Das Geheimnis der Mozartova Nr 4

immer die Westminster Kirche der Presbyteri- aner. Deswegen besitzt sie dort eine Familien- grabstätte, nicht weit vom Grabmal des Dich- ters Edgar Allen Poe ...
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Gerhard Appelshäuser

Das Geheimnis der Mozartova Nr. 4 Roman

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© 2014 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2014 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: 37650086 - Karlsbrücke - Charles Bridge 08© LianeM Printed in Germany

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Baltimore, Oktober 2003

Mein Vater, Francis II Lee Alexander, innerhalb der Familie nur Lee genannt, rannte wutschnaubend aus meiner Wohnung. Die Eingangstür knallte er heftig hinter sich zu, um seinem Ärger auch akustisch das notwendige Gewicht zu verleihen. Streit mit meinem Vater versuchte ich, seit meiner Kindheit zu vermeiden. Eigentlich wollte ich mit niemand im Streit leben, und soweit ich zurückdenken kann, ist mir dies auch meistens gelungen. Aber in den letzten Jahren, genau genommen, seit er mit Miranda, seiner zweiten Frau verheiratet ist, genoss ich es, wenn er sich ärgerte. Eine kleine Revanche für die Niederlagen, die er mir seit meiner Kindheit zugefügt hatte und die ich mir gefallen ließ, ohne mich zu wehren.

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Den Grund seiner Wut konnte ich sogar verstehen, auch wenn der Anlass mehr als traurig war. Wir stritten darüber, den Willen seiner vor zwei Wochen verstorbenen Mutter, meiner geliebten Großmutter, zu erfüllen. Vor einigen Monaten ernannte sie mich zu ihrem Anwalt und Testamentsvollstrecker und nicht ihren Sohn. Ich fand in ihren Unterlagen einen an mich gerichteten Brief mit der Verfügung, sie in der Gruft ihrer Eltern und nicht in der Familiengruft ihres Mannes beizusetzen. Die Grabstätten liegen auf verschiedenen Friedhöfen. Die Familie Alexander, eine in Baltimore alt eingesessene Anwaltsfamilie, unterstützte immer die Westminster Kirche der Presbyterianer. Deswegen besitzt sie dort eine Familiengrabstätte, nicht weit vom Grabmal des Dichters Edgar Allen Poe entfernt. Sie darf noch immer genutzt werden, obwohl der Friedhof in der Zwischenzeit geschlossen worden ist. Wie mir Großmutter erzählt hatte, brach schon einmal, beim Tod ihres Vaters, Streit 5

darüber aus, wo er beerdigt werden sollte. Damals weigerte sich die Familie, einen eingewanderten Europäer, der darüber hinaus noch katholisch war, bei stolzen protestantischen Maryländern ruhen zu lassen. So liegen der Urgroßvater und später auch meine Urgroßmutter auf dem katholischen Friedhof und dort wollte auch meine katholische Großmutter begraben werden; ein Skandal für meinen Vater. Aber die Verfügung meiner Großmutter war eindeutig:

Mein lieber Enkel Karel, Ich, Josefine Mary Alexander, Tochter des Karl Emanuel Wittighofer und seiner Frau Jennifer, in Prag am 12. April 1921 geboren, verfüge, dass meine Asche im Grabmal meiner Eltern beigesetzt wird. 6

Du, mein geliebter Karel, wirst mir einen letzten Dienst erweisen und diese Verfügung gegenüber Deinem Vater, meinem Sohn Francis II Lee, durchsetzen, der mich sicherlich neben meinem geliebten Mann Francis Morton in der Gruft der Alexanders beerdigen will. Da ich mich aber, mit Ausnahme bei meinem leider schon früh verstorbenen Mann, nur in meiner eigenen Familie geborgen gefühlt habe, wirst Du meinen Wunsch sicherlich verstehen. Baltimore, am 18.04.2003 Josefine Mary Alexander

