Die Interdependenzen zwischen Währungsunion und Politischer ...

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme ...
124KB Größe 3 Downloads 84 Ansichten
Bettina von Zanthier

Die Interdependenzen zwischen Währungsunion und Politischer Union in der Europäischen Union des Maastrichter Vertrages Ökonomische Funktionsbedingungen – nationale Souveränität – Integrationsautomatismus

disserta Verlag

Bettina von Zanthier

Die Interdependenzen zwischen Währungsunion und Politischer Union in der Europäischen Union des Maastrichter Vertrages Ökonomische Funktionsbedingungen – nationale Souveränität – Integrationsautomatismus

von Zanthier, Bettina: Die Interdependenzen zwischen Währungsunion und Politischer Union in der Europäischen Union des Maastrichter Vertrages. Ökonomische Funktionsbedingungen – nationale Souveränität – Integrationsautomatismus, Hamburg, disserta Verlag, 2011 ISBN: 978-3-942109-71-0 Herstellung: disserta Verlag, ein Imprint der Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Zugl.: Hamburg, Univ., Diss. 1996 / Die Dissertation wurde ursprünglich unter dem Geburtsnamen der Autorin, Bettina von Harder, erstellt und veröffentlicht.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen. © disserta Verlag, ein Imprint der Diplomica Verlag GmbH http://www.disserta-verlag.de, Hamburg 2011 Hergestellt in Deutschland

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Teil A: Einleitung ..................................................................1 I. Zielsetzung der Dissertation ...............................................1 1. Gegenstand der Untersuchung ................................................. 1 2. Fragestellung und Erkenntnisinteresse .................................... 6 3. Aufbau und Methodik der Arbeit .............................................. 8 4. Stand der Forschung ...............................................................11 II. Die Konstruktion der EWU im Maastrichter Vertrag .........16 1. Die Hauptergebnisse des Maastrichter Vertrages hinsichtlich der EWU .................................................................................16 2. Kritische Beurteilung der die EWU betreffenden Regelungen....25 2.1. Die Konstruktion des ESZB ............................................25 2.2. Der Übergang in die 3. Stufe ...........................................27 2.3. Die Konvergenzkriterien im einzelnen .............................29

Teil B: Die Interdependenz von EWU und PU .........................36 Kapitel I: Souveränitäts- und demokratietheoretische Aspekte der EWU ...........................................................................36 I. Das Souveränitätskonzept .................................................37 1. Theoretische Grundlagen und begriffliche Klärung ..................38 1.1. Die Entstehung des Begriffes ..........................................38 1.2. Souveränität und Staatsbegriff .......................................41 1.3. Innere und äußere Souveränität .....................................42 2. Auflösungserscheinungen der Souveränität im 20. Jahrhundert .....................................................................45 2.1. Auswirkungen wachsender internationaler Verflechtung auf die Souveränität .....................................46 2.2. Das Verhältnis der EG zur Souveränität der

Mitgliedstaaten vor Maastricht ..........................................52 3. Souveränität - Attribut des modernen Staates? - Versuch der Definition eines veränderten Souveränitätsbegriffes vor dem Hintergrund der europäischen Integration ..............................54 4. Exkurs: Souveränität der Mitgliedstaaten nach Maastricht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten .......................62 4.1. Das Souveränitätsverständnis einiger Mitgliedstaaten unter besonderer Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland .....................................................................62 4.2. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ....................68 II. Souveränitäts- und demokratietheoretische Bewertung der geld- und währungspolitischen Regelungen im Maastrichter Vertrag: Das Verhältnis der EG zur Souveränität der Mitgliedstaaten nach Maastricht ..........75 1. Staatlichkeit und Währung .....................................................75 1.1. Bedeutung und Rolle der Währung sowie der geld- und währungspolitischen Kompetenzen für einen Staat ...........76 1.2. Souveränitätstheoretische Bewertung der Vergemeinschaftung der Geld- und Währungspolitik im Maastrichter Vertrag .........................................................81 2. Staatlichkeit und Notenbank ...................................................84 2.1. Die Stellung von Zentralbanken im Staat ........................85 2.2. Die Einbettung einer unabhängigen Zentralbank in den staatlichen Rahmen am Beispiel der Deutschen Bundesbank .....................................................................92 2.2.1. Demokratische Legitimation der Deutschen Bundesbank als eigener geld- und währungspolitischer Instanz und sachliche Begründung ihrer Unabhängigkeit...........................................................92 2.2.2. Demokratietheoretische Rechtfertigung der Unabhängigkeit einer Zentralbank am Beispiel der Deutschen Bundesbank ..............................................97 2.3. Bedarf eine Europäische Zentralbank einer ihr übergeordneten "staatsleitenden Kraft"? ..........................107 2.3.1. Die Frage der demokratischen Rechtfertigung der EZB als unabhängiger Zentralbank ...........................108 2.3.2. Das Problem der faktischen Realisierbarkeit der Unabhängigkeit der EZB ...........................................112 2.3.3. Die Interdependenz von EWU und PU über die EZB .....................................................................114 3. Zusammenfassung ................................................................118

