Digitalisierung im Tourismus - IHK Niedersachsen

Didaktik und eingesetzte Instrumente müssen dem aktuellen. Stand entsprechen. Die technische Ausstattung aller Bil- dungseinrichtungen muss zeitgemäß sein ...
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JULI 2015

Digitalisierung im Tourismus

Tourismus in Niedersachsen: digital mit Hindernissen Das Internet ist fester Alltagsbestandteil der Deutschen: 78 Prozent haben Zugang zum Internet, 56 Prozent auch mobil per Smartphone, Tablet oder Laptop. Durchschnittlich verbringt ein Internetnutzer in Deutschland 166 Minuten pro Tag im Netz. Urlaub, Reisen und Freizeit nehmen dabei einen großen Anteil ein. Laut FUR-Reiseanalyse nutzen 60 Prozent der Deutschen das Internet als Informationsquelle für ihre Reise, 41 Prozent haben schon online gebucht – Tendenz steigend. Wer in der Tourismusbranche am Markt bestehen oder gar wachsen will, muss sich der Digitalisierung stellen. Denn vom Volumen her wird die touristische Nachfrage in den nächsten zehn Jahren nicht mehr nennenswert zunehmen: die Zahl der Urlaubsreisen von Deutschen wird auf hohem Niveau stagnieren, prognostiziert die Reiseanalyse. Der Zuwachs an Auslandsgästen liegt in Niedersachen unter dem Bundesdurchschnitt, wie die amtliche Beherbergungsstatistik immer wieder zeigt. Umso wichtiger werden eine professionelle Internetpräsenz, ein ausgeprägtes Online-Marketing und eine kluge Online-Kommunikation. Hier liegen große Chancen, aber auch ebenso große Herausforderungen für Niedersachsens Tourismus. Und das zwingt nicht allein die Unternehmen zum Handeln. Der Niedersächsische Industrie- und Handelskammertag (NIHK) hat dies zum Anlass genommen, im Rahmen seiner Saisonumfrage den Ist-Zustand der Digitalisierung in der Branche genauer zu untersuchen, Defizite aufzuzeigen und daraus Handlungsbedürfnisse abzuleiten. Lesen Sie mehr dazu auf den folgenden Seiten im aktuellen „Fokus Niedersachsen“.

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Bei der Internet-Nutzung für die Urlaubsreise sind Information und Buchung nicht alles: digitale Berührungspunkte zwischen Gast und Anbieter liefert die gesamte „Customer Journey“ – von der ersten Idee über die Recherche nach passenden Angeboten, Preisvergleiche, den Besuch von Bewertungs -

portalen, der Freizeitgestaltung vor Ort bis hin zum Teilen von Bildern und Erlebnissen nach der Reise. Letzteres wiederum liefert Ideen für potenzielle künftige Gäste, womit der Kreis sich schließt

Bessere Breitbandversorgung nötig Geschwindigkeit des Internetzugangs (Gastgewerbe)

8,8 %

bis 2.000 kbit/s (2 Mbit/s)

20,1 %

über 2.000 bis 6.000 kbit (6 Mbit/s)

21,2 %

3,0 %

über 6.000 bis 20.000 kbit/s (20 Mbit/s) über 20.000 bis 50.000 kbit/s (50 Mbit/s)

7,3 % über 50.000 bis 100.000 kbit/s (100 Mbit/s) über 100.000 kbit/s (100 Mbit/s)

12,8 % 26,8 %

keine Angabe

Quelle: IHK-Saisonumfrage Niedersachsen Grundvoraussetzung für professionelle Online-Aktivitäten ist ein ausreichend schneller Internetanschluss. Nur so können Informationen und Bilder ohne Zeitverlust verarbeitet werden, nur so ist eine zuverlässige Online-Buchbarkeit und Zahlungsabwicklung möglich. Auch Gastgeber können nur dann ihren Gästen einen komfortablen Netzzugang anbieten. In Niedersachsen ist hier jedoch noch viel Luft nach oben:

Laut Saisonumfrage muss über die Hälfte der gastgewerblichen Betriebe mit weniger als 20 Mbit/s arbeiten. Zum Vergleich: Bis 2020 strebt das Land Niedersachsen eine flächendeckende Versorgung mit mind. 30 Mbit/s an, die Bundesregierung hat sich sogar 50 Mbit/s für alle bis 2018 als Ziel gesteckt. Es gibt also noch reichlich Handlungsbedarf!

