Black Cage - PDFDOKUMENT.COM

4. Zwölf Monate zuvor. Wie ein Vogel, in einem metallenen Käfig, saß er auf dem Boden seines Verlieses. ... vergebens das war. Ohne richtige Lichtquelle konnte er nicht ausmachen, wann ein Tag en- dete und ein neuer ... „Heißt das, ich werde auf ewig hier drin bleiben?“, knurr- te er wütend zwischen den Zähnen hervor.
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Tinka Wallenka

Black Cage – Der schwarze Käfig Ausbruch Band 1 Fantasy

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© 2015 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2015 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: 71973511 - show man© Andrey Kiselev Printed in Germany

AAVAA print+design Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck:

ISBN 978-3-8459-1540-1 ISBN 978-3-8459-1541-8 ISBN 978-3-8459-1542-5 ISBN 978-3-8459-1543-2 Mini-Buch ohne ISBN

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Zwölf Monate zuvor

Wie ein Vogel, in einem metallenen Käfig, saß er auf dem Boden seines Verlieses. Nur war der gefallene Shinigami* kein Vogel und seine Haftanstalt glich viel mehr einer alten Lagerhalle, deren Wände aus undurchdringlichem Metall waren, als dass sie einer irdischen Gefängniszelle ähnelte. Ein Ort, ohne Türen und Fenster. Nur eine schwache Lichtquelle, deren Ursprung er sich nicht erklären konnte und die unaufhörlich leuchtete, bot etwas Helligkeit zu bringen. Allerdings brachte sie nicht mehr als einen verhältnismäßig kleinen Lichtkegel zustande. Der Rest des Kerkers blieb im Dunklen. Doch der Häftling 4

störte sich nicht daran, denn die Schwärze war es, die ihn seit eh und je anzog. Denn finster war sein Gemütszustand, ebenso finster sein Herz und finster auch die Aussicht auf erneute Freiheit. Nicht, nach seinem Vergehen. Nicht... nachdem er abtrünnig wurde. Er riss so viele Unschuldige in den Tod, doch auch jetzt, bereute er keine Einzige seiner Taten. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon im ‚Black Cage‘ war. Zuerst ritzte er Linien mit seinen Nägeln in eine der metallenen Wände. Doch schnell stellte er fest, wie vergebens das war. Ohne richtige Lichtquelle konnte er nicht ausmachen, wann ein Tag endete und ein neuer begann. Danach verlor er jegliches Zeitempfinden und seine Unsterblichkeit wurde ihm allmählich zuwider. „Muss langweilig hier drinnen sein…“, hörte er eine ihm bekannte Stimme von allen Seiten widerhallten. Er weitete seine pechschwarzen Flügel und suchte die Halle nach Lautsprechern oder dergleichen ab, doch dort waren keine zu finden. Auch dies muss eines der 5

Mysterien des ‚Black Cage‘ sein, die sich nicht erklären ließen. Ebenso wie der Ursprung dieser unnatürlichen Lichtquelle. „Ghawon?!“, brachte er seinem Gesprächspartner entgegen. „Ja, ich bin es“, hallte es erneut wieder. Ein Knurren entfuhr der Kehle des Todesengels. „Warum hast du das Schicksal nicht umgebracht, bevor es mich hier her verbannt hat?!“ „Entschuldige. Es war nicht so einfach, wie du vielleicht glaubst. Dieser Ort, an dem es sich aufhält, wird sehr streng bewacht, weißt du?“, versuchte Ghawon ihn zu beschwichtigen. „Und jetzt sitzt du auf seinem Stuhl…“, mutmaßte der Todesengel. „Sieht ganz so aus“, gab Ghawon zurück. „Dann hol mich hier raus!“, forderte der Todesengel. Ein Augenblick des Schweigens verstrich, ehe Ghawon antwortete. „Wenn ich keinen Verdacht schöpfen will, muss ich mich wie er 6

verhalten. Ich kann einen Killer also schlecht so ohne Weiteres aus einem Hochsicherheitsgefängnis wie dem ‚Black Cage‘ entlassen.“ Der Todesengel schlug mit seiner Faust gegen eine der harten Stahlwände. „Heißt das, ich werde auf ewig hier drin bleiben?“, knurrte er wütend zwischen den Zähnen hervor. „Nein, das muss es nicht heißen…“, warf Ghawon dann ein und der Gefangene schien hellhörig zu werden. „Ich sagte, ich kann dich nicht einfach so dort raus lassen, doch es gibt einen Weg, wie du dir die Zeit dennoch in der Menschenwelt vertreiben und dich vielleicht sogar selbst befreien kannst.“ „Du hast eine Sicherheitslücke entdeckt?“, fragte der Todesengel ungläubig. „Ja, habe ich. Ob du es mir glaubst oder nicht, jedes Gefängnis hat eine. Sogar dieses...“ „Und wie soll ich bitte die Menschenwelt erreichen können, wenn ich hier drin bin?“, schnaubte der Todesengel unbeherrscht.