Kapitel II: Ökonomische Funktionsbedingungen der EWU ..121 I. Theoretische Grundlegung ..............................................123 1. Chancen und Risiken einer WU .............................................123 2. Theorie optimaler Währungsräume ........................................127 2.1. Darstellung der Theorie ................................................127 2.2. Die EG als optimaler Währungsraum? ..........................133 2.3. Wirtschaftspolitische Implikationen in einem nichtoptimalen Währungsraum ..............................................138 2.4. Die EG im Lichte der Theorie optimaler Währungsräume: Zusammenfassung und Bewertung .....................141 3. Alternativer Ansatz zur Theorie optimaler Währungsräume: Konvergenz als zentrale Funktionsbedingung der EWU .........142 3.1. Wirtschaftliche Konvergenz in ihren verschiedenen Ausprägungen: Nominale und reale Konvergenz ..............143 3.2. Reale und nominale Konvergenz als Funktionsbedingungen der EWU.....................................147 II. Analyse und Implikationen der Funktionsbedingungen der EWU .........................................................................154 1. Geldwertstabilität als Funktionsbedingung der EWU .............155 1.1. Funktionale Zusammenhänge zwischen WU und Finanz- und Budgetpolitik ..............................................155 1.2. Verschiedene Varianten der Disziplinierung der Budgetpolitik unter Berücksichtigung der funktionalen Zusammenhänge ............................................................162 1.2.1. Marktmäßige Disziplinierung ...............................164 1.2.2. Finanzpolitische Selbstbindung durch ein koordinierendes Regelsystem ....................................170 1.2.3. "Vergemeinschaftung" finanzpolitischer Kompetenzen ............................................................173 1.3. Institutionalisierung eines budgetpolitischen Regelsystems ..................................................................176 1.4. Zusammenfassung: Implikationen der Geldwertstabilität als Funktionsbedingung der EWU ....................187 1.5. Exkurs: Die wechselkurspolitische Kompetenz in der EWU .....................................................................188 2. Reale Konvergenz als Funktionsbedingung der EWU .............192 2.1. Funktionale Zusammenhänge zwischen WU und Wirtschaftspolitik über die Funktionsbedingung realer Konvergenz .....................................................................192

2.2. Konvergenz der Wirtschaftspolitik zur Verbesserung realer Konvergenz ...........................................................194 2.3. Finanzausgleich ...........................................................201 2.3.1. Strukturpolitisch motivierter Finanzausgleich mit dem Ziel der Verbesserung realer Konvergenz......202 2.3.2. Finanzausgleich zu Stabilisierungszwecken: Kompensierende Maßnahmen bei wirtschaftlichen Störungen .................................................................211 2.3.2.1. Diskretionäre gegenseitige Versicherung gegenüber länderspezifischen makroökonomischen Schocks .......................................212 2.3.2.2. Interregionale Haushaltsströme mit automatischen Stabilisatoren ..............................214 2.3.3. Auswirkungen eines Finanzausgleichs auf den Gemeinschaftshaushalt und die Einnahmenpolitik der Gemeinschaft ...........................................217 2.4. Zusammenfassung: Implikationen realer Konvergenz als Funktionsbedingung der EWU ...................................224 3. Exkurs: Geldwertstabilität und reale Konvergenz: Besondere Rolle der Lohnpolitik in der EWU .........................226 3.1. Funktionaler Zusammenhang zwischen WU und Lohnpolitik .....................................................................226 3.2. "Gemeinsame" Lohnpolitik bei Lohndifferenzierung .......229 III. Folgen der Implikationen der ökonomischen Funktionsbedingungen der EWU.....................................231 1. Staatliche Strukturen zur Gewährleistung der ökonomischen Funktionsbedingungen der EWU? ..................232 2. Souveränitätstheoretische Bewertung der ökonomischen Funktionsbedingungen der EWU ..........................................235