Online-Aktivitäten sind Chefsache Nur wenn die Unternehmensleitung dahinter steht, werden Digitalisierungsstrategien Erfolg haben. 67 Prozent der befragten Gastgewerbebetriebe haben dies laut der Umfrage bereits erkannt: hier sind Online-Aktivitäten Chefsache. Gut so! Bei den Reisebüros und -veranstaltern liegt der Anteil bei knapp der Hälfte (48 Prozent). Zwar arbeiten die Reiseunternehmen ohnehin schon seit Jahrzehnten erfolgreich

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mit Informations- und Reservierungssystemen und können sich durchaus als „alte Hasen“ in Sachen Digitalisierung betrachten. Die neue Dimension, die sich durch erweiterte Marketingmöglichkeiten, veränderte Organisationsprozesse und nicht zuletzt durch den zunehmenden direkten Online-Kontakt mit dem Kunden ergibt, sollten sie dennoch nicht unterschätzen.

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Website – und was noch? Die gute Nachricht: die meisten gastgewerblichen Betriebe (96 Prozent) sowie Reisebüros und Reiseveranstalter (88 Prozent) betreiben eine eigene Internetseite. Buchungsportale, Facebook und E-Mail-Newsletter nutzen immerhin noch rund 40 bis 60 Prozent der befragten Unternehmen. Die wichtigsten Instrumente werden also mehr oder weniger bespielt (auch wenn die Umfrageergebnisse nichts über die Qualität der Angebote aussagen). Und doch bleibt noch viel Potential ungenutzt: längst etablierte Netzwerke wie YouTube,

Instagram, Google+ oder Twitter sind bei den befragten Unternehmen eher eine Ausnahmeerscheinung. Auch Blogs und Foren nutzen die wenigsten. Zwar müssen nicht alle denkbaren Kanäle bedient werden. Wahllos jeden digitalen Trend aufzugreifen, ohne die Zeit und Kapazitäten, es richtig gut zu machen bzw. ohne Mehrwert für die eigene Zielgruppe, wäre sicher ein Fehler. Dennoch – die Trends zu beobachten und auch mal auszuprobieren, ist Pflicht, um ggf. rechtzeitig aufspringen zu können.

Neukundengewinnung ist nicht alles! Eigene Website, Online-Newsletter, Blog, Facebook – das Internet eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, doch welche Ziele verfolgen die Tourismusbetriebe mit ihren Online-Aktivitäten? An erster Stelle steht hier mit großem Abstand die Neukundengewinnung. Das passt, denn die meisten haben eine Website, und die wiederum ist – wenn sie qualitativ hochwertig und suchmaschinenoptimiert ist – ein guter Ausgangspunkt für die Gewinnung neuer Gäste. Zusätzlich nutzen rund zwei Drittel Online-Medien für die Kundenbindung. „Nur“ rund zwei Drittel, kann man wohl sagen. Denn oftmals ist es wesentlich einfacher und kostengünstiger, Kunden, die man bereits einmal für sich gewinnen konnte und deren Wünsche und Gewohnheiten man kennt, an sich zu binden, als völlig Fremde für sich zu begeistern.

Gutes E-Mail-Marketing, spannende Blogs oder ansprechende Bilder und Aktionen bei Facebook, Instagram & Co. können hier gute Möglichkeiten sein, die nicht viel kosten müssen. Überraschend wenige Tourismusbetriebe jedoch haben Arbeitgebermarketing und Fachkräftegewinnung als Ziel ihrer Online-Aktivitäten definiert. Hier steckt jede Menge verschenktes Potenzial! Die Diskussion um Fachkräftemangel und frei bleibende Ausbildungsplätze ist allgegenwärtig. Ebenso das Wissen um die ausgiebige Nutzung digitaler Medien vor allem durch junge Leute. Warum wird diese Chance so wenig genutzt?

