezweigen. Nur so lassen sich
befruchtend.
auch neue Geschäftsmodelle entwickeln: Bisher ist
brachte auch für mich massiven Erkenntniszuwachs
unser Maschinenpark riesig und teuer, braucht deshalb hohen Output und entsprechend große Nachfrage. Künftig sind deutlich kleinere Losgrößen denkbar. Dafür müssen wir jetzt Anwendungen und Abnehmer finden. So sichern wir uns Perspektiven. Linke Seite: Wirkstoffträger, Prothetik, Organersatz – Fasern sind als Baustein medizinischen Fortschritts unersetzlich
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www.sca.de
í
17
THEMENLANDSCHAFT MOBILITÄT Verschiedene Sichtweisen zielführend Sebastian Mauerer studiert Chemische Technik an der Hochschule München und nahm im Rahmen von Faser & Papier 2030 an einem Ideen-Workshop mit Studierenden unterschiedlicher Fachrichtungen teil. Herr Mauerer, wie haben Sie die Ideensuche zu „Papier der Zukunft” erlebt? Das war spannend, wir befassten uns ja mit etwas
Prämissen 2050
Nachwachsende Fasermaterialien – emissionsfreie Fahrzeuge prägen die Mobilität der Zukunft
Sebastian Mauerer,
nation aus Engagement und Spaß. Erfindungsreich-
Student, Chemische Technik, Hochschule München
tum war gefragt, weil man ja noch nicht weiß, was tatsächlich morgen sein wird.
möbel als Bestandteil jeder Wohneinrichtung oder auf Tapeten mit Stimmungseffekten und Displays zu.
î
Gegenüber 2010 Verdopplung des Transportvolumens von knapp 40 auf inzwischen 75 – 80 Trillionen Personenkilometer pro Jahr.
Späterem. Insgesamt war die Suche für mich Kombi-
Gab es etwas, das Sie beeindruckt hat? Beeindruckend fand ich, wie die Heterogenität der
Der Verkehr fließt
Suche selbst gestaltete sich dadurch leichter. Man
Nehmen Sie aus dem Workshop Anregungen für Ihr Berufsleben mit? Ich habe gelernt, dass die intrinsische Motivation die
Obwohl das Verkehrsaufkommen sich gegenüber
hatte keinen Druck, konnte sich entfalten! Der Spaß-
Grundlage für einen erfolgreichen Workshop-Tag
Fahrzeuge bestehen weitgehend aus recycelbaren Materialien: insgesamt deutlich weniger Materialeinsatz dank hoher Fahrsicherheit durch kommunizierende Verkehrsmittel und autonomes Fahren.
2010 mehr als verdoppelt hat, wurde es in Fluss
faktor stand im Vordergrund.
schafft. Dass Gruppenarbeit auf freiwilliger Basis, ohne
î
Gruppe Effektivität und Effizienz gesteigert hat. Die
gehalten. Möglich wurde das durch Techniken, deren
Druck, entscheidend für den Erfolg ist! Wenn man verschiedene Sichtweisen, Berufs- und Altersgruppen
die aber erst durch Kooperation verschiedener Diszip-
Wie lief der Gedankenaustausch? Für mich war besonders spannend, die Denkweise der
linen umgesetzt werden konnten. Ergebnis waren
anderen zu erleben, auch die Unterschiede entspre-
Ideensuche.
Grundlagen 2015 größtenteils schon bekannt waren,
zusammenbringt, ist das zielführend für eine gute
î
u. a. völlig neue Leichtbaumaterialien für den Fahr-
chend dem Studienfortschritt der teilnehmenden
Leichtbau-Prinzipien bringen Energieeinsparung, reduzieren Ressourcenverbrauch bei Treibstoffen und Material.
zeugbau. Das brachte leichte, spritsparende Autos
Studenten. In unserer gemischten Gruppe fand ich
hervor. Mit Einführung des autonomen Fahrens
besonders interessant, dass die Ideen der weiblichen
brauchten sie nicht mehr die hohe Stabilität zum
Teilnehmer technisch orientierter waren als die der
Sollten solche Zukunftsworkshops Teil der akademischen Ausbildung werden? Gute Idee, denn man wird zum Denken angeregt.
î
Überstehen von Crashs, also weniger Gewicht. Die
Männer!
Würde man fakultätsübergreifende Workshops
Intelligente Material-Zustandsüber wachung erfasst die Belastungshistorie von Bauteilen, informiert vor Defekten über Haltbarkeit und Austauschbedarf.
Absenkung des Mindestabstands im autonomen
î
Konkurrenzsituation zwischen Nahrungsmitteln und Biokraftstoffen wurde durch politische Rahmenbedingungen unterbunden.
18
machen, könnte man viele interessierte Studierende kennen lernen. Das gäbe einen intensiven Austausch
rialien war ein weiterer Schritt zu höherer Sicherheit
Wo liegen für Sie die größten Chancen für künftige Produkte und Anwendungen? Im Bereich Mobilität sind das Karosserien für den
und Senkung des Materialverbrauchs. Seit nahezu
Automobilbau, bei Logistik die intelligenten Verpa-
tiger Beitrag für die berufliche Zukunft des Einzelnen.
alle Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen, aber ohne
ckungen. In der Architektur scheint mir besonders
Nahrungsmittelkonkurrenz erzeugt werden, gibt es
Vertical Farming mit Papier als Substrat für Pflanzen-
für das ständig steigende Mobilitätsbedürfnis kein
wachstum, eventuell sogar mit Düngefunktionen, aus
größeres Hindernis mehr.
sichtsreich. Bei Wohnen & Arbeiten trifft das auf Papier
Fahrmodus vervielfachte zudem die Straßenkapazität. Die kontinuierliche Zustandsüberwachung der Mate-
von Gleichgesinnten. Zudem würden soziale Kompetenzen, also Soft Skills aufgebaut; das wäre ein wich
Finale Frage: Ihr bleibender Eindruck? Spaß und Freude an der Zukunft! www.fb06.fh-muenchen.de
í
19
NACHWACHSENDE ZUKUNFT GESTALTEN ⁄ THEMENLANDSCHAFT MOBILITÄT
Papiernahe Ideen bis 2030
îî Tiefziehfähigkeit: für Formteile im Fahrzeugbau typisch, kann die Technik nun auch für Papierwerkstoffe eingesetzt werden, ermöglicht recycling-
ter und fühlt sich dank geringer Wärmeleitfähigkeit auch nicht mehr so unangenehm kalt an wie früheres Material; Hersteller und Airlines sind begeistert.
îî Kleinstflugkörper: endlich superleichte Drohnen
Papierferne Ideen
îî Flugzeugbau: verbesserte Formgebung und deut-
darfs, Stau ist inzwischen ein Fremdwort; selbst bei Hochgeschwindigkeit reicht der Sicherheitsabstand
liche Gewichtseinsparung etwa bei Tragflächen auf
von einem Meter für kommunizierende Fahrzeuge
Basis von der Natur abgeschauter bionischer Struk-
völlig aus; dadurch vervielfachte Straßenkapazität.
fähige leichte Strukturen; wesentlicher Schritt in
verfügbar – faserbasiert aus erneuerbarem Material
turen; wie bei Bäumen mehr Materialauftrag dort,
îî Schmutzschutz: Autowaschstraßen wurden Minus-
Richtung Leichtbau; auch Herstellung bequemer
und recyclingfähig; Durchbruch dank Leichtbau;
wo größere Kräfte wirken, in Bereichen geringerer
geschäft; schmutzabweisende Oberflächen lassen
Sitzmöbel auf diese Weise realisiert.
Energieverbrauch gegenüber schwereren Objek-
Krafteinwirkung sparsamerer Einsatz – ermöglicht
Fahrzeuge jederzeit wie neu aussehen; Waschen
ten drastisch gesunken, von ihnen ausgehende
durch völlig neue Konstruktionsverfahren, auch
entfällt.
Gefahren geringer; Kinder freuen sich über umwelt-
durch 3D-Druckverfahren.
îî Karosseriebau: neben tiefgezogenen Formteilen auch Einsatz von Papierkompositen – leicht, aus nachwachsenden Rohstoffen und recyclingfähig;
freundliches, leichtes Spielzeug.
