Die Corporate Governance der Societas Europaea (SE)

3.1.2 Charakterisierung der beteiligten Unternehmen................................ 58 ..... erfolgte Umstrukturierung der Allianz AG zur SE sowie das Interesse weiterer Un-.
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Ulrich, Patrick S.: Die Corporate Governance der Societas Europaea (SE), Hamburg, Igel Verlag RWS 2015 Buch-ISBN: 978-3-95485-086-0 PDF-eBook-ISBN: 978-3-95485-586-5 Druck/Herstellung: Igel Verlag RWS, Hamburg, 2015 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis.............................................................................................. 3 1

Einordnung des Themas in den aktuellen internationalen Rahmen................... 5

2

Theoretische Grundlagen .................................................................................. 9 2.1 Die Prinzipal-Agent-Theorie .................................................................................... 10 2.1.1

Begriffliche Grundlagen .............................................................. 10

2.1.2

Agenturprobleme ........................................................................ 13

2.1.3

Die positive Prinzipal-Agent-Theorie........................................... 16

2.2 Corporate Governance.............................................................................................. 22 2.2.1

Begriffliche Grundlagen ............................................................................. 22

2.2.2

Die deutsche Perspektive ......................................................................... 25

2.2.3

Die britische Perspektive........................................................................... 30

2.3 Die Societas Europaea als neue europäische Rechtsform ........................... 34

3

2.3.1

Historische Entwicklung............................................................................. 34

2.3.2

Rechtsgrundlagen ....................................................................................... 38

2.3.3

Unternehmensverfassung ......................................................................... 41

2.3.4

Arbeitnehmerbeteiligung ........................................................................... 46

2.3.5

Die niederländische Societas Europaea .............................................. 52

Analytischer Teil............................................................................................... 56 3.1 Konstruktion des Fallbeispiels ................................................................................ 56 3.1.1

Untersuchte Aspekte der Corporate Governance ............................. 56

3.1.2

Charakterisierung der beteiligten Unternehmen ................................ 58

3.1.3

Konstruktion der Entscheidungssituation ............................................. 60

3.1.4

Vorgehen und Analyseraster ................................................................... 64

3.2 Die Corporate Governance im Fall der Übernahme der Vauxi PLC durch die Zefira AG ................................................................................................................ 66 3.2.1

Aktionäre und Hauptversammlung ......................................................... 67

3.2.2

Leitung der Gruppe und Schutz von Minderheiten ........................... 71

3.2.3

Leitungs- und Kontrollorgane................................................................... 73

3.2.4

Arbeitnehmerbeteiligung ........................................................................... 76

3.3 Die Corporate Governance im Fall der Übernahme der Zefira AG durch die Vauxi PLC .............................................................................................................. 77 3.3.1

Aktionäre und Hauptversammlung ......................................................... 77

3.3.2

Leitung der Gruppe und Schutz von Minderheiten ........................... 79

3.3.3

Leitungs- und Kontrollorgane................................................................... 80

3.3.4

Arbeitnehmerbeteiligung ........................................................................... 81

3.4 Die Corporate Governance im Fall der Verschmelzung zur Rap- sen SE 81 3.4.1

Aktionäre und Hauptversammlung ......................................................... 82

3.4.2

Minderheitenschutz ..................................................................................... 86

3.4.3

Dualistische Unternehmensverfassung ................................................ 88

3.4.4

Monistische Unternehmensverfassung ................................................ 92

3.4.5

Arbeitnehmerbeteiligung ........................................................................... 94

3.5 Beurteilung der Veränderungen der Corporate Governance durch die Societas Europaea ..................................................................................................... 96

4

3.5.1

Vorteile ............................................................................................................ 97

3.5.2

Nachteile ........................................................................................................ 99

3.5.3

Erkenntnisse und Grenzen der Analyse ............................................. 101

Konkurrenz durch die Europäische Fusionsrichtlinie ..................................... 104

Literaturverzeichnis .............................................................................................. 107 Quellen ................................................................................................................................... 107 Gesetzestexte ...................................................................................................................... 127

