Arbeitsunterlagen Verhandlung

vorzufinden scheinen. Unser Verhalten wirkt - wenn auch mitunter auf langen unübersichtlichen Wegen - auf uns selbst zurück. So bestimmt der Einkäufer eines.
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Titel: Besser verhandeln und gewinnen! - Ihr praktischer Assistent und Soforthelfer für erfolgreiche Verhandlungen in Führung und Verkauf Verfasser: Manfred R.A. Rüdenauer, Dipl.-Kfm. Konzept und Herausgeber: EditionAutorDigital ISBN: 978-3-943788-10-5 Copyright: M.R.A. Rüdenauer, Hamburg 2000, 2007 Neubearbeitung als eBook 2012 Alle Rechte vorbehalten

Manfred R.A. Rüdenauer

Besser verhandeln,

mehr gewinnen! Ihr praktischer Assistent und Soforthelfer für erfolgreiche Verhandlungen in Führung und Verkauf

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Inhalt Ihres Verhandlungsassistenten 1 Verhandeln: Miteinander oder gegeneinander handeln? 1.1 Warum wir ständig verhandeln müssen 1.2 Warum wir beim Verhandeln oft Probleme haben 1.3 Worum geht es eigentlich in Verhandlungen? 1.4 Die Wirklichkeit des Partners erfassen und gestalten 1.5 Dem Partner nützlich sein, um selbst Nutzen zu gewinnen 1.6 Allgemeine Charakteristik von Verhandlungssituationen 1.7 Das bietet Ihnen Ihr Assistent und Soforthelfer für Verhandlungen und so nutzen Sie ihn am besten 1.8 Persönliche Bestandsaufnahme

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Verhandlungen initiieren, vorbereiten und durchführen 2.1 Die Ausgangslage der Verhandlung analysieren 2.1.1 Mein Anlaß und meine Beweggründe für die Verhandlung 2.1.2 Anlaß und Beweggründe meines Partners für die Verhandlung 2.1.3 Alternativen zur Verhandlung 2.1.4 Auswirkungen von Umweltbedingungen 2.1.5 Beeinflussung von Umweltbedingungen zu meinen Gunsten 2.1.6 Beeinflussung von Umweltbedingungen durch meinen Partner zu seinen Gunsten 2.1.7 Folgen des Scheiterns der Verhandlung für mich und meinen Verhandlungspartner 2.1.8 Welchen Verhandlungsspielraum haben wir? 2.1.9 Kontakt aufnehmen - zum Verhandeln motivieren 2.2 Die Verhandlung richtig vorbereiten 2.2.1 Personelle Vorbereitung 2.2.2 Thematisch-inhaltliche Vorbereitung 2.2.3 Technisch-organisatorische Vorbereitung 2.3 Die Verhandlung erfolgreich durchführen 2.3.1 Durch vier Phasen zum Verhandlungserfolg 2.3.2 Eine optimale Gesprächsbasis schaffen und erhalten 2.3.3 Strategisch denken und handeln 2.3.4 Explorieren: Den Boden für Argumente vorbereiten 2.3.5 Argumentieren: Zum Erkennen und zur Wahrnehmung von Nutzenchancen motivieren 2.3.6 Partnerargumente verstehen und zielwirksam behandeln 2.3.7 In Preisverhandlungen gewinnen

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2.3.8 Schwierige Situationen souverän meistern 2.3.9 Zum positiven Abschluß kommen 2.4 Nachbereitung: Die Weichen für die Zukunft stellen 3