îî Autonomes Fahren: Selbstverständlichkeit infolge
îî Fahrsicherheit: sichereres Fahren, weniger Verkehrs-
immer schnelleren Internets und gestiegener Rech-
ten Treibstoffverbrauch von Fahrzeugen; Innen- und
unfälle und Verletzte als Folge von Baumaterial aus
nerleistungen; übliche Straßenfahrzeuge zunächst
Außenverkleidungen aus papierbasierten Faserma-
selbstheilenden Papierfasern in Fahrzeugen; Auto-
aufgerüstet, neueste Modelle sehen völlig anders
terialien.
bewirken Gewichtseinsparung, deutlich verringer-
Außenhaut daraus absorbiert Aufprallenergie viel
aus – Knautschzonen und steife (schwere) Karosse-
îî Flugzeuge: feuerfeste Pappe zur Innenverkleidung
besser als frühere Materialien; zeitnahe Schadens-
rien sind überflüssig, Fahrzeuge daher leichter und
erfüllt sämtliche Anforderungen, ist deutlich leich-
„Heilung“ dank regenerativer Materialfähigkeiten.
kompakter; drastischer Rückgang des Kraftstoffbe-
Das würde ich beruflich gern weiterverfolgen
Sie sind jetzt 27, welche Lehren nehmen Sie für Ihre eigene Zukunft mit? Besonders fesselnd war die Ideensuche. Ich stim-
Anatoli Davydov ist Projektleiter bei der Papiertechnischen Stiftung, München. Er leite te das Projekt Faser & Papier 2030.
me da mit vielen Workshop-Teilnehmern überein:
Einst Alu, heute Fasern – Werkstoff der Zukunft, nicht nur im Flug zeugbau
Zielführend für die Suche nach Bedarfen der Zukunft
gesinnter“ entstehen, ich habe jedoch den enormen
Haben Projekterkenntnisse Einfluss auf Ihre persönliche Planung? Mich hat besonders die Arbeit an Innovationen, per-
Nutzen branchenübergreifender Interaktion erlebt.
spektivischen Bedarfen und Märkten fasziniert. Das
Hat man die Bedeutung mittel- und langfristiger
würde ich beruflich gern weiterverfolgen, möglichst
Trends verstanden, verpasst man keine künftigen
viele Unternehmen aus der Branche für die Ideen der
Entwicklungen vorzudenken. Kritisches Verfolgen
Zukunft gewinnen – und diese gemeinsam angehen.
sind unterschiedliche Hintergründe und Sichtweisen. Gewiss können auch Innovationen im Kreise „Gleich-
Herr Davydov, wie haben Sie sich als (Mit-)Planer, Koordinator und guter Geist des außergewöhn lichen Zukunftsprojekts gefühlt? Faser & Papier 2030 ist ein strategisch ausgerichtetes Projekt und für unsere Branche bislang einzigartig: Gemeinsam begaben wir uns auf eine simulierte
Anatoli Davydov,
Zukunftsreise, konnten mit einem Blick zurück unsere
Projektleiter,
Augen für Außergewöhnliches öffnen. Die spannende
Papiertechnische Stiftung, München
aktueller Studien ist da sehr hilfreich.
Haben Sie eine Botschaft an Kollegen und Geschäftspartner? Zukünftige Entwicklungen sollte man ohne gute Be-
Workshops, die Auswertung von innovativen Ideen
Wollen und können Sie dazu beitragen, die gesammelten Ideen wissenschaftlich weiter voranzubringen? Durch die Beteiligung von über 100 Studenten, Wis-
und die Arbeit mit dem industrienahen Zukunftslot-
senschaftlern und Unternehmern an den regionalen
oder technologisch (noch) nicht realisierbar, kann
den Möglichkeiten unseres Werkstoffs über heutige
Ideen-Workshops konnte ich ein breites Netzwerk
sie in naher Zukunft schon einen höchst attraktiven
technologische Grenzen hinaus. Künftige Anwendun-
aufbauen, auf das ich bei der Beförderung innova-
Markt begründen.
Was hat Sie dabei besonders begeistert? Durch die Kooperation von Teilnehmern verschie-
gen in Architektur und Mobilität sind nur einige der
tiver Ideen zurückgreifen werde. Viele Teilnehmer
unzähligen perspektivischen Möglichkeiten. Auch
erlebte ich als besonders offene, zukunftsinteressierte
dener Fachrichtungen und Berufsgruppen in den
den Begriff Innovation definiere ich heute komplett
Partner; erste Gespräche für mögliche Kooperationen
Ideen-Workshops bekam ich Einblick in die spannen-
anders.
laufen bereits.
Arbeit in einem offenen und aufgeschlossenen Kernteam, die Organisation und Durchführung von Ideen-
sen Thomas Strobel waren faszinierend.
20
gründung niemals ausschließen oder als unmöglich verwerfen. Ist eine Idee heute noch schwer vorstell-
Das Projekt aus Ihrer Sicht in einem Satz: Papier hat und ist Zukunft – auch für mich selbst! www.ptspaper.de
í
21
THEMENLANDSCHAFT INFORMATION, KOMMUNIKATION, BILDUNG, WISSEN Internet-Portale werden selbstständige Experten als Projekt-Mitarbeiter auf Zeit engagiert. So entstehen
îî Lernmedium: gedruckte Displays auf faserbasierten
Produkte und Dienstleistungen mit neuartigem Kun-
Substraten mit interaktiven Inhalten und Möglich-
dennutzen, gefolgt von neuen Geschäftsmodellen
keiten werden zum Erlebnis, etwa Fragebögen mit
und Wertschöpfungsketten. Eng verbunden damit:
Antworten zum „Frei-Rubbeln”, die danach wieder
die Ausbildung einer multilokalen Arbeitswelt.
in den Ausgangszustand zurückgehen; Lernspaß
Das Bildungsniveau des Einzelnen ist global durch
steigt, Förderung des Erfolgs mit geringem Auf-
einfachen, breiten Zugang zu Wissen deutlich gestie-
wand.
gen. Lebenslanges Lernen bildet die entscheidende
Prämissen 2050
î
Lebenslanges Lernen – Weiterbildung und Qualifizierung – ist Voraussetzung für die Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt in allen Berufsgruppen.
Bildung, Wissen und Papier – auch künftig eng verknüpft
Papiernahe Ideen bis 2030
îî Wiederbeschreibbarkeit: Vielfachnutzung von Pa-
Grundlage für Erfolg auf dem Arbeitsmarkt. Zeugnisse
pier ermöglicht durch Kombination einer Spezialbe-
wurden abgelöst von Wissens-Zertifikaten zu aktuel-
schichtung mit Spezialdrucker; temporäre Nutzung,
len Fähigkeiten eine Person – nicht zu früher Gelern-
Gebrauch statt Verbrauch von Papier; spezielle
tem. Interaktive personalisierte Lernmedien auf Basis
Strichkombination und innovative Drucktechno-
faserbasierter Werkstoffe unterstützen und fördern
logie gestatten Wiederbedrucken beschriebenen
Selbstständigkeit und Flexibilität entsprechend den
Materials durch Entfernung der Tinte bzw. Druck-
Erfordernissen einer auf vernetzter Kommunikation
farbe; damit Förderung von Nachhaltigkeit und
basierten Arbeitswelt. Die Reichweite der Bildung
geschlossenen Kreisläufen.
trägt auch entscheidend zur Lösung von Problemen wie Bevölkerungswachstum und Klimawandel bei.
îî Vorlesefunktion: Konsequenz aus demografischer Entwicklung – für Ältere und Menschen mit visu-
Bildung entscheidet Zukunft
ellen Einschränkungen in Zeitungen integriert; ak-
Organisationsübergreifende und global vernetzte Lernaktivitäten sind etabliert: kooperative Kompetenzentwicklung von Personen und Organisationen.
Das uns heute bekannte Industriebild ist Gegen-
tuelle Nachrichten bleiben leicht verfolgbar, damit
stand dauerhafter, mit dem Begriff „Industrie 4.0“
verbundene Unabhängigkeit von elektronischen
verbundener Veränderung. Sie umfasst die komplette
Medien eröffnet neue Möglichkeiten der Informati-
Vernetzung und Digitalisierung ganzer Produktions-
onsaufnahme.
î
îî Eigenbeleuchtung: nachts oder bei Dunkelheit
î
abläufe, Produkte und Prozesse in cyberphysischen
Industrie 4.0 hat einen wesentlichen Anteil an der Wertschöpfung des produzierenden Gewerbes.
Systemen. Begleitung geben Konzepte wie Cloud
ohne zusätzliche Lichtquelle lesen – faserbasierte
Computing und Big Data, ein neuer Umgang mit
Werkstoffe speichern Licht tagsüber, geben es im
Daten. Die Folgen: dezentrale Automatisierung bis hin
Dunkeln über lange Zeitspanne wieder ab.
î î
zu autonomen Arbeitsabläufen, Entlastung des Men-
Open Innovation ist wichtiger Treiber von Entwicklungen und Innovationen.
„Aufklärung 2.0“ hat neues Wertesystem für Lebensgestaltung und Konsum etabliert, das sich stark an Ressourcenbewusstsein und Nachhaltigkeit orientiert.
