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ihr schon das Neueste mitbekommen? Die Wis- senschaftler in Berlin ... In der heutigen Ausgabe der Zeitung stand, dass die Wissenschaftler das Aussehen ...
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Carolina Hein

Die Macht der Elemente Jugendroman

© 2012 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2012 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-8459-0431-3 AAVAA Verlag www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt .

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TEIL EINS

1 Während Angelina wartete, bis ihr jemand die Tür öffnete, hüpfte sie vor Kälte von einem Fuß auf den anderen. Auch durch die geschlossene Tür hörte sie, wie die Leute im Inneren lachten und laut redeten. Hatte trotz des Lärms überhaupt irgendwer mitbekommen, dass sie eben geklingelt hatte? Als sie sich fragte, wie lange sie sich die Beine in den Bauch stehen musste, ging schließlich die Tür auf. Mit einem strahlenden Lächeln rief Nathalie: „Schön, dass du da bist!“ Bereitwillig schlüpfte Angelina in den Flur, wo Wärme sie empfing. Unzusammenhängende Sätze drangen in ihre Ohren. Einige Stimmen erkannte sie sofort. Also waren ihre Freunde auch schon da. Aus Gewohnheit umarmte Nathalie sie, wich jedoch sofort zurück und versteifte sich. „Meine

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Güte, du bist ja ein Eiszapfen! Raus aus der Jacke!“ Angelina folgte Nathalie in das Wohnzimmer, wo sich so viele junge Menschen versammelt hatten, dass ein Fremder den Eindruck gewinnen könnte, in eine Party geplatzt zu sein. An Gästen mangelte es nicht. Aber hier wurde nicht gefeiert. Es war bloß ein typischer Sonntagabend. „Magst du einen Kaffee?“, fragte Nathalie Angelina. „Hast du auch Kakao?“, fragte sie hoffnungsvoll, während sie ihre Finger rieb, die sich noch immer taub anfühlten. „Klar! Nimm doch schon mal Platz.“ Angelina setzte sich zwischen Lorenz und Mike. Auf dem Sessel neben Mike hatte es sich Marco gemütlich gemacht, während Basti und Tom, Lorenz' ehemalige Basketball-Teammitglieder, in der Mitte des Raumes einander einen kleinen, mit Reis gefüllten Beutel zuwarfen und ihn mit dem Fuß oder dem Unterarm zu fangen versuchten. „Bist du sicher, dass der Läufer tatsächlich so schnell gewesen ist, Tash?“, fragte Lorenz Stirn 4

runzelnd. „Das klingt nicht besonders realistisch.“ „Vielleicht war's ein als Mensch verkleideter Gepard“, warf Mike ein. „... der von einem Katapult geschleudert“, spann Marco den Gedanken weiter, „durch das RaumZeit-Kontinuum geflogen und in der Realität am Ziel angekommen ist.“ Genervt stöhnte Nathalie auf. „Herrje, da hatte wohl jemand einen Clown zum Mittagessen.“ Als Nathalie mit heißen Tassen ins Wohnzimmer ging, warf Basti den Reisbeutel in hohem Bogen Tom zu, der bei dem Versuch, diesen zu fangen, ins Schwanken geriet und beinahe Nathalie umstieß. „Wenn ihr so weiter macht“, warnte Nathalie, „verbrühe ich euch versehentlich hochsensible, äh, Körperteile.“ „Teilchen“, korrigierte Lorenz seine Stiefschwester. „In ihrem Fall sind es Körperteilchen.“ Cornelia, Lorenz' Stiefmutter, hatte diese Bemerkung ebenfalls gehört, als sie die Treppe hinunter ging. „Wann wirst du erwachsen, Lorenz?“