Methoden, Techniken, Tips und Hintergrundwissen für erfolgreiche Verhandler 3.1 Verhandler-Qualifikation: Eigenschaften, Fähigkeiten und Einstellungen erfolgreicher Verhandler 3.2 Explorieren: Richtig fragen und aktiv zuhören 3.2.1 Zielwirksame Fragen formulieren 3.2.2 Zuhören – Voraussetzung partnergerechter Argumentation 3.3 Nutzenargumentation - Vorteile erreichen, indem wir uns dem Verhandlungspartner als nützlich erweisen 3.3.1 Die Methode der Nutzenargumentation 3.3.2 Die Argumentations-(Nutzen-)Matrix 3.4 Verhandlungstaktiken richtig auswählen und einsetzen 3.4.1 Themenbezogene Taktiken 3.4.2 Personenbezogene Taktiken 3.4.3 Werte- und normenbezogene Taktiken 3.5 Besonderheiten bei Mehr-Personen-Verhandlungen 3.6 Nützliche Erkenntnisse der Wissenschaften vom Menschen für Verhandler 3.6.1 Subjektive Wahrnehmung 3.6.2 Verhandlungssituation und Kommunikation 3.6.3 Bedürfnisse und Motive 3.6.4 Konflikte - Chancen und Grenzen der Lösbarkeit 3.6.5 Rolle, Status, Macht und Selbstbild 3.6.6 Körpersprache sprechen und verstehen 3.7 Logik hilft nicht immer, schadet aber nie 3.7.1 Begriffe und Definitionen 3.7.2 Aussagen und Werturteile 3.7.3 Schlußfolgerungen

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Literatur

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Stichwortverzeichnis und Schnellfinder

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1 Verhandeln: Miteinander oder gegeneinander handeln? Jemand hat einmal behauptet, es gäbe nur drei Methoden, Menschen zu beeinflussen: durch Gewalt, indem man ihnen die Brieftaschen füllt, oder mittels überzeugender Argumentation. Dieses Buch handelt von der dritten Möglichkeit. Sie ist die schwierigste von den dreien. Aber sie die einzige, bei der die Verhandlungspartner in gegenseitigem Respekt langfristig gut miteinander auskommen können, und wohl auch die einzige, mit der die menschliche Gesellschaft in Würde überleben kann. Verhandlungen sind uns vertraut, weil sie alltäglich sind. Sie entstehen, wenn einer bei der Verfolgung seiner Ziele auf die Mitwirkung mindestens eines anderen angewiesen ist und deshalb Einfluß auf dessen Denken und Handeln auszuüben versucht. Das kommt jeden Tag und in allen Lebenssituationen viele Male vor, ohne daß den Beteiligten immer bewußt wird, daß sie miteinander verhandeln. Das menschliche Zusammenleben bringt es naturgemäß mit sich, daß ständig unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen aufeinanderstoßen. Zum Beispiel 

möchte eine Mutter, daß ihr Kind allein spielt, damit sie ungestört Hausarbeiten erledigen oder ein Buch lesen kann, während das Kind lieber mit seiner Mutter spielen möchte;



ist einer daran interessiert, für seinen Gebrauchtwagen oder sein Einfamilienhaus einen möglichst hohen Preis zu erzielen, während der andere einen "Gebrauchten" oder ein neues Heim so günstig wie möglich einkaufen möchte;



strebt ein Händler zur Verbesserung seiner Liquidität eine Vereinbarung über längere Zahlungsziele mit seinen Lieferanten an;



möchte der Chef, daß seine Mitarbeiter sorgfältiger arbeiten und weniger Fehler machen, diese aber wollen die ungeliebte Arbeit so schnell und bequem wie möglich hinter sich bringen;



will ein Verkäufer seine Produkte und Dienstleistungen an den Mann oder die Frau bringen, während diese mit einem Wettbewerbsangebot liebäugeln oder eine Geldausgabe überhaupt scheuen;



wünscht ein Kunde die kostenlose Behebung eines Schadens an der gelieferten Ware nach Ablauf der Gewährleistungsfrist;

In Verhandlungen, die von der Mehrzahl der Menschen eher mit dem Bauch statt mit dem Kopf geführt werden, versuchen die Beteiligten, die aus unterschiedlichen Be-