22
schen bis zur teilweisen Entmündigung. Kurzfristiges interaktives Lernen und die Bereitstellung situativ erforderlichen Wissens für Mitarbeiter sind Standardmaßnahmen gegen Fachkräftemangel. Unternehmen öffnen sich nach außen, sind aufgeschlossen für branchenübergreifende Zusammenarbeit, treiben gemeinsam interdisziplinäre Innovationen voran. Über Kommunikation der Zukunft – interaktive Medien dominieren
23
NACHWACHSENDE ZUKUNFT GESTALTEN ⁄ THEMENLANDSCHAFT INFORMATION, KOMMUNIKATION, BILDUNG, WISSEN
Für die Branche überlebenswichtig
Und die Ergebnisse? … muss im Detail nun jeder selbst auswerten. Wir
Heiner Grussenmeyer, von Hause aus Chemieingenieur, ist seit 30 Jahren im Papiergeschäft. Beim international führenden finnisch-schwe dischen Papier- und Zellstoffproduzenten Stora Enso zeichnet er am Standort Mönchen gladbach für Forschungs- und Entwicklungs projekte der Firmengruppe mit längerem Vorlauf und entsprechend höherem Risiko verantwortlich. Er brachte die Sicht der Erzeu ger in das Faser & Papier 2030-Projekt ein.
waren ja im weit vorwettbewerblichen Bereich unter-
te langfristig zu sichern.
die teils sogar mit dem vorhandenen Know-how und
Was bedeutet das für Forschung und Entwicklung? Ganz offensichtlich müssen wir unsere Forschungsbe-
Equipment umsetzbar erscheinen. Am Ende waren
mühungen splitten – einerseits auf aktuelle Markter-
wir uns einig, dass jeder Teilnehmer für seinen Bereich
fordernisse, auf Produkte für die nächste Zukunft ab-
Nutzen gezogen, aber auch die Branche insgesamt
stellen. Und andererseits eben auf die Beantwortung
dazugewonnen hat. Zugleich konnte signalisiert
der existenziellen Frage, in welchen Feldern wir in 10
werden: „Wir sind innovationsfähig, Papier hat Zu-
bis 15 Jahren noch oder aber neu arbeiten können.
kunftspotenzial!“
Diese Bereiche müssen wir forschungsseitig voran-
wegs. Tatsächlich gab es viele handfeste Anregungen,
treiben. Faser & Papier 2030 war deshalb in meinen Heiner Grussenmeyer,
Was war Ihre Erwartungshaltung bei Projekt beginn, Herr Grussenmeyer? Einerseits wollte ich thematisch den eigenen Horizont
unter den Bedingungen weiter schrumpfender Märk-
Chemieingenieur, Papier- und Zellstoffproduzent Stora Enso
erweitern und hoffte andererseits – zu Recht – auf
Sie haben zuvor auch schon an der CEPI-Roadmap als Antwort der Papierindustrie auf langfristige EUVorgaben mitgearbeitet. Gab es da konzeptionelle Anknüpfungspunkte? Durchaus. Die technologie- und umweltfokussierte
Augen wirklich überlebenswichtig für die Branche.
Verraten Sie uns noch, was Sie jetzt mit dem Goldstaub anstellen? (lacht) Wir analysieren die Ideen gerade und über-
Roadmap sollte bekräftigen, dass wir bei vernünftigen
legen, wo wir intern oder mit Forschungspartnern
Haus. Und natürlich lockten die ungefilterten fachli-
Das war aus meiner Sicht eine der unvoreingenom-
politischen Rahmenbedingungen diese Fernziele
– darunter die Papiertechnische Stiftung sowie die
chen Resultate; das ist Goldstaub.
mensten, offensten Gruppen bisher überhaupt. Die
erreichen können und auch wollen. Faser & Papier
Unis Darmstadt und Dresden – thematisch einhaken
Diskussionen und der Umgang miteinander waren
2030 hat sich dagegen auf Produkttrends und neue
sollten. Uns treibt derzeit zum Beispiel die Frage um,
ausgesprochen konstruktiv, der gemeinsame Blick
Anwendungsrichtungen konzentriert, auch wenn die
wie man auf bestehenden Systemen größere Mengen
nach vorn wirklich spannend. Der Coach hat souverän
durchweg nur knapp angerissen wurden. So gesehen
oder neue Produkte herstellen kann.
gearbeitet, gute Ideen eingebracht, ohne allzu viel
war das Projekt die logische Ergänzung und Fortfüh-
einzugreifen.
rung der CEPI-Roadmap. Die einende Klammer ist der
methodischen Zugewinn für die Arbeit in unserem
Sie sind schon lange in der VDP-Forschungsgruppe und in anderen Kooperationsgremien aktiv – wie haben Sie die Zusammenarbeit im 2030-Team erlebt?
Wille, umweltkonform die Existenz der Unternehmen
Papierferne Ideen
îî Interaktive Lernmedien: personalisiert, maßge-
îî Lernsysteme für Kinder: erkennen deren Verhal-
www.storaenso.com
Branche wird sich wandeln
tens- und Wissensmuster, stimmen Präsentation der
„Erfolgreiche unternehmerische Zukunft braucht
schneidert auf differenzierte Bedarfe und Wünsche
Inhalte darauf ab; adaptive, flexible Lernunterstüt-
Innovationen: neue Produkte und bessere Prozesse.
verschiedener Lerngruppen – Schüler, Studenten,
zung steigert Lernerfolg spürbar; dynamische Farb-
Faser & Papier 2030 setzt genau hier die Impulse,
Senioren; Lehrinhalte auf Vorkenntnisse ausge-
und Stimmeffekte interaktiver Tapeten erhöhen
die die Papierindustrie braucht. Innovation ist
richtet – Förderung höherer Lernfähigkeit und
die Begeisterung zusätzlich, sind in jedem Kinder-
jedoch ohne Forschung und deren Finanzierung
Flexibilität in der Wissensvermittlung; geringe
zimmer platzierbar; Aktivierung durch die Eltern zu
nicht erreichbar. Es war daher ein besonderes Glück,
Präsenzzeiten in Hochschuleinrichtungen, dafür
jeder Tageszeit möglich.
dass zeitgleich und abgestimmt die Neue Deutsche
individuelle Entwicklung begünstigt; kostengünstig
îî Chips in Zeitungen: erkennen den Leser, markieren
auf Papiersubstraten gedruckte interaktive Touch-
für ihn individuell relevante Inhalte; Zeitgewinn
displays als Hilfsmittel; breite Vernetzung erleichtert
durch schnelle Informationsaufnahme gemäß
Wissensvermittlung an große Gruppen.
jeweiligen Interessengebieten.
í
Forschungsagenda erarbeitet wurde, um den förderpolitischen Rahmen für Innovationen zu schaffen. Fest Dr.-Ing. Johannes Kappen MConsult GmbH
steht: Diese Branche wird sich wandeln. Aber sie hat Zukunft und wird diese erfolgreich gestalten.“
www.ptspaper.de
24
25
THEMENLANDSCHAFT LOGISTIK Logistikkonzepte werden nicht mehr nach kom-
große Formenvielfalt bei geringem Material- und
merziellen Interessen Einzelner umgesetzt, sondern
Energiebedarf.
erfüllen ganzheitliche Bedürfnisse der Gesellschaft
îî Erinnerungsfunktion: signalisiert bei Medikamen-
und sichern ökologische Nachhaltigkeit. Für jedes
tenverpackung optisch, akustisch und/oder per
Produkt ist eine gesamtheitlich optimierte Aufteilung
Handy/Internet Einnahmezeit, kontrolliert entnom-
der Aufgaben von primärer und sekundärer Verpa-
mene Menge, warnt bei unautorisiertem Zugriff z. B.
ckung, der Lager- und Transportbedingungen sowie
durch Kinder, Erinnerung an Patient und/oder Arzt,
sekundärer Nutzungen aller eingesetzter Materialien
wenn der Vorrat zur Neige geht.
und Energien gesichert. Der Spagat zwischen optimaler Gebindeart und
miertheit, vermeiden Zeitverlust, Fehlkäufe und
-größe, geschickter Materialausnutzung sowie bestem
Verwechslungen; Präsentation den individuellen
Produktschutz bei maximaler Erfüllung der Anwen-
Kundenbedürfnissen angepasst.
dererwartungen wurde für alle Altersgruppen und Lebensmodelle erreicht.
î î
îî 3D-Druck: kostendeckend selbst Einzelverpackungen für Spezialanwendungen, individuelle Lösungen oder geringe Stückzahlen produzierbar, für
Prämissen 2050 Vernetzung vom Haushalt bis zum Produktionsprozess über die gesamte Lieferkette zur Unterstützung bedarfsgerechter Produktion und Distribution ist gesichert.
îî Multimediale Präsentationsflächen: steigern Infor-
Papiernahe Ideen bis 2030 Perspektiven effizienter Logistik – undenkbar ohne Papier & Co.