Ziele der Online-Aktivitäten

Arbeitgebermarketing/Fachkräftegewinnung

4%

Marketingkosten sparen (z. B. Druckkosten, Porto, …) Produktinformationen schnell verbreiten

Mehr mit dem Kunden interagieren

Kundenbindung

Neukunden generieren

Quelle: IHK-Saisonumfrage Niedersachsen

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33 % 43 %

55 %

51 % 47 %

Reisebüros/-veranstalter Gastgewerbe

29 % 37 % 62 % 68 % 73 %

86 %

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Fachkräftemangel bremst Digitalisierung Keine Personalkapazitäten bzw. mangelnde Qualifikation: Häufig scheitert die Einführung und Umsetzung einer professionellen Digitalisierungs-Strategie schlicht am Personal. Zwar ist die nötige Akzeptanz für das Thema vorhanden schließlich sind Online-Aktivitäten Chefsache. Zeit, die Strategie selbst zu planen und umzusetzen, hat die Geschäftsleitung aber häufig trotzdem nicht. Die vorhandenen Mitarbeiter sind schon voll ausgelastet, und neue, gut ausgebildete Fachkräfte sind Mangelware. Oder nicht im Budget. Oder beides.

Dass Digitalisierung auf der anderen Seite auch zu Kostenersparnissen und Produktivitätssteigerungen führen kann (z. B. durch den Wegfall von Druck- und Portokosten, Automatisierung von Arbeitsabläufen, höhere Mitarbeitermotivation, …), ist dabei häufig nicht im Bewusstsein der Akteure. Um den stetig wachsenden Bedarf an digital qualifiziertem Personal langfristig zu decken, muss sich außerdem einiges in den Schulen, bei der Aus- und Weiterbildung, an Hochschulen, aber auch in der Lehreraus- und Fortbildung tun.

Hemmnisse für die digitale Entwicklung (Gastgewerbe)

Fehlende Akzeptanz bei Geschäftsleitung bzw. Belegschaft 2,9 11,3 Rechtliche Unsicherheiten

19,8

15,1

Kein ausreichender Breitbandanschluss

25,3

27,2

17,9

Hohe finanzielle Belastung / hohe Investitionskosten

12,3

30,4

Sicherheitsprobleme (Hackerangriffe, Viren, Datenklau,…)

14,3

25,7

Fehlende technische Ausstattung Nicht ausreichende Schulung/Qualifizierung der Mitarbeiter Fehlende personelle Ressourcen

trifft zu

trifft eher zu

8,3

56,2

14,7

20,6

25,9

13,1

12,4

31,3

11,1

27,8 18,4

20,0

27,8 30,6

20,7

trifft eher nicht zu

26,0

31,7

9,7

20,8 31,6

10,0

36,5

7,4

20,6

8,0

21,7

6,7

19,2

trifft nicht zu

8,7

k. A.

Quelle: IHK-Saisonumfrage Niedersachsen

Sicherheits- und Rechtsfragen Wie sicher sind meine Kundendaten und Ideen vor Datenklau, Missbrauch, Viren & Co.? Ungeklärte Sicherheitsfragen stellen für viele Unternehmer ein Digitalisierungs-Hemmnis dar. Das gilt genauso für rechtliche Unsicherheiten: Welche Daten darf ich veröffentlichen? Was muss ich z. B. bei der Nutzung von

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Bildern und Verlinkungen beachten? Und was ist, wenn ein WLan-nutzender Gast illegal handelt? Wer sich im digitalen Markt bewegt, muss sich zwingend mit Sicherheits- und Rechtsfragen auseinandersetzen. Das kostet Zeit, die in den Unternehmen ohnehin knapp ist.

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Unterstützung erwünscht Viele touristische Akteure können die Herausforderungen der Digitalisierung nur schwer allein meistern. Das spiegelte schon das Sparkassen-Tourismusbarometer aus 2014 wider: demnach wünschen sich fast alle Befragten Unterstützung durch einzelbetriebliche Beratung, Leitfäden, Seminare oder Ähnliches. Und dass dies bei den in der Tourismusbranche häufig begrenzten personellen und finanziellen Möglichkeiten nicht viel kosten darf, ist bekannt. Die ersatzlose Streichung

der Beratungsförderung im Rahmen der neuen EU-Förderperiode ist unter diesen Umständen bedauerlich. Das von IHKs und HWKs umgesetzte Weiterbildungsförderprojekt „IWiN“ wird nicht fortgeführt. Ein neues, aber leider deutlich „schmaleres“ Förderprogramm „WiN“, das vor allem hochpreisige Maßnahmen bezuschusst, geht in diesem Sommer an den Start. Es wird von der NBank administriert.

