Ausserbetriebnahme der Anlage im Jahr 2019 - Energie aktuell

30.10.2013 - in den Bereichen Produktion, Netze, Handel und Overhead. ... Er macht Investitionsmittel frei, die für andere Optionen zur Verfügung stehen.
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Die Aussagen können als Zitiervorlage verwendet werden.

Kernkraftwerk Mühleberg

Ausserbetriebnahme der Anlage im Jahr 2019

Referat von Suzanne Thoma, CEO der BKW AG, anlässlich der Medienkonferenz vom 30. Oktober 2013 Sehr geehrte Damen und Herren

Der Verwaltungsrat der BKW hat auf Antrag der Konzernleitung einen wichtigen Entscheid getroffen. Es ist ein unternehmerischer und kein politischer Entscheid. Er wurde getroffen, weil die wirtschaftlichen Chancen eines Langfristbetriebes, die wirtschaftlichen Risiken nicht rechtfertigen. Wie unser Verwaltungsratspräsident Urs Gasche bereits erwähnte, hat dabei die Frage, wann sich die tiefen Strompreise wieder erholen werden, eine wichtige Rolle gespielt. Für eine Anlage, die wie das Kernkraftwerk Mühleberg so oder so im letzten Drittel seiner Lebensdauer steht, ist die Frage nach dem Zeitpunkt der Erholung der Strompreise von besonderer Relevanz.

Nun möchte ich gleich zu Beginn meiner Ausführungen die Bedeutung des Entscheids in einen Gesamtzusammenhang der BKW stellen: -

Bei einer Bilanzsumme von rund CHF 8 Mia. repräsentiert das KKM heute einen Anlagewert von nur rund CHF 400 Mio., also ca. 5 Prozent

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In den nächsten Monaten kommt unser Kraftwerk Wilhelmshaven ans – allerdings deutsche – Netz. Unser Anteil liefert 2/3 der Kapazität von Mühleberg

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Die Rolle der BKW als drittgrösste Schweizer Stromversorgerin bleibt bestehen. Auch nach 2019 wird die BKW ihre grundversorgten Kunden und ihre Partner-EVU mit eigenem Schweizer Strom versorgen. Rechnet man die ausländischen Kapazitäten hinzu, behält die BKW eine ausgeprägte Long Position und eine interessante Stellung im Stromhandel.

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Die BKW besitzt heute bereits 400 MW an Windkapazitäten in Deutschland, Italien und in der Schweiz. Es ist Teil unserer Unternehmensstrategie, diese Kapazitäten sachgerecht weiter auszubauen. Die BKW ist die grösste Schweizer Investorin und Betreiberin im Bereich Wind.

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Die BKW verfügt über das schweizweit grösste Verteilnetz mit einer Gesamtlänge von ca. 20‘000 Km.

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Die Entwicklung von Innovationen, neuen Dienstleitungen und Geschäftsmodellen schreitet gut voran. Gemäss unserer Planung werden sie am Ende der Lebensdauer des KKM die Ertragsausfälle zumindest wettmachen können.

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Bereits heute arbeiten 1‘200 Mitarbeitende im BKW-Dienstleistungsgeschäft.

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Der Entscheid war schwierig und langwierig. Das KKM ist ein wichtiger Teil von dem, was die BKW ausmacht. Es leistet einen wichtigen Beitrag an die Stromversorgung im Kanton Bern. Es steht für höchste technische Kompetenz und Zuverlässigkeit. Es steht für eine Sicherheitskultur, die keinen Vergleich im In- und Ausland scheuen muss. Über viele Jahre hinweg war das KKM ein substanzieller Ertragsbringer für die BKW. Es hat dadurch mitgeholfen, die Mittel zu erwirtschaften, welche die Entwicklung des Unternehmens, nicht zuletzt den Ausbau der erneuerbaren Energien ermöglichten.

Der Entscheid war auch schwierig, weil der Wegfall von 3 TWh Strom bis 2019 nicht zeitgleich durch schweizerische Eigenproduktion wird ersetzt werden können. Dafür sind die Möglichkeiten, neue Kapazitäten in der Schweiz zügig hinzuzubauen aus verschiedenen Gründen leider zurzeit sehr beschränkt. Die Auslandabhängigkeit der Schweiz wird steigen und dabei wird Strom aus ausländischen Kernanlagen und fossilen Anlagen eine wichtige Rolle spielen.