îî Aktuelle Qualitätsanzeige in Verpackungen: minimierte Risiken, optimierte Ausnutzung von Material
von Verpackungen nicht sinnvoll, bietet Kraftstoff produktion eine Alternative zur thermischen
erkennbar, bei günstigen Bedingungen Verwend-
Nutzung; ökologisch und ökonomisch vorteilhafte
barkeit über die (sicherheits-)kalkulierte Mindest-
dezentrale Aufarbeitung und direkter Einsatz vor Ort ersparen Transport, zentrale Lagerung, Verteilung.
haltbarkeit hinaus, Endverbraucher entscheidet
Die einstige Logistikkette hat sich zur n-dimensi-
informiert. Belastungsschutz: bei Transport auch
onalen Logistiklandschaft ohne alle aus der Ver-
aus wenig bis unerschlossenen Regionen überall
gangenheit bekannten Beschränkungen/Nachteile
maßgeschneiderte, kostengünstige Lösungen
î
Unterproduktionen gibt es praktisch nicht mehr, auch
î
îî Nachnutzung: falls stoffliche Wiederverwendung
Verarbeitung sofort sichtbar, Verderb des Füllgutes
Logistik sichert Nachhaltigkeit
entwickelt. Leerfahrten/-transporte, Über- oder
optimiert, ressourcenschonend.
und Gütern: Qualitätsmängel bei Rohstoff oder
Innovative Materialien für ultraleichte Transportbehälter, robuste Mehrwegund faltbare Behälter zur Volumenreduzierung. Verwendung multisensorischer Verpackungen (visuell, Haptik, Duft, Akustik) – passend zum Produkt/zur Marke.
Anforderungen des jeweiligen Distributionswegs
verfügbar.
îî Konservendosen aus Papier: leicht zu öffnen,
Papierferne Ideen
îî Individuelle Einkaufs-Logistik: erübrigt Bindung an Öffnungszeiten, aufwändige Preis- und Qualitätsvergleiche – zentral, ressourcenschonend, optimal
keine Fehllieferungen oder Verluste durch Überalte-
unzerbrechlich, geringe Verletzungsgefahr auch
organisiert; Fehlkäufe, Transportschäden, Lager-
rung und Verderben.
für Menschen mit geminderter Leistungsfähigkeit;
probleme entfallen; Bedarfsaktualisierung, Zustel-
Material- und Informationsflüsse werden den sich
leicht, gut stapelbar und nach Entleerung flach
lung an Wunschorte, Rück- und Weitersendungen
Modulare und funktionelle Verpackung mit (SMART-)Zusatzfunktionen wie Frische-Sensoren und -Indikatoren, antibakteriellen Oberflächen, Kühleigenschaften sowie RFID-Technik zur Nachverfolgung.
ständig ändernden Anforderungen angepasst. Erwei-
zusammenfaltbar.
jederzeit kurzfristig möglich.
î
Convenience ist angesichts der sozio demografischen Entwicklung ein Hauptkriterium für Verpackungen.
26
terte Vernetzung ermöglicht, bereits gelieferte, aktuell
îî Elektrisch leitfähige Verpackungen: keine elektro-
îî Internet der Dinge: Vernetzung von Objekten
nicht (mehr) benötigte Bestände zwecks Neunutzung
statische Aufladung, keine Beschädigung empfind-
und Personen mit dem Internet ermöglicht neue
wieder in die Logistiklandschaft einzugliedern. Mul-
licher elektronischer Bauteile und Geräte, gesund-
Produkte, Geschäftsmodelle und Nutzungsmöglich-
tisensorische Verpackungen eliminieren klassische
heitliche Beeinträchtigungen durch Entladung bei
keiten – Verpackung signalisiert Zustandsänderung
Gefahren für die Anwender durch Qualitätsbeein-
Berührung praktisch ausgeschlossen.
des Packgutes (Verderb, Leckage), bewirkt damit
trächtigung infolge lokal ungünstiger Lagerbedin-
îî Tiefziehfähigkeit: erstmals runde und komplex
Änderung des Transportzieles, Kontrolle und Reini-
gungen. Informationen zu Qualität und Nutzbarkeit
geformte Lebensmittel-Verpackungskörper ohne
gung des bisherigen Transportweges, löst Neuliefe-
des Füllgutes sind jederzeit verfügbar.
systembedingte Materialüberschüsse verfügbar –
rung und Ausmerzung der Fehlerquelle aus.
27
NACHWACHSENDE ZUKUNFT GESTALTEN
Chancen übertreffen den Verlust um ein Vielfaches Dr. Heinrich Spies ist Geschäftsführender Gesellschafter der MAY+SPIES GmbH in Düren. Das Familienunternehmen mit fast 100-jäh riger Tradition hat durch Zukäufe die Mitar beiterzahl unlängst verdoppelt. Spies vertrat bei Faser & Papier 2030 vorrangig Verarbeiter positionen. Dr. Spies, warum nimmt sich der Chef eines Unternehmens mit 270 Mitarbeitern tagelang Zeit, um mit Kollegen über die Zukunft nachzudenken? Weil das ein absolutes Novum war: Erstmals saßen
Werfen wir noch mal einen Blick auf das Projekt: Wie fanden Sie die Methodik der Retropolation? Die ist natürlich ungewöhnlich, man muss sich darauf
Die Unterschiede lagen wo? Wir haben papierbasierte Werkstoffe mal aus einem
einlassen. Das hat bei uns allen super funktioniert; wir
Einsatzmöglichkeiten in heute vielleicht noch schwer
haben im Prozess keinen Teilnehmer „verloren“. Das
vorstellbaren Anwendungen haben. Für alle The-
lag sicherlich auch an Zukunftslotse Thomas Strobel,
menlandschaften konnten wir einen Bezug zu Papier
der behutsam und fachkundig eingriff, wenn es not-
herstellen.
ganz anderen Blickwinkel betrachtet. Sie werden viele
wendig erschien. Aus meiner Sicht war das Projekt ein voller Erfolg. www.mayspies.com
í
Wie lief der Gedankenaustausch mit den anderen Teilnehmern? Die gemeinsame Arbeit mit Studenten verschiedener Ausbildungsstufen, also auf Bachelor- und Master-
Dr. Heinrich Spies,
Ebene hat mir gefallen. Alle zogen an einem Strang.
Geschäftsführender Gesellschafter,
Hatte ein Gruppenmitglied eine Idee, wurde sie
MAY+SPIES GmbH
gemeinsam mit Kollegen weiterentwickelt und zur
Erzeuger, Verarbeiter und Zulieferer gemeinsam an
„Reife“ gebracht.
einem – zudem hoch spannenden – Projekt. Ange sichts der rasanten Veränderungen der Märkte in Zei-
Gruppe beginnt gerade die Diskussion, was davon für
ten der Digitalisierung und der schrittweisen Abkehr
uns sinnvoll und machbar erscheint.
Als junger Nutzer und Verbraucher, wo sehen Sie die größten Chancen für „Papier der Zukunft“? Im Bereich Logistik wären das intelligente Verpa-
von traditioneller Papiernutzung braucht die Branche
ckungen, bei Zukunftsstadt & Architektur: Fassa-
Flächenwerkstoff ist hoch komplex, hat vielfältige
Wann gibt es erste Produkte auf dieser Grundlage aus Düren? Das kann sehr schnell gehen. Zum Ideenkatalog ge-
Facetten. Die Chancen, die unser Material in sich birgt,
hörten beispielsweise 3D-Drucksysteme auf Papierba-
papierbasierten Werkstoffen. Bei Ernährung tippe ich
übertreffen den Verlust herkömmlicher Anwendun-
sis. Mit dem Mcor IRIS 3D Farbdrucker hat MAY+SPIES
auf: Papier als Substrat für Pflanzen und schließlich
gen und Produktionen um ein Vielfaches. Die wollten
genau dafür seit einigen Monaten eine robuste, öko-
wir im Projekt zumindest ansatzweise aufspüren.
logisch völlig unbedenkliche Lösung im Sortiment.
nach meiner Überzeugung eine Grunderneuerung. Papier ist und kann so viel mehr. Der bisherige
Hier hat die Gegenwart die Zukunft eingeholt. An-
Wie verteilen sich die Chancen über die Branche? Wir Verarbeiter sind natürlich die großen Glückspilze.
deres wird länger dauern. Und manches funktioniert
Denn was auch immer an Neuentwicklungen entste-
der Ideen umsetzen können, sind die Arbeitsplätze in
hen wird – verarbeitet werden muss letztlich alles.
unseren Unternehmen auf lange Zeit sicher.
vielleicht auch nie. Aber wenn wir nur einen Bruchteil
Wenn wir die Strategie der Erneuerung konsequent davon haben. Andererseits geht nichts ohne die
Verbündete dafür … … kommen natürlich vor allem aus der Wissenschaft.
Papiererzeuger und Zulieferer.
Unser Haus verbindet eine langjährig bewährte
durchziehen, werden wir auch den größten Nutzen
denelemente und Raumteiler. Im Bereich Wohnen & Arbeiten: modulare Wohnelemente sowie Möbel aus
Peter Neßlauer, Student, Chemische Technik, Hochschule München
Alle zogen an einem Strang Auch Peter Neßlauer ist Student der Chemi schen Technik an der Hochschule München und nahm an einem Ideen-Workshop mit Studierenden teil.
enorme Kompetenz in Sachen Papierforschung. Die gilt es aus meiner Sicht noch besser zu koordinieren,
folgte, konnte ich mich gut einbringen. Der Austausch
irrsinnig viel gelernt. Für die Branche kam eine extrem
speziell im Bereich der Grundlagenforschung. Viel-
mit Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen
lange Liste mit Anregungen für aussichtsreiche Pro-
leicht ließe sich so auch manche Konkurrenzsituation
war sogar spannend – eine echte Abwechslung zum
duktentwicklungen zusammen. In unserer eigenen
abbauen.
studentischen Alltag.
