die neuen Waldbewohner

Mischwald genügend Satelliten erreicht, fliegt er gar nicht erst los. „Der Wald dämpft das. Signal schon deutlich“, sagt er. Die. Drohne schwebt mittlerweile über dem. Waldweg zwischen den Bäumen umher. Immer wieder versetzt sie ein Windstoß ein Stück nach links. Daniel steht mit. Sicherheitsabstand vor ihr und steuert.
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die neuen Waldbewohner TEXT ROBERT ZIFFER-TESCHENBRUCK FOTOS DITZ FEJER

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Der Wald ist so ziemlich der letzte Ort, an dem man erwarten würde, von Drohnen beobachtet zu werden. Das könnte sich ändern. Ein steirisches Start-up versucht, die unbemannten Flugobjekte als nützliche Waldarbeiter einzusetzen.

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DIE DROHNE UND IHR HERR. GEMEINSAM SEHEN SIE MEHR ALS EIN TEAM VON FÖRSTERN. ZUMINDEST KURZFRISTIG.

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n einer Waldlichtung nahe St. Pölten trefen sich sieben Menschen. Sie tragen alle festes Schuhwerk und leichte Jacken. Die Sonne strahlt zwischen den langgezogenen Kondensstreifen am Himmel hindurch. Durch den starken Wind knarren die Bäume wie alte Holztüren und wiegen sich von links nach rechts. Nur der Wind ist zu hören, und das Zwitschern der Vögel. Und dieses eigenartige Piepsen vom Boden. Daniel Lercher ist einer der sieben auf der Waldlichtung und man erkennt ihn am einfachsten an der langen, schwarzen Teleskopstange mit der Antenne am oberen Ende, die neben ihm steht. In der Hand hält Lercher einen sogenannten Flight Controller, der eigentlich gar nicht anders aussieht als die Geräte, mit denen Kleinkinder ihre Autos durchs Wohnzimmer steuern. Und dann wird das Piepsen lauter: Die Motoren starten und das klingt dann schon nicht mehr wie ein Kinderspielzeug. Die Propeller fangen an, sich zu drehen, und blasen die am Boden liegenden braunen Blätter in alle Richtungen. Langsam steigt die Drohne auf. Sie sieht ein wenig aus wie eine überdimensionale Spinne. Ein surreales Gefühl macht sich breit. Eine Drohne? Hier im Wald? Spätestens seit eine von ihnen beim Slalom in Madonna di Campiglio abstürzte und dabei fast Marcel Hirscher traf, weiß so ziemlich jeder Österreicher, was eine Drohne ist. Daran ist im

Grunde auch nichts falsch, denn diese Geräte werden im Alltag immer präsenter. Egal, ob der US-amerikanische Versandhandel Amazon Pakete mit Drohnen ausliefert, im Parlament über Privatsphäre diskutiert oder im Fernsehen live ein Skirennen übertragen wird – überall ist die Drohne oder das unbemannte Lutfahrzeug, wie es im Beamtendeutsch heißt, in Gebrauch. Oder zumindest Gesprächsthema. Drohnen werden als Spielzeug angesehen, immerhin sind sie mittlerweile auch in jedem Elektrofachmarkt um die Ecke erhältlich. In jeglicher Größe, Form und Farbe. Die Verkäufer weisen zwar darauf hin, dass der Besitzer für diese Drohne womöglich eine Genehmigung braucht, genau wissen sie es aber auch nicht. Und schon ist die Drohne gekaut und treibt in der Nachbarschaft wackelnd ihr Unwesen. Und nun, so scheint es, kommen diese Dinger auch dort an, wo man sie am allerwenigsten erwarten würde. Dort, wo keine Menschen sind – in der Natur.

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aniel Lercher sieht zumindest nicht so aus, als wüsste er nicht, was er tut, im Gegenteil: Er hat alles im Grif und für ihn ist eine Drohne kein Spielzeug, sondern Arbeitsgerät. Bevor er sie steigen lässt, kontrolliert er alle Parameter. Ob sie richtig steht und genügend Abstand von anderen Objekten hat. Die Drohne wird über GPS gesteuert, und wenn sie nicht

genügend Satelliten erreicht, fliegt er gar nicht erst los. „Der Wald dämpt das Signal schon deutlich“, sagt er. Die Drohne schwebt mittlerweile über dem Waldweg zwischen den Bäumen umher. Immer wieder versetzt sie ein Windstoß ein Stück nach links. Daniel steht mit Sicherheitsabstand vor ihr und steuert sie. Er kaut Kaugummi, wippt ab und zu mit dem Fuß, und er wirkt durch und durch gelassen. Daniel liegt stets nur auf Sicht, das ist auch gesetzlich so vorgeschrieben. Immer wieder verweist er darauf, dass er das Wort Drohne nicht gern benützt, da es negativ belastet ist. Er fliegt einen Copter und hat sich davor die nötige Genehmigung von der Austro Control besorgt. „Wir sind in der leichtesten Klasse, also unter fünf Kilo, und dürfen nur über unbebautem Gebiet liegen“, sagt er. Außerdem dürfe er auch keine Menschen überliegen, was in seinem Fall, beim Fliegen im Wald, ja generell nicht so das Problem sei. Heute ist es zu windig, um die Drohne über die Baumwipfel hinaus steigen zu lassen. Normalerweise liegt er in einer Höhe von 150 Metern, die gesetzlich zugelassene Höchstlughöhe. Über die Kamera an der Drohne verfolgt er den Flug in Echtzeit. Außerdem kann er Parameter wie Akkulaufzeit, Höhe oder Schnelligkeit über einen Bildschirm am Controller sehen. Die grenzenlose Aussicht über den Wald aus 150 Metern Flughöhe ist aber nicht der Grund, wieso er hier liegt.