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dürfnissen und Strebungen entstehenden Konflikte zu lösen. Dabei erfahren sie, daß es nicht einfach ist, Mitmenschen zu überzeugen. Gut reden zu können, genügt dazu ebensowenig wie Freundlichkeit und guter Wille, obwohl diese Eigenschaften und Fähigkeiten den Verhandlungserfolg sicherlich begünstigen können. Auch ein hervorragendes Angebot an den Partner macht es nicht allein, es muß auch so überzeugend präsentiert und argumentativ vertreten werden, sodaß der andere seinen Nutzen nicht nur erkennen kann, sondern ihn schlechterdings erkennen muß und auch verwirklichen möchte. In vielen Fällen mangelt es an ausreichender Vorbereitung. So wird die Verhandlungssituation nur selten gründlich genug analysiert. Dadurch bleiben wichtige Perspektiven des Verhandlungsgegenstandes im Dunkeln und ein wesentlicher Teil der Handlungs- und Einigungsmöglichkeiten bleibt unerkannt. Auch fehlen häufig klare Zielsetzungen und zweckmäßige Verhandlungsstrategien. Von unzureichenden methodischen Fähigkeiten der Verhandler ganz zu schweigen. Als Folge davon bleiben Verlauf und Ergebnis von Verhandlungen oft weit hinter dem Erreichbaren zurück; Erfolgspotential wird verschenkt. Schöpfen Sie das Erfolgspotential Ihrer Verhandlungen besser aus! Mit diesem Ratgeber und Soforthelfer werden Sie künftig in der Lage sein, das Erfolgspotential Ihrer Verhandlungen besser auszuschöpfen. Es enthält das Wissen und die Methodik, die Sie brauchen, um optimale Verhandlungsergebnisse zu erzielen. Ihr Verhandlungsassistent wird Sie zwar nicht automatisch und sofort zu einem perfekten Verhandler machen. Mit seiner Unterstützung ersparen Sie sich aber, sämtliche Erfahrungen selbst machen zu müssen, die in Verhandlungen auf Sie warten. Und er hilft Ihnen auch, optimale Lernerfolge aus den Erfahrungen zu ziehen, die er Ihnen nicht ersparen kann. 1.1 Warum wir ständig verhandeln müssen Auf den ersten Blick dienen Verhandlungen dazu, andere Menschen zu einem gewünschten Denken und Handeln zu bringen, um dadurch eigene Ziele erreichen und eigene Bedürfnisse befriedigen zu können. Das ist die egozentrische Anschauung, die Verhandlungen ausschließlich als Mittel der eigenen Bedürfnisbefriedigung betrachtet, u.U. sogar als ein Mittel, das gegen diejenigen Mitmenschen eingesetzt wird, die der eigenen Bedürfnisbefriedigung im Wege stehen. Die anderen sind nach dieser egozentrischen Auffassung Verhandlungs-Gegner. Die egozentrische Auffassung von Verhandlungen wird den meisten von uns von Kindheit an nahegelegt, indem wir die