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Durch ihre Ärmel hindurch genoss Angelina die Wärme, die vom besonders großen Kakaobecher ausging. Draußen glitzerte Schnee im Licht der Straßenlaternen. Selig lächelnd lehnte sich Angelina zurück. Sie saß in diesem gemütlichen Raum im Kreise guter Freunde mit einer heißen Tasse ihres Lieblingsgetränks und dachte, dass sie erst dann wahres Glück erfuhr, wenn er endlich da war. - Er, dessen Abwesenheit sogar dafür sorgte, dass ihr Herz schon bei dem bloßen Gedanken an ihn schneller schlug. Gerade, als Cornelia das Haus verlassen wollte, um ihre jüngste Tochter abzuholen, klingelte es an der Tür. Laut und lärmend betrat Gloria das Haus wie eine Filmdiva. Dann warf sie theatralisch die Arme hoch. „Ihr glaubt nicht, was mir passiert ist!“ Ohne eine Reaktion abzuwarten, fuhr sie fort: „Heute wollte ich doch Schokoladenküsse mitbringen. Als ich also vom Einkaufen vollgepackt nach Hause gehe, setzt sich ein Spatz auf die Schachtel, die aus der Tüte ragt ...“ Amüsiert registrierte Angelina, dass Gloria eine Pause eintreten ließ, um sich zu vergewissern, dass ihr tat6

sächlich die Aufmerksamkeit aller gebührte. „... Plötzlich fällt mir alles aus den Händen, und die Mohrenköpfe landen auf dem Boden und liegen zerquetscht im Schnee!“ „Für gewöhnlich meiden Vögel so nahen Kontakt mit Menschen“, wandte Lorenz ein. Gloria riss die Augen weit auf. „So war es aber!“ „Kann es sein, dass du in die Disney-Zone gestolpert bist, wo Streifenhörnchen gesungen und Frösche getanzt haben?“, neckte sie Mike. „Wenn ich's doch sage!“, rief Gloria entrüstet. „Gib einfach zu, dass du die ganze Packung allein aufgegessen hast“, murmelte Mike. Empört stemmte Gloria die Fäuste in die Hüfte. „Habe ich nicht!“ Angelina schwante Böses. Sicher drohte ihnen allen einer von Glorias berühmten Wutanfällen, mit denen die Jugendliche ihre Freunde von Zeit zu Zeit terrorisierte. Tatsächlich bebten Glorias Nasenflügel, und ihre zusammengezogenen Augenbrauen verrieten, dass sie jeden Moment explodieren würde. Dank der lauten Türklingel verrauchte ihre Wut allerdings ebenso schnell, wie sie entstanden 7

war. Hochmütig warf Gloria ihr langes, schwarzes Haar zurück und stolzierte aus dem Wohnzimmer in den Flur. Wenige Sekunden später kehrte sie in Begleitung zurück. Als letzter Gast betrat Daniel den Raum. Angelinas Herz machte einen Sprung. Breitbeinig stand er einen Moment lang im Raum, und es war, als beherrschte er diesen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Was Angelina so sehr faszinierte, war mehr seine Ausstrahlung als sein hoch gewachsener, trainierter Körper. Natürlich gefielen ihr seine Muskeln, die jahrelanger Kampfsportunterricht gestählt hatte. Warum sie sich jedoch vor Monaten in ihn verliebt hatte, lag an seinem Charakter und daran, dass seine Augen, seine gesamte Mimik und Gestik stets signalisierten, dass er alles im Griff hatte. Sie konnte sich auf ihn verlassen. Er war da, wenn sie ihn brauchte. Wenn sie in seiner Nähe war, dann verflüchtigten sich ihre Sorgen. Lorenz rückte ein Stück zur Seite, damit sich Daniel neben Angelina setzen konnte. Mit einem sanften Wangenkuss grüßte er Angelina und legte den Arm um sie. Auch durch den Jeansstoff 8

