Der Verlorene - Buch.de

Vgl. Wolfgang Schivelbusch: Entfernte Verwandtschaft. Fa- schismus, Nationalsozialismus und New Deal 1933–1939. München: C. Hanser Verlag, 2005.
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Königs Erläuterungen und Materialien Band 446

Erläuterungen zu

Hans-Ulrich Treichel

Der Verlorene von Rüdiger Bernhardt

Über den Autor dieser Erläuterung: Prof. Dr. sc. phil. Rüdiger Bernhardt lehrte neuere und neu­ este deutsche sowie skandinavische Literatur an Univer­sitäten des In- und Auslandes. Er veröffentlichte u. a. Monografien zu Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann, August Strindberg und Peter Hille, gab die Werke Ibsens, Peter Hilles, Hermann Conradis und anderer sowie zahlreiche Schulbücher heraus. Seit 1994 ist er Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf Hiddensee. 1999 wurde er in die Leibniz-Sozietät gewählt.

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2. Auflage 2009 ISBN 978-3-8044-1833-2 © by Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Hans-Ulrich Treichel, Foto © by Isolde Ohlbaum [verfremdet] Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk



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05.02.2009 14:23:14

Inhalt Vorwort ................................................................

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Hans-Ulrich Treichel: Leben und Werk ............. Biografie................................................................. Zeitgeschichtlicher Hintergrund ............................. Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken .........................................

7 7 12

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7

Textanalyse und -interpretation ......................... Entstehung und Quellen ......................................... Inhaltsangabe ......................................................... Aufbau ................................................................... Personenkonstellation und Charakteristiken............ Sachliche und sprachliche Erläuterungen ................ Stil und Sprache .................................................... Interpretationsansätze ...........................................

21 21 29 36 42 48 65 72

3.

Themen und Aufgaben .......................................

78

4.

Rezeptionsgeschichte ..........................................

81

5.

Materialien...........................................................

84

Literatur ..............................................................

86

1. 1.1 1.2 1.3

18

(Zitiert wird nach: Hans-Ulrich Treichel: Der Verlorene. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag, suhrkamp taschenbuch 3061, 1999)

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Vorwort

Vorwort Mit der Erzählung Der Verlorene wurde Hans-Ulrich Treichel, der als Lyriker und Librettist einer interessierten Leserschaft vertraut war, 1998 weithin bekannt; die Kritiker, auch die führender Zeitschriften, reagierten wohlwollend bis enthusiastisch. Die öffentliche Diskussion, auch im Internet, kommentierte nicht nur den überraschenden Einfall, fünfzig Jahre nach dem Kriegsende 1945 einen „Verlorenen“ finden zu wollen, sondern stritt auch über den eigenwilligen Schluss der Erzählung: Wer sieht wen? Was ist das Spiegelbild? Wer steht im Fleischerladen? Wird mit dem literarisch bewährten Motiv des Doppelgängers gearbeitet oder sieht sich der Erzähler doch nur selbst? Die Fragen beschäftigen auch vorliegenden Kommentar, aber er will mehr leisten. Seit ihrem Erscheinen ist die Erzählung erfolgreich geblieben und hat hohe Auflagen erreicht. Sie wurde auch ohne entsprechende Literaturempfehlung beliebter Unterrichtsstoff. Treichel, ein sehr produktiver Schriftsteller, hat inzwischen mit anderen Titeln sein Publikum begeistert. Er wurde von der Kritik immer gelobt, aber der Erfolg der Erzählung überstrahlt nach wie vor seine anderen Werke. – Diese Geschichte einer Kindheit stellt sich in eine Reihe, die von Christa Wolfs Kindheitsmuster (1976) bis zu Günter Grass’ Im Krebsgang (2002) reicht. Es sind Kindheiten im Faschismus und Nationalsozialismus1 oder sie sind mindestens durch ihn 1

Die Begriffe „Nationalsozialismus“ und „Faschismus“ werden synonym verwendet. Unter „Nationalsozialismus“ versteht die Wissenschaft wertneutral eine Herrschaftsform, mit „Faschismus“ werden die verbrecherischen Elemente betont. Deshalb gibt es für die Gegner des Dritten Reichs auch nicht den Begriff der „Antinationalsozialisten“, wohl aber den der „Antifaschisten“. Sollen Unterscheidungen zwischen vergleichbaren Ländern hervorgehoben werden, wird vom „italienischen Faschismus“ gesprochen. Vgl. Wolfgang Schivelbusch: Entfernte Verwandtschaft. Faschismus, Nationalsozialismus und New Deal 1933–1939. München: C. Hanser Verlag, 2005.

