Die Ernte aus dem Kärntner Kunstparadies

11.06.2016 - US-amerikanische. Schauspieler. („Pretty Woman“) stellte in der Ein- richtung der katholischen Gemein- schaft Sant'Egidio seinen neuen. Film ...
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12 KULTUR

SAM STAG, 11. JUNI 20 16

Die Ernte aus dem Kärntner Kunstparadies

Joyce DiDonato sagte den Festspielen ab

Cornelius Kolig wird im 21er Haus in Wien mit einer Personale gewürdigt. Sie passt gut zur neuen Sammlungsausstellung zum Thema „Materialgeschichte“. ERNST P. STROBL WIEN. Cornelius Kolig zählte immer

BILD: SN/ESTRO

schon zu den großen Eigenbrötlern unter Österreichs Künstlern. Eigentlich kaum zu glauben, dass der Enkel des Kärntner Malers Anton Kolig, einer aus dem berühmten „Nötscher Kreis“, einst an der Akademie in Wien bei Herbert Boeckl, Josef Dobrowsky und Max Weiler studiert hatte. Gleich die erste Ausstellung in der Galerie nächst St. Stephan 1962 zeigte den Querdenker, der 20-jährige Cornelius Kolig

„Das Paradies ist ein großer Organismus.“ Cornelius Kolig, Künstler

präsentierte seine Röntgenplastiken ohne „Plastik“: die strukturierten, abstrakten Röntgenbilder der Holzblöcke, in die er Nägel geschlagen hatte. Die Lust am Experiment führte Kolig schon früh zum Material Plexiglas, das er für vielschichtige Skulpturen verwendete, die das Material, Form und Farbe organisch nutzten. Wobei die Farbe nicht immer wichtig war, eine Art Maschine mit Plexiglasröhren aus Chromstahl, in denen Luftblasen durch das Wasser aufsteigen, ist hell und transparent und heißt sinnigerweise „Entfärber“. Diese Skulpturen

KURZ GEMELDET Richard Gere engagiert sich für Obdachlose Richard Gere hat in Rom eine Obdachlosenküche besucht. Der US-amerikanische Schauspieler („Pretty Woman“) stellte in der Einrichtung der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio seinen neuen Film vor. In der Produktion „Time Out of Mind“ („Die Unsichtbaren“) spielt Gere einen Obdachlosen in New York. Gere begegnete rund 100 Gästen der Einrichtung – die meisten von ihnen Obdachlose und Flüchtlinge –, hörte Lebensgeschichten und sprach über seine eigenen Erfahrungen mit dem Thema. In Rom leben nach Angaben von Sant’Egidio etwa 7000 Obdachlose; in Italien sind es insgesamt schätzungsweise 50.000. SN, KAP

wirken gleichzeitig technoid und organisch. Die Sonderschau im 21er Haus heißt nicht umsonst „Organisches“, da wuchern auch weitere wie Organismen anmutende Plastiken. Ein „Kopffüßler“ etwa ist ein auf dünnen Metallbeinen stehendes Gebilde aus PU-Schaum. Von der malerischen Arbeit besticht ein „Matterhorn“ aus dem Jahr 1992, das Kolig mit Zutaten wie Aluminiumplatten und Spiegel kombinierte. Dass in der Nachbarschaft ein schwarzes Bergmassiv von Herbert Brandl aus dem Jahr 2002 hängt, ist ein reizvoller Zufall. Cornelius Kolig hatte auch nie Hemmungen, Kot oder Körpersäfte für seine Kunst heranzuziehen, was ihn ins Schussfeld der in Kärnten regierenden FPÖ brachte. Unvergessen, dass sich Kolig, als ihm der damalige Kärntner Landeshauptmann und Kulturreferent Jörg Haider 2006 den von einer Fachjury zuerkannten Landeskulturpreis überreichen sollte, flugs eine Greifzange konstruierte. Kolig wollte nicht in Berührung kommen mit dem Mann, der ihn als „Fäkalkünstler“ geschmäht hatte. Es ging Kolig aber nie ums Provozieren, auch eine Orgelpfeife, die in einem Männeranus steckt, belustigt eher. Das „Paradies“, das Kolig in seinem Wohnort Vorderberg im Gailtal über Jahrzehnte errichtete, wurde nach Hochwasserschäden wieder saniert, es ist Atelier, Archiv und Museum zugleich. Und Inspira-