hindurch spürte Angelina die Wärme, die von seinen Oberschenkeln ausging. Ein wohliges Gefühl durchflutete sie. Während ein paar ihrer Freunde die heutigen Nachrichten durchgingen, Marco und Gloria sich auf ein Fernsehprogramm zu einigen versuchten, drückte sich Angelina noch mehr an Daniel und raunte ihm zu: „Weißt du, dass du mein persönlicher Ofen bist?“ Amüsiert fragte Daniel: „Dein Ofen?“ Dabei streiften seine Lippen ihre Wangen und kitzelten sie. „Dann bist du mein Eiszäpfchen.“ Angelina grinste. „Auf eine paradoxe Weise ergänzen wir einander perfekt.“ Da sie sich unbeobachtet fühlten, küssten sie sich lächelnd, bis jemand rief: „Oh nee, jetzt geht das wieder los!“ Natürlich kam der Protestschrei von Gloria, die sie anstarrte. Diesen Augenblick nutzte Marco, um Gloria die Fernbedienung abzunehmen. Sofort hatte Gloria vergessen, dass sie Daniel und Angelina eigentlich rügen wollte, und versuchte erneut, Marco die Fernbedienung abzujagen.

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Da so viele Menschen zur selben Zeit laut durcheinander redeten, um andere zu übertönen, und da Daniel und Angelina sich erneut einander widmen wollten, war ihnen zunächst entgangen, dass Tom etwas sagen wollte. Also wiederholte er seine Frage. „Was macht das Studium, Daniel? Wie ich höre, studierst du Maschinenbautechnik.“ Bevor Daniel antworten konnte, rief Basti: „Habt ihr schon das Neueste mitbekommen? Die Wissenschaftler in Berlin untersuchen gerade die Knochenreste der Kreaturen, die vor fast zwei Jahren zum ersten Mal Menschen gejagt haben. In der heutigen Ausgabe der Zeitung stand, dass die Wissenschaftler das Aussehen mithilfe der Computer rekonstruieren können. Eines dieser Wesen ähnelt sogar einem Gorilla … Ist was?“ Sein Blick huschte von einem Augenpaar zum nächsten. Stille. Einen Augenblick lang rührte sich niemand im Raum. Es war, als hätte Basti mit einem Schwung die Tür eines Zimmers aufgerissen, das seit Monaten nicht betreten worden war, und dabei Bil10

der und Blätter vom Tisch gefegt. Nun lagen sie überall auf dem Boden und präsentierten Ereignisse, die einem den Brustkorb zuschnürten. Sie konfrontierten Lorenz, Nathalie, Mike, Marco, Gloria, Daniel und Angelina mit einem sehr finsteren Kapitel ihres bisherigen Lebens. - Einem Kapitel, das sie längst abgeschlossen zu haben glaubten. Verlegen starrte Angelina auf den Teppich. Das Licht zeichnete scharf umrissene Schatten des Fernsehtisches auf den Boden. Wie aus der Starre erwacht, sprang Lorenz auf. „Gehen wir los! Seit ich bei der Bundeswehr bin, fehlt mir das Basketballspiel am meisten.“ „War schon eine geile Zeit, als wir noch in der Schulmannschaft gespielt haben“, sagte Tom lächelnd. Wo war eigentlich Nathalie? Angelinas Blick wanderte durch den Raum. Eben hatte Nathalie noch im stark beleuchteten Wohnzimmer gesessen, nun verschwand sie beinahe vollständig im Halbdunkel der Küche. Ein wenig widerwillig löste sich Angelina aus Daniels Umarmung.

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Ohne das Licht einzuschalten gesellte sie sich zu Nathalie. „Denkst du, wir haben uns verändert?“ „Ein wenig“, antwortete Nathalie leise. Sie hatte die Arme verschränkt, so dass es aussah, als umarmte sie sich selbst. „Kaum kommt Lorenz am Wochenende nach Hause, will er so schnell wie möglich wieder fort. Plant Freizeitaktivitäten, hat zahllose Verabredungen und hetzt von einem Club zum nächsten. Sein Vater meint, er wisse kaum noch, wie Lorenz aussieht, so selten bekommt er ihn zu Gesicht.“ „Verständlich, dass Lorenz seine Freunde am Wochenende treffen will.“ „Nein.“ Nathalie schüttelte den Kopf. Leise fügte sie hinzu: „Er ist unruhig.“ Stumm beobachteten sie die jungen Menschen. Früher war es Angelina kaum aufgefallen, wie sehr Mike auflebte, wenn er von Computerspielen sprach, in denen es darum ging, eine Mission zu erfüllen und dabei möglichst viele Kriminelle umzubringen. Doch heute nahm sie ihn zum ersten Mal anders wahr. Seine Augen glänzten, seine Stimme war lauter als gewöhnlich. Er gestiku12