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„Indem du in ihr Unterbewusstsein eindringst, wenn sie wehrlos sind. Wenn sie schlafen...“ Der degradierte Shinigami gab sich einem hysterischen Lachen hin und ließ sich dann von Ghawon, der nun den Platz des Schicksals einnahm, alles Weitere erklären. Langweilig würde es ihm nun zumindest nicht mehr werden und auch Ghawon schien nun Unterhaltung genießen zu können. Er lehnte sich im Stuhl des Schicksals zurück und genoss es fortan den Todesengel bei seinen Bemühungen zu beobachten. __________ *Shinigami = Schattenwesen, welche die Seelen verstorbener Menschen, die noch an die irdische Welt gebunden sind, ins Totenreich überführen. Während die Engel die „Guten Taten“ abarbeiten, erhalten die Shinigami Listen mit „Schicksalsschlägen“, die sie ausführen müssen. Sowohl die Shinigami als auch die Lichtwesen wandeln unsichtbar fürs 8

menschliche Auge in der irdischen Welt umher. Die Listen, die sie dabei ausführen müssen, stammen vom Schicksal selbst. Oftmals sind die Seelen, die in die nächste Welt hinüber geleitet werden sollen, noch nicht von ihrer menschlichen Hülle gelöst. Das bedeutet, der Mensch lebt noch, obwohl er bereits tot sein sollte. Und da das Schicksal sich nicht um seine Seelen betrügen lässt, bestimmt es Unfälle vorher, bei denen diese Menschen sterben werden. Hier kommen die Shinigami ins Spiel. Es ist wichtig, dass sich sie sich an die genauen Anweisungen des Schicksals halten, um in der Menschenwelt kein Aufsehen zu erregen, während sie diese „Unfälle“ inszenieren.

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Erste Begegnung

Miyuki gehörte ohne Zweifel zu der geringen Zahl an Jugendlichen, die ein Faible für Zahlen hatten. Logisch-analytische Fächer lagen ihr einfach viel mehr, als künstlerischgestalterische. Sie liebte es, mit Zahlen zu jonglieren und Berechnungen anzustellen. Letztlich entschied sie sich genau deshalb für das Wirtschaftsstudium. Sie brauchte etwas Greifbares. Dinge, die sie sich vorstellen und in Diagramme und Tabellen fassen konnte. Damals ahnte sie noch nicht, wie sehr ihr Leben eines Tages aus den Fugen geraten wird und wie undurchsichtig, verworren und irreal alles mit einem Mal werden würde. 10

Das erste Malheur, das ihr Leben aus der Bahn warf, war der Tod ihrer Eltern. Dieser tragische Autounfall, durch den sie beide von ihnen verlor. Dabei fing der Tag doch so gut an… Ihr Vater wollte mit ihrer Mutter schick ausgehen, um den Hochzeitstag zu feiern. Sie wollten Miyuki eigentlich mitnehmen, doch diese lehnte dankend ab. Sie sagte, sie störe nur und es sei immerhin ihr Tag. Miyuki erinnerte sich noch genau daran, wie sie ihre Eltern verabschiedete. Sie wirkten wie frisch verliebte Teenager und sie wollte ihnen etwas Zeit nur für sich allein gönnen. Immerhin hatten sie ja auch immer so viel für sie getan. Ihr das Studium ermöglicht, beispielsweise. ‚Bald wird es beginnen‘, dachte sie damals noch. Miyuki war so voller Vorfreude auf die Zukunft, dass sie hätte, die ganze Welt umarmen können. Dabei ahnte sie noch nichts von dem Unheil, das diesen Tag zu einer schmerzlichen Erinnerung werden ließ. Ihre Eltern waren bereits auf dem Heimweg, als ein Transporter auf der Schnellstraße ein11

