Der Junge, der die Welt sah

*Im Denken liegt die Traurigkeit. *Weinende Nächte. *Auf der Suche nach .... magische Art und Weise unsichtbar, denn was unter der Erde oder im Weltall auch ...
296KB Größe 3 Downloads 423 Ansichten
Mike Loewenrosen

Der Junge, der die Welt sah Roman © 2013 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2013 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Fotolia, 2502520 - uccelli in viaggio© felix Lektorat: Karin Kögler Printed in Germany ISBN 978-3-8459-0817-5 AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt .

2

Für die zärtlichsten Eltern der Welt Walter & Erna Loewenrosen

3

Oooo.....there's a million things that I could say to you Oooo....don't let'em change you inside Because anyone who matters will try to understand who you are (faith in you/pm dawn)

4

Index: *Frühlicht *Der Astronauten *Geheimnisse *Tiefe & Substanz *Der wunderbare Apfel *Unermesslich *Weisheit einer Mutter *Tanz *Die Wachsenden *Die Lehre des Astronauten *Tatsächlich? *Eine verrückte Geschichte *Gedächtnis der Tropfen *Woran wir erkennen, dass wir verliebt sind *Der eigenartige Mann *Ein Traum *Die Träumerei *Wo wohnt die Wirklichkeit? *Dadaismus *Ort der Tränen *Alles ist das Licht der Sterne *Ankunft 5

*Schimmerzustand *Wo die Weisen sind *Im Denken liegt die Traurigkeit *Weinende Nächte *Auf der Suche nach dem Gegenwärtigen *Flaschenpost *Den Versuch, das Sein aufzuspalten, nennen wir Dichtung *Mondgeflüster *Der Vogelhäuschenbrief *Über all das Erlernte hinaus *Ein neuer Vogelhäuschenbrief *Lektion *Mein Blick *Verwandeltes Schweigen *Noch ein Vogelhäuschenbrief *Anerkennung der Fremden *Ich habe es knacksen hören *Flaschenpost II *Der vergessene Raum *Der eigenartige Mann II *Ein weiterer Vogelhäuschenbrief *Achtzehnter Geburtstag *Frucht *Wieder ein Vogelhäuschenbrief *Gedanken an eine Reise 6

*Die blau gestrichene Treppe *Harmonie *Meine Insel *An einen Nehmenden *In dieser Nacht oder das Geschenk der Erde *Musik *Schatz der gelebten Erinnerungen *Das Stegreifmärchen *Ein neugeborener Augenblick *Werden wir unserer Seele je gerecht? *Schaum aus Gold *Der letzte Vogelhäuschenbrief *Sätze, die der Hoffnung verbunden sind *Bereinigung *Phantasie *Fundament der Schönheit *Die Lehre des Astronauten II *Das kleine rote Buch *Die große Herrscherin *Seiten unserer Herzen *Der geilste Planet *Verlorenes Kind *Im Land der besseren Engel *Hand in Hand *Manch einer wird´s verstehen 7

*Das verloren geglaubte Mondlicht *Revolution des Herzens *König der Welt *Humanismus *Sternzeichenhäuser *Bewegte Bilder *Paradies *Die Tür I *Wo´s vielleicht ist *Bunte Sterne *Stille *Eroberung der Dinge *Fluss der Fragen *Die Schlossfee *Beobachter *Architektur der Armen *Der dunkle Ritter *Der Postkartenmann *Was wäre *Kennst du eigentlich deine Geschichte? I *Gott zu fühlen *Wo führt die Einsamkeit uns hin? *Augenblicke, wie Baseballkarten *Wir alle brauchen jedes Licht *Versuch´ die Farben zu verstehen *Ich warte auf den perfekten Tag 8

*Traurigkeit *Geboren für die Dunkelheit *Kennst du eigentlich deine Geschichte? II *Feuer und Flamme, und wie es dazu kam *Suche nach der blauen Blume *Das kennen wir ja alle *Feuer und Flamme I *Tanzende Sterne *Verrückte Welt *Lange Nächte sind erlaubt *Was würden dir meine offenen Arme sagen? *Hier, wünsch dir was *Die Tür II *Geschenke *Feuer und Flamme II *Ich möchte dir mein Fühlen schenken *Du bist ein König

