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Die Genese von Stress und Burnout – eine Reise durch unsere Arbeitswelt Szondi-Institut Zürich 03. November 2012
Carolin Kriening, lic. phil. / MAS Business Psychology ifa Institut für Arbeitsmedizin
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Wer sind wir… .
Praxis
Gesundheitszentren
Arbeitsmedizin
Gesundheitsförderung
Umfassender Anbieter für Dienstleistungen rund um die Gesundheit in Betrieben ifa: Institut für Arbeitsmedizin Sitz in Baden (ABB-Areal) Seit 1995 (Aktiengesellschaft)
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Inputs in der nächsten Stunde 1. Veränderte Arbeitswelt und daraus resultierende Folgen für unsere Gesundheit 2. Stress – gut oder schlecht? 3. Burnout 4. Fragen ?
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1. Veränderte Arbeitswelt und Folgen für die Gesundheit
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Entwicklung der Wirtschaftssektoren
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Veränderte Arbeitswelt Beschleunigung und Verdichtung der Arbeit „immer mehr mit immer weniger“ Erhöhter Erholungsbedarf nach der Arbeit
Technologischer Wandel Halbwertszeit des Wissens wird kürzer Lebenslanges Lernen
Aufhebung der Grenzen Arbeit-Zeit-Ort Eigenverantwortung für die eigene Work-Life-Balance
24-h-Gesellschaft Ruf nach Flexibilität Zunehmende Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses
Zugang zum wettbewerbs- und dienstleistungsorientierten Markt Emotionsarbeit als zunehmende Anforderung
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Folgen dieser Veränderungen?
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Schweiz. Gesundheitsbefragung (n=18'800)
• 41.3% der befragten Personen leiden unter starken nervlichen Anspannungen am Arbeitsplatz • 38% der Frauen und 21% der Männer, die gestresst sind, beklagen sich über starke körperliche Beschwerden 8
Quelle: Bundesamt für Statistik, 2008/2009
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Zunahme Stressempfinden SECO-Studie
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Arbeitsunfähigkeit und Psyche
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IV-Neurenten nach Ursachen 2010
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Stress und seine finanziellen Folgen: Studie Seco
Der Stress kostet uns 4,2 Milliarden CHF pro Jahr (2003) Schätzung 2010: 5,6 Milliarden CHF pro Jahr Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft, SECO
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Top 10 des Produktivitätsverlustes
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Fazit Berufliche Anforderungen steigen kontinuierlich und sind heute enorm Von den Beschäftigten wird ein hohes Mass an Anpassungsfähigkeit verlangt Diese Veränderungen bergen Chancen und Risiken Risiken können – falls zu intensiv und überdauernd – zu gesundheitsschädigenden Folgen führen
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Der Umgang mit Stress wird zunehmend zur geforderten Kernkompetenz für Personen
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2. Stress – gut oder schlecht?
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Was ist Stress? • Subjektiver Spannungszustand aufgrund eines Ungleichgewichts zwischen Anforderungen und persönlichen Bewältigungsmöglichkeiten – Situation ist persönlich bedeutsam – Ungleichgewicht ist mit negativen Gefühlen verbunden
ANFORDERUNGEN AN DIE PERSON (innere und äussere)
BEWÄLTIGUNGSMÖGLICHKEITEN DER PERSON
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Eustress vs. Distress Positiver Stress (Eustress) anregender Stress gibt positive Impulse führt zu Erfolgserlebnissen
Negativer Stress (Distress) unzureichende Möglichkeiten zur Bewältigung zerstörender Stress schränkt Leistungsfähigkeit ein
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Anforderung - Überforderung
Leistung
hoch
Frühwarnzeichen von Überforderung
tief
Schwierigkeitsgrad
hoch
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Warum Stress? Stress ist eine reflexartige Lebenserhaltungsreaktion durch grosse Bereitstellung von Energie. Stress ist somit ein natürlicher Verteidigungsmechanismus
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Stress früher und heute Von der Notbereitschaft zum Daueralarm früher "Kampf oder Flucht" als Selbsterhaltungstrieb heute "Hilflosigkeit und Unterordnung" immer wiederkehrende psychische Bedrohung, die kein körperliches Handeln mehr erfordert
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Unsere körperlichen Stresssymptome akut
chronisch
Herz-KL-System
Puls steigt, Blutdruck steigt
Hypertonie,Herzrhythmusstörungen, Risiko für Herzinfarkt
Atmungsorgane
Atmung schnell, oberflächlich
Keine Langzeitfolgen
Magen-Darm
Verlangsamung, Stopp
Bewegungsapparat Muskeltonus steigt Haut
Blässe, Schweiss
Uro-Genitalsystem Stopp Gehirn Blutgerinnung
Verstopfung, Durchfall, Blähung, Flatulenz Muskelverspannungen, Rückenschmerzen, Migräne Ausschläge, Schuppen, chr. Hauterkrankungen Impotenz, Zyklusstörungen, Lustlosigkeit
Fokussierung, "Tunnelblick"
Konzentrations- & Merkfähigkeitsprobleme, Depression
Gerinnung aktiviert
gehäuft Infarkte, Thrombosen
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Kennen Sie Reaktionen auf Überlastung/Stress?