Was genau hat Ihre Unternehmensgruppe aktuell von den Projektergebnissen? Nun, zunächst habe ich selbst bei Faser & Papier 2030
Deutschland hat, die Hochschulen eingeschlossen,
28
Filtersysteme.
Konnten Sie für Ihr künftiges Berufsleben Erkenntnisse mitnehmen? Ja, natürlich. Die wichtigste lautet: Papier ist enorm vielseitig und hat Zukunftspotenzial. Zudem habe ich die Methode der Retropolation kennen gelernt, mit der man Zukunftspotenziale „anfassbar“ macht. Dieses Wissen will ich weitergeben! Und Gruppenarbeiten sind sicherlich auch ein Instrument für andere
Herr Neßlauer, sind Sie denn mit Ihren Über legungen zu Wort gekommen? Bin ich. Da die Ideengenerierung in Gruppenarbeit er-
Zusammenarbeit mit der Papiertechnischen Stiftung.
bei Allgemeine Randbedingungen auf intelligente
Branchen. Vielleicht kann ich andere Unternehmen auf die Potenziale von Papierwerkstoffen aufmerksam machen.
Ihre wichtigste Erkenntnis aus dem Projekt lautet? Papier hat Zukunft! www.fb06.fh-muenchen.de
í
29
THEMENLANDSCHAFT ZUKUNFTSSTADT & ARCHITEKTUR Papiernahe Ideen bis 2030
Prämissen 2050
îî Funktional ausgerüstete Zwischenwände aus
î
faserbasierten Werkstoffen übernehmen Geruchs-
Megacitys sind dank moderner Mobilitätskonzepte, Energieeffizienz und hoher Flächennutzung die effizientesten Lebensräume.
absorption, Schallschutz und haben antibakterielle Eigenschaften.
îî Außenfassaden aus witterungsresistentem Papier als Trägermaterial integrierter Photovoltaik-Module.
î
Wegen hoher Bevölkerungsdichte gilt hier „Benutzen statt besitzen“. Viele Geschäftsmodelle wurden von Produktverkauf in Miet- und Sharing-Lösungen überführt, z. B. für Autos, Elektrofahrräder, HeimwerkerMaschinen.
î
Gebäude und Infrastruktur tragen entscheidend zu lokaler regenerativer Energieerzeugung bei – etwa durch Photovoltaik an sowie Windenergie und Algenproduktion in Fassaden.
î
Nachhaltigkeitsaspekte bewirken eine verstärkte Nutzung von Regenwasser, Trennung von Versorgungssystemen für Trink- und Brauchwasser, Geothermie in Gebäuden.
î
Maßgeschneiderte Werkstoffe ersetzen Stahl, Dämmung erfolgt nun mit Hochleistungsstoffen; Baustoffe basieren auf Kunst- und Verbundwerkstoffen; viele biologische Produktionsprozesse sind etabliert. Man setzt auf: Optoelektronik, Miniaturisierung, Stromspeicher, Biokraftstoffe, Prozess- und Gebäudebetriebs-, Netzoptimierung, Photovoltaik, mit IT verbesserte Verkehrsinfrastruktur, CO2-Abscheidung und -speicherung.
30
Produktportfolio innovativ weiterentwickeln
îî Thermoputz aus wärmedämmenden Papierkugeln für Außenfassaden zur Isolierung bzw. als Schüttung für Boden- oder Wand-Dämmung.
îî Feuerbeständige Papierwolle zur Isolierung, WärmeLeben im Übermorgen – Papier und Faser sichern Qualität plus Nachhaltigkeit
dämmung oder als (Teil-)Brandwand in Gebäuden.
îî Gasspeicherung z. B. durch poröse Substanzen wie Metallic Organic Frameworks als Papierfüllstoff.
îî Papierfaserverstärkter Beton für höhere Lebensdauer und Gewichtseinsparung.
Funktionale Renaissance für Papier
Papiertechnologe Ekhard Beuleke ist seit fast 20 Jahren vom Schweizer Oftringen aus für den Papierzulieferer Omya AG aktiv, ver tritt das Unternehmen speziell zu Nachhal tigkeitsthemen nach außen. Sein Fachkol lege Thoralf Gliese verantwortet bei Omya das globale Papiergeschäft.
îî Vorteile: durch bedarfsgerechte Funktionalisierung
Herr Beuleke, warum haben Sie sich am Faser & Papier 2030-Projekt beteiligt? Das Thema liegt mir doppelt am Herzen – einerseits als Mitglied der Fachvereinigung Papiertechnik, andererseits als Manager eines stark auf Innovati-
Arbeit, die auf dem vollzogenen Wandel zur Informati-
erhält z. B. Baugewerbe neuartige Isolationsmateria-
onsprozesse und Zukunftstrends fokussierenden,
onsgesellschaft basiert, führt zu geografischer Immo-
lien, stromerzeugende, wärmedämmende Fassa-
global agierenden Zulieferers u. a. für die Papierin-
bilisierung, Konzentration auf Megacitys. Neu konzi-
den, energiesparende Klimatisierungslösungen.
dustrie. Deshalb habe ich mich gern im Kernteam des Projekts engagiert.
pierte Großgebäude bieten Arbeitsplatz, Gesundheit, Ernährung, Kultur, Sport und Kommunikation. Dank steuerbarer Homogenität, chemisch-physikalischer Vorteile und vielseitiger Funktionalität spielt Papier dabei eine wichtige Rolle.
Papierferne Ideen
îî Biologisch–physikalisch aktive Architektur bietet
„Nachhaltigkeit“ wurde Realität. Effektive Ressourcen-
ressourcenschonend Komfort, Gesundheit und
schonung wird getragen durch Sharingmodelle sowie
Erholung.
Vernunft: „Was brauche ich wirklich?“ Papier erlebt in vielen Bereichen eine funktionale Renaissance. Ist Hilfsmittel der Architektur, als Innen- oder Außenhaut
îî Autarke Gebäude: Energie-, Wärme-, Wasserversorgung und Nahrungsmittelproduktion gesichert.
îî Strahlenschutz: Abwehr von Lärm, Smog, UV,
von Häusern Werkstoff für ökologisches Bauen. Über-
Feinstaub und Ozon, Umwandlung in ungefährliche
nimmt Lebensqualität-Funktionen: Tapeten dienen als
Stoffe durch aktive Oberflächen.
Bildschirm oder Sonnenenergiespeicher, optimieren Geruch, Luftfeuchtigkeit, Schallschutz. Erhöhte Umschlaghäufigkeit des Materials für zeitnahen Nutzen von Gegenständen ist nur mit nachwachsenden Rohstoffen wie Holz und daraus gewonnenem Papier ökologisch erreichbar.
îî Jahreszeiten-aktive Gebäude: luftdurchlässige, isolierende Fenster und Hauswände.
îî Aktiver Anti-Schall: Nutzung von Interferenz-Prinzipien zur Lärmbekämpfung in Räumen.
îî Klimaschutz: neuartige Fassadenbegrünung, mit Pflanzen überwölbte Straßen.
Ekhard Beuleke, Papiertechnologe, Omya AG
31
NACHWACHSENDE ZUKUNFT GESTALTEN
Fanden Industrievertreter und Wissenschaftler dort schnell zueinander? Dass es gelang, die Branchenverbände zu einer
Neue Wege für Produktion und Verarbeitung finden
Wie hilfreich erscheint Ihnen die simulierte Zeitreise im Rückblick? Sehr. Man fokussiert sich besser auf Ideen, hat eine
solchen Initiative zusammenzuführen, fand ich
Ina Hilker ist Direktorin Marktforschung beim Spezialpapierhersteller Felix Schoeller Gruppe in Osnabrück. Fragen an die Teilnehmerin eines „Querdenker“-Workshops mit Industrie vertretern verschiedener Branchen im Rahmen von Faser & Papier 2030:
vorgegebene klare Linie und begibt sich nicht in
hoch spannend; eine echte Premiere. Zukunftslotse Strobel hat uns dann in kurzer Zeit dazu gebracht, über eigene Themengrenzen hinaus gemeinsam Vorstellungen künftiger Entwicklungen zu erarbeiten. Die Atmosphäre dabei war sehr offen, kreativ und fruchtbar.
Spekulationen.
Was halten Sie von der Retropolation? Die Methode ist hilfreich, interessant und wertvoll. Man schaut anders auf die nächsten Jahre, wenn man eine Vision von langfristigen Entwicklungen hat.
