DAN SMITH

Insel verlassen will. Aber ihm bleiben nur 24 Stunden, sonst ist seine Mutter verloren. Außerdem bemerkt er seltsame Veränderungen an sich, er ist schneller, ...
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Shut Down - Du hast nur 24 Stunden

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Tödliche Jagd durch den Urwald Auf einer abgelegenen Insel … Ash erwacht in einem Labor. Das Letzte, woran er sich erinnert: Seine Mutter und er wurden hierher verschleppt. Offenbar entwickelte das Forscherteam seiner Mutter ein tödliches Virus. Jetzt, wo ihr Job getan ist, wurde sie damit infiziert. Ash muss die Organisation stoppen, die mit dem Gegenmittel die Insel verlassen will. Aber ihm bleiben nur 24 Stunden, sonst ist seine Mutter verloren. Außerdem bemerkt er seltsame Veränderungen an sich, er ist schneller, stärker, seine Sinne schärfer ... • Vom Autor von »Big Game« (20.000 verkaufte Exemplare) • Nervenaufreibender Pageturner, Spannung auf jeder Seite • Perfekte Action für Jungs

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Licht. Gleißendes weißes Licht. Ash blinzelte und sofort fuhr ihm ein stechender Schmerz in die Augen. Reflexhaft kniff er die Lider zusammen und presste sich die Hände aufs Gesicht. Trotzdem fühlte es sich an, als bohrte sich eine Klinge in seinen Schädel. Wie gelähmt lag er da und versuchte sich zu erinnern, wo er war. Eine Weile erfüllte seinen Kopf nur Leere, dann tauchten Bilder auf, begleitet von einem Gefühl der Übelkeit: Ash auf der Beerdigung seines Vaters – umgeben von schwarzen Anzügen und trauernden Gesichtern. Leute, die er kaum kannte, ließen sich darüber aus, was für ein toller Kerl Ben McCarthy gewesen war. Aber da war noch etwas. Etwas, das sich falsch anfühlte. Etwas, das an diesem verwahrlosten, dicken Mann, der mit Mum geredet hatte, nicht stimmte. Und was auch immer dieser Typ seiner Mutter damals sagte, sie war dermaßen in Panik geraten, dass sie Ash weggezerrt hatte  … Und jetzt lag er hier, in diesem harten Bett, unter einem sauberen, gestärkten Laken. Als der Schmerz nachließ, öffnete Ash vorsichtig die Augen, stützte sich auf die Ellbogen und schaute sich um. Nichts

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von dem, was er sah, kam ihm bekannt vor. Angst regte sich in ihm wie ein Tier, das in seiner Höhle erwacht. Der Raum war kahl, fast leer. Weiße Wände reflektierten das Licht von Neonröhren, die hinter einer Milchglasscheibe in der Decke leise summten. An der Wand rechts des Bettes gab es eine Konsole mit drei Touchscreens, auf denen Digitalzahlen in Grün und Orange leuchteten. Aus dem Mittelteil der Konsole ragte ein durchsichtiger Schlauch, der bis zu einem blauen Plastikverbindungsstück führte, das an Ashs rechtem Handrücken festklebte. Das Tapeband war ebenfalls durchsichtig, so dass Ash die Kanüle erkennen konnte, die in seiner Haut steckte. Der Anblick ekelte ihn an. Aus irgendeinem Grund musste er an Spinnen denken, die im Dunkeln lauern. »Mum?« Sein Hals fühlte sich trocken an, seine Stimme kratzig. Sein Mund, als sei er mit Watte gefüllt. Watte, die noch den letzten Tropfen Spucke aufsaugte. Auf einem kleinen Nachttisch stand ein Plastikbecher mit Wasser und daneben lag Dads Kennmarke. Das schwarze Lederband war säuberlich aufgerollt, fast wie eine schlafende Schlange. Ash betrachtete die Marke und grub weiter in seinem Gedächtnis. Aber seine Gedanken zerfaserten wie Nebelschwaden – und vor allem stupsten sie das Panik-Tier in seiner Höhle an. Besser, er blendete alles aus, konzentrierte sich ganz auf die Kennmarke, den einzig vertrauten Gegenstand. Er streckte den Arm aus und hob das Lederband hoch. Die Plakette baumelte hin und her. Er streifte sie sich über den Kopf und setzte sich auf. Als er das Metall auf der Brust spürte, fühlte er sich ein wenig sicherer. Dann trank er die Hälfte des Wassers, stellte den Becher