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entscheidende Rolle der Macht im menschlichen Zusammenleben erfahren. Machtausübung ist ein integraler Bestandteil menschlichen Verhaltens. Auf subtile Weise lernen wir, daß meistens der Stärkere siegt. Aber den meisten von uns kommen dabei auch regelmäßig Bedenken. Ein unerklärliches Gerechtigkeitsgefühl regt sich, etwas sperrt sich in uns, Macht mit Recht gleichzusetzen, und obwohl wir beinahe täglich Zeugen erfolgreicher Machtausübung werden (vielleicht auch selbst der Versuchung, Macht auszuüben, nicht immer widerstehen können), werden wir das Gefühl nicht los, daß Machtaussübung doch etwas äußerst zweischneidiges ist. Irgendwie scheint uns jeder Machtausübende - zumindest indirekt - auch von den Folgen seines Tuns selbst betroffen zu sein. Schlechte Beispiele verderben die Sitten und unter diesen haben die Beispielgeber schließlich auch selbst zu leiden. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, daß Verhandlungen nichts weniger sind als eine Einbahnstraße der Beeinflussung. Vielmehr sind sie - unabhängig von ihrem Verlauf und ihrem Ergebnis - immer gegenseitige Beeinflussungsprozesse, die zudem zwangsläufig auch die Verhandlungsumwelt verändern und dadurch auf die Verhandler selbst zurückwirken. Diese meist übersehene Eigenschaft von Verhandlungen, nämlich Kommunikationsprozesse zu sein, bei denen die Beteiligten nicht nur von einer gegebenen Wirklichkeit ausgehen, sondern - indem sie miteinander verhandeln - auch neue Wirklichkeit schaffen, wird uns wie ein "Roter Faden", durch das ganze Buch begleiten. Im Spannungsfeld von Selbstbehauptung und Integration Wir Menschen sind Individuen und zugleich soziale Wesen. Wir haben zwar unsere je eigenen Bedürfnisse, können diese aber nicht unabhängig von unserer (sozialen) Umwelt befriedigen, weil diese uns unverzichtbare Mittel dazu stellt. Die Notwendigkeit des Verhandelns ergibt sich daraus, daß einzelne (wie auch Gruppen, Organisationen und Gesellschaften) stets in umfassendere Zusammenhänge (ihre sozialen Umwelten) eingebunden sind, denen sie einerseits ihre Existenzgrundlagen und Entfaltungsmöglichkeiten verdanken, die ihnen andererseits aber auch Forderungen und Verpflichtungen auferlegen und ihrem Verhalten Grenzen setzen. Der einzelne braucht z.B. die Gesellschaft als materiellen und geistigen "Nährboden" und sozialen Entfaltungsraum. Die Gesellschaft ermöglicht ihm individuelle Existenz, soziale Sicherheit, Wachstum und Entfaltung. Sie ist aber, um selbst existieren und wachsen zu können, auf Leistungen und Loyalität des einzelnen angewiesen und fordert diese auch. Auf der anderen Seite kann aber auch die Gesellschaft dem einzelnen nur das abverlangen, was dieser geben kann, ohne die Lust an der Gesellschaft zu verlieren oder in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt zu werden. Da sowohl einzelne Men-

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schen wie auch menschliche Gruppen und Gesellschaften sich fortgesetzt wandeln und weiterentwickeln, bedarf es immer neuer Abstimmungen zwischen ihnen und unablässiger Neujustierung ihrer wechselseitigen Beziehungen. Dieser Entwicklungsprozeß in wechselseitiger Beeinflussung und Abhängigkeit wird als Koevolution bezeichnet. Bei der Regelung unserer Beziehungen zur Umwelt sind wir Menschen unausweichlich dem natürlichen Spannungsverhältnis allen organischen Lebens ausgesetzt: Auf der einen Seite treibt es uns zu egozentrischer Selbstbehauptung und Selbstentfaltung, auf der anderen Seite sind wir mehr oder weniger gezwungen, uns den Anforderungen anderer Individuen und Gruppen zu stellen und auch deren Bedürfnisse zu befriedigen oder wenigstens deren Bedürfnisbefriedigung zuzulassen. Ausbeuterische Selbstentfaltung würde die eigene Existenz langfristig ebenso gefährden wie bedingungslose Anpassung an die Forderungen anderer; erstere entweder durch Zerstörung der (sozialen) Umwelt oder durch Herausforderung schmerzlicher Gegenmaßnahmen, letztere durch Selbstaufgabe. Überleben ist nur gemeinsam möglich. Eine dem einzelnen (oder der Gruppe, Organisation, Gesellschaft) wie auch seiner Umwelt gerecht werdende Balance zu finden zwischen den egozentrischen und den allozentrischen Strebungen ist deshalb sowohl menschliche Lebensaufgabe wie auch inhärente Aufgabe jeder Verhandlung. Die Bestätigung dieser Tatsache finden wir jeden Tag ungezählte Male: Als Mitarbeiter eines Unternehmens verfolgen wir mit unserer Arbeit einerseits persönliche Ziele und erstreben individuelle Bedürfnisbefriedigung, andererseits müssen wir dabei aber stets darauf bedacht sein, auch den Bedürfnissen des Unternehmens sowie denen unserer Vorgesetzten und Kollegen Rechnung zu tragen, um uns die Voraussetzungen für die Befriedigung unserer eigenen Bedürfnisse im Unternehmen zu erhalten. Auch das Unternehmen kann seine Ziele nicht ungeachtet der Bedürfnisse seiner sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umwelt verfolgen. Die Inanspruchnahme von Subventionen und Steuervergünstigungen ohne äquivalente wirtschaftliche Gegenleistung würde z.B. auf längere Sicht die wirtschaftliche und politische Umwelt des Unternehmens schädigen und damit die (wirtschaftlichen) Existenzgrundlagen des Unternehmens ebenso gefährden wie rücksichtslose Machtentfaltung gegenüber Lieferanten, Wettbewerbern und Kunden, oder die Ausbeutung der Mitarbeiter. Auch Interessengruppen im Staat können ihre egoistischen Ziele nur so weit verfolgen als sie damit nicht Bedürfnisse anderer verletzten und in der Folge Reaktionen hervorrufen, die ihnen selbst nachteilig oder gar gefährlich werden können. Und als Verkäufer schließlich können wir eigenen Nutzen in Form von Verkaufserfolgen auf Dauer nur erzie-