Wie haben Sie die gemeinsame Ideensuche erlebt? Herr Prof. Gliese, was hat das Projekt für die Zulieferer gebracht? Der Nutzen für Zulieferer wie Omya besteht im
auf die Suche nach „Papier der Zukunft“ gehen. Die
Wie lautet Ihre Botschaft an Kollegen und Geschäftspartner? Zukunftsthemen sollte man auch außerhalb des „Un-
besseren Antizipieren künftiger Bedürfnisse und
Gruppe hatte eine kreative Dynamik, entsprechend
ternehmens“ diskutieren – sowohl räumlich als auch
Entwicklungsmöglichkeiten. Die Zellstoff-, Papier-
konstruktiv waren die Ergebnisse.
bezogen auf Kollegen/Partner außerhalb des eigenen
Sehr angetan war ich von der Führung und guten VorProf. Dr. Thoralf Gliese,
bereitung des Workshops. Zielgerichtet konnten wir
Papiertechnologe, Omya AG
Hauses. Es ist klug, die Dynamik nicht-homogener
und Verpackungsindustrie befindet sich bekannt-
Fokus auf Innovation, langfristige strategische Part-
mit Anbietern von Verpackungslösungen entwickelt
Funktionierte das Zusammenwirken mit den anderen „Querdenkern“? Die Vorstellungsrunde zu Beginn war ein guter Tür-
nerschaften mit Kunden oder Co-Lieferanten und
werden – z. B. Flüssigkeitsverpackungskarton oder
öffner, die Atmosphäre angenehm. Einmal mehr be-
– auch in Randbereichen gibt es interessante Ideen.
die stärkere Konzentration auf Nachhaltigkeit und
Barrierelösungen.
stätigte sich: Besteht die Gruppe aus Teilnehmern mit
Eine Einbeziehung der Retropolation in Innovations-
verschiedenen Sichtweisen, ist die Arbeit besonders
Diskussionen scheint mir insgesamt hilfreich. Und ich
kreativ. Wir haben uns gut ergänzt: Das war wirklich
würde raten, zukünftige Entwicklungen im Vergleich
Teamwork!
zu heute in größeren Schritten zu betrachten.
lich in tiefgreifender Transformation – die wir aktiv mitgestalten wollen. Das schließt einen verstärkten
erneuerbare Ressourcen ein.
Wie wollen Sie für Ihr Haus Perspektivchancen sichern? Omya hat sich früh auf zu erwartende Veränderun-
Strategisch setzen Sie also – worauf? Wie erwähnt: Eine innovative Weiterentwicklung des
Gruppen und Fachwissen aus unterschiedlichen Branchen zu nutzen. Dabei sollten Megatrends, nicht nur solche in der eigenen Branche, berücksichtigt werden
Produktportfolios basierend auf zukünftigen Marktbe-
gen in unserer Industrie und im Konsumentenver-
zu bleiben. Dies inkludiert Investitionen in Innovation,
halten eingestellt, indem gezielte F&E- und Innova-
Personal, aber auch kollaborative Projekte zur Finan-
tionsprogramme lanciert wurden, gleichzeitig die
zierung und Umsetzung neuer Ideen. Im derzeitigen
Welche Chancen wurden im Workshop für die Branche erkennbar? Die Papierindustrie kann und sollte sich mit verwandten Branchen bzw. Produkten von dort (z. B. Textil,
Organisation bzw. Qualifikation der involvierten
wirtschaftlichen Umfeld eine nicht immer einfach
Nonwoven) intensiv befassen. Das Erkennen von
Personen angepasst wurde. Wir sehen große Chan-
umzusetzende Aufgabenstellung!
Megatrends erschließt Verständnis für den künftigen
dürfnissen ist die Kernvoraussetzung, um erfolgreich
cen in der Verbreiterung und Vertiefung unserer
Produktbedarf und formuliert neue Anforderungen an Rohmaterialien und Fertigungstechnologien. Ent-
Know-hows aus anderen Anwendungsbereichen,
Was ist Ihre Haupterkenntnis aus dem Zukunftsprojekt? Es hat unsere Überzeugung bestärkt, dass Unter-
z. B. Agro, Verpackungen/Kompositmaterialien.
nehmen sich bereits heute auf die Bedürfnisse von
haben werden.
Aktivitäten im Gesamtbereich der Forest Products Industry bei gleichzeitiger Nutzung Omya-internen
sprechende Erzeugnisse können entwickelt werden. Man versteht ebenso, welche Produkte keine Zukunft
Kunden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten
In welche Richtung geht das inhaltlich? Das beginnt mit dem Einbringen von Calciumcarbo-
vorbereiten müssen, um entscheidende Vorausset-
nat zur Bodenverbesserung in Forstplantagen und
Stabilität in bestehenden und neuen Geschäftsbezie-
endet mit konkreten Kundenanwendungen, die
hungen zu schaffen!
zungen für eine gesunde Geschäftsentwicklung und
www.omya.com
32
í
Ina Hilker, Marktforschung, Felix Schoeller Gruppe
www.felix-schoeller.com
í
33
THEMENLANDSCHAFT ALLGEMEINE RANDBEDINGUNGEN Mehr als 30 Prozent der Landmasse sind durch Wald bedeckt. Der für die Papierindustrie notwendige,
barer Stoffe von kompostierbarem Material und
somit in ausreichender Menge zur Verfügung. Die
Restmüll – Großanlagen für Deponien, kleinere für
Energieeffizienz der Papierproduktion wird laufend
autarke Stadtteile/Gebäude; höhere Sortenreinheit,
verbessert, sodass sich die CO2-Emmission weiter
optimierte Prozesse.
energie aus Biomasse erzeugt wird. Die Recyclingprozesse haben zudem hohe Wirtschaftlichkeit erreicht und sorgen vielfach für rohstoffneutrale Produkte und geschlossene Kreisläufe.
Prämissen 2050
Entsprechende Kennzeichnungspflichten wurden
î
Prinzip der Nachhaltigkeit ist im Kaufverhalten breiter
im eigenen Keller durch Beimischung thermisch verwertbarer Papierfasern zur Phytomasse.
îî Intelligente Katalysatoren: Ersatz seltener Erden auf Basis inverser Papiere als Katalysatormaterial.
Konsumentenschichten akzeptiert und fest verankert.
Mode innovativ – Papier von seiner schönsten Seite
Komplexität von Papier besser verstehen
und Maschinenbau bis zur Produktumsetzung, eine
„Die Projektteilnahme brachte für mich inspirierende
wichtige Voraussetzung, um diese Herausforderungen
Erkenntnisse zu neuen Anwendungen von Papier
für ‚Papier und Papierfaser basierte Materialien und
und den für eine erfolgreiche Umsetzung notwendi-
Werkstoffe der Zukunft’ erfolgreich zu meistern.”
gen grundlegenden wissenschaftlichen Vorarbeiten. Bestärkt wurde meine Überzeugung, dass einerseits
î
Nachhaltige Ressourcennutzung statt -verbrauch wurde als Leitlinie etabliert, ist über Kennzeichnungspflichten für Hersteller und Dienstleister auch im Kaufverhalten der Konsumenten angekommen.
die Herstellung von Papier sehr optimiert ist, wir
î î
neue Anwendungen von allein ergeben und eine sehr
Wald bedeckt mehr als 30 Prozent der Landmasse.
Drohende Verdoppelung des Welt-Energie verbrauchs konnte durch Wärmedämmung, Lüftung, Wirkungsgrad-Vorteile in Megacitys und -Verbesserung bei Mobilität und neue Energiekonzepte vermieden werden.
34
îî Biogas-Kleinanlagen: dezentrale Energieerzeugung
für Hersteller und Dienstleister implementiert. Das
Der Einsatz nachwachsender Rohstoffe ist verbreitet, wird kontinuierlich weiterentwickelt; Philosophie des Cradle-to-Cradle erzwingt Recyclinglösungen. Recyclingprozesse haben hohe Wirtschaftlichkeit erreicht, sorgen für rohstoffneutrale Produkte und geschlossene Kreisläufe.
îî Müllsortier-Automaten: Trennung wiederverwert-
nachwachsende und CO2-neutrale Rohstoff Holz steht
verringert und der Großteil der verbrauchten Primär-
î
Papierferne Ideen
andererseits die komplexen Struktur-Eigenschaftsbeziehungen des Materials bislang nur in Ansätzen wissenschaftlich verstehen. Wenn wir seine faszinierenden Eigenschaften besser verstehen, werden sich
Papier bleibt ausreichend verfügbar
viel höhere Wertschöpfung ermöglicht. Gezielte und
Der Einsatz nachwachsender Rohstoffe und Recyc-
kontrollierbare chemische sowie mechanische Funk-
linglösungen ist weit verbreitet. Das Prinzip nachhal-
tionalität als Resultat weiterer Grundlagenforschung,
tiger Ressourcennutzung statt Ressourcenverbrauchs
etwa zur Wechselwirkung von Papier und komplexen
wurde als Leitlinie etabliert. Zudem konnte eine
Fluiden oder zu neuen Umformungsverfahren wird
Prof. Dr. Markus Biesalski,
Verdoppelung des Welt-Energieverbrauchs durch z. B.
erheblich dazu beitragen. Daher ist eine enge inter-
Makromolekulare Chemie und Papierchemie,
verbesserte Wärmedämmung und neue Energiekon-
disziplinäre Zusammenarbeit entlang der gesamten
TU Darmstadt
zepte vermieden werden.