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zurück auf den Nachttisch und schwang die Beine aus dem Bett. Der Vinylboden war ebenfalls weiß, durchsetzt von kleinen blassgrünen Sprenkeln. Er fühlte sich kalt an unter Ashs nackten Füßen. Auf der Bettkante sitzend kam sich Ash noch kleiner vor als sonst. Er ließ seinen Blick schweifen und versuchte sich zu erinnern, was passiert war, seit … Er hat dir eine Spritze gegeben, meldete sich die Stimme in seinem Kopf. Dieselbe Stimme, die Ash schon sein ganzes Leben lang hörte. Die Stimme, die ihn verhöhnte, verunsicherte und ängstigte. Die ihm immer wieder das Gefühl gab, überflüssig zu sein. Die Spritze, weißt du nicht mehr? Er hat dich betäubt. Ein schlanker Mann mit vollkommen ausdruckslosem Gesicht und sanfter, tiefer Stimme. Jetzt bist du tot. Und ganz allein. Die Stimme in seinem Kopf verursachte eine solche Übelkeit, dass er die Kennmarke auf seiner Brust berührte, zur Beruhigung. Dann riskierte er einen Blick an sich hinab und stellte fest, dass er einen dünnen hellblauen Baumwollschlafanzug trug. Er spürte Scham und Wut in sich aufsteigen. Irgendjemand Fremdes musste ihm den angezogen haben! War das hier eine Art Krankenhaus? Das würde zumindest die weißen Laken und Wände erklären. »Mum?« Seine Stimme klang dünn in dem weißen Raum. Er wartete ein paar Sekunden, die Hände vor Angst verkrampft, dann rief er noch einmal, etwas lauter: »Mum?« Nichts. Sag ich doch, sie ist tot, höhnte die Stimme. Sie schien von irgendwo außerhalb seiner Reichweite zu kommen, aus der

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Dunkelheit. Sie haben ihr eine Nadel in den Hals gejagt. Sie hat bekommen, was sie verdient. Jetzt ist sie tot und beerdigt und du bist allein. »Nein, ist sie nicht.« Das war eine Lüge. Das würde er doch wissen. Er würde es spüren. Ash stand auf, wobei er sich mit einer Hand an der Wand abstützte. Die andere Hand wanderte erneut zur Kennmarke. Ein Gefühl der Leere gesellte sich zu all den anderen schrecklichen Gefühlen, die ihn bedrängten. Aber er schüttelte es ab und betrachtete die Kanüle in seinem Handrücken. Wenn er diesen Raum verlassen und seine Mutter suchen wollte, musste er die Nadel rausziehen. »Anders geht’s nicht.« Als er das Tapeband abgepult hatte, glitt die Nadel fast von selbst aus der Haut und fiel aufs Bett. Eine durchsichtige Flüssigkeit sickerte aus der Spitze. Wie Gift. Er rieb sich den Handrücken. Die Digitalzahlen auf den Touchscreens begannen sich zu verändern und eine neue Angst erfasste ihn. Was, wenn die Tropfinfusion ihn am Leben hielt? Wenn in wenigen Sekunden sein Herzschlag aussetzte und sein Bewusstsein wegdriftete? Aber nichts passierte. Gar nichts. Einen Augenblick blieb Ash noch stehen, reglos, den Blick starr aufs Display gerichtet, dann tappte er langsam auf die Tür am anderen Ende des Raumes zu. Die ist garantiert abgeschlossen. Er wusste es auch so. Er wusste es so sicher, wie er Ash McCarthy hieß und in drei Wochen dreizehn werden würde.

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Wer auch immer hinter seiner Entführung steckte, hatte abgeschlossen, hundertprozentig. Doch als er den Türgriff drehte und daran zog, machte der Türschließer über ihm ein saugendes Geräusch – und die Tür ging auf. Verdutzt trat Ash einen Schritt zurück. Die Stimme hatte sich geirrt! Mit der Hand auf dem Griff lauschte er. Er traute sich nicht über die Schwelle. Natürlich wollte er herausfinden, wo er war und was sich außerhalb dieses Raumes befand – aber gleichzeitig schreckte er davor zurück. Seine Hand krampfte sich um den Griff, sein Magen schien sich zusammenzuziehen, als hätte das Panik-Tier einen Schwall Eisluft ausgeatmet. Kurz überlegte er, laut zu rufen, aber irgendetwas sagte ihm, dass es besser sei, unbemerkt zu bleiben. Also trat er einen kleinen Schritt vor und spähte durch die Tür. Zu beiden Seiten erstreckte sich ein langer Flur. Der Boden war derselbe wie im Zimmer, weiß mit blassgrünen Sprenkeln. Der Gang lag vollkommen leer und still vor ihm. Keine Krankenschwestern und Ärzte, die mit Klemmbrettern unterm Arm und klickenden Kugelschreibern umhereilten. Keine Besucher. Keine Medikamenten- oder Laborwagen. Nur ein langer weißer, verlassener Gang und das Summen der Klimaanlage. Siehst du? Du bist tot. Du bist in der Hölle. Zu beiden Seiten des Flurs reihten sich, in immer gleichem Abstand, Türen aneinander, jede einzelne versehen mit einer römischen Ziffer. Ash warf einen Blick über die Schulter auf seine eigene Tür: Dort klebte ein kleines schwarzes Plastik-»X«. Wie aus dem Nichts blitzte eine weitere Erinnerung in

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ihm auf: eine Frau, die seine Mutter auf dieselbe Weise betäubte wie der Mann ihn. Nur dass die Frau damals noch etwas sagte. Etwas wie: Kronos muss auferstehen. Ash wusste nicht, was das bedeutete, aber er sah plötzlich den Gesichtsausdruck seiner Mutter vor sich, als sie die Worte gehört hatte. Es war ein Ausdruck blanken Entsetzens.

Dan Smith Shut Down - Du hast nur 24 Stunden Aus dem Englischen von Birgit Niehaus Umschlag: Henry's Lodge / Vivien Heinz Ca. 288 Seiten Ab 12 Jahren 15 x 21 cm, Hardcover 978-3-551-52086-9 Ca. € 14,99 (D) / € 15,50 (A) / sFr. 21,90 Erscheint im November 2016 book