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Weltenbummler wollen heutzutage vor allem eines: so außerge- wöhnlichübernachtenwiemög- lich. Egal, ob Baumhaus, Ge- fängnis oder Höhle. Oder eben die drei Kanalrohre in der klei- nen Gemeinde Ottensheim bei. Linz. Mittlerweile liegen sie dort seit elf Jahren. Eine Touris- tenattraktion wollte Künstler.
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OBERÖSTERREICH

Samstag 15. April 2017

EINE PRODUKTION DER MEDIAPRINT

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Anonyme, freie Gastfreundschaft FOTOS: REUTERS/HEINZ-PETER BADER, ANDREAS STRAUSS (3)

Reisen. Wie ein Kunstprojekt zu einem beliebten Reiseziel mit mehr als 100 Buchungen im Jahr wurde

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eltenbummler wollen heutzutage vor allem eines: so außergewöhnlichübernachtenwiemöglich. Egal, ob Baumhaus, Gefängnis oder Höhle. Oder eben die drei Kanalrohre in der kleinen Gemeinde Ottensheim bei Linz. Mittlerweile liegen sie dort seit elf Jahren. Eine Touristenattraktion wollte Künstler Andreas Strauss jedoch nicht erschaffen. „Damals war MiniHousing oder Couchsurfing noch gar nicht so das Thema. Aber de facto haben wir alle immer bei Freunden auf der Couch geschlafen. Und dann hab ich einen Weg gesucht, wie man anonymes, legales und temporäres Übernachten administrieren könnte“, sagt der 49jährige Künstler aus Wels. Mit einer Entwurfsmappe ist er zu der Baufirma C. Bergmann gegangen und wollte Kanalrohre kaufen. „Sie meinten nur: Gib die Mappe im Sekretariatabundsaguns,wannundwo du die Rohre haben willst. Und dann haben sie mir die Rohre geschenkt“, sagt Strauss. Die Inneneinrichtung und die Tür der Rohre sind Eigenkonstruktionen. Sogar die Schlafsäcke hat Strauss selbst genäht. Drei bis vierMonatespäter,imJuli2005, hat das „dasparkhotel“ in Linz eröffnet.

So viel zahlen, wie man will Am ersten Tag 30 Buchungen. Im ersten Jahr 180 Buchungen. Und Zimmerpreise gibt es nicht. Am Abreisetag hinterlassen die Besucher einfach einen gewünschten Betrag in der Röhre. Verschließen lässt sich das Hotel mit einem Code, den man bei Buchung per Mail bekommt. „Wir hatten schon Par-

tys hier, wo Leute einen Saustall und zwei Euro hinterlassen haben. Aber im Schnitt sind es 20 Euro“, sagt Strauss. Anfangs ist er noch jeden Tag selbst hingefahren, um aufzuräumen. Irgendwann wurde ihm der Aufwandzugroß.Dochdannhatdie Gemeinde Ottensheim, sein damaliger Wohnort, angeboten, der neue Standort für das Hotel zu werden. Und seitdem stehen die Röhren dort. Lange hat es nicht gedauert und die Presse, die New York Times oder der britische Guardian, hat angeklopft. Auch heute bekommt Strauss noch Interviewanfragen aus der ganzen Welt. „Ich sage immer, meine BüchsederPandoraistrund.Das ,dasparkhotel‘ ist gleichzeitig das Dümmste und Beste, was ich je gemacht habe.“

„dasparkhotel 2.0“ „Haltedasmal“,sagtStraussund drückt mir sein Smartphone in dieHand.AufdemBildschirmist eine unförmige Holzkonstruktionzusehen.EinPolyeder.„Das ist mein Traum. Eine Konstruktion, bei der sich gar nicht erschließt, was es eigentlich ist. Die sich gar nicht so wichtigmacht“, sagt Strauss. Anders als sein Vorgänger soll diese Konstruktion kein Fenster haben und leichter transportierbar sein. Das „dasparkhotel 2.0“ – wie er die Polyeder-Konstruktion nennt – ist bisher nur ein Prototyp. Aber das einzige Röhrenhotel ist das „dasparkhotel“ in Ottensheim längst nicht mehr. 2008 hat Strauss fünf weitere Rohre für einen Park in Bottrop gebaut. Nachbauten findet man sogar in Mexiko oder Malaysia. „Gib einfach mal Tube Hotel in

Auch noch zwölf Jahre nach Eröffnung zieht es jährlich Hunderte Menschen in das Röhrenhotel nach Ottensheim

Einen fixen Zimmerpreis gibt es nicht. Im Schnitt hinterlassen die Besucher 20 Euro in den Röhren. Andreas Strauss mit seiner Konstruktion (re.)

Google ein und schau dir die Ergebnisse an. Manchmal sind die Hotels komplett ident mit meiner Konstruktion. Manchmal haben sie Glastüren oder andere Spielereien“, erzählt Strauss. Das „dasparkhotel“ findet man in zahlreichen Reisemaga-

zinen oder auf Websites. Oft wirdesalseinzigartigesErlebnis angepriesen. Oft geht es einfach darum, dass es witzig ist, in Röhren zu schlafen. Ein Gedanke,denStraussetwasbedauert. „Natürlich ist es besonders und ich verstehe, wieso es in die-

se ,Haha-Schiene‘ abgedriftet ist. Aber die Basis bleibt für mich immer temporäre, legale und anonymeGastfreundschaft.Eigentlich kann ich es schon gar nicht mehr sehen, aber gleichzeitig liebe ich es“, sagt Strauss. – R. ZIFFER-TESCHENBRUCK