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Rechtsquellenpyramide der SE………………………………………...18 Quelle: THEISEN/WENZ (2002), S. 48. Abbildung 2: Das Jensen/Meckling-Modell…………………………………………...39 Quelle: JENSEN/MECKLING (1976), S. 316. Abbildung 3: Akquisition der Vauxi PLC durch die Zefira AG (ohne SE)………….61 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an GÖTZ (2004), S. 154. Abbildung 4: Akquisition der Zefira AG durch die Vauxi PLC (ohne SE)………….62 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an GÖTZ (2004), S. 154. Abbildung 5: Gründung der Rapsen SE durch Neugründung………………………63 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an GÖTZ (2004), S. 154.

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Einordnung des Themas in den aktuellen internationalen Rahmen

“THE WORLD’S LARGEST COMPANIES are in flux“.1 Mit diesen Worten beginnen BARTLETT/GHOSHAL ihr bekanntes Werk „Managing Across Borders“. Im Folgenden vertreten die Autoren die Auffassung, dass die Welt der internationalen Unternehmen einem radikalen, immer schneller werdenden Veränderungsprozess unterliege, in dem sich international tätige Unternehmen nur durch neue Strategien und veränderte Unternehmensstrukturen behaupten könnten.2 Die Unternehmensumwelt ist tatsächlich im Wandel begriffen. Durch die zunehmende Globalisierung der Märkte und Herausforderungen neuer Akteure auf dem internationalen Parkett hat sich nicht nur der Wettbewerbsdruck zwischen Volkswirtschaften, sondern auch zwischen einzelnen Unternehmungen deutlich erhöht.3 Dies gilt sowohl für international tätige Unternehmen als auch für solche, die bisher nur auf ihrem jeweiligen Heimatmarkt tätig waren und sich deshalb mit einer wesentlich geringeren Wettbewerbintensität konfrontiert sahen.4 Da weitaus nicht alle Unternehmen die internen Voraussetzungen5 für das veränderte Wettbewerbsumfeld besitzen, kommen vermehrt Lösungen unter Einbeziehung von externen Partnern in Betracht. Zu nennen wäre hier neben verschiedenen möglichen Kooperationsformen6 vor allem die „Variante des häufig existenznotwendigen Wachstums ‚von außen’’“7 im Zuge von Mergers8 und Acquisitions9.10 Nach MÜLLER-STEWENS umfassen Unternehmenszusammenschlüsse „ein Intensi1

BARTLETT/GHOSHAL (2002), S. 3. Vgl. BARTLETT/GHOSHAL (2002), S. 3. 3 Hier seien vor allem China, Indien und die Tigerstaaten in Ostasien genannt. Vgl. hierzu das einführende Kapitel bei GARCÍA CRUZ (2002), S. 12 ff. Des Weiteren nimmt aber auch die Bedeutung der osteuropäischen sowie nordafrikanischen Staaten besonders in lohnintensiven Industrien weiter zu. 4 Vgl. GARCÍA CRUZ (2002), S. 9. 5 Hier ist v.a. an das Konzept der strategischen Ressourcen nach BARNEY zu denken. Hierzu vgl. BARNEY (1991), S. 99-120. 6 Nach O.V. (2001c), S. 433 „jede Form der Zusammenarbeit mehrerer rechtlich selbstständiger Unternehmen.“ 7 MACHARZINA (1999), S. 529. 8 Bezeichnet im wirtschaftlichen Bereich den Zusammenschluss, die Verschmelzung oder Vereinigung von Unternehmen. Vgl. MACHARZINA (1999), S. 530. 9 Bezeichnet jede Form der Beteiligung einer Unternehmung an einer anderen ohne Notwendigkeit der Auflösung der Rechtspersönlichkeit einer der beiden beteiligten Gesellschaften. Vgl. MACHARZINA (1999), S. 530. 10 Zu den ökonomische Motiven für Mergers und Acquisitions vgl. FISCHER/WIRTGEN (2000), S. 15 f. 2

