schweigen

Der Kreml hält die schweren Vor- würfe für unbewiesen. „Solange nicht irgendwelche ... Warum wurde das Moskauer La- bor jvon der WADA suspendiert?
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M IT TW OC H , 11. NOVEM BER 20 15

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Wenn die Strippenzieher

schweigen Franz Beckenbauer hat nach den jüngsten Vorkommnissen um die WM-Vergabe Erklärungsbedarf. Es geht um einen brisanten Vertrag. Franz Beckenbauer könnte viel Licht rund um die fragwürdige Vergabe der WM 2006 bringen. Aber er tut es nicht. Noch nicht. Nach Jahrzehnten als unantastbare Lichtgestalt rückt der „Kaiser“ erstmals in die Schattenwelt des Fußballs. Schon seit Beginn der WM-Affäre hat das makellose Image des Wahlsalzburgers immer wieder Kratzer abbekommen – nun geht der deutsche Fußball endgültig deutlich auf Distanz zu seinem Sommermärchen-Macher. Offen wie nie zuvor forderte die vorübergehende Spitze des schwer angeschlagenen DFB den Ehrenspielführer zu einer Erklärung in der WMAffäre auf. Indem die vorübergehenden Nachfolger des zurückgetretenen DFB-Chefs Wolfgang Niersbach die Unterschrift Beckenbauers unter ein brisantes Schriftstück vor der WM-Vergabe bestätigten, steht der 70-Jährige plötzlich im Zusammenhang mit den dunkelsten Gestalten des Geschäfts. Längst hat selbst der skandalumtoste Weltverband den früheren FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner geächtet. Nun ist zumindest bewiesen, dass es Überlegungen eines deutschen Deals mit dem Strippenzieher gab. Weitere Enthüllungen nicht ausgeschlossen. Es sei „höchste Zeit“, dass der damalige Präsident des Organisations-

FRANKFURT, SALZBURG.

komitees Stellung beziehe, formulierte DFB-Interimschef Rainer Koch. Beckenbauer müsse sich „intensiver“ in die Aufklärung der Vorgänge einbringen. Selbst als dieser fabulierte, „nicht einen einzigen Sklaven“ im umstrittenen WMGastgeberland Katar gesehen zu haben, oder von der FIFA-Ethikkommission vorübergehend gesperrt wurde, war ein solcher Ordnungsruf nie zu vernehmen gewesen.

„Wir haben die Bitte, dass er sich intensiver einbringt.“ Rainer Koch, DFB-Interimschef

Seit mehr als zwei Wochen ist Beckenbauer abgetaucht, nur drei dünne Statements ließ er seit Beginn des Skandals von seinem Management verbreiten. Zuletzt räumte er zwar den „Fehler“ ein, auf einen Vorschlag der FIFA-Finanzkommission eingegangen zu sein – ließ aber unzählige Fragen offen. Ob Fußball-Deutschland mit dem Weltmeister, WeltmeisterTrainer und WM-Beschaffer bricht, wird erst der weitere Verlauf der Affäre zeigen. Nicht auszuschließen, dass Beckenbauer mit seiner nonchalanten Art doch noch die Fans wieder auf seine Seite zieht. Hilfe bei einer WM-Bewerbung?

Es sei nicht um Geld gegangen, beeilte sich Beckenbauer zu sagen. Der Emir habe Mohamed bin Hammam, ebenfalls stimmberechtigtes Exekutivmitglied und ebenso wie Warner inzwischen lebenslang verbannt, „angewiesen, dafür zu sorgen, uns ein paar Stimmen zu besorgen. In diesen Ländern wirst du angewiesen, da gibt es keine Diskussionen.“ Unklar ist auch die Rolle von Beckenbauer-Wegbegleiter Fedor Radmann. Zusammen hatten die beiden im Vorfeld der WM-Vergabe im Jahr 2000 Reisen in zahlreiche Länder unternommen, um auf Stimmenfang zu gehen. Ab Jänner 2001 war der Bayer dann Vizepräsident des Organisationskomitees, er hat auch die Unterschrift Beckenbauers auf dem jetzt aufgetauchten Dokument paraphiert. Radmann schweigt derzeit, hat aber immer festgehalten, dass „das Bewerbungskomitee niemals irgendjemanden bestochen hat. Ich bin sogar bereit, das zu beeiden.“ Radmann ist auch in Salzburg kein Unbekannter. Bis Jänner 2007 war er Geschäftsführer der Bewerbung der Stadt Salzburg für die Winterspiele 2014, legte dann aber sein Amt „aus gesundheitlichen Gründen“ zurück. Gerüchte, er habe es unter Druck des russischen Mitbewerbers Sotschi gemacht, ließen sich nie beweisen. SN-drob, dpa

Franz Beckenbauer und Fedor Radmann waren ein Erfolgsteam.