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len, wenn wir auch unseren Kunden nützlich sind, indem wir ihnen helfen ihre Bedürfnisse zu befriedigen und ihre Ziele zu erreichen. Einzelne, Gruppen und Organisationen sind mittels ständiger geistiger und materieller Austauschprozesse auf vielfältige Weise in Umwelten eingebunden, mit denen sie dadurch in unauflöslicher koevolutionärer Wechselbeziehung stehen. Die wechselseitige Abhängigkeit von einzelnen, Gruppen und Organisationen und ihren jeweiligen Umwelten ist zwar von Fall zu Fall unterschiedlich stark ausgeprägt, Unabhängigkeit gibt es jedoch nicht. Alles was wir als einzelner oder Vertreter einer Gruppe oder Organisation tun, findet seinen Widerhall in der (sozialen) Umwelt und wirkt dadurch auf uns zurück, sei es in physikalischer, technisch-organisatorischer, sozialer, politischer oder ethisch-kultureller Hinsicht. Daraus ergibt sich eine große Verantwortung, der heute leider eine wachsende Zahl von Menschen aller Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsstände nicht mehr gerecht werden. Kooperative Kommunikation Verhandlungen sind eine Methode, mit denen einzelne, Gruppen und Organisationen ihre Beziehungen zueinander regeln. Die vorgenannten Beispiele zeigen, daß es in Verhandlungen nur bei sehr vordergründiger und oberflächlicher Betrachtung allein darum gehen kann, den oder die jeweils anderen soweit zu bringen, daß sie tun, was wir von ihnen möchten. Sicherlich spielt der Aspekt der Einwirkung auf andere im Sinne unserer eigenen Ziele eine wichtige Rolle in Verhandlungen. Wie alle Organismen versuchen auch wir Menschen instinktiv, unsere Umwelt gemäß unseren Bedürfnissen zu beeinflussen und zu gestalten. Wer aber von Verhandlungen mehr erwartet als einen schnellen Sieg ohne Rücksicht auf damit möglicherweise verbundene spätere Nachteile, der kommt nicht umhin, Verhandlungen als kooperative Kommunikation aufzufassen, in denen es um gegenseitige Bedürfnisbefriedigung geht. Gewinnen, ohne zu siegen, muß dann die Devise heißen, eigene Bedürfnisse befriedigen, soweit es dem anderen zumutbar ist, oder besser noch: eigene Bedürfnisse befriedigen, indem man die Bedürfnisse des anderen befriedigt. Die Beteiligten müssen sich partnerschaftlich um eine Lösung bemühen, die - soweit irgend möglich - allen gerecht wird. Problemlösungspartnerschaft anstreben Gewinnen, ohne zu siegen bedeutet, gemeinsam das Problem zu lösen, das sich aus den zunächst unvereinbaren Bestrebungen der Beteiligten, ergibt, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Gewinnen, ohne zu siegen bedeutet, eine Problemlösungspartnerschaft einzugehen, aus der alle Seiten ihren Nutzen ziehen können, statt darauf aus zu sein,