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Stresssymptome in der Alltagssprache
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Bildquelle: IG Metall (Hg.), Mobbing, Frankfurt/M. 1997
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Stressreaktionen: persönliche Frühanzeichen Körperlich:
Verspannungen, Verkrampfungen, Schwitzen, Herzklopfen, nervöse Tics, …
Gedanklich:
Konzentrationsstörungen, Erinnerungslücken, Gedankenkreisen Entscheidungsschwierigkeiten, negative Gedanken, wie „das schaffe ich nie!“, …
Gefühlsmässig:
Angst, Unsicherheit, Nervosität, Gereiztheit, Unzufriedenheit, Traurigkeit, Verzweiflung, Misstrauen, …
Verhalten:
Hektik, Zittern, erhöhte Fehlerquote, Leistungseinbussen, Rückzug vom Team / Familie, Aggressionen, Suchtmittelkonsum, geringe Frustrationstoleranz…
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3. Burnout
Wie definieren wir „Burnout“?
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Definition «Burnout»
Es gibt derzeit keine allgemeingültige und anerkannte Definition von Burnout!
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International Classification of Disorders (ICD-10) • Kapitel 21, Ziffer Z73: Burnout = Zustand der körperlichen Erschöpfung • Keine eigentliche Diagnose; de facto keine Krankheit
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Historisches: „A Burnt-Out Case“ 1967 schreibt Graham Greene eine Novelle über einen desillusionierten und zynisch gewordenen ehemals erfolgreichen und kreativen Architekten.
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Herbert J. Freudenberger 1974 • Beschreibt Burnout erstmals wissenschaftlich • Hohe Leistungserwartung • Hohes persönliches Engagement • Burnout ist ein Prozess und kein Zustand • Verwandlung vom mitfühlenden Zeitgenossen zum depressiven Zyniker
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Kernelemente des Burnouts nach Maslach • Erschöpfung Emotionale und körperliche Erschöpfung und Entkräftung
• Distanzierung Distanzierte, gleichgültige Einstellung gegenüber der Arbeit, Verlust von Sympathie, Zynismus
• Reduzierte Leistungsfähigkeit Gefühl beruflichen Versagens; Verlust des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten
Schaufeli et al. 1996, nach B. Schulze USZ, 2005
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Zusammenhang Stress und Burnout Burnout = Folge von chronischem Stress
Burnout hat den chronischen Stress als Vorläufer die ungenügende Stressbewältigung spielt eine entscheidende Rolle
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Symptome I
Physische Ebene
Andauernde Müdigkeit Schlafstörungen Häufige Erkältungen und Grippen Kopfschmerzen Magen-Darm-Beschwerden Erhöhte Pulsfrequenz Erhöhter Cholesterinspiegel
Verhalten
(exzessiver) Drogengebrauch Erhöhte Aggressivität Häufiges Fehlen am Arbeitsplatz Längere Pausen Verminderte Effizienz
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Symptome II
Soziale Beziehungen
Verlust von positiven Gefühlen gegenüber Klienten (bei in sozialen Berufen Tätigen) Widerstand gegen Anrufe und Besuche Unfähigkeit, sich auf Klienten zu konzentrieren und zuzuhören Isolierung und Rückzug Ehe- und Familienprobleme Einsamkeit
Persönliche Einstellung
Stereotypisierung von Klienten Zynismus Schwarzer Humor Verminderte Empathie Negative Arbeitseinstellung Desillusionierung Verlust von Idealismus
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Burnout: ein schleichender Prozess Die fünf Phasen 1. Enthusiasmus und Idealismus 2. Realismus und Pragmatismus 3. Frustration und Stagnation
4. Rückzug
5. Depression und Verzweiflung
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Zusammenfassung Burnout-Prozess Chronischer Stress
Depression
Burnout wird von der beruflichen Belastung her interpretiert während bei einer Depression die Krankheitsursache offen ist.