BILD: SN/GEPA

Schriftliche Stellungnahmen Franz Beckenbauer Die wichtigsten schriftlichen Stellungnahmen von Franz Beckenbauer in der Causa WM 2006: Sonntag, 18. Oktober: „Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fußball-WM 2006 nach Deutschland zu akquirieren. Und ich bin sicher, dass dies auch kein anderes Mitglied des Bewerbungskomitees getan hat.“ Montag, 26. Oktober: „Es ist mir wichtig, Folgendes klarzustellen: 1. Es wurden keine Stimmen gekauft, um den Zuschlag für die

Fußball-WM 2006 zu bekommen. 2. Um einen Finanzierungszuschuss der FIFA zu erhalten, wurde auf einen Vorschlag seitens der FIFA-Finanzkommission eingegangen, den die Beteiligten aus heutiger Sicht hätten zurückweisen sollen. Für diesen Fehler trage ich als Präsident des damaligen Organisationskomitees die Verantwortung. Um die weiteren Befragungen nicht zu beeinträchtigen, werde ich mich anders als andere Beteiligte, deren Verhalten ich teilweise als unsäglich empfinde, derzeit nicht weiter äußern.“

Russland – eine der größten Sportnationen steht im Abseits Dem Veranstalter der Winterspiele 2014 und der Fußball-WM 2018 droht der Bann für Rio 2016. Die wichtigsten Fragen. SALZBURG. Doping, Korruption, Machtmissbrauch, Verschleierung – der WADA-Bericht über systematischen Betrug in der russischen Leichtathletik hat zwar wie eine Bombe eingeschlagen, kam für Insider aber nicht so überraschend. Dennoch wird nun über drastische Konsequenzen beraten: lebenslange Sperren für Sportler und ein Ausschluss des russischen Leichtathletik-Verbandes ARAF. Das würde auch den Olympia-Bann für Rio 2016 bedeuten. Wir fassen die wichtigsten Fragen zusammen.

Welche Sanktionen hat die WADA-Kommission empfohlen?

Die gravierendste Forderung in dem 323-seitigen Report ist der Aus-

Eher trotzig und fast beleidigt: Der Kreml hält die schweren Vorwürfe für unbewiesen. „Solange nicht irgendwelche Beweise genannt werden, fällt es schwer, die Beschuldigungen anzunehmen. Sie haben weder Hand noch Fuß“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag. Das russische Sportministerium hält die Vorwürfe für politisch motiviert.

schluss des russischen Leichtathletik-Verbandes ARAF aus dem Weltverband IAAF. Damit droht der Bann von Weltmeisterschaften oder gar Olympischen Spielen. Auf Lebenszeit sollten fünf Athletinnen, vier Trainer und der Chefmediziner des Verbandes gesperrt werden.

Welche Maßnahmen kann das Internationale Olympische Komitee (IOC) ergreifen?

Das IOC selbst wird genau überprüfen, ob sanktionierte Leichtathleten beispielsweise 2012 in London zu den olympischen Medaillengewinnern gehörten. In diesem Fall droht der Verlust der Medaillen.

Wie hat man in Russland reagiert?

Warum wurde das Moskauer Labor jvon der WADA suspendiert?

Unter Generalverdacht: Russlands Leichtathletik. BILD: SN/AP

In dem jüngsten Bericht wird den Verantwortlichen vorgeworfen, an Dopingmanipulationen beteiligt gewesen zu sein. Laborchef Grigori Rodschenko wurde als „Helfer und Mittäter“ bei den illegalen Maßnah-

men bezeichnet – mehr als 1400 Dopingproben sollen beseitigt worden sein.

Welche Rolle spielt der neue IAAF-Präsident Sebastian Coe?

Der Brite muss eine der größten Krisen der Leichtathletik bewältigen. Schon nach seiner Wahl im August hatte er angekündigt, den Verband einer grundlegenden Revision zu unterziehen. Kritiker werfen ihm allerdings vor, als IAAF-Vize acht Jahre lang unter seinem Vorgänger Lamine Diack treu gedient zu haben. Die französische Justiz hat Anklage gegen den 82-Jährigen aus dem Senegal erhoben. Er soll gegen Zahlungen Dopingproben unterdrückt haben.