lierte wild, wenn er von unterschiedlichen Waffenmodellen schwärmte, die im Spiel zur Verfügung standen. Mikes Begeisterung für Waffen beunruhigte Angelina. Aber auch Marco lieferte Gründe zur Sorge. Als Marco die Flasche zum Mund führte, konnte Angelina trotz Basti und Tom, die lauthals über einen Witz lachten, vernehmen, wie Lorenz bemerkte: „Dein zweites?“ Johlend trotteten Basti und Tom in den Flur, von wo ihre Stimmen gedämpfter ertönten. „Hey, heute ist Sonntag!“, wandte Marco ein. Erst letztes Wochenende hatte sich Marco auf einer Party so sehr betrunken, dass er nicht mehr laufen konnte, weshalb Daniel und Mike ihn tragen mussten. Unterwegs hatte er sich übergeben. Eben hatte Mike Gloria ein wenig geärgert, da fing sie an, schimpfend auf ihn einzuschlagen. Was anfangs wie eine kleine Rauferei unter Freunden wirkte, in der sich allerdings einer nicht wehrte, artete Sekunden später in etwas aus, was Angelina einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Obwohl Mike lachte, sah man, dass 13

er angespannt war, weil Gloria immer energischer auf ihn einschlug. „Gloria!“, ermahnte Nathalie sie. Sogleich hörte die Jugendliche auf. „Was denn? Ist doch nur Spaß!“, begehrte sie auf. Doch der zornige Funke in ihren Augen verriet mehr, als sie ahnte. Stumm wechselten Nathalie und Angelina Blicke. Ihnen war klar, dass die Antwort auf die Frage, ob sie sich verändert hatten, sehr lautete. Nachdem Lorenz und seine beiden Freunde gegangen waren, schaltete Nathalie das Licht in der Küche ein und machte sich noch einen Cappuccino. „Mir geht es heute nicht so gut“, begann sie, ohne Angelina anzusehen, „Vielleicht solltet ihr heute ohne uns gehen. Robin und ich machen uns wahrscheinlich einen netten Abend bei ihm.“ Angelina stutzte. Eigentlich war es Nathalie gewesen, die vor Kurzem vorgeschlagen hatte, Tennis spielen zu gehen. Urplötzlich sagte sie ab. Fast war Angelina, als hätten die Schatten der Vergangenheit Nathalies Meinung geändert. Aber hatte sie nicht erst vor einigen Wochen ge-

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standen, dass Robin es ein wenig belastend fand, dass sie zu viel Zeit miteinander verbrachten? „Meine Eltern und Marie sind nächstes Wochenende bei Freunden in der Schweiz. Robin geht Ski fahren und Lorenz wird wieder unterwegs sein. Da könntet ihr - Gloria und du - am Freitag wieder bei mir übernachten. Machen wir uns einen tollen Mädelsabend!“ Mit einem Mal klang Nathalie sehr munter für jemanden, dem es nicht besonders gut ging. „Was hältst du davon?“ „Natürlich!“ Die monatelangen Kämpfe gegen die Monster und gegen Gamma 9 hatten Nathalie ziemlich beeinflusst. Für alle, die sie flüchtig kannten, war sie eine lebenslustige, selbstbewusste junge Frau. Manchmal jedoch gewährte Nathalie Nahestehenden einen kurzen Einblick in ihr Seelenleben. Und Angelina wusste, dass Nathalie sich fürchtete, allein zu sein, dass sie sich immer nach Gesellschaft sehnte. Wie sich die Begegnung mit Ploids auf Daniel ausgewirkt hatte, wusste Angelina nicht. Bevor Daniel das Team vervollständigt hatte, hatte sie 15