Wütend warf mein Vater das Dokument auf den Tisch. „Carl, du wirst doch diesen Blödsinn einer alten, störrischen Frau nicht ernst nehmen. Sie hat immer in der alten Welt gelebt und auf 7

unser Amerika spöttisch herabgesehen, gar nicht zu reden von der Missachtung unserer alteingesessenen Familie.“ Er nennt mich Carl, so wie ich getauft wurde, aber alle, die mich lieben, sagen Karel zu mir, so wie meine tschechische Mama. „ Als Anwalt solltest du wissen, dass solche Verfügungen gültig sind und ihnen auch entsprochen werden muss, so sie keine Gesetze verletzen – was sie in diesem Falle nicht tun -. Oder willst du den letzten Willen von Grandma wegen geistiger Verwirrung anfechten?“ „Natürlich nicht; glaubst du, ich mache mich in der Stadt lächerlich? Aber das ist eine Angelegenheit innerhalb der Familie und da brauchen wir kein Gericht. Es wird Zeit, dass du dich in unsere Familie eingliederst.“ Das arrogante Gesicht meines Vaters wurde dabei noch eine Spur arroganter. Nicht was er sagte, sondern wie er es sagte, veranlasste

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mich, ihm gegenüber den letzten Respekt zu verlieren. „Ich werde Grandma dort beerdigen, wo sie es wollte. Du kannst an der Beerdigung teilnehmen, falls du noch einen Funken Anstand besitzt, oder ihr fernbleiben; ich glaube, Grandma hat von dir nichts anderes erwartet.“ Ich hatte meinen Vater noch nie so schnell aus einem Sessel aufstehen gesehen; immerhin ist er schon siebenundfünfzig Jahre alt. Mit schriller Stimme schrie er mich an: „Du gehörst nicht mehr zu unserer Familie. Du hast drei Tage Zeit, mein Haus zu verlassen und deine Wohnung zu räumen. Morgen erwarte ich deine Kündigung im Büro!“ Der harte Ton klang noch eine Weile im Raum nach, als er diesen schon längst verlassen hatte. Gelähmt blieb ich noch einige Minuten unter der alten Stehlampe sitzen. Ihr Lichtkegel leuchtete nur die beiden Sessel aus, in denen unsere Unterhaltung so abrupt be9

endet wurde. Im milden Licht war die leichte Delle im Leder noch zu erkennen, die mein Vater hinterließ. Ungewollt starrte ich darauf und dachte über seine letzte Bemerkung nach. Aus welcher Familie hatte er mich gerade rausgeworfen? Aus der, deren Name ich trage? Gehörte ich je zu dem Alexander Clan oder eher zu der Wittighofer Familie? Fühle ich mich als Amerikaner oder als Europäer? Diese Fragen stellten sich mir schon lange, aber jetzt musste ich sie beantworten. Damit konnte ich nicht warten, bis Grandma beerdigt wurde. Zuviel passierte in den letzten Jahren, was ich noch nicht verarbeitet habe. Seit mir Grandma das Familienalbum mit der Bitte, es in Ehren zu halten, überreicht und an einigen Abenden danach die dazugehörige Geschichte ihrer Familie erzählte hatte, wurde

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mein Leben durcheinander gewirbelt. Ich aber hatte andere Pläne. „Grandma, warum soll ich mich um die Geschichte unserer Familie kümmern und nicht mein Vater, der nächste in der Reihe nach dir?“ Das hatte ich sie gefragt, als sie mir das Album mit den alten Fotos an ihrem 80. Geburtstag in die Hand drückte, nachdem alle anderen Gäste gegangen waren. „Weißt du, Karel, unsere Familie wurde mehr von Europa als von Amerika geprägt. Die Ausnahme ist dein Vater, der größte Yankee seit Generationen, das jedenfalls hat dein Grandpa immer behauptet und da war Lee noch in der Pubertät. Auch du hast mehr europäisches Blut in den Adern und europäischen Geist im Kopf als er. Wenn ich einmal tot bin, dann wirft er das Album sicherlich in den Müll.“ Hätte ich damals gewusst, auf was ich mich einließ, ich glaube nicht, dass ich Grandma 11