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seinen Vorteil ohne Rücksicht auf die anderen oder gar auf ihre Kosten zu suchen. Gewinnen, ohne zu siegen bedeutet, miteinander gewinnen, statt miteinander um den Sieg zu ringen und dabei Verlierer billigend in Kauf zu nehmen. Hinter dem Wunsch, zu gewinnen, ohne den Partner zu besiegen, steht das Bewußtsein, daß wir mit allem, was wir tun oder unterlassen selbst die Umwelt schaffen, in der wir künftig dann auch zu leben haben. Wir tragen durch unser eigenes Verhalten mit zu den politischen, sozialen, technischen, wirtschaftlichen, ethisch-moralischen, aber auch natürlichen Bedingungen bei, die wir bei oberflächlicher Betrachtung nur vorzufinden scheinen. Unser Verhalten wirkt - wenn auch mitunter auf langen unübersichtlichen Wegen - auf uns selbst zurück. So bestimmt der Einkäufer eines Unternehmens letztlich mit, wie leicht oder wie schwer es dessen Verkäufer haben, und die Politiker bestimmen mit ihrem Verhalten, inwieweit sich die Bürger mit dem Staat identifizieren und das politische System stützen. 1.2 Warum wir beim Verhandeln oft Probleme haben Leider ist diese Einsicht nicht genetisch programmiert, sodaß sie sich automatisch in unserem Verhalten niederschlagen würde. Fast täglich können wir die Erfahrung machen, daß es im Falle unterschiedlicher Bedürfnisse und Strebungen keinesfalls automatisch zu einer partnerschaftlichen, d.h. die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigenden, Verhandlung kommt. Wir sind auf unseren Verstand angewiesen, wenn wir partnerschaftlich verhandeln wollen. Und der muß sich nicht selten gegen entgegengesetzte Instinktregungen durchsetzen. Obwohl alle Menschen, die ganz bei Verstand sind, wissen, daß sie langfristig immer auf die Kooperation ihrer Mitmenschen angewiesen sind, unterliegen einzelne, Gruppen und Organisationen immer wieder der Versuchung, ihre Bedürfnisse auf Kosten anderer befriedigen zu wollen. Wenn wir uns selbst gegenüber ehrlich sind, müssen wir möglicherweise eingestehen, auch nicht vollkommen frei von dieser Tendenz zur Ausbeutung anderer zu sein. Die Versuchung ist umso größer, je mehr Macht einer gegenüber dem anderen hat, d.h. je eher er seine Ziele auch gegen den Willen des anderen mit Aussicht auf Erfolg verfolgen kann. Anstelle von Verhandlungen werden dann andere Methoden der Konfliktbewältigung - mehr oder weniger kooperativ - praktiziert, wie z.B. Überreden, Austricksen, Aufzwingen, Unter-den-Teppich-kehren, Nachgeben, Ausweichen, Aufgeben, Druckausüben, Gewaltanwenden. Obwohl wir Menschen von Kindheit an verhandeln, sind wir keineswegs geborene partnerschaftliche Verhandler. Diese Fähigkeit müssen wir erst erlernen.