Teil C: Implikationen der Interdependenz von EWU und PU im Hinblick auf die Gesamtstruktur der Gemeinschaft .................................................................241 I. Die PU - funktionales System von Zuständigkeiten oder Staatsverband? ......................................................241 1. Die PU als funktionales System von Zuständigkeiten? ...........241 2. Umstrukturierung der EU in einen Staatsverband als Ausdruck ökonomischer, souveränitäts- und demokratietheoretischer Implikationen der EWU...................244

II. Strukturmodell eines Europäischen Bundesstaates .......246 1. Bestehende Verfassungsentwürfe ..........................................246 1.1. "Entwurf eines Vertrages zur Gründung der Europäischen Union" des EP vom 14. Februar 1984 .......247 1.2. "Entwurf einer Verfassung der Europäischen Union" des EP vom Februar 1994 ...............................................252 1.3. Reformprogramm für die EU der Europäischen Strukturkommission von 1994........................................255 2. Institutionelle und konstitutionelle Strukturen eines Europäischen Bundesstaates ................................................257 2.1. Institutionelle Anforderungen an einen Europäischen Bundesstaat .............................................258 2.1.1. Das Europäische Parlament .................................260 2.1.2. Der Ministerrat als Staatenkammer .....................263 2.1.3. Weiterentwicklung der Kommission zur Europäischen Regierung ...........................................266 2.2. Die konstitutionelle Ebene eines Europäischen Bundesstaates ................................................................267 2.2.1. Grundstrukturen einer Europäischen Verfassung................................................................267 2.2.2. Verfassungsmäßig zu verankernde staatliche Elemente ..................................................................269 2.2.3. Kernkompetenzen eines Europäischen Bundesstaates ..........................................................272 3. Die Europäische Union: Staat, aber nicht Nation ...................274

Teil D: Integrationstheoretische Voraussetzungen der Verwirklichung einer EPU ..............................................278 I. Die Bedeutung von Integrationstheorien für den zu untersuchenden Zusammenhang ....................................278 II. Die relevanten Theorierichtungen in der Übersicht ........280 1. Funktionalismus ...................................................................280 1.1. Funktionalismus im Sinne Mitranys .............................281 1.2. Neofunktionalismus .....................................................282 1.3. Rehabilitierung des Neofunktionalismus .......................285 2. Theorie des Föderalismus ......................................................290 3. Kommunikationstheorie ........................................................291

4. Bewertung der Integrationstheorien .......................................293 III. Darstellung der Eckpunkte der Integrationspolitik unter Bezugnahme auf den integrationstheoretischen Hintergrund ...................................................................295 1. Die Entwicklung der europäischen Integration bis zur Gründung der EWG ..............................................................295 2. Stagnation und Wiederbelebung der europäischen Integration ............................................................................303 3. Zwischenbilanz .....................................................................311 IV. Analyse des funktionalen Ansatzes hinsichtlich seiner Eignung für eine umfassende politische Integration .....................................................................313 1. Integrationstheoretische Analyse des Integrationsschrittes zur EWU .................................................................313 1.1. Die dem Maastrichter Vertrag vorausgehenden Anläufe hin zu einer WU .................................................313 1.2. Die der EWU zugrunde liegende politische Finalität ......315 2. Der Integrationsschritt zur PU: Rehabilitierung und Ergänzung der Theorie des Föderalismus ..............................320 2.1. Die Theorie des Föderalismus als adäquate Integrationsstrategie für den Schritt zu einer PU .............320 2.2. Handlungs- und interessentheoretische Voraussetzungen ............................................................323 2.3. Nationalstaatliche Interessen hinsichtlich einer PU .......325 3. Zusammenfassung und Bilanz ..............................................332