9

Frühlicht Als Kind hielt ich mich gerne am Waldrand auf. An diesem Ort konnte ich am besten den raschen Wechsel der Natur bestaunen. Einen Schritt in den Wald hinein, und der Geruch und die Farben änderten sich. Ich blickte entlang der Äste, die mir stets wie Finger vorkamen, hinauf zu den Wipfeln. Dort begann die Unerreichbarkeit meines Universums. An manchen Tagen zerteilte das Grün der Blätter das Farbenspiel des Himmels. Öfter jedoch erschien es mir wie ein Ölbild, auf dem Farbübergänge zu sehen waren. Einen Schritt hinaus und ich stand auf einer Wiese. Eine völlig andere Landschaft, ein völlig anderes Gefühl. Auf einer Wiese konnte ich keine Geheimnisse besehen, keine Verästelungen, keinen dunklen Weg. Auf der Wiese herrschte Offenheit, Gefahrlosigkeit. Ich genoss das Gefühl, schnell zwischen Welten wählen zu können. Ich konnte mich zwischen gesucht werden und gefunden werden entscheiden. Ich verstand die Möglichkeiten der Welt als schnell und doch hielt ich mich mehr zwischen den Bäumen auf. Dort erfand ich Geschichten, die beim nächsten 10

Baum schon wieder vergessen waren. Ich lehnte mich mit der Brust an Bäume und bestaunte die Größe und Unnahbarkeit. Manchmal kam eine der Geschichten wieder zurück, und ich glaubte, sie müsse deshalb Bedeutung haben. Aber ich vergaß sie allesamt. Geschichten waren wie Bäume, Bäume wie Geschichten, und allein, dass sie da waren, auch wenn ich sie nicht in ihrer ganzen Größe sehen konnte, so gaben sie mir das Gefühl des wahrgenommen Werdens. An besonders warmen Tagen ging ich ein paar Schritte tiefer in den Wald. Die dünnen Sonnenstrahlen erhellten den Weg und das Wagnis. Durch die Wahrnehmung der Geräusche des Waldes verlor ich die Furcht, denn dadurch fühlte ich mich in diesem "Verborgensein" nicht allein. Ich war mir ganz sicher, das müssen die Geräusche der Stille sein.

11

Der Astronaut Jahrelang mochte ich die Sommerferien nicht, denn das war die Zeit, in der mir alle Schulfreunde verloren gingen. Der tröstliche Gedanke, dass ich sie im Herbst wiedersehen würde, konnte mich nicht trösten. Der Verlust an schöner Zeit nagte an mir. Die beste Zeit im Jahr, sie ohne seinen besten Freund zu verbringen, war nur noch bloße Zeit. Die leichte Überwindbarkeit dieses Problems ließ mich an meinen Eltern zweifeln. Durch genaueres Nachdenken linderte sich dieses Problem zumindest. Nun zweifelte ich nicht mehr an meinen Eltern, ich zweifelte an der ganzen Welt. Und das war gut so, denn so konnte ich wieder mehr an meine Eltern glauben. Für die Welt musste ich nicht solche Gefühle hegen. Dieser Gedanke erhielt eine Umkehrung, als ein Erwachsener näher in mein Leben trat. Eigentlich kannte ich ihn schon seit Jahren denn er war auf unergründliche Weise mit uns verwandt. Ich wusste damals nicht genau, in welcher Beziehung er zu meiner Familie stand, aber solche Belanglosigkeiten waren mir immer schon egal gewesen. Nur zwei Häuser und ein hügeliger Ab12