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Ein Modell, errechnet aus den Daten der Drohne: Warnhinweise zeigen an, wo das Fluggerät potenziell gefährdete Bäume gefunden hat.

Daniel Lercher mit seiner Steuereinheit, die nicht viel anders aussieht als ein Kinderspielzeug.

rationen aus. Von einem befallenen Baum breiten sie sich dann im Handumdrehen aus. Vor allem für große Waldbewirtschafter wie die Österreichischen Bundesforste ist es deswegen enorm wichtig, frühzeitig zu erkennen, wo im Revier Bäume befallen sind oder befallen werden könnten. Gemeinsam mit dem Start-up Festmeter, zu dem Lercher gehört, haben die ÖBf nun ein Pilotprojekt gestartet, das den Einsatz modernster Technik testet.

Die Drohne im Detail unter 5 kg (leichteste Zulassungsklasse) GEWICHT

KOSTEN

über 10.000 Euro BAUART 6 Arme (Hexacopter), großteils aus Carbon (weil leicht), schwarz. Der Copter verfügt über zwei GPSModule, eines für den Kamerabetrieb, eines für den Flight Controller. An der Unterseite hängen Kamera und Akku. AKKU Der LithiumPolymer-Akku reicht für 15–25 Minuten Flug, je nach Wind und Wetter. Normalerweise wird in einer konstanten Höhe von 150 Metern geflogen. Im Flachland ist das

einfach, im Gebirge muss logischerweise die Tektonik ausgeglichen werden. Das kostet Akkulaufzeit. RECHTLICHE LAGE Es gibt vier unterschiedliche Kategorien von Drohnen – Spielzeug, Flugmodell, Klasse 1 und 2. Für Drohnen der ersten beiden Kategorien benötigt man keine Bewilligung, man darf aber nur über unbemanntes Gebiet fliegen. KAMERA Die Aufnahmen stammen von einer Multispektralkamera. Sie überträgt das Bild live und man hat eine FPV (First Person View). Die Kamera hängt auf einem sogenannten Gimbal, der die

einanderliegende Motoren ausfallen, neigt sich die Drohne etwas in diese Richtung, aber auch das stellt kein Problem GESCHWINDIGKEIT/HÖHE Bei Datenaufnahmen dar). Backup-System fliegt der Copter ca. gibt es keines, da mit der Drohne sowieso 15 Meter pro Sekunnur im unbewohnten de. Außerdem muss und unbebauten Gedie Drohne immer biet geflogen wird. auf Sicht geflogen werden, obwohl alle Wenn sie abstürzt, sollte normalerweise Parameter wie Geschwindigkeit, Koor- niemand zu Schaden dinaten, Akkulaufzeit kommen – außer die Drohne selbst. etc. in Echtzeit am HERSTELLER Festmeter Flight Controller zu (http://www.festmesehen sind. ter.at/) Start-up seit NOTFÄLLE UND AUSFALL VON MOTOREN Wenn ein 2014 aus Leoben. Motor (von 6) ausfällt KONTAKT [email protected] – passiert nichts. Wenn zwei Motoren ausfallen, kommt es darauf an, welche (wenn zwei neben-

Schwankungen der Drohne ausgleicht. Wird auch als Kardanische Aufhängung bezeichnet.

FOTO: FESTME TER

Lercher ist Teil eines Start-ups, das testet, wie man Drohnen im Wald einsetzen kann. Im konkreten Fall geht es dabei um die Einsatzmöglichkeiten bei der Borkenkäferprävention. Die Käfer sind eines der größten Übel für Forstbetriebe und gerade nach dem warmen und trockenen Sommer des Jahres 2015 droht den Wäldern 2016 neuerlich Gefahr. Die Borkenkäfer breiten sich nämlich in Windeseile aus, in warmen Jahren liegen von ihnen bis zu drei Gene-

Lercher will dabei mit seiner Drohne gestresste, also bereits geschwächte oder geschädigte Bäume aufspüren. Dazu nimmt er aus der Lut mit einer sogenannten Multispektralkamera Bilder des Waldes auf. Die daraufolgende Datenanalyse ermöglicht es dann, selbst in entlegensten Gegenden bereits befallene Bäume zu erkennen – besser und schneller als jeder Förster. Für die Analyse wird der Chlorophyllgehalt der Bäume herangezogen. Die Unterschiede im Blattgrün sind durch

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das menschliche Auge nicht erkennbar. Hier helfen die opto-elektronischen Sensoren der Kamera. Die Drohne ist eine Eigenkreation, großteils aus Carbon, damit sie leichter ist und daher länger liegen kann. Trotzdem kommt man maximal auf eine Flugzeit von 25 Minuten.