Teil E: Abschließender Exkurs: Historische Währungsunionen des 19. Jahrhunderts im Überblick ...................336 I. Zwei Typen von monetären Unionen im 19. Jahrhundert .............................................................338 1. Monetäre Unionen zwischen souveränen Staaten ..................339 2. Monetäre Unionen als Ergebnis politischer Integration ..........343 II. Die politische, wirtschaftliche und monetäre Entwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert: Vom Zollverein zum Deutschen Reich und zur Reichsbank ....................................................................345 1. Die politische und wirtschaftliche Entwicklung......................346 2. Die monetäre Integration .......................................................350

III. Währungsunionen im 19. Jahrhundert: Bilanz und Lehren ..........................................................353 1. Wirtschaftliche Konvergenz und Interdependenz zwischen WU und PU ............................................................353 2. Determinanten politischer Integration im deutschen Einigungsprozeß im 19. Jahrhundert ....................................356

Teil F: Zusammenfassung und Ausblick: Die EWU als Langfristperspektive ......................................................358 I. Zusammenfassung der Hauptergebnisse .........................358 II. Die Realisierungschancen der Voraussetzungen der Funktions- und Bestandsfähigkeit der EWU ...................363 III. Ausblick ........................................................................368

Bibliographie ......................................................................373

Anhang: Statistische Übersichten zur Konvergenz..............420 Tabelle 1: Nominale Konvergenzlage der Mitgliedstaaten der EG ..................................................................................420 Tabellen 2-5: Die nominalen Konvergenzkriterien im einzelnen ..............................................................................421 Tabellen 6a-10: Kriterien realer Konvergenz der Mitgliedstaaten der EG......................................................................425

1

Teil A: Einleitung I. Zielsetzung der Dissertation 1. Gegenstand der Untersuchung Anläufe zu einer Währungsunion (WU) auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaften (EG) sind nicht neu. Wiederholt wurden solche unternommen, konnten aber nie wie vorgesehen umgesetzt werden. Das weitreichendste Konzept zu einer Europäischen Währungsunion (EWU) stellt der Maastrichter Vertrag dar. Er ist das Ergebnis der einjährigen Regierungskonferenzen zur Wirtschaftsund Währungsunion (WWU) und zur Politischen Union (PU), die im Dezember 1991 in Maastricht ihren Abschluß fanden. Am 7. Februar 1992 wurde der Vertrag von Maastricht von den Mitgliedstaaten der EG unterzeichnet. Gegenstand der Untersuchung dieser Arbeit ist diese im Maastrichter Vertrag festgelegte EWU bzw. der dort festgelegte organisatorische und politische Rahmen der EWU. Die korrekte Bezeichnung des weithin als "Maastrichter Vertrag" bekannten Vertragswerkes ist "Vertrag über die Europäische Union" (EUV). Der EUV vom 7. Februar 1992 stellt die bisher umfassendste Änderung und Ergänzung der Römischen Verträge dar. Wie bereits die Einheitliche Europäische Akte (EEA) von 1986 ist der EUV als Mantelvertrag angelegt, der die einzelnen Elemente zusammenführt und sie auf eine neue Phase des Integrationsprozesses, die Europäische Union (EU), ausrichtet. In diesem Mantelvertrag sind die einzelnen Bestimmungen zur Änderung und Ergänzung der drei Gründungsverträge der EG, des EWG-Vertrages, des EGKS-Vertrages und des EAG-Vertrages, einschließlich der institutionellen Änderungen enthalten. Der geänderte EWG-Vertrag wird künftig EG-Vertrag (EGV) genannt. Strukturell stellt der EUV die EG auf drei Säulen. Neben dem EGV, der die "Vergemeinschaftung" der Geld- und Währungspolitik vorsieht und zudem um einige weitere Materien erweitert wurde,1 sind dies die beiden auf intergouvernementaler Zusammenarbeit basierenden Säulen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik 1

Diese sind: Sozialpolitik, berufliche Bildung, Jugendpolitik, Kultur, Gesundheitswesen, Verbraucherschutz, Transeuropäische Netze, Industriepolitik, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt, Forschung und Technologie, Umweltschutz und Entwicklungszusammenarbeit.