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Endzustand des Burnout-Prozesses Sehr oft endet ein schwergradiges Burnout in einer tiefen Depression mit • Verzweiflung, Apathie • Sinnkrise • Selbstwertzerstörung • Zukunftsängsten • Sozialphobien • Selbstmordgedanken
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Häufigkeit von Burnout
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Häufigkeit von Burnout • Prävalenz von Burnout bei Schweizer Grundversorgern (Querschnittsstudie) • N=1755 (Rücklauf 65%) • Burnoutkriterien: • 19% emotionale Erschöpfung mit hohem Score • 22% Depersonalisation/Zynismus mit hohem Score • 16% schlechte Effektivität • Insgesamt wies 1/3 ein leichtes bis hochgradiges Burnout auf
Catherine Goehring et al.; Swiss Med Wkly; 2005 Feb 19; 135 (7-8): 101-8
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Studien zur psychischen Gesundheit von Schweizer Ärztinnen und Ärzten •
Biaggi 2003 • N=80 AssistentInnen und ChefärztInnen Spital • Thema: Burnout und Stressfaktoren • Resultate: •
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Arbeitsintensität als hoch oder zu hoch empfunden bei • 72% der AssistentInnen • 67% der ChefärztInnen Emotionale Erschöpfung bei • 41% der AssitentInnen • 43% der ChefärztInnen Risikofaktoren: Arbeitsüberlastung, subjektive Arbeitsintensität, zu wenig Freizeit, mangelhafte gegenseitige Abstimmung in wichtigen Bereichen
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Risikofaktoren für Burnout
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Gesellschaftliche Risikofaktoren • • • • • • •
Zunehmende Anonymität und Vereinsamung Hektik Wertewandel Wettbewerbsorientierter Individualismus Zerfall familiärer Bindungen Demographischer Wandel Aufhebung der Trennung von Arbeit und Freizeit
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Burnout-fördernde Arbeitsplatzmerkmale • Hohe Arbeitsbelastung (Arbeitsdichte) −
Zeitdruck / Arbeitszeit
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Rollenkonflikte
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viel Verantwortung bei gleichzeitig geringem Handlungsspielraum
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mangelnde Information zur Erledigung der Aufgabe
• Art der Tätigkeit (Emotionsarbeit) • mangelhafte Kommunikation • Mangel an Feedback • Mangelnde soziale Unterstützung (Vorgesetzte/Kollegen)
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Burnout Syndrom – Wen trifft‘s? • • • • • • •
Hoher Grad an Pflichtbewusstsein Hohe Leistungsbereitschaft Starke Identifikation mit Arbeit Neigung zu Perfektionismus Erhöhte Erwartungen Vernachlässigung eigener Bedürfnisse Geringe Sensibilität für eigene Gefühle
• Alter • Geschlecht weiblich • Hohes Ausbildungsniveau
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Wer je ein ausgebranntes Gebäude gesehen hat, der weiß, wie verheerend so etwas aussieht. Ein Bauwerk, eben noch von pulsierendem Leben erfüllt, ist nun verwüstet. Wo früher Geschäftstätigkeit herrschte, finden sich jetzt nur noch verkohlte Überreste von Kraft und Leben. Ein paar Ziegel und Zementbrocken mögen stehen geblieben sein, ein paar leere Fensterrahmen. Vielleicht ist sogar die äußere Hülle des Gebäudes noch erhalten. Wer sich jedoch hineinwagt in die Ruine, wird erschüttert vor dem Werk der Vernichtung stehen. (Freudenberger)
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Wie steht es um Sie persönlich? www.swissburnout.ch
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Und zum Schluss…
"Die höchste aller Künste ist es, die Qualität jedes Tages positiv zu beeinflussen!" Henry David Thoreau
Darum: Tragen Sie sich selber Sorge – gönnen Sie sich jeden Tag etwas Gutes! 47
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Weitere Informationen unter www.arbeitsmedizin.ch Kontakt:
[email protected] +41 (0)56 205 61 99
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4. FRAGEN???
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