Madonna, sonst wenig schreckhafte Diva, hat es im Angesicht ihres Idols Barack Obama die Sprache verschlagen. „Ein einziges Mal bin ich sprachlos“ schrieb die Entertainerin unter ein Bild auf ihrem Instagram-Account. Obama und Madonna hatten sich am Mittwoch in New York bei der Aufzeichnung der „Tonight Show“ von Jimmy Fallon für den US-Sender NBC getroffen. Madonna ist seit langer Zeit ein großer Fan des Präsidenten und unterstützt ihn seit dessen WahlSN, APA kampf 2008.

NEW YORK.

Sie hat weltweit Fans, und jeder Intendant schätzt sich glücklich, wenn die amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato Publikum anzieht. Im kommenden Festspielsommer hätte DiDonato in den beiden konzertanten Aufführungen von „Il Templario“ von Otto Nicolai (27. und 30. August) die Rebecca singen sollen. Nun gaben die Salzburger Festspiele die Absage SALZBURG.

Verzichtet auf „Il Templario“: Joyce DiDonato. BILD: SN/PSF/SIMON PAULY

Cornelius Kolig arbeitete schon BILD: SN/BELVEDERE 1968 mit Plexiglas.

tions-Kraftplatz eines kompromisslosen Künstlers. Im 21er Haus sind anlässlich des fünften Geburtstags auch noch rund 60 andere Künstler in der aus der Haussammlung zusammengestellten Ausstellung „Die Sprache der Dinge“ vertreten. Kuratoren – in diesem Fall Luisa Ziaja und Axel Köhler – haben gerne ein Motto, sie wählten „Materialgeschichte“ und hängten bzw. stellten Bilder und Objekte passend zum Katalog auf. Konzeptkunst ist ebenso vertreten wie neue Medien, Material wird oft zur Geste und zum Kompositionsprinzip. Ob es jetzt eine strukturier-

te Metallbox von Donald Judd ist oder ein schwebend wirkendes Objekt aus Filz von Robert Morris, alles hat seinen Platz und seine Botschaft. Clever wirkt eine maschinengesteuerte Skulptur aus Ballonseide von Thomas Baumann: Sie wird zum „Polster“ aufgeblasen und fällt dann jeweils kraftlos in sich zusammen zu unterschiedlichsten Formen. Ausstellungen: Cornelius Kolig, „Organisches“, bis 9.Oktober. „Die Sprache der Dinge“, Materialgeschichten aus der Sammlung. bis 22. Jänner 2017; 21er Haus, Wien.

bekannt. „Nachdem ich die Rolle intensiv studiert und an ihr gearbeitet hatte, kam ich höchst widerwillig zu dem Schluss, dass sie für meine Stimme einfach nicht geeignet ist, so sehr ich mich auch bemühte, mich auf die Rolle einzustellen . . . ,“ hieß es im Schreiben der Sängerin an die Festspiele. Die Salzburger Festspiele fanden Ersatz in der Französin Clémentine Margaine. Sogar Anna Netrebko kam zu späten Erkenntnissen beim Einstudieren einer neuen Rolle: Sie verzichtete auf den Auftritt in Bellinis „Norma“ im kommenden September am Royal Opera House in London: „Als ich mit der Vorbereitung der Rolle begonnen habe, bin ich zum Schluss gekommen, dass sich meine Stimme in eine andere Richtung entwickelt hat. Ich fühle, ich muss mit mir selbst ehrlich sein“, eStro schrieb Netrebko.

Ein Porträt wird dem Menschen nicht gerecht Friedl Kubelka präsentiert afrikanische „Künstlerpatienten“ und deren fantasievolle Werke.

ROM.

Obama macht Madonna sprachlos

Die Mezzosopranistin änderte nach dem Rollenstudium ihre Pläne.