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tätsspektrum von losen Absprachen (…) bis zur vollständigen Aufgabe der rechtlichen Selbstständigkeit eines Unternehmens.“11 Sie können unter Umständen bei der Erschließung neuer Wertsteigerungspotenziale helfen und sind auch deshalb in der Praxis weit verbreitet.12 Fusionen können als besonders intensive Form von Unternehmenszusammenschlüssen angesehen werden. Eine Fusion oder Verschmelzung ist nach deutschem Verständnis als „die Zusammenführung der Vermögen von mindestens zwei rechtlich selbstständigen Unternehmen (allg. Rechtsträgern), zu einer Rechts- und Wirtschaftseinheit nach dem im Januar 1995 in Kraft getretenen Umwandlungsgesetz “13 zu definieren. Es gibt zwei Arten von Verschmelzungen: die Verschmelzung durch Gesamtrechtsnachfolge und die Verschmelzung durch Anteilstausch. Wird ein Unternehmen auf ein anderes Unternehmen verschmolzen, so übernimmt das übernehmenden Unternehmen alle Rechte und Pflichten des untergehenden Unternehmens.14 Beim Anteilstausch werden Anteile der zu übernehmenden Gesellschaft gegen Anteile der übernehmenden Gesellschaft getauscht.15 Weiterhin kann zwischen der Verschmelzung einerseits durch Aufnahme und andererseits durch Neubildung unterschieden werden. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme behält genau ein Unternehmen seine rechtliche Selbstständigkeit, während bei der Verschmelzung durch Neubildung alle beteiligten Wirtschaftseinheiten ihre Selbstständigkeit verlieren und zusammen einen neuen Rechtsträger gründen.

16

Innerhalb der EU sind grenzüberschreitende Fusionen bisher nur auf dem Weg des Anteilstausches möglich. 17 Die grenzüberschreitende Verschmelzung durch Gesamtrechtsnachfolge ist hingegen bisher weder im nationalen noch im europäi11

MÜLLER-STEWENS (2001), S. 818. Vgl. MÜLLER-STEWENS (2001), S. 818. 13 O.V. (2001b), S. 848. 14 Vgl. HECKSCHEN (1989), S. 5. 15 Vgl. BUCHHEIM (2001), S. 37. 16 Vgl. TRÄGER (2001), S. 848. 17 Vgl. BARTONE/KLAPDOR (2005), S. 8. Den aktuellen Stand geben DORR/STUKENBORG wieder. Vgl. DORR/STUKENBORG (2003), S. 647. 12

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schen Recht geregelt.18 Ein Ausweg aus dieser Situation der kollektiven Blockade könnte die Europäische Fusionsrichtlinie sein.19 Bisher wurde die Umsetzung aber insbesondere aufgrund der fehlenden Einigung im Hinblick auf die Arbeitnehmerbeteiligung noch nicht weiter vorangetrieben.20 Ein Vergleich mit den USA zeigt, wie heikel die Situation europäischer Unternehmen ist. Wie in der EU besitzen auch die USA kein einheitliches Aktienrecht. Jeder Bundesstaat greift auf eigenes Gesellschaftsrecht zurück, wobei dem Staat Delaware aufgrund der dort gewährten Besteuerungsvorteile eine besondere Bedeutung zukommt.21 Jedoch gestaltet sich der grenzüberschreitende innereuropäische Zusammenschluss von Unternehmen oft schwieriger als der Zusammenschluss amerikanischer Unternehmen über Staatsgrenzen hinweg. Ein Beispiel für die Problematik der europäischen Rechtslage ist bei HOFFMANN zu finden. In einer Studie vergleicht er die deutsch-amerikanische Fusion von Daimler und Chrysler zu DaimlerChrysler mit der deutsch-französischen Fusion von Hoechst und Rhône-Poulenc zu Aventis. Laut HOFFMANN gab es bei der innereuropäischen Fusion von Hoechst und Rhône-Poulenc sehr viel mehr Probleme und finanziellen Aufwand als bei der transatlantischen Fusion von Daimler und Chrysler.22 Bezeichnend sind an dieser Stelle die bei LIEBMANN/ROUSSELLE angeführten Ergebnisse einer von der EU-Kommission herausgegebenen Umfrage. Befragt wurden Manager, die in den letzten fünf Jahren an grenzüberschreitenden Fusionen beteiligt waren. 70,0 % der Befragten beklagten die Problematik der Besteuerung von Gewinnen aus Kapitalerträgen, 68,0 % die Doppelbesteuerungsproblematik und 53,4 % die zu zahlenden Transfersteuern.23 Ein Ausweg aus dieser Lage könnte die Europäische Aktiengesellschaft oder Societas Europaea (SE)24 sein.25 Die SE ist eine supranationale europäische Rechts-