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Balancieren zwischen Egozentrik und Allozentrik Eine das (Über-)leben und die Entwicklung des einzelnen wie auch der Gesellschaft fördernde Balance zu halten zwischen egozentrischer Selbstbehauptung bzw. Selbstentfaltung und allozentrischer Integration in eine Problemlösungspartnerschaft, gelingt offensichtlich weder dem einzelnen Menschen noch Menschengruppen und Gesellschaften ohne weiteres. Es würde den diesem Ratgeber und Soforthelfer gesteckten Rahmen sprengen, der Frage nach zu gehen, warum sich der Mensch so schwer tut, sein Dasein zwischen Egozentrik und Allozentrik auszubalancieren, seine Mitte zu finden. Möglicherweise liegen die Ursachen dieses Versagens im menschlichen Unvermögen, seine Jahrmillionen alten ererbten Triebe und Instinkte den Anforderungen der heutigen Welt entsprechend verstandesmäßig zu kontrollieren. So kommt es, daß diese sich in Konfliktsituationen immer wieder gegen den Verstand durchsetzen und emotional geladenes Kampf- oder Fluchtverhalten initiieren, wo nüchternes analysierendes und synthetisierendes Denken, wo Ausgleich und Vereinbarung erforderlich wären. Die Folge sind Verhaltensweisen, die aus der Perspektive des einzelnen (oder der von ihm vertretenen Sozietät) den eigenen Interessen zu dienen scheinen, ihnen tatsächlich aus der Gesamtperspektive gesehen - aber eher schaden. Das ist auf sozialer Ebene die gleiche Problematik der gedankenlosen Ausbeutung, die uns hinsichtlich unserer natürlichen Umwelt inzwischen schmerzhaft bewußt geworden ist. Natur und Erfahrung legen partnerschaftliche Einstellung nahe Aufgrund ihrer Erfahrung, daß Kooperation (über-)lebens- und entwicklungsfördernder ist als Konfrontation und Kampf, haben die Menschen immer wieder Anstrengungen unternommen, reifere, dem jeweiligen Entwicklungsstand der Zivilisation angemessene Formen der Konfliktaustragung zu praktizieren und waren dabei auch erfolgreich. Ohne Kooperation wären die Leistungen unserer Zivilisation, die trotz aller zwischenzeitlich gewaltsam ausgetragener Konflikte entstanden sind, überhaupt nicht denkbar. Und ohne eine die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigenden Kooperation, wird es uns nicht gelingen, unsere Zivilisation für unserer Kinder und Kindeskinder zu erhalten. Die natürlichen Gegebenheiten und der menschliche Verstand legen jedem einzelnen eine kooperative Haltung gegenüber seiner (sozialen) Umwelt nahe. Unter den Bedingungen heutiger Gesellschaftsorganisation und Technik ist Kooperation sogar notwendiger denn je, weil die Menschen in einem Maße aufeinander angewiesen sind wie nie zuvor. Auch wenn wir (noch) nicht fähig sein sollten, diese Aufgabe zu lösen,

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sollten wir uns wenigstens die Chance auf ein Leben in Frieden und Wohlstand bewahren und auch angesichts der nur begrenzt hoffnungsträchtigen Realitäten unseres Daseins die Hände nicht einfach in den Schoß legen. 1.3 Worum geht es eigentlich in Verhandlungen? Verhandlungen dienen wie alles menschliche Handeln der Bedürfnisbefriedigung. Wer verhandelt, will damit seine Bedürfnisbefriedigung sicherstellen, für noch bessere oder noch umfassendere Bedürfnisbefriedigung sorgen, oder drohenden Einschränkungen seiner Bedürfnisbefriedigung entgegenwirken. Der eigentliche Verhandlungsgegenstand ist deshalb ausschließlich der mögliche Nutzen in Form von gesicherter oder gesteigerter Bedürfnisbefriedigung gegenüber dem Zustand ohne Verhandlung, den die Beteiligten durch die Verhandlung zu erlangen hoffen (►3.6.3). Die materiellen oder immateriellen Objekte, die in Verhandlungen meist als Verhandlungsgegenstände bezeichnet werden, sind nur die Nutzenträger, bloße Mittel zum Zweck. Beispiel aus dem Alltag In einer Verhandlung über einen Gebrauchtwagen, dem Verhandlungsobjekt (und vermeintlichen Verhandlungsgegenstand), kann es beim Kaufinteressenten z.B. um Bedürfnisse wie "Beweglichkeit", "Bequemlichkeit", "Unabhängigkeit", "Sparsamkeit", "Neugier", "Anerkennung", "Prestige". Beim Anbieter spielen vielleicht die Bedürfnisse "Sicherheit" (geldliche Liquidität gewinnen oder erhalten, Vermeidung des Risikos teurer Reparaturen), "Einkommenserwerb" (Geld für einen neuen Wagen verdienen) und ebenfalls "Sparsamkeit", "Anerkennung" oder "Prestige" eine Rolle. Unabhängig vom Verhandlungsobjekt werden durch die menschliche Begegnung in der Verhandlung zusätzliche Bedürfnisse aktiviert, wie z.B. "Dominanz", "Harmonie", "Anerkennung", "Submission". Immer sind Bedürfnisse die Beweggründe (Motive) des Denkens und Handelns der Verhandlungspartner. Ihr Verhalten während der Verhandlung