hang trennten uns. Hinter den Häusern schob sich jedes Jahr ein unendlich großes Ährenfeld langsam näher. Vor den Häusern ging eine Straße vorbei, die die Einwohner als Autobahn hochstilisierten. Die Landbevölkerung hatte eine komplett andere Wahrnehmung als ich, der ich in der Stadt lebte. Hin und wieder fuhr ein alter Traktor vorbei. Es verwunderte mich immer wieder, dass ich in all den Jahren niemals einen neuen Traktor zu Gesicht bekam. Alle waren sie alt und ziemlich laut. Außerdem waren die meisten von ihnen grün. Vielleicht um sich in den Wiesen und Feldern tarnen zu können, oder damit sie die Pflanzen, welchen sie den Garaus machten, zuvor nicht allzu sehr erschreckten. Eines spätsommerlichen Tages trafen wir uns zufällig. Ich saß auf der hügeligen Wiese, in der Hand einen gelb gepunkteten Marienkäfer, den ich gerade genau betrachtete. Ich hatte so einen Marienkäfer noch nie gesehen und dachte, dass er womöglich krank sei und ich ihn zerquetschen sollte, um ihn so zu erlösen. Ich hielt ihm den Fund vor das Gesicht und fragte ihn, ob er so etwas schon einmal gesehen hatte. Ein Lächeln zog über sein Gesicht, als er sich zu mir setzte. Es gäbe viel verschiedene Farben bei diesen Käfern, 13

Rosa, Rot, Orange und sogar Braun, ließ er mich wissen. Die Roten seien seine Favoriten, denn sie sähen wie kleine fliegende Tomaten aus, verriet er. Er nahm den Gelben in die Hand, führte ihn nah an das Gesicht und ließ ihn fliegen. „Eigentlich sollten doch die Gelben meine Favoriten sein“, sagte er anschließend, „denn sie sehen so aus wie ich, genauso ungesund.“ Ich blicke ihn genauer an. Er hatte recht. An diesem Nachmittag erzählte er mir über die unglaublichen Eigenschaften der Gräser und über das Universum. Vor allem der Planet Europa und dessen dünne Eisschicht und Fragen wie, ob es darunter vielleicht lebendige Organismen geben könnte, faszinierten und beschäftigten ihn. Mit allem komme er klar, mit dem Oben und dem Unten, nur nicht mit dem, was dazwischen liege. Das könne er immer noch begreifen. Obwohl ich kaum etwas davon verstand, was er mir erzählte, hörte ich ihm zu, denn der Klang seiner Stimme beruhigte mich auf die seltsamste Weise. Ich wolle entweder Pilot, Polizist, Tänzer oder Forscher werden, sagte ich ihm, als er danach fragte. Er lächelte darüber nicht. Er nickte nur. So machten wir es uns zur Angewohnheit, uns zu treffen. Immer war es der Zufall, der uns 14

zueinander führte. Nie machten wir uns etwas für den nächsten Tag aus. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich eine Art Schrankenlosigkeit spürte. Der Altersunterschied schien aufgehoben worden zu sein. Das versetzte mich in einen Zustand der Lebendigkeit, wie ich sie zuvor noch nie gekannt hatte. Ich begann ein wenig mehr auf die Natur rund um mich herum zu achten. Er sagte Sachen wie er hätte nie einen Beruf finden können, der ihn sichtbar werden ließe, und fühle sich deshalb ein wenig ausgeschlossen, oder: Alles rund um ihn herum sei doch auf eine magische Art und Weise unsichtbar, denn was unter der Erde oder im Weltall auch immer geschehen mag, wir könnten es nicht sehen. Zeitweise bohrte er mit den Fingern ein Loch in den Boden, nur um mir immer wieder den unterschiedlichen Feuchtigkeitsgrad desselben zu beweisen. „Wenn du richtig haushaltest, dann trocknest du auch nicht so schnell aus“, sagte er dann. Er war der erste Mensch, den ich kennenlernen durfte, der ein wenig anders war. Manchmal dachte ich abends über ihn nach. Ich stellte fest, dass er zutiefst menschlich war. Das war der Unterschied. Deshalb wurde er nicht ernst genommen, weil er so war, wie er war. 15