Was ist zu tun? Breitband ausbauen Das A und O ist eine flächendeckende Versorgung mit leistungsfähigen Breitbandanschlüssen. Niedersachsens Tourismus spielt sich nicht nur in den Städten, sondern auch und gerade im ländlichen Raum ab. Um hier erreichbar zu sein, sich professionell vermarkten zu können und auch den Gästen auf Wunsch leistungsfähige Internetzugänge anbieten zu können, muss der Breitbandausbau in der Fläche schnell vorangetrieben werden. Das Ziel bis 2020 eine flächendeckende Versorgung mit mind. 30 Mbit/s im Land zu haben, scheint weit entfernt – erst recht, wenn man auf den Ausbau mit zukunftsorientierten Glasfaserkabeln setzen will. Wenn Land und Bund es mit der Digitalisierung ernst meinen und hiesige Unternehmen auch langfristig im Wettbewerb bestehen sollen, müssen also dringend mehr Investitionsmittel in den Breitbandausbau fließen. Mehr Digitalisierung in Schule, Ausbildung und Studium Ohne kompetentes und entsprechend geschultes Personal ist eine erfolgreiche Digitalisierung nicht zu stemmen. In Schulen, Aus- und Weiterbildung, Hochschule, aber auch Lehreraus- und Fortbildung muss das Thema ausreichend Raum bekommen und ständig weiterentwickelt werden. Methodik, Didaktik und eingesetzte Instrumente müssen dem aktuellen Stand entsprechen. Die technische Ausstattung aller Bildungseinrichtungen muss zeitgemäß sein. Digitalisierungsprojekte fördern Viele kleine und mittlere Betriebe haben wenig Personal und arbeiten mit begrenzten finanziellen Ressourcen. Eine umfangreiche und kompetente Auseinandersetzung mit rechtlichen und Sicherheitsaspekten, neuesten Trends und Techniken im Onlinemarketing erscheint vielen im Alltag als nicht leistbar. Um diese Hürden zu senken, muss die Förderkulisse

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des Landes Möglichkeiten eröffnen, betroffene Unternehmen zu unterstützen. Mit mehr Mut und klaren Zielen zur Innovation Allen Schwierigkeiten zum Trotz: Beim Thema Digitalisierung geht es nicht mehr um das „ob“, sondern nur noch um das „wie“. Das erfordert Zeit, vielleicht auch Mut und Risikobereitschaft. Doch die Alternative wäre stehenzubleiben und dem Markt hinterherzulaufen, bis man mittel- bis langfristig ganz verschwunden ist. Digitale Themen gehören in die Zielplanung touristischer Unternehmen, die regelmäßig überprüft und ggf. aktualisiert werden muss. Digitale Medien mehr für Arbeitgebermarketing nutzen Noch ist Arbeitgebermarketing und Fachkräftegewinnung offenbar kein oder nur ein untergeordnetes Ziel von OnlineAktivitäten niedersächsischer Tourismusbetriebe. Hier ist ein Umdenken gefragt! Wer junge Fachkräfte sucht, sollte sie dort abholen, wo sie am besten erreichbar sind – und das sind nun mal das Internet und die sozialen Medien. Vorhandene Hilfsangebote nutzen Es gibt bereits eine Reihe von Hilfsangeboten für Unternehmen zum Themenfeld Digitalisierung. Die IHKs zum Beispiel stellen vielfältige Informationen in ihren Internetangeboten zur Verfügung, sie organisieren Veranstaltungen und Seminare. Auch regionale Initiativen, Netzwerke und Stammtische können wertvolle Ideen- und Antwortgeber sein. All diese Angebote helfen allerdings nur, wenn sie auch genutzt werden!

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Ansprechpartner für den Fokus Niedersachsen NIHK-Sprecher für Tourismus Martin Exner, Tel. 04131 742-123, E-Mail: [email protected]

NIHK Hinüberstr. 16-18, 30175 Hannover Tel. 0511 33708-75 E-Mail: [email protected] Der NIHK vertritt rund 270.000 Unternehmen in Niedersachsen. Mitglieder sind die die IHK Lüneburg-Wolfsburg, die Oldenburgische IHK, die IHK Osnabrück – Emsland – Grafschaft Bentheim, die IHK für Ostfriesland und Papenburg sowie die IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum. Der Fokus Niedersachsen erscheint in regelmäßigen Abständen zu aktuellen Themen aus Wirtschaft und Politik und steht unter www.n-ihk.de/Publikationen auch zum Download zur Verfügung.

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