KHG Wien – Impuls zum Jahr des Glaubens 1 – 09.Okt. 2012 P. Martin Mayerhofer, Universitätsseelsorger
Du bist liebenswert, denn Gott liebt dich! Vor einigen Wochen antwortete mir eine Studentin, der es nicht besonders gut ging, auf meine Frage, ob sie sich denn selbst liebe: „Nein. Eigentlich nicht. Mich hat ja gar niemand gefragt, ob ich leben will.“ Ich konnte ihr keine Antwort geben, denn sie hat recht. Niemand von uns wurde gefragt, ob er leben will. Damit verbunden ist eine andere Frage: Bin ich überhaupt liebenswert? Konkret stellen wir fest, dass uns Menschen gerne haben: Unsere Eltern, Verwandte, Freunde… Aber Menschen, die uns lieben, können uns durch den Tod entrissen werden, Freundschaften können zerbrechen durch unsere eigene Schuld, durch die anderer… Welche Gewähr haben wir also, dass wir geliebt werden, ja, dass wir liebenswert sind? Menschlich gesehen eigentlich keine. Ein Ausweg aus dieser Sackgasse besteht darin, sich selbst zu lieben und die fehlende Liebe anderer so zu kompensieren. Aber dieser Ausweg stellt die tiefste Sehnsucht unseres Herzens nach Liebe nicht zufrieden. Eine andere Antwort auf die Frage, ob wir liebenswert sind, gibt der christliche Glaube. Nicht nur eine Antwort, sondern einen Beweis. Dieser Beweis ist das Kreuz, an dem Christus für uns Menschen gestorben ist. Das Kreuz sagt uns mit aller Klarheit: „Du bist liebenswert, denn ich, dein Gott, liebe dich!“ Wenn ein Mensch sein Leben aufs Spiel setzt, um andere zu retten und dabei selbst sein Leben verliert, gilt er zu Recht als Held und seine Tat als höchste Form der Liebe. Christus ist gestorben, um uns neues Leben zu schenken. Durch seinen Tod sind wir wiederum befähigt Kinder Gottes zu sein, ja zu Gott „Vater“ sagen zu dürfen.
Am Kreuz hat Christus auch dir seine Liebe bewiesen, denn er wäre gestorben, wenn es nur dich allein auf dieser Welt geben würde! Daher ist es eine Lüge zu denken: Gott achtet nicht auf mich. Ich bin ihm gleichgültig. Das Kreuz sagt dir das Gegenteil! Es ist wichtig zu wissen, dass ein Gefühl der Gottesferne, das jeder einmal verspüren kann, nicht mit dem Glauben an Gott verwechselt werden darf. Gefühle kommen und gehen, der Glaube bleibt. Am Kreuz hat Christus dir bewiesen, dass du liebenswert bist. Daher hast du kein Recht zu sagen: Ich bin nicht wichtig. Was ich tue ist nichts wert. Das Kreuz sagt dir das Gegenteil! Du bist ein wunderbarer Gedanke Gottes, den Gott schon von Ewigkeit her vorausgedacht hat, um ihn schließlich Wirklichkeit werden zu lassen. Das Leben ist ein Geschenk Gottes, der Liebe ist. Und nur wenn wir von der Liebe her denken, werden wir das Geheimnis des Lebens verstehen lernen.
„Die Quelle der christlichen Freude ist diese Gewissheit, von Gott geliebt zu sein, persönlich von unserem Schöpfer geliebt zu sein…, mit leidenschaftlicher und treuer Liebe, einer Liebe, die größer ist als unsere Treulosigkeit und unsere Sünden, mit verzeihender Liebe.“ (Benedikt XVI, YOUCAT 15)