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Vgl. RUHWINKEL (2004), S. 40. Vgl. BARTONE/KLAPDOR (2005), S. 11. 20 Vgl. THÖMMES (2002), S. 488. 21 Vgl. HESS (1996), S. 11. 22 Vgl. HOFFMANN (1999), S. 1082. Vgl. auch THEISEN (2000), S. 26, und GRUBE (2006), S. 755 ff. 23 Vgl. LIEBMANN/ROUSSELLE (2005), S. 164. 24 Für eine gelungene Einführung vgl. KÖSTLER (2006), S. 15 ff. 25 Vgl. LIEBMANN/ROUSSELLE (2005), S. 164. 19

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form und ermöglicht es, eine Aktiengesellschaft innerhalb der EU grenzüberschreitend und nach einem einheitlichen gesetzlichen Rahmen zu führen.26 Die bereits erfolgte Umstrukturierung der Allianz AG zur SE sowie das Interesse weiterer Unternehmen (unter anderem der Fresenius AG27) scheinen das Interesse an dieser neuen Rechtsform zu bekräftigen.28 Die SE kann als Meilenstein in der Entwicklung einer europäischen Regelung für grenzüberschreitende Unternehmensfusionen gelten.29 Erstmalig wird es europäischen Aktiengesellschaften aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten der EU ermöglicht, unter Wahrung ihrer Rechtspersönlichkeit zu fusionieren oder ihren Sitz in einen anderen Mitgliedsstaat der EU zu verlegen.30 Von den Befürwortern der SE werden einige Punkte als Vorteile der SE erwähnt. So soll die SE unter anderem Vorteile in Bezug auf die Transaktionskosten, die Vereinfachung der Konzernstruktur und vor allem die Corporate Governance einer Unternehmung besitzen.31 Die Debatte über Corporate Governance (im Sinne angemessener Unternehmensorganisation) wird trotz unterschiedlicher Schwerpunkte weltweit geführt. 32 Aus diesem Grund soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit an einem fiktiven Fallbeispiel erläutert werden, inwiefern die Gründung einer SE fusionswilligen Unternehmen Vor- oder Nachteile in Bezug auf die Corporate Governance bietet. Als Grundlage der Analyse dienen die theoretischen Ausführungen im zweiten Kapitel, in denen der notwendige Hintergrund zur Prinzipal-Agent-Theorie33 (PATheorie), zur Corporate Governance und zur Societas Europaea geliefert wird. In Kapitel 3 wird die Ausgangssituation der Analyse erläutert. Ziel ist es, anhand eines fiktiven Falles aufzuzeigen, welche Änderungen sich in der auf die Gesamtkonstellation bezogenen Corporate Governance der betrachteten Gesellschaften 26

Vgl. FÖRSTER/LANGE (2002), S. 585. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.10.2006, S. 21. 28 Vgl. LUTTER/KOLLMORGEN/FELDHAUS (2007), S. 509. 29 Zur Notwendigkeit für die EU vgl. BUCHHEIM (2001), S. 116 und KORTS (2003), S. 4. 30 Vgl. BARTONE/KLAPDOR (2005), S. 9. 31 Vgl. BARTONE/KLAPDOR (2005), S. 9. Auf die Begriffe Transaktionskosten und Corporate Governance wird im Folgenden noch näher eingegangen. 32 Vgl. FEDDERSEN/HOMMELHOFF/SCHNEIDER (1996), S. 1. Vgl. auch THEISEN (2003). 33 Synonyme: Agenturansatz, Prinzipal-Agent-Ansatz, Agency Theory. Vgl. hierzu das Kapitel zur Agency Theory bei MACHARZINA (1999), S. 51 ff. 27

