Compagnons de sang Gefährten des Blutes

Gefährten des Blutes. Vampir-Roman. © 2010. AAVAA e-Book Verlag UG (haftungsbeschränkt). Quickborner Str. 78 – 80, 13439 Berlin. Telefon: +49 (0)30 565 ...
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Silke van Impel 

Compagnons de sang  Gefährten des Blutes  Vampir‐Roman  © 2010  AAVAA e‐Book Verlag UG (haftungsbeschränkt)  Quickborner Str. 78 – 80, 13439 Berlin  Telefon: +49 (0)30 565 849 410  Email: [email protected]  Alle Rechte vorbehalten  1.Auflage 2010  Lektorat: Hans Lebek, Berlin  Covergestaltung:  Tatjana Meletzky  Printed in Germany ISBN 978‐3‐86254‐064‐8   

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                    Alle Personen und Namen sind frei erfunden.  Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig  und nicht beabsichtigt. 

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Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel:

S.

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Ich, Jean Michel Martin

2. Kapitel:

S. 63

David

3. Kapitel:

S. 96

Marie

4. Kapitel:

S. 124

mon coeur

5. Kapitel:

S. 156

Gott…/es Wesen

6. Kapitel: Estelle

S. 188 3

Kapitel 1     Ich, Jean Michel Martin Bonjour… …wie  stellen  Sie  sich  einen  sehr  alten  Mann  vor, einen Mann von 70 oder 80 Jahren…  Sehen Sie einen verwelkten Körper, dessen ju‐ gendliches Aussehen von einst sich noch erahnen  lässt?  Einen  Mann,  dessen  Charme  nicht  mehr  mit dem Körper übereinstimmt?   Sehen Sie ein Gesicht?  

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Sicherlich noch mit Spuren der Erinnerung, si‐ cherlich  mit  Spuren  seines  Lebens  und  wie  eine  verblühte Rose noch voller lieblichem Duft.   Sehen  Sie  Augen,  deren  Leuchten  verschwun‐ den  ist  und  deren  Farbe  selbst  im  klaren  Son‐ nenlicht nicht mehr strahlen kann?   Sehen Sie einen Körper, gebeugt von den Las‐ ten des Lebens, schwer von den Dingen, die die‐ sen Mann einst traurig gemacht haben?   Sie sehen einen alten Mann und er wird wie al‐ le  alten  Männer  keine  Chance  haben,  nicht  der  Zeit  seinen  Preis  zu  zahlen.  Er  wird  nur  noch  in  den Erinnerungen jung sein oder auf Photos.   Nun sehen Sie mich an!   Wer bin ich? Ein alter Mann?   Ich  bin  schon  sehr  alt,  älter  als  dieser  alte  Mann, älter, als ein Mensch je werden kann.  

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Wie sehe ich dann für Sie aus?   Eine Mumie, ein Skelett, eine Aschewolke? Ein  Engel auf einer Wattewolke ?   Nein ‐ Sie sehen mich als einen jungen  Mann,  25 Jahre alt, jung und frisch wie ein reifer Apfel,  lieblich und duftend. Sie sehen weiche Haut und  straffe  Züge,  leicht  umspielt  von  Heiterkeit  und  der  Sinnlichkeit  der  Jugend.  Sie  sehen  volles  braunes Haar und katzengrüne Augen, hell, hel‐ ler als ein Edelstein.   Mein  Name  ist  Jean  Michel  und  ich  wurde  1764 als drittes Kind der Bauernfamilie Martin in  der Nähe von Paris geboren.   Es  war  nicht  das  Paris,  das  Sie  heute  kennen,  es  war  ein  Vulkan,  der  auszubrechen  drohte.  Doch  ich  lebte  in  der  Liebe  meiner  Eltern  Marie  und  Pascal  und  meiner  Geschwister.  Ich  bekam  von  den  Sorgen  um  mich  herum  nichts  mit.  Ich  war ein Kind und überzeugt, für immer ein Kind  6

zu bleiben. Ich hatte nur die Sorgen eines Kindes,  aber vor allem dessen Freuden.   Ich  liebte  unseren  Hund  „Petit“,  der  fälschli‐ cher  Weise  diesen  Namen  trug  und  in  Wirklich‐ keit  ein  bellendes  Pferd  war.  Ein  lammfrommer  Riese,  allein  sein  Anblick  ließ  Gesindel  unserem  Hof  fern  bleiben.  Ich  weiß  nicht,  welcher  Rasse  Petit angehörte, ich glaube, er war eine Mischung  aus allen großen Rassen.   Petit  begleitete  mich  immer  auf  meinen  Wan‐ derungen durch die Natur, er war das beste Kin‐ dermädchen und der beste Freund, den man sich  wünschen konnte.   Ich  wuchs  mit  meinen  zwei  älteren  Brüdern  auf  und  erfuhr  erst  als  Mann,  dass  es  nach  mir  wohl noch mindestens zwei Schwestern gegeben  haben muss. Viel zu spät, denn meine heile Welt  wollte nicht die dunklen Wolken akzeptieren. Ich  dachte mir auch nichts dabei, dass wir eigentlich  immer  nur  dunkles  Brot  und  Brei  aßen.  Denn  mein  Vater  Pascal  war  der  geborene  Geschich‐ tenerzähler.  Er  erzählte  uns  bei  der  argen  Kost  7