Und doch ist der Entscheid für einen Weiterbetrieb bis 2019, unter Verzicht auf einen Langfristbetrieb, richtig und zukunftsweisend.

Die tiefen Strompreise mit unklaren Aussichten auf eine Erholung erschweren generell Investitionen in Produktionskapazitäten. Dies gilt insbesondere auch für Investitionen in den Langfristbetrieb des KKM. Das politische und gesetzliche Umfeld unterliegt heute schnellen und nur teilweise vorhersehbaren Entwicklungen. Neue sicherheitstechnische Erkenntnisse, neue finanzielle Forderungen, weitere Förderung alternativer Energien, welche die bereits bestehenden heutigen Marktverzerrungen zementieren, sind durchaus möglich. Es ist daher nicht auszuschliessen, dass weitere Kostenerhöhungen im Betrieb und nicht geplante Zusatzinvestitionen die Wirtschaftlichkeit zusätzlich belasten würden. Solche Rahmenbedingungen erschweren Investitionen in den Langfristbetrieb von Mühleberg. Auch wenn nicht alles direkt vergleichbar ist, beachten Sie bitte, dass diese schwierigen Umstände auch andere, weniger umstrittene Investitionen, wie z.B. Investitionen in die Wasserkraft, heute erschweren.

Doch richten wir nun den Blick in die Zukunft.

Für den Betrieb bis ins Jahr 2019 wird die BKW insgesamt CHF 200 Mio. investieren. Der Löwenanteil dieses Betrages besteht aus regulären Investitionen. Die Zusatzinvestitionen sind:

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die Verstärkung des Wohlenseestaudamms, die bereits begonnen hat und von allen ins Auge gefassten Massnahmen den grössten Sicherheitsgewinn erbringt,

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eine alternative Kühlwasserversorgung, aber ohne den Bau der Saaneleitung,

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zusätzliche Vorkehrungen für die Nachwärmeabfuhren

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Mit diesen Massnahmen erhöht die BKW die Sicherheit des KKM weiter. Dabei liegt das Sicherheitsniveau nicht nur über dem gesetzlich geforderten Niveau, sondern deutlich über der vom ENSI geforderten zusätzlichen Sicherheitsmarge.

Die BKW hat bereits vor Monaten – lange bevor der Entscheid fest stand – mit der Grobplanung für die Ausserbetriebnahme, den Nachbetrieb und die Stilllegung begonnen. Diese Arbeiten werden nun beschleunigt weitergeführt. Einmal mehr sieht sich die BKW in einer Pionierrolle. Sie wird das erste Schweizer Stromversorgungsunternehmen sein, das die anspruchsvolle Aufgabe, ein Kernkraftwerk stillzulegen, an die Hand nimmt. Ich bin überzeugt, dass die BKW diese Aufgabe mit der ihr eigenen Gründlichkeit und Engagement bewältigen wird. Die BKW steht wie erwähnt für höchste technische Kompetenz und Zuverlässigkeit, für eine Sicherheitskultur, die keinen Vergleich mit dem In- und Ausland scheuen muss. Dies wird auch für die Phase des Nachbetriebs und der Stilllegung gelten. Ich bin auch überzeugt, dass es uns gelingen wird, das dabei gewonnene und weiter entwickelte Know-how in neue unternehmerische Chancen umzumünzen.

Der heute kommunizierte Entscheid wird keine unmittelbare Auswirkungen auf die Belegschaft des Kernkraftwerks haben. Bis zum Betriebsende 2019 werden sämtliche Mitarbeitenden des KKM in der Anlage weiterbeschäftigt. Es sind keine Entlassungen vorgesehen. Die Stilllegung wird nach heutiger Planung erst in den 30iger Jahren abgeschlossen sein. Unser Ziel ist es, die heute im Kraftwerk tätigen Spezialisten und Fachkräfte für die restlichen Betriebsjahre und für die Zeit des Nachbetriebs und der Stilllegung auszubilden und zu halten. Für solche Mitarbeitenden wird es in den kommenden Jahrzehnten in der Schweiz sehr gute Berufschancen geben.

Sehr langfristig werden die Arbeitsplätze in Mühleberg aber wegfallen. Dies gilt für die eigenen Arbeitsplätze wie auch für die Stellen, die bei Zulieferern indirekt vom Kernkraftwerk Mühleberg abhängen. Es werden aber neue Arbeitsplätze – auch in der Region Bern – entstehen.