Kette, von den Grundlagen über Verfahrenstechnik
www.chemie.tu-darmstadt.de/map
35
NACHWACHSENDE ZUKUNFT GESTALTEN ⁄ THEMENLANDSCHAFT ALLGEMEINE RANDBEDINGUNGEN
Engere Vernetzung erforderlich
Papier zu überwinden, mehr Studenten und damit
„Für mich war das 2030-Projekt ein Schritt genau in
wahrgenommene Zukunft für die Branche zu ge-
die richtige Richtung. Wenn wir den enormen For-
winnen. Interdisziplinäre Angebote schon ab dem
schungsbedarf bei unzähligen aussichtsreichen Ein-
ersten Semester, gewachsene Wahlanteile und mehr
satzoptionen für Papier meistern wollen – denken Sie
jugendgemäße Projekte sollen dazu beitragen. Unser
nur an Leichtbau-Aspekte bei Themen wie Mobilität,
unlängst bundesweit vorgestelltes Haus aus Papier
Architektur oder Ernährung –, brauchen wir eine noch
für Katastrophengebiete oder aktuell ein von Studen-
wesentlich engere Vernetzung mit der Industrie als
ten gestaltetes Ruderboot für Profisportler aus dem
bisher. Die Papierforscher kennen deren Abläufe und
gleichen Material stimmen mich in Kombination mit
Sachzwänge oft nicht ausreichend; die Unternehmen
Initiativen wie Faser & Papier 2030 sehr hoffnungsvoll.“
dagegen denken oft nur maximal zwei, drei Jahre
Super spannende Diskussionen Dr. Christoph Nover nahm als Vertreter der vom rheinland-pfälzischen Diez aus weltweit agierenden SCHAEFER KALK GmbH & Co. KG im Februar 2015 am „Querdenker-Workshop“ teil. In dem 1860 gegründeten Familienunter nehmen mit Spezialisierung auf Kalkprodukte, Calciumcarbonate und Werktrockenmörtel ist er für technische Anwendungsentwicklung zuständig.
voraus. Wir Wissenschaftler müssen mehr Praxispart-
kennen lernen. Faser & Papier 2030 hat gezeigt, wie es
Was haben Sie von der Ideensuche zu Bedarfen der Zukunft mitgenommen, Dr. Nover? Der Blick in die Zukunft, stimuliert durch die vom
geht. Das Engagement der Industrievertreter fand ich
Kernteam formulierte Beschreibung der Welt in der
beeindruckend. Die waren immer voll präsent.
fernen Zukunft, hat meinen Denkprozess umgeleitet.
Mir hat die Zusammenarbeit geholfen, einige neue
Wenn ich an Bedarf denke, tue ich dies im Rahmen
Themen stärker in den eigenen Fokus zu nehmen.
eigener Erfahrungen. Dies schränkt das Denken sehr
Wie bewerten Sie die Methodik der Retropolation? Ich habe solche Vorgehensweisen bislang unter-
Wir wollen jetzt mit Kollegen anderer Hochschulen
ein. Die Auseinandersetzung mit dem Szenario der
schätzt. Auch für andere Themen werde ich sie
und Institute Schwerpunkte definieren und Projekte
Zukunft hebt dagegen Einschränkungen auf.
zukünftig nutzen.
unterscheidet. Neue Denkmuster wurden erlebt. Die
Was würden Sie auf Basis Ihrer im QuerdenkerWorkshop gesammelten Erfahrungen Kollegen und Partnern mitgeben, um Zukunftsmärkte und Innovationen vordenken zu können? Wenn mit Erfahrungen die Vorgehensweise des Work-
unter uns Technikern geführten Diskussionen wurden
shops gemeint ist, werde ich anregen, in unserem
teilweise um eine philosophische und ethische Ebene
Hause für unser Kerngeschäft in kleinem Rahmen
bereichert.
etwas Vergleichbares zu tun. Wenn mit Erfahrungen
ner mit weitem Horizont gewinnen, ihnen rechtzeitig Chancen aufzeigen und zugleich ihre Anforderungen
Dr. Christoph Nover, Technische Anwendungsentwicklung, SCHAEFER KALK GmbH & Co. KG
auflegen. Denn auch unsere überschaubare ForscherCommunity muss sich mehr vernetzen, inhaltlich
Prof. Dr.-Ing. Samuel Schabel,
abstimmen. Und wir brauchen unbedingt mehr Wahr-
Papierfabrikation und Mechanische Verfahrens
nehmung bei Politik und Öffentlichkeit. Das wird
technik, TU Darmstadt
Wie fanden Sie die Zusammenarbeit mit den anderen „Querdenkern“? Es war super spannend, beispielsweise mit Designern
auch helfen, das überholte Image vom 08/15-Material
www.pmv.tu-darmstadt.de
zu diskutieren, deren Alltag sich von unserem völlig
Papiernahe Ideen bis 2030
îî Bio-Beutel: faserbasiert, flüssigkeitsresistent und
îî Elektronik-Träger: Verknüpfung modernster
recyclingfähig als umweltfreundliche Alternative.
Elektronik mit kostengünstigem Papier ermöglicht
îî Stoffe mit Papierfasern: Unterschiede in Eigenschaf-
Sensorik, die z. B. Fingerabdrücke erkennt und erst
seine Ergebnisse gemeint sind, so wird es schwierig
îî „Healing Paper“: mikroverkapseltes Material heilt
Hat die simulierte Zeitreise in die ferne Zukunft geholfen, eine andere Perspektive auf Zukunfts fragen zu bekommen? Die Vorgehensweise motiviert dazu, „visionär“ zu
selbstständig beschädigte Bauteiloberflächen;
denken und stets im Unterbewussten vorhandene
material Papier oder Karton sind leicht, nachhaltig
höhere Betriebssicherheit, Vermeidung bleibender
Einschränkungen – meistens – auszublenden. Sehr
verfügbar, recyclingfähig.
Schäden, weniger Wartungs- und Reparaturauf-
weit in die Zukunft zu blicken, in eine zurzeit noch
wand.
fiktive Welt, hat meine Kreativität enorm angeregt.
ten von Cellulose- und anderen Naturfasern sinnvoll kombinierbar; Papierfaser als Träger führt zu Materialien mit neuen Möglichkeiten der Formgebung.
îî Elektrisch leitfähiges Papier: Platinen mit Trägerîî Wasserarme Produktion: massive Einsparung von
daraufhin den Inhalt von Dokumenten sichtbar werden lässt.
Wasser und Trocknungsenergie durch veränderte
Die sehr weite Entfernung zur Realität hat das Ganze
Herstellungsprozesse bis hin zu „trockener Produk-
zu einer Art Spiel werden lassen; ich musste keine
tion“; drastische Senkung von Kosten und CO2-
Verantwortung für die Ideen tragen.
Ausstoß.
36
sein, visionäres Denken in die aktuellen Projekte einzubringen. Die nahe Zukunft zu meistern, ist Herausforderung genug. Dennoch werden Spuren des Workshops in meinem Denken verbleiben.
www.schaeferkalk.de
í
37
FORSCHUNGSZIELE NACH THEMENFELDERN îî Antibakterielle, allergikerfreundliche Bodenbeläge
entzündungshemmenden, die Wundheilung unter-
aus faserbasierten Werkstoffen
îî Intelligente Gardinen/Rollos aus Papier, die auf Umgebungseinflüsse (Licht, Temperatur) reagieren
îî Transparente oder lichtdurchlässige Dächer aus Mobilität
îî Feuerfeste Innenverkleidungen in Fahr- und Flugîî Tiefziehfähige Papierelemente im Karosseriebau und für Anbauteile
gesamten Wertschöpfungskette Papier und bran-
faltbarer Rohstoff für Notunterkünfte in Krisenge-
Ideen-Workshops.
bieten oder bei Naturkatastrophen
îî Papier als Zuschlag/Baustoff für Außen- und In-
stoff wird aus vielen Bereichen des täglichen Lebens,
nenwände sowie Decken zur Feuchteregulierung,
in denen es bislang noch keine große Rolle spielt, in
Wärmedämmung
Zukunft nicht mehr wegzudenken sein: aus Logistik,
îî Selbstreinigende, auf Leichtbau basierende Elemen-
Fahrzeugbau, Luft- und Raumfahrt, Medizinanwendungen und Architektur beispielsweise. Die unter diesem Aspekt intensiv untersuchten acht lebensnahen
îî Tragbare Filter zur desinfizierenden Wasser- und
Packgutes anpassen (Minimierung von Transportvolumen und CO2-Emission)
Luftreinigung am Ort des Bedarfs
Aufnahmefähige Papiere zum Transport gefährliîî Taschentücher mit integrierten gesundheitsfördern- îî cher Substanzen
den/heilenden Substanzen
für papiernahe Ideen – Zulieferer
für papiernahe Ideen – Erzeuger
funktionen
(Basis: 16 Bewertungen)
(Basis: 16 Bewertungen)
îî Außenfassaden mit faserbasierten Anbauflächen tion nach Vertical Farming-Konzepten
in Anwender-Netzwerken zu nachfolgenden Themen-
Wohnen & Arbeiten
îî Funktionalisierte Trennwände und Tapeten mit integrierten Schall- und Klimafunktionen
îî Modulare, faltbare oder leicht verschiebbare Wohnelemente aus Papier
îî Elektrisch leitfähige Papiere als Raumelemente mit Text- und Bildeinblendungen bzw. Licht-/Farbwechselfunktionen („Chamäleon-Effekt“)
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Verderben anzeigen
îî Verpackung, die sich automatisch der Größe des
Gesundheit & Hygiene
te zur Gestaltung von Fassaden mit Beleuchtungs-
lichkeiten. Interdisziplinärer Austausch und Forschung
vorbereiten.