von Piraten und tollkühnen Helden. In dicke De‐ cken eingehüllt, lauschten wir vor dem Einschla‐ fen  seinen  Sagen  von  Drachen  und  Ungeheuern.  Er  war  ein  brillanter  Schauspieler  und  gab  jeder  seiner erdachten Figuren mit Mimik und Körper‐ einsatz  Persönlichkeit.  Seine  Arme  fuchtelten  in  der  Luft  und  erzeugten  an  der  alten  Hauswand  geheimnisvolle  Schatten.  Seine  Augen  funkelten  im  Kerzenlicht  und  meine  Mutter  lachte  sich  krumm über diese Märchen.   Meine  Mutter  hatte  das  schönste  Lachen  auf  der ganzen Welt. Sie lachte frei und herzlich. Ihr  ganzes  Gesicht  lachte.  Sie  konnte  Tränen  lachen  und  manchmal  fiel  sie  vor  lauter  Lachen  vom  Stuhl und prustete dann noch lauter.   Wir  waren  wohl  die  glücklichste  Familie  von  ganz Frankreich.  

***** 

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1789 explodierte  der  Vulkan  und  seine  rote  Lava  war  gefüllt  mit  der  Wut  der  Pariser  Bürger  und  Bauern.  Die  wirtschaftliche  Lage  war  schlecht.  Wir hungerten und gleichzeitig lebte der Adel in  Saus und Braus.   „Wenn  das  Volk  kein  Brot  hat,  dann  soll  es  doch Kuchen essen“!   Ich war nun 25 Jahre alt, ein junger Mann, der  noch was erleben wollte. Ich sog das Leben in Pa‐ ris  wie  ein  trockener  Schwamm  auf.  Ich  trieb  mich  in  billigen  Spelunken  herum  und  lauschte  den, anfänglich noch geheimen Reden, der ande‐ ren armen Bürger.   Ja wir waren arm ‐ aber viele. Die Armut störte  mich nicht mal. Ich wollte nur Leben und das Le‐ ben mit vollen Händen fassen. Ich wollte Frauen  lieben  und  Alkohol  kosten.  Ich  wollte  mich  he‐ rumtreiben  und  nicht  gleich  als  Ehemann  für  meine  Familie  sorgen.  Sicherlich  war  ich  für  da‐ 9

malige  Zeiten  ein  echter  Spätzünder,  aber  mir  was das egal.   Meine  älteren  Brüder  hatten  schon  Ehefrauen  und  lebten  keusch  und  ehrlich  das  arme  Leben  des  mittellosen  Bauern,  immer  in  Sorge,  morgen  nichts mehr zu essen zu haben.   Ich ertrank meinen Hunger lieber mit billigem  Wein  und  wachte  morgens  in  einem  fremden  Bett neben einer fremden Hure auf.   So wachte ich am 14. Juli 1789 noch vom Alko‐ hol benebelt in einem fremden Zimmer auf. Mein  Kopf  dröhnte  und  von  draußen  drangen  die  Schritte  tausender  Füße  herein.  Ich  goss  mir  ei‐ nen Krug kaltes Wasser über den Kopf. Gott, ich  sah aus wie ein Trunkenbold mit meinen rot un‐ terlaufenen  Augen,  dem  dunklen  Drei‐Tage‐Bart  und den langen, zerzausten Haaren. Meine Klei‐ dung stank wie ein altes Schiff. Meine Bettgefähr‐ tin  schlief  noch,  ich  weiß  nicht  mal  mehr  ihren  Namen.  Ich  wühlte  in  ihren  Sachen  rum  und  fand  eine  neue  Hose  und  ein  weißes  Hemd.  Ich  zog beides an, kämmte mein Haar und ging, oh‐ 10

ne ein Wort zu sagen, fort. Zum Dank für meine  neuen  Anziehsachen,  wem  auch  immer  sie  ge‐ hört  hatten,  legte  ich  der  Hure  meine  dreckigen  hin.   Die  Stimmen  und  die  lauten  Schritte  da  drau‐ ßen  zogen  mich  magisch  an.  Ich  rannte  aus  dem  verrauchten, kargen Zimmer raus auf die Straße.   Wütendes  Volk  stampfte  auf  den  Pflasterstei‐ nen Richtung Bastille. Männer und Frauen, nicht  in ihren guten Kirchensachen, sondern so, wie sie  nun  mal  aussahen.  Bürger  und  Bauern,  bestückt  mit  der  Rosette  blau,  weiß,  rot.  Das  Zeichen  des  Widerstandes.   Ich hatte schon gehört, dass unser König Lud‐ wig Vertreter der Kirche, des Adels und des Drit‐ ten  Standes,  unseres  Standes  der  Armen,  nach  Versailles gerufen hatte, jedoch lehnte er jegliche  Reformen,  die  das  Leben  des  Dritten  Standes  hät‐ ten ändern können, ab.   Jetzt  stellte  das  Volk  die  Autorität  des  Königs  in Frage und stürmte durch die Gassen von Paris.  11