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durch die SE ergeben. Grundlage des Fallbeispiels ist die geplante Verschmelzung je einer deutschen und einer britischen Aktiengesellschaft durch Neugründung34 einer niederländischen SE. Rechtsgrundlage für die Verschmelzung durch Neugründung ist die 3. EG-Fusionsrichtlinie.35 Es werden drei Fälle unterschieden: die Übernahme einer einundfünfzigprozentigen Beteiligung an der britischen PLC durch die deutsche AG, der umgekehrte Fall sowie die Verschmelzung von AG und PLC zur SE. Grundlage der Analyse ist die Prinzipal-Agent-Theorie. Die Grundlagen zur PATheorie finden sich in Kapitel 2.1, das Vorgehen bzw. Analyseraster wird in Kapitel 3.1.4 erläutert. Ziel ist es, anhand der in Kapitel 3.1.4 festgelegten Kriterien Aussagen über die Vor- und Nachteile der Corporate Governance der SE im Vergleich zu den beiden anderen, auf nationalen Rechtsformen beruhenden Lösungen zu untersuchen. In Kapitel 4 erfolgt ein kurzer Ausblick auf die zu erwartende Relevanz der SE im Licht der möglichen zukunftsnahen Einigung hinsichtlich der Europäischen Fusionsrichtlinie unternommen.

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Theoretische Grundlagen

Der Theorieteil der Arbeit ist in drei große Blöcke gegliedert. In Kapitel 2.1 werden die Grundlagen der Prinzipal-Agent-Theorie vor allem hinsichtlich der für diese Arbeit relevanten positiven Prinzipal-Agent-Theorie erläutert. In Kapitel 2.2 wird die Corporate Governance dargelegt. Dabei werden vom Autor der vorliegenden Arbeit Argumente für die gewählte Perspektive und die gewählten Elemente der Corporate Governance geliefert. Hierbei wird Corporate Governance vor allem im Licht der Prinzipal-Agent-Theorie betrachtet. In Kapitel 2.3 sollen schließlich die Grundlagen zur Societas Europaea dargestellt werden, wobei der Fokus auf den relevanten Fragestellungen des Gesellschaftsrechts liegen soll, insbesondere der Unternehmensverfassung sowie der Mitbestimmung. 34 35

Vgl. Art 2 Abs. 1 SE-VO i.V.m. Anh. 1 zur SE-VO, Art. 17 bis 31 SE-VO. Dritte Richtlinie v. 09.10.1978 78/855/EWG (ABI 1978 Nr. KL 295, S 36 ff.).

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2.1

Die Prinzipal-Agent-Theorie

2.1.1 Begriffliche Grundlagen Den Rahmen dieser Arbeit bildet der Ansatz der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ).36 Die zentrale Aussage der NIÖ ist die ungleiche Verteilung von Wissen und Informationen auf die am Markt tätigen Individuen.37 Aus dieser Tatsache leitet sich auch die Bezeichnung informationsökonomischer Ansatz ab.38 Als wichtigste Aussage der NIÖ kann gesehen werden, dass die Erschaffung von Institutionen und Organisationen den Einsatz realer Ressourcen erfordert. Insofern wird zum ersten Mal den existierenden Transaktionskosten elementare Bedeutung beigemessen.39 Dies steht in starkem Kontrast zur ursprünglichen Mikroökonomie. Dort wird ausgehend von der Betrachtung der Unternehmung als Funktionsbezug, Faktorkombination oder Minimalkostenkombination nicht auf institutionelle Aspekte eingegangen.40 Eine ausführliche Definition der Institution ist bei OSTROM zu finden: „Institutions can be defined as the sets of working rules that are used to determine who is eligible to make decisions in some arena, what actions are allowed or constrained, what aggregation rules will be used, what procedures must be followed, what information must or must not be provided, and what payoffs will be assigned to individuals dependent on their actions (…) All the rules contain prescriptions that forbid, permit, or require some action or outcome. Working rules are those actually used, monitored, and enforced when individuals make choices about the actions they will take. “41 Die Bejahung der Existenz von Transaktionskosten zeigt die Wichtigkeit von Ressourcen an verschiedenen Stellen innerhalb der Unternehmung. So werden die Ressourcen als Inputfaktor bei den Produktions- und Distributionsaktivitäten verwendet. Weiterhin können sie als unabdingbare Faktoren für die Aufrechterhaltung des institutionellen Rahmengebildes für ökonomische Austauschbeziehungen gel36