2 (GASP) sowie der Bereiche Justiz und Inneres. Formal ist die Bezeichnung "EU" nur dann korrekt, wenn auf die drei genannten Säulen insgesamt Bezug genommen wird. Grundlage und unvermindert der mit Abstand wichtigste Teil der EU, die ihrerseits über keine Rechtspersönlichkeit verfügt, ist hingegen nach wie vor die EG.2 In Orientierung an dieser formalen Bezeichnung ist der Begriff der "EU" entsprechend nur in den seltensten Fällen zutreffend. So wird auch in dieser Arbeit in erster Linie von der "EG" die Rede sein. Um jedoch der "politischen Vision", die sich aus den wirtschaftspolitischen sowie souveränitäts- und demokratietheoretischen Implikationen der EWU ergibt, gerecht zu werden, wird die formal korrekte Bezeichnung aufgegeben und der Begriff der "EU" anstelle des Begriffes der "EG" an den Stellen verwandt, an denen es sich um zukünftige, auf eine PU verweisende Entwicklungen bzw. Entwürfe handelt. Gemäß Art. N EUV soll 1996 eine Revisionskonferenz beginnen, bei der die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten diejenigen Vertragsbestimmungen prüfen werden, für die explizit eine Revision vorgesehen ist. Laut Vertrag gehören die Bestimmungen zur WWU nicht zu diesem Bereich. Allerdings ist davon auszugehen, daß es über die für eine Revision vorgesehenen Vertragsbestimmungen hinaus, gerade auch, was die WWU betrifft, zu Änderungen kommen kann. Wie erwähnt, legt der Vertrag das Ziel fest, den Prozeß der europäischen Integration auf eine neue Stufe zu heben3 und die EG zu einer "immer engeren Union der Völker Europas"4 weiterzuentwickeln. Damit ist zwar eine politische Finalität formuliert, diese wird aber nicht näher definiert. Der Vertrag beschränkt sich vielmehr darauf, Ziele dieser Union aufzulisten,5 ohne eine konkrete Form des Integrationsprozesses festzulegen. Es bleibt offen, ob der Endzustand dieses Integrationsprozesses ein europäischer föderaler Bundesstaat, ein europäischer Zentralstaat, ein europäischer Staatenbund oder eine Form außerhalb dieser Kategorien sein soll. Insgesamt stellt der Vertrag integrationspolitisch keinen qualitativen Sprung dar, sondern beschränkt sich vielmehr auf die Weiterentwicklung bzw. Ergänzung bereits bestehender Grundstrukturen.

2 3 4 5

Vgl. Art. A Abs. 2 EUV. Vgl. Präambel EUV. Art. A EUV. Art. B EUV.

3 "Die Kompetenzen der Gemeinschaft bleiben - jedenfalls im Grundsatz - funktionsgerichtet und funktionsbegrenzt, d.h. bezogen auf Errichtung und Funktionieren des Binnenmarktes und der Europäischen Union."6 Die derzeitige Form der Union, wie sie sich im Maastrichter Vertrag darstellt, ist gekennzeichnet durch eine gemischt institutionelle Struktur. Bereiche einheitlicher supranationaler, d.h. gemeinschaftlicher, Politik, wie sie die Agrar- und die Handelspolitik darstellen bzw. für den Geld- und Währungsbereich für die Zukunft vorgesehen sind, stehen neben intergouvernemental beschlossenen Maßnahmen. In anderen Bereichen wiederum gibt es lediglich einen gemeinsamen Rahmen für den Informationsaustausch. Den Kompetenzzuweisungen, die im Rahmen der Regierungskonferenz zur PU zustande gekommen sind,7 "liegt erkennbar keine der Kompetenzübertragung eigene Konzeption zugrunde."8 Grundsätzlich sind in diesen, die PU berührenden Politikfeldern, die Mitgliedstaaten weiterhin Träger der Zuständigkeit und Verantwortung; auf Gemeinschaftsebene soll lediglich eine gewisse Koordinierung stattfinden. Der Grad der Kompetenzzuweisung in den einzelnen Gebieten ist sehr unterschiedlich. Durch seine Vergemeinschaftung erfährt das Währungswesen eine Sonderbehandlung. Hierdurch hebt es sich von den anderen Bereichen des Vertrages ab, erhält aber keine Einbindung in einen übergeordneten Rahmen. Die Inkonsistenz des Vertrages basiert auf dieser Konstruktion. JOCHIMSEN ist der Ansicht, daß die durch die Trennung in zwei Regierungskonferenzen verursachte Zweigleisigkeit von WWU und PU unglücklich und wenig förderlich für die Realisierung des Projektes der PU war. Die Zuständigkeiten für die WU lagen während der Regierungskonferenz auf deutscher Seite beim Wirtschafts- und Fi-