MARTIN BEHR GRAZ. Doppel(selbst)porträts ha-

ben in der Kunstgeschichte eine lange Tradition. Das Bemühen, unterschiedliche Facetten einer Person zu zeigen, lässt sich unter anderem mit Identitätssuche und der Formel „Ich ist ein anderer“ des französischen Autors Arthur Rimbaud begründen. Auch die 70-jährige Foto- und Filmkünstlerin Friedl Kubelka alias Friedl vom Gröller arbeitet beharrlich gegen die Vorstellung des einen gültiges Bildes. Die Beschäftigung mit Stunden-, Tages-, Jahresporträts hat unter anderem zu einem tausendteiligen Porträt („Tausend Gedanken“) geführt, das derzeit in der Ausstellung „Poesie der Veränderung“ im Museum der Moderne Salzburg zu sehen ist. In der Ausstellung „Atelier d’ Expression (Dakar)“ in der Grazer Camera Austria wiederum zeigt Kubelka unter anderem sechs Doppelporträts von sechs Outsider-Künstlern aus dem Senegal. Es handelt sich um „Künstlerpatienten“ der psychiatrischen Einrichtung Fann in Dakar, wo diese malen, zeichnen und Skulpturen anfertigen. Die Doppelporträts widmen sich nicht den Ausprägungen der jeweiligen Erkran-

Doppelporträt von gan-Jah (Ndiaga Ndiaye).

kungen, vielmehr blicken die Abgebildeten ruhig, ja fast schon abgeklärt den Betrachtern entgegen. „In diesen Bildern spiegelt sich das gegenseitige Vertrauen, das sich sofort aufgebaut hat“, berichtet Friedl Kubelka. Die fotografische Dokumentation des „Atelier d’ Expression“, das Parallelen mit der heimischen Institution Haus der Künstler in der niederösterreichischen Gemeinde Gugging aufweist, ist nur ein Teil des ungewöhnlichen, von Maren Lübbke-Tidow kuratierten Grazer Ausstellungsprojekts. Die Schau

BILD: SN/FRIEDL KUBELKA

präsentiert eine Reihe von bildnerischen Arbeiten von elf Patienten aus dem Senegal. Auf Papier und Holz tummeln sich unterschiedlichste Produkte einer schier überbordenden Fantasie. Vögel, Schlangen, Kühe, aber auch seltsame Zwitterwesen sind hier zu sehen, ein Menschenkopf mit Stierhörnern, ein von einem Fragezeichen eingerahmtes Gesicht, symbolistische Schmerzdarstellungen ebenso wie farbenprächtige Abstraktionen. Diese Bilder wurden am Freitagabend bei der Vernissage in einer Auktion verstei-

gert, der Reinerlös kommt den afrikanischen Künstlerpatienten zugute. Für den Psychoanalytiker Georg Gröller – er ist der Mann der Künstlerin – ist dies aber mehr als bloß eine Benefizaktion: „Da geht es auch um eine Hebung des Selbstwertgefühls der Künstler, allein schon, dass die Arbeiten in Österreich in einem Kunstraum ausgestellt werden, tut gut.“ Aus etlichen Begegnungen habe er den Eindruck gewonnen, dass sich die Patienten in Dakar im Unterschied zu anderen Leidensgenossen etwa in Europa ohnehin „weniger schämen und mehr Vertrauen in die Menschen, die Welt und dementsprechend auch in sich selbst haben“. Letztlich ist Friedl Kubelkas Ausstellung auch eine Annäherung an Zuschreibungen, Vorurteile, Klischees sowie (eigene und fremde) Ängste. Eine Fotografie etwa zeigt ein Kabel im Sand: „Ich habe ständig Schlangen auf dem Boden gesehen, die keine Schlangen sind.“ Umgekehrt habe sie Afrikaner kennengelernt, die Ängste vor Europa haben: „Sie fürchten sich vor der angeblichen Kälte und davor, in der Öffentlichkeit als Asylbewerber abgestempelt zu werden.“ Ausstellung: Friedl Kubelka: Atelier d’Expression (Dakar), Camera Austria im Kunsthaus Graz, bis 14. 8.