îî Verpackungen, die über automatische Farbände-
Ideenbewertung nach Attraktivität und Zeithorizont
zur Gebäudebegrünung bzw. Lebensmittelproduk-
nachhaltige Lösungen für eine „Zukunft mit Papier“
Verpackungen
Ideenbewertung nach Attraktivität und Zeithorizont
Themenlandschaften zeigen vielfältige Einsatzmög-
schwerpunkten sollen neue, hoch nutzwertige und
îî Fälschungssichere und vor Korrosion schützende
rung tatsächliche Lebensmittelhaltbarkeit bzw.
Oberflächen
und Wohnungen
îî Papier als kostengünstiger, nachwachsender, leicht
chenübergreifend über 100 Teilnehmer moderierter Papier als innovativer und zukunftsträchtiger Werk-
îî Schmutzabweisende und selbstheilende Fahrzeug-
Logistik
hoch
0
2
2
mittel
43
102
38
niedrig
84
66
38
bis 2020
nach 2020 ab 2026 bis 2025 bis 2030+
Zeithorizont für die Verfügbarkeit am Markt
Für die Papierzulieferer haben 50 % der papiernahen Ideen mittlere oder hohe Attraktivität. Insgesamt 79 % lassen bereits im kurzfristi gen und mittleren Zeithorizont Geschäftschancen erwarten.
Zukünftig attraktiv in der Wertschöpfungskette „Papier” für Erzeuger
Beteiligt waren 18 Mitglieder des Kernteams aus der
keits- und Wärmeisolierung/-regulierung in Häusern
(z. B. Teppiche oder Bezüge für Car-Sharing)
Zukünftig attraktiv in der Wertschöpfungskette „Papier” für Zulieferer
innovative Ideen für „Papier der Zukunft“ entwickelt.
îî Papierbasierte Werkstoffe für die Schall-, Feuchtig-
îî Antibakterielle Einlagen für die Lagerung von OPBesteck
zeugen
îî Wechselbare Interieur-Ausstattung im Fahrzeug Im Zukunftsprojekt Faser & Papier 2030 wurden 640
îî Medizinische Implantate und Prothesen/Orthesen aus verstärkten Papierwerkstoffen
und Flugzeugbau
Zukunftsstadt & Architektur
für mögliche Erkrankungen
tische Strahlung, Radioaktivität
îî Faserbasierte Leichtbaumaterialien für Fahrzeug-
Fazit
stützenden Wirkstoffen
îî Intelligentes Toilettenpapier mit Indikatorsystemen îî Substrate für diagnostische Systeme îî Schutzwände gegen Laserstrahlung, elektromagne-
verstärkten, witterungsfesten Papieren
Engagiert + motiviert – Papierbranche stellt sich den Heraus forderungen der Zukunft vereint
îî Selbstklebende Pflaster/Verbandsmaterialien mit
hoch
29
32
8
mittel
68
97
35
niedrig
30
41
35
bis 2020
nach 2020 ab 2026 bis 2025 bis 2030+
Zeithorizont für die Verfügbarkeit am Markt
Für die Papiererzeuger wurden 18 % der Ideen mit hoher und 53 % mit mittlerer Attraktivität bewertet. Knapp die Hälfte wurde dem mittle ren Zeithorizont (2020 bis 2025) zugeordnet. Kurzfristig realisierbare Geschäftsmöglichkeiten werden für ein Drittel der Ideen erwartet.
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NACHWACHSENDE ZUKUNFT GESTALTEN ⁄ FORSCHUNGSZIELE NACH THEMENFELDERN
Traditionelle Stärke îî Leicht zu öffnende Verpackungen für ältere oder alleinstehende Menschen
îî Verbundmaterial aus Papier- und Faserwerkstoffen für Maschinenbau und Fertigungsautomatisierung
îî Integrierte Farbindikatoren, die eine Unterbrechung îî Elektrisch leitfähige, preiswerte Substrate für digitader Kühlkette bei Lebensmitteln oder Medikamen-
le Speichermedien und Massen-Sensorik
ten anzeigen
Die deutsche Papierindustrie ist die viert größte weltweit. Ihre starke internationale Wettbewerbsposition verdanken die Unter nehmen der deutschen Papierindustrie der
Unterstützung durch starke Branchenver bände, der zielgerichteten Grundlagen- und Anwendungsforschung im universitären Bereich und an spezialisierten Instituten sowie der engen Kooperation aller Akteure.
Ideenbewertung nach Attraktivität und Zeithorizont
îî Papierbasierte Produkte mit definiertem Sekundärnutzen („Regal aus gebrauchtem Karton“)
îî Interaktive Tapeten mit E-Learning-Funktionen und Gestiksteuerung
îî Faltbare Displays und Touchscreens îî Vielfach wiederbeschreibbare Papiere îî Papiersubstrate, die Lesen auch bei Dunkelheit
für papiernahe Ideen – Verarbeiter (Basis: 16 Bewertungen) Zukünftig attraktiv in der Wertschöpfungskette „Papier” für Verarbeiter
Information, Kommunikation, Bildung, Wissen
hoch
55
36
5
mittel
63
117
34
niedrig
9
17
39
bis 2020
ermöglichen
Ernährung
îî Papierbasierte Komponenten für modulare Leichtbau-Gewächshäuser oder als Behältnis für Pflanzenaufzucht
îî Funktionelle Faservliese als Pflanzensubstrate, mit
nach 2020 ab 2026 bis 2025 bis 2030+
Zeithorizont für die Verfügbarkeit am Markt
Die Papierverarbeiter weisen 26 % der Ideen hohe, 57 % mittlere Attraktivität zu. Der Zeithorizont liegt zu fast 80 % im mittleren oder kurzfristigen Bereich. Dabei haben innerhalb des Kurzfrist-Zeithori zonts 93 % mittlere oder hohe Attraktivität – für den mittelfristigen gilt dies für 90 %.
denen Samen ausgebracht und mit Nährstoffen versorgt werden können gen Kälte/Wärme mit Papierplanen oder -vliesen
îî Cellulosematerialien für den Einsatz in der Ernährung (z. B. essbares Basissubstrat zur Anreicherung mit Aromen und Nährstoffen)
îî Verfahren für die verstärkte Nutzung von Agrarreststoffen zur Papierherstellung
Allgemeine Randbedingungen
îî Wasserfeste Papiere als Ersatz für Abdeck-Planen îî Feuerresistente Papiere als Barriere in und zwischen Gebäuden
îî Stoffe und Gewebe aus kombinierten Natur- und Papierfasern für Kleidung aus nachwachsenden Rohstoffen
îî Neue Verarbeitungstechnologien wie Foam-Forming oder Tiefziehen
îî 3D-Druckverfahren für faserbasierte Materialien zur Entwicklung/Produktion neuer Werkstoffklassen
Ideenbewertung nach Attraktivität und Zeithorizont für papiernahe Ideen – neue Geschäftsmodelle (Basis: 16 Bewertungen) Zukünftig attraktiv in der Wertschöpfungskette „Papier” für neue Geschäftsmodelle
îî Isolation von landwirtschaftlichen Nutzflächen ge-
hoch
1
4
3
mittel
14
63
45
niedrig
39
72
25
bis 2020
nach 2020 ab 2026 bis 2025 bis 2030+
Zeithorizont für die Verfügbarkeit am Markt
Bei 71 % der 375 papiernahen Ideen sehen die Kernteam-Mitglieder Potenzial für neue Geschäftsmodelle. 46 % davon haben nach ihrer Einschätzung mittlere Attraktivität, 3 % eine hohe. Bei den 265 als papierfern klassifizierten Ideen werden 6 % als hoch und 37 % als mittel attraktiv für zukünftige Beiträge zur Wert schöpfungskette Papier gesehen. 63 % werden dabei als kurz- oder mittelfristige zu bedienende Marktanforderungen bewertet. Gerade hier ist über interdisziplinären Austausch zu klären, welche bereits laufenden F&E-Projekte zur Erschließung dieser Marktchancen beitragen können.
Netzwerk Branchenverband Hochschule/Forschungseinrichtung
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Impressum
Fotolia/sdcoret (U1 o./23), Gliese (32), Grussenmeyer
Herausgeber: Papiertechnische Stiftung (PTS)
(24), Hilker (33), Karrer (15), Kehren (8), Mauerer (19),
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(36), Schulte (9 o.), Spies (28), Stange Design & Karton
Redaktion: Anatoli Davydov (PTS),
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