6 7

8

STAUFFENBERG/LANGENFELD, 1992, S. 253. Die der EG übertragenen Befugnisse betreffen den Bereich der Bildungsund Kulturpolitik (Art. 126, 127 und 128 EGV), den Bereich der Sozialpolitik (Art. 123, 125 EGV), den Bereich der Jugendpolitik (Art. 126, 127 EGV), das Gesundheitswesen (Art. 129 EGV), den Verbraucherschutz (Art. 129a EGV), die Infrastruktur- und Industriepolitik (Art. 129b, 129c, 129d und 130 EGV), den Bereich des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhaltes (Art. 130a, 130b, 130c, 130d, 130e EGV), die Forschungs- und Technologiepolitik (Art. 130f, 130g, 130h, 130i, 130j, 130k, 130l, 130m, 130o und 130q EGV), den Bereich der Umweltschutzpolitik (Art. 130r, 130s, 130t EGV) und die Entwicklungspolitik (Art. 130u, 130v, 130w, 130x und 130y EGV). SEIDEL, 1992a, S. 132; siehe auch, HAHN, 1992, S. 7.

4 nanzministerium, die Zuständigkeiten für die PU beim Außenministerium. "Das formale gemeinsame Dach der Initiatoren, nämlich der Staats- und Regierungschefs (...), hat nicht vermocht, die wechselseitige Bedingtheit des Vorhabens zur notwendigen Einheitlichkeit zusammenzufügen. Diese methodisch-institutionelle Weichenstellung hatte allerdings die weitreichendsten Konsequenzen für die Schaffung der erforderlichen politischen Voraussetzungen einer effektiven Stabilitätsausrichtung der EWWU: Der Parallelzug bewirkte, daß einerseits Notenbankfragen materiell und technisch im Brennpunkt standen sowie die Wirtschaftsunion eher negativ denn

positiv definiert wurde, wobei die Strukturen der politischen Union außer Blick gerieten, und andererseits die Außen- und Sicherheitspolitik9 dominierte (Hervorhebungen durch d. Verf.10)."11 Und ARNOLD urteilt sehr kritisch: "Der Vertrag von Maastricht ist unter dem Kriterium des Ziels der westeuropäischen Integration hinsichtlich der EG unzureichend, politisch ein Fragment und militärisch ein Nullum. Er hat den Beweis für die Unmöglichkeit geliefert, die "Finalität" westeuropäischer Integrationspolitik, als einen gemeinsamen Bundesstaat, zu erreichen. Der Grund dafür ist einfach: Es fehlt der gemeinsame politische Wille."12

Die dargestellte Grundstruktur der EU nach Maastricht, die durch das Fehlen einer PU in Ergänzung zu der geplanten WU gekennzeichnet ist, bildet den Ausgangspunkt der Untersuchung. Die fehlende Einbindung der WU über eine PU hat insbesondere von deutscher Seite zu erheblicher Kritik geführt. So verwiesen anläßlich der Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages in Bonn am 18. September 1991 diverse Stimmen auf die politische Dimension der EWU und forderten die Parallelität des Zusammenwachsens der EG zu einer WWU und der institutionellen Weiterentwicklung der EG zur PU.13 Nach Ansicht des BDI gehört, um den Erfolg einer WU zu sichern, zu den unabdingbaren Kriterien für den Übergang in die dritte Stufe der WU neben einer weitgehenden Konvergenz in der Wirtschafts- und insbesondere in der Finanzpolitik auch eine erhebli-

9 10 11 12 13

Vgl. die Definition von PU, wie sie vom deutschen Außenministerium in der Regierungskonferenz vertreten wurde. Mit 'Verf.' ist die Verfasserin dieser Arbeit gemeint. JOCHIMSEN, 1994, S. 84. ARNOLD, 1993, S. 279. Vgl. Stellungnahmen des Direktoriumsmitgliedes der Niederländischen Bank, A. SZÁSZ (1991), sowie des DIHT (1991), des BDI (1991a) und des HWWA (1991) anläßlich der Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages in Bonn vom 18.9.1991. In: AAPA Nr. 69/91 vom 19.9.1991, S.13-23.