Der Begriff leitet sich von der von WILLIAMSON geprägten Bezeichnung New Institutional Economics ab. Vgl. WILLIAMSON (1975), S. 1. Für einführende Gedanken vgl. ERLEI/LESCHKE/SAUERLAND (1999). 37 Vgl. RICHTER (1991), S. 401. 38 Vgl. MACHARZINA (1999), S. 46. 39 Vgl. FURUBOTN/RICHTER (1998), S. 29. 40 Vgl. SCHREYÖGG (1999), S. 72. 41 OSTROM (1990), S. 51.

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ten.42 Positive Transaktionskosten bedingen eine Situation der Informationsasymmetrie zwischen den Vertragspartnern. Folgerichtig ist davon auszugehen, dass zukünftige Entwicklungen nicht zu 100 % voraussagbar sind. Dies äußert sich darin, dass formale Regeln wie z.B. Gesetze und Verträge aus Gründen der Kapazitätsrestriktion nicht alle möglichen Eventualitäten ex ante regeln können. In diesem Sinne bleiben die geschlossenen Verträge unvollständig und müssen durch implizite Regelungen ergänzt werden.43 Die Unfähigkeit, zukünftige Entwicklungen vorauszusehen, führt für die Vertragspartner zu dem Anreiz, vorhandene Informationsvorsprünge jeweils zu Ungunsten des Vertragspartners auszunutzen. Dieses Verhalten wird als opportunistisches Verhalten bezeichnet und ist gleichsam als die grundlegende Verhaltensannahme für Individuen innerhalb der NIÖ zu kennzeichnen. Die Annahme opportunistischen Verhaltens ist im Gegensatz zu FISHER44 zu sehen, nach dessen Separationstheorem die Manager einer Unternehmung die unterschiedlichen Präferenzen ihrer Agenten für Konsum und Sparen gerade nicht bedenken müssen.45 Im Laufe der Entwicklung der NIÖ hat sich eine Unterteilung in drei für sich stehende Theorien herausgebildet. Diese drei Strömungen sind die Transaktionskostentheorie, der Verfügungsrechteansatz und die PA-Theorie. 46 Obgleich die drei genannten Theorien von den gleichen Vorbedingungen ausgehen, unterscheiden sie sich doch in zwei wichtigen Aspekten. Erstens liegen den Theorien nicht die gleichen Prämissen im Hinblick auf das Verhalten der Akteure zugrunde. Zweitens wird auf unterschiedliche Aspekte von Handlungen in Institutionen, Organisationen und Unternehmen abgezielt. 47 Die PA-Theorie ist heute die meistbeachtete der drei klassischen Theorien innerhalb der NIÖ. 48 Trotz der hohen Attraktivität der 42

Vgl. FURUBOTN/RICHTER (1998), S. 46. Vgl. RICHTER/FURUBOTN (1996), S. 43. 44 Vgl. FISHER (1930). 45 Vgl. GERKE (2006), S. 75 f. 46 Vgl. FURUBOTN/RICHTER (1998), S. 30. 47 Vgl. MACHARZINA (1999), S. 47. 48 Vgl. SCHREYÖGG (1999), S. 82. Einen Überblick über die Prinzipal-Agent-Theorie gibt MCCOLGAN (2001). 43

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