Vorwort

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Vorwort geprägt und beeinträchtigt worden. Deutliche Parallelen gibt es zu Christoph Heins fast gleichzeitig erschienenem Buch Von allem Anfang an (1997). Beide Bücher suchen prägende Erlebnisse in den Kindheiten ihrer Helden, die beide aus Vertriebenen- bzw. Umsiedlerfamilien stammen und das Alter Ego ihrer Schöpfer sind. Beide Bücher üben sich im freien Spiel mit Mythen, bei Treichel sind es antike und christliche, bei Hein christliche Mythen. In Heins Text ist die Geschichtlichkeit minutiös erkennbar, in Treichels Erzählung geht unbewältigte Geschichte in einem neuen Mythos auf, der Elemente von Kain und Abel bis zu Ödipus miteinander verquickt und immer Katastrophen meint. Es sind unterschiedliche Wege des Umgangs mit der Vergangenheit: Treichel provoziert Auseinandersetzungen und Nachfragen, Hein vermittelt Erfahrungen. Chronisten der deutschen Geschichte nach 1945 wollen beide in diesen Werken sein. Die vorliegende Erläuterung erklärt Zusammenhänge, historische Hintergründe und literarische Beziehungen. Da Treichels Erzählung Der Verlorene in Literaturgeschichten noch nicht auftauchen konnte, werden hier einige Übersichten gegeben, die den Stellenwert der Erzählung im literarischen Gesamtprozess erkennen lassen. Die Erläuterung widmet sich auch dem Ungesagten, das als Geheimnis die Handlung begleitet und unterschiedliche Erklärungen zulässt. Ich danke an dieser Stelle Hans-Ulrich Treichel für seine Auskünfte zu Fakten und Daten herzlich.

6

Vorwort

1.1 Biogra!e

1. Hans-Ulrich Treichel: Leben und Werk 1.1 Biogra!e Jahr

Ort

Ereignis

1952

Versmold/ Westfalen

1958 1959

Versmold Versmold

1962

Versmold

1968

Schlüchtern

1970

Hanau

1972

Berlin

Am 12. August als Sohn einer Vertriebenenfamilie, spätere Tabakwarenhändler, geboren. Der Vater hatte während des Krieges als Schwerkriegsbeschädigter einen Hof in Ostpreußen bewirtschaftet. 1942 heiratete er. Einschulung in die Volksschule. September: Treichels Eltern beginnen erneut die Suche nach dem erstgeborenen Bruder Günther, geb. 24. September 1943, den sie am 20. Januar 1945 verloren. Besuch der Jugenddorf-Christophorus-Schule. Besuch der Ulrich-von-HuttenSchule bis 1970. Besuch der Hohen Landesschule bis 1972. Studium der Germanistik, Politologie und Philosophie an der FU bis 1979. In fiktiver Stilisierung sieht er sich in der Zeit als „melancholischen, geschichts-

1. Hans-Ulrich Treichel: Leben und Werk

Alter

6 7

10 16 18 20

7

1.1 Biogra!e

Jahr

Ort

1975 1976

1978 1979 1981

Berlin Salerno

1982 1984

Berlin Berlin

Pisa

Köln/Berlin

2

8

Alter

Ereignis und beinahe ichlosen Ostwestfalen“2. Reisen nach Griechenland und Italien. Bekanntschaft mit dem Komponisten Hans Werner Henze, mehrere Libretti für ihn geschrieben. Im Roman Tristanakkord (2000) die Zusammenarbeit verarbeitet. Nicht ewig auch unbelehrbar. Gedichte. Ein Restposten Zukunft. Gedichte. Lektor für deutsche Sprache bis 1982 an der Universität. Tarantella. Gedichte. Promotion mit Fragment ohne Ende. Eine Studie über Wolfgang Koeppen. Lektor für deutsche Sprache an der Scuola Normale Superiore bis 1985. Aus der Zeit des Schweigens. Neun Lieder für Arthur Rimbaud. Ein Oratorium, Atta Troll, Musik: David Graham. Weitere Libretti.

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Hans-Ulrich Treichel: Berlin – Terra incognita. In: Ders.: Der Entwurf des Autors. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag, 2000, S. 39.

1. Hans-Ulrich Treichel: Leben und Werk