fach auf die andere Spur wechselte. Der Wagen ihrer Eltern wurde dabei von der Straße und somit den Abhang zum Meer hinunter gedrängt. Er sah sie gar nicht. ‚Toter Winkel‘, hieß es später. Doch die Ausflüchte des Mannes brachten ihr ihre Eltern auch nicht zurück. Miyuki hatte anfangs viele Albträume, sah ihre Eltern immer vor sich, wie sie friedlich die Straße entlang fuhren und dann mit einem Ruck abgedrängt wurden. Ihr schien es, als könnte sie das Quietschen der Reifen hören und das Gepolter, als der Wagen den felsigen Abhang der Klippe hinunterglitt. Miyuki konnte sich nicht einmal mit dem Gedanken trösten, dass der Tod ihrer Eltern schnell vonstattenging. Das Auto hatte einige reparaturbedürftige Stellen gehabt. Stellen, die Wasser nur noch schneller durchließen, als es ohnehin hineingelangt wäre und ihre Rettung damit nur noch aussichtsloser machte… Sie waren kläglich ertrunken. Vermutlich hatten sie noch Minuten in dem untergehenden Fahrzeug ausgeharrt, während es sich immer weiter mit 12

Wasser füllte. Sie werden nach Luft gerungen haben, versuchten mit Sicherheit die Türen zu öffnen, so malte es sich Miyuki stets in ihren Albträumen aus. Seit jeher mied sie die offene See. Obgleich sie wusste, dass es der Fahrer des anderen Wagens war, der den Tod ihrer Eltern zu verantworten hatte, gab sie zugleich dem Meer die Schuld, sie einfach verschlungen zu haben. Ihr schnürte sich seit jenem Tag stets die Kehle zu, wenn sie mit dem Fahrrad über eine Brücke musste, die sich über die hohe See erstreckte. Sofern es irgendwie möglich war, mied sie derartige Strecken und nahm lieber Umwege in Kauf. Doch seit sie nach Shibuya zog, hatte Miyuki nur noch wenig mit der Inselgegend zu tun und musste sich nicht mehr ständig überwinden und quälen. Zwei Jahre strichen nun ins Land, seit sie zu ihrem Onkel ziehen musste. Miyuki konnte sich noch genau an sein überraschtes Gesicht erinnern, als sie plötzlich mitsamt ihrem Koffer und einem Polizeibeamten vor seiner Tür 13

stand. Sie nahm nur das Nötigste mit. Darunter auch das Hochzeitsfoto ihrer Eltern, das seitdem einen Platz auf ihrem Schreibtisch gefunden hatte. Der Polizist erklärte ihrem Onkel alles, was Miyuki ihm in diesem Augenblick nicht sagen konnte, denn ihr Schmerz saß zu tief. Der Kloß in ihrem Hals schnürte ihre Kehle so eng, dass keine Worte hindurchpassten. Stattdessen rannen Tränen unbändig und unaufhörlich über ihre Wangen. Zu Hause konnte sie nicht bleiben. Nicht nur, da sie minderjährig war. Das Haus war zudem verschuldet und mit einem hohen Kredit belastet. Dinge, von denen Miyuki nichts wusste. Nur drei Jahre noch, dann wäre alles abbezahlt gewesen. Doch so musste es verkauft werden, oder vielmehr verleibte die Bank es sich einfach ein, da ihre Eltern die Schulden nun nicht mehr tilgen konnten. Es fiel Miyuki alles andere als leicht, Abschied von ihrer gewohnten Umgebung zu nehmen. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie sie ein letztes Mal alle Räume, in dem sie 14

aufwuchs, abging. Der Polizeibeamte wartete geduldig, während sich Miyuki noch einmal ihres Zimmers besah. Sie blickte auf die Vielzahl an Büchern, die sie hier zurückließ. Einige davon hatte sie noch gar nicht lesen können. Ihr Blick wanderte weiter zu den Postern der Rockbands an ihrer Wand. Sie dachte kurz daran zurück, wie unbeschwert diese Zeit doch war, als sie die Melodien mitsang und fröhlich durch ihr Zimmer hüpfte. Als sie ihren Blick weiter schweifen ließ, schoss ihr die kunstvoll bestickte Decke auf ihrem Futon in die Augen. Ein Erbstück, das ihre Mutter bereits von deren Mutter weitergereicht bekam. Dann blickte sie zu ihrem Schreibtisch. Wie ewig hatte sie daran gesessen und für die Aufnahmeprüfungen dieser Elite-Uni gelernt? Ihr Atem ging schwer und ihre Gelenke fühlten sich ungewohnt steif an. Es brach ihr beinahe das Herz, als sie sich bewusst machte, was sie hier alles zurücklassen würde. Immerhin konnte sie nicht alles mitnehmen. Dabei schien ihr das alles noch so unwirklich… 15