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esteuert wird das Gerät mit einem GPS-Modul, die Aufzeichnung der Daten läuft ebenfalls GPS-unterstützt. In der ersten

Testphase hat Lercher das Forstrevier Türnitz überlogen, die Daten wurden in 3D-Karten umgewandelt und dann von seinem Team gemeinsam mit den Bundesforsten ausgewertet. Tatsächlich haben die ÖBf-Experten so potenziell anfällige Bäume ausgemacht und sogenannte Hotspots für zukünftige Borkenkäferattacken ausfindig gemacht, ohne langwierig zu Fuß das ganze Forstrevier durchkämmen zu müssen. Für die Zukunt klingt das jedenfalls bereits sehr verheißungsvoll.

WER EINE DROHNE FLIEGT, DER FINDET SOGAR DIE NADEL IM HEUHAUFEN.

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Die Kamera in der Drohne analysiert den Chlorophyllgehalt in den Bäumen – und kann so erkennen, welcher Baum ein potenzielles Opfer für Borkenkäfer ist.

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er große Vorteil an dem Projekt läge darin, dass man in relativ kurzer Zeit eine große Fläche erforschen könnte. „Mit den vorhandenen Personalressourcen wäre das in diesem Ausmaß gar nicht möglich“, sagt Peter Weißnar, der ÖBf-Revierleiter. Er ist gerade unterwegs zum nächsten Hotspot, den ihm die Drohne aufgespürt hat. Gemeinsam mit drei Kollegen will er dort die Ergebnisse überprüfen. Die Förster starren auf ihren Laptop und tippen auf ihr GPS-Gerät. Wo ist jetzt der befallene Baum tatsächlich? Oder besser: Wo ist der Baum, den die Sotware als befallen gemeldet hat? Trotz genauester GPS-Daten ist es nämlich nicht immer einfach, die richtigen Bäume zu inden. „Das ist so, wie wenn jemand Fieber hat“, sagt Weißnar. „Von drei Metern Entfernung kann man das vielleicht nicht erkennen, aber krank ist er ja trotzdem schon, auch wenn er vielleicht noch gar keine Symptome zeigt.“ Durch das Verfahren könne man die Bäume, die anfällig sind, schon bevor der Borkenkäfer ausliegt, erkennen, periodisch beobachten und im Notfall entfernen.

» Wenn jemand fieber hat, sieht man das auch nicht mit freiem auge. «

Bei dem Projekt geht es nämlich vor allem um Prävention. Und gerade in diesem Frühjahr ist sie besonders wichtig, weil die klimatischen Bedingungen der vergangenen Monate für die Borkenkäfer nahezu ideal waren. Für Monika Kanzian, die als Forschungsverantwortliche das Projekt für die Bundesforste koordiniert, ist deswegen klar, dass es bald weitere Tests geben soll. Kanzian: „Bei der Borkenkäferbekämpfung haben wir nie viel Zeit, da sie sich sehr schnell ausbreiten. Man muss da eben immer sehr schnell reagieren und hat dann mitunter große Flächen im Auge zu behalten.“ Der Drohneneinsatz kann da helfen. Für Kanzian ist es deswegen durchaus möglich, dass es im Frühjahr auch in anderen Gegenden Tests geben kann.

Und auch für den Revierleiter wäre das ein gutes Zeichen. Obwohl die Bäume hier sehr viel Niederschlag bekommen und daher mit Nährstofen und Wasser gut versorgt werden, hat der Waldbestand zu kämpfen, sagt Weißnar: „Wir haben in dem Gebiet eine gute Baumartenmischung. Auch viel Laubholz, Lärche, Kiefer und nicht nur Fichte. Das minimiert die Käfergefahr, aber trotzdem ist sie da.“ Monika Kanzian geht jedenfalls davon aus, dass die meisten Kollegen sie sehen. Und auch wenn nicht alle neuen Projekten gegenüber so aufgeschlossen wären, könnte man sie eventuell langfristig überzeugen. Aber, so sagt Kanzian: „Die Drohne wird im Wald auch in Zukunt die Ausnahme und nicht die Regel sein.“ Das heißt, dass man wohl auch in Zukunt noch problemlos durch die Wälder laufen kann, ohne Angst haben zu müssen, von einer Drohne überwacht zu werden. Oder sich fürchten zu müssen, dass einem eine Drohne auf den Kopf fällt. Ein gutes Zeichen. Nicht nur für Marcel Hirscher.

Robert Ziffer-Teschenbruck hat als Kind immer mit ferngesteuerten Autos gespielt. An kleine Helikopter wollte er immer ran – aber er durfte nicht.

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