Unsere Vertreter forderten  eine neue Verfassung  und eine neue Regierung.   Welch ein Mut!  Der Mut der Verzweifelten.   Ich lief mit ihnen, eigentlich nur als Mitläufer,  denn  verträumt,  wie  ich  war,  erkannte  ich  nicht  mal  in  dieser  Situation,  an  welch  einem  Ereignis  ich teilhaben sollte. Ich spürte nur das Feuer des  Vulkans  und  die  Kraft  der  Bürger,  die  geschlos‐ sen für ihre Rechte kämpfen wollten. Also lief ich  weiter Richtung Bastille.   Damals war die Bastille ein Gefängnis und für  uns das Symbol der absoluten Macht des Königs  über  uns.  Wir  waren  den  Launen  dieses  uns  fremden  Mannes  und  seiner  geldgierigen  Köni‐ gin  ausgeliefert.  Sein  Arm  reichte  immer  bis  zu  uns,  doch  unserer  erreichte  nicht  mal  seine  Pa‐ lasttore.   Die Luft kochte und unsere Schritte hallten im  Gleichklang  durch  Paris;  Donner  schallte  durch  die  Gassen,  wir  waren  eine  Naturmacht  gewor‐ den.  Niemand  konnte  uns  aufhalten  und  nie‐ 12

mand  wollte  sich  uns  entgegenstellen.  Ich  war  betrunken  von  diesen  Gefühlen,  die  mit  uns  zo‐ gen.   Da spürte ich plötzlich einen starken Schmerz  in der Brust und lenkte meine Schritte von der to‐ benden Masse weg. Ich stütze mich an eine Häu‐ serwand.  Wie  in  Nebel  sah  ich  die  Bürger  von  Paris weiter an mir vorbei laufen, sah benommen  die  drohenden  Hände  in  der  Luft  und  roch  den  Atem der Wut. Ihre Stimmen verfielen zu einem  Flüstern,  sie  waren  plötzlich  so  weit  von  mir  weg.  In  Sekunden  trennte  sich  meine  Welt  von  ihrer und ließ mir keine Tür mehr offen.   Ich streckte meine Hand aus, als wollte ich ei‐ nen von ihnen aufhalten, doch ich griff ins Leere.  Ich rutsche die Wand runter und fiel in eine klei‐ ne Gasse, abseits von ihnen.   Ich konnte gar nicht begreifen, was da los war.  Ich schüttelte  den Kopf, nicht mehr Herr meines  Körpers.  Ich  sah  an  mir  herunter,  Blut  tränkte  mein weißes Hemd. Ich atmete schwer und spür‐ te  einen  starken  Durst.  Kalter  Schweiß  lief  an  meiner  Stirn  herunter  und  mir  wurde  übel.  Ich  13

sank  noch  mehr  zusammen  und  der  Teufel  per‐ sönlich  schien  mir  die  Sinne  zu  rauben.  Sie  alle  stürmten zur Bastille, doch ich stürmte ins Reich  der  sterbenden  Sinne.  Wer  hatte  mich  getroffen?  Im  Lärm  des  Kampfgetöses  hatte  ich  keinen  Schuss  gehört  und  damals  gab  es  noch  keine  Möglichkeit, lautlos zu schießen. Eigentlich hätte  die  ganze  Meute  aufschrecken  müssen.  Ich  sah  auf  meine  Brust,  das  Blut  lief  unentwegt  weiter  und raubte mir das Leben. Ich hörte laute Knall‐ geräusche, Gewehre und Schreie.   Sollte der König erneut gewinnen??  

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Ich weiß  nicht,  wie  lange  ich  in  dieser  Gasse  lag,  dafür heute, dass der König nicht gewonnen hat‐ te, sondern sein Leben lassen musste.   Ein starker Schmerz am Hals ließ meinen ster‐ benden Körper hochschrecken. Mit einem zarten  Hauch  Kraft  richtete  ich  mich  an  der  Wand  auf.  Da  sah  ich  ihn.  Eine  kleine,  dünne  Gestalt,  wie  ein Toter, der seinem Sarg entkommen war. Blut  lief  aus  seinem  blassen  Mund  und  seine  Augen  blickten  wirr  in  der  Gegend  herum.  Eine  ärmli‐ che  Gestalt,  wie  von  Ratten  zernagt.  Ich  starrte  ihn  nur  an.  Stand  dieses  Wesen  da  wirklich  vor  mir?   Er grinste breit, dann lachte er laut auf und ich  konnte  seine  langen,  weißen  Zähne  sehen,  ein  Wolfsgebiss, nichts Menschliches.   Vor  meinen  Augen  verwandelte  sich  der  Rat‐ tenmensch  in  eine  blühende  Gestalt.  Von  tot  zu  lebendig, von alt zu jung.  

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