Der Entscheid ist auch Ausdruck unserer Entschlossenheit, den Transformationsprozess der BKW zügig und konzentriert weiterzuführen.

Am 1. Juli dieses Jahres ist die neue Konzernstruktur in Kraft getreten. Die neuen erneuerbaren Energien und die neuen Geschäftsmodelle sind heute direkt in der Konzernleitung vertreten. Wir überarbeiten unsere Prozesse und setzen alles daran, das vielfältige Know-how der BKW-Mitarbeitenden zusammenzufassen und am Markt und in der Innovation zu nutzen.

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Unsere Kosteneffizienzprogramme schreiten zügig voran und die angestrebte und Ihnen bekannte Kostenreduktion von CHF 100 Mio. wird erreicht werden. Dazu gehört auch der Abbau von 250 Stellen in den Bereichen Produktion, Netze, Handel und Overhead. Gleichzeitig wächst die BKW, da wir in den Dienstleistungsbereichen deutlich mehr Stellen schaffen, als wir in den klassischen BKW Bereichen abbauen. Die BKW, meine Damen und Herren, gerne erwähne ich es noch einmal, ist ein wachsendes Unternehmen. Es schafft neue Stellen, davon zu einem guten Teil in der Region Bern.

Wir entwickeln neue Produkte und Dienstleistungen für unsere vielfältige und anspruchsvolle Kundschaft. Unsere Kunden – Private, andere Stromversorgungsunternehmen, Gemeinden und Kanton, KMU und grosse Unternehmen – haben neue und unterschiedliche Bedürfnisse. Die Energieversorgungslandschaft verändert sich und damit die Bedürfnisse unserer Kunden. Wir sehen unsere Aufgabe darin, in einem komplexen, vernetzten und sehr heterogenen Versorgungssystem, als Energiedienstleisterin die bestmöglichen Lösungen zu bieten. Zukünftig wird die fast 100 %ige Verfügbarkeit von genügend Strom dazugehören. In Zukunft wird es unsere Aufgabe sein, unsere Kunden– aber nicht nur – mit Strom zuverlässig und kostengünstig zu bedienen. Und dies bedeutet, dass die Produktion und die Verteilung von Strom wichtig bleiben wird.

Sie erkennen, dass der schwierige Entscheid, auf die Investitionen in den Langfristbetrieb zu verzichten und das Kernkraftwerk Mühleberg 2019 vom Netz zu nehmen auch eine Chance darstellt:

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Er ist ein weiteres Signal an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass für die BKW die Zukunft mit neuen Chancen und Herausforderungen begonnen hat.

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Er reduziert den Einfluss, den heute wenig absehbare politisch-regulatorische Initiativen und Behördenentscheide auf ihre Zukunft nehmen können.

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Er macht Investitionsmittel frei, die für andere Optionen zur Verfügung stehen. Dies können Investitionen in erneuerbare Energien, ins Netz, in unser Dienstleistungsgeschäft oder ganz neue Geschäftsmodelle sein.

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Er stärkt unsere Entschlossenheit, unsere Hausaufgaben zu machen. Kunden- und Marktorientierung, Kosteneffizienz und neue Produkte und Dienstleistungen sind der Schlüssel.

Es ist mir ein Anliegen, am Schluss meiner Ausführungen einen Dank und eine Erwartung auszusprechen. Der Dank geht zunächst an die ehemaligen und heutigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kernkraftwerkes Mühleberg. Über 40 Jahre lang – und noch bis 2019 – haben sie auf höchst zuverlässige Art und Weise einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Schweiz geleistet. Diese Mitarbeitenden, wie alle Führungskräfte und Mitarbeitenden der BKW, haben für dieses Engagement in ihrem Umfeld nicht nur Lorbeeren geerntet.

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Meine Erwartung und mein Ziel ist es, dass wir auch in den kommenden sechs Betriebsjahren so weiterarbeiten wie bisher und die Sicherheit der Anlage mit weiteren Verbesserungen garantieren. Meine Erwartung ist es aber auch, dass wir die Chancen dieser Veränderung anpacken, die Zeit des Nachbetriebs und der Stilllegung optimal vorbereiten und dabei konsequent und ohne Umwege die Neuausrichtung der BKW vorwärtsbringen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!