versprochen hätte, mich um die Familientraditionen zu kümmern. Aber sie hatte schon recht. Ich war nicht nur in Gedanken, sondern auch im Herzen in Europa, auch wenn ich es damals noch nicht so oft besucht hatte. Vor allem wurde mir das Pflichtbewusstsein ihrer Familie vererbt. Das zwang mich jetzt nicht nur, ihren Letzten Willen zu erfüllen, sondern auch eine Art Familienchronik anzufertigen für unsere Nachkommen. Harriet, die ich wahrscheinlich nie ohne das Familienalbum geheiratet hätte, erwartet unser erstes Baby und diesem Kind möchte ich meine Erfahrung mit der Familie ersparen.

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Baltimore, Grandmas Beisetzung

Drei Tage nach dem großen Streit mit meinem Vater setzten wir Großmutters Urne in der Familiengruft der Wittighoffers bei. Alle noch lebenden Freunde meiner Großmutter waren gekommen, sogar der Oberbürgermeister der Stadt und natürlich auch mein Vater mit seiner neuen Frau. Seit dem Streit hatten wir uns nicht mehr gesprochen, obwohl wir uns in der Kanzlei kaum aus dem Weg gehen konnten. Aber offensichtlich vermieden wir ein Treffen, mindestens traf das auf mich zu. Der Bischoff von Baltimore zelebrierte die Totenmesse und sprach sehr warmherzig am Grab meiner Großmutter. „ Mit Josefine Mary Alexander verliert die Stadt und vor allem die Gemeinde eine Frau, die sich seit ihrer Ankunft aus Europa nach dem großen Krieg, immer und unermüdlich 13

um die neu Angekommenen und die Bedürftigen gekümmert hat. Sie wurde als Amerikanerin in Europa geboren, hat Freud und Leid dieses Kontinents miterlebt, hat die Schrecknisse des Krieges am eigenen Leib verspürt, wurde verfolgt und dank des Zusammenhalts ihrer Familie gerettet. Die Freiheitsliebe Amerikas und das soziale Gewissen Europas haben Josefine Mary Alexander ihr Leben lang geprägt und geleitet. Sie wird uns als leuchtendes Beispiel fehlen. Der Herr nehme sie in Güte auf. Amen.“ Bei der kurzen Ansprache des Bischofs beobachtete ich meinen Vater und bemerkte zum ersten Mal Betroffenheit und Trauer in seinem Gesicht. Natürlich war ich nicht aus meiner Wohnung in der Alexander Villa ausgezogen und beabsichtige auch nicht, dies zu tun. War es doch Grandma´s Wohnung, die sie mir nach ihrer Übersiedlung in ein kleines Appartement in der Stadt überlassen hatte. Im linken Seitenflügel wohnt mein Vater und die 14

Villa gehört jetzt uns beiden, nur weiß er das noch nicht. Ich arbeite auch weiterhin in unserem Anwaltsbüro und denke nicht daran, zu kündigen; er hat auch nicht mehr danach gefragt. Er wird sich sowieso noch bei der Testamentseröffnung wundern. Die Feier war kurz, denn das Wetter entsprach dem traurigen Anlass. Die große Schar der Trauergäste fröstelte unter ihren Mänteln und die aufgespannten Regenschirme boten nur einen notdürftigen Schutz gegen den dauerhaften Nieselregen. Die Nässe und die Kälte waren untypisch für diese Jahreszeit. Die Steine der Nachbargräber konnten wir nur schemenhaft erkennen. Die vielen tröstenden Worte nahm ich gar nicht richtig wahr und konnte mich später auch nicht mehr daran erinnern. Ich merkte noch nicht einmal, dass sich die Trauergemeinde rasch verlaufen hatte. In meinen Gedanken war ich weit weg. Ich sah Grandma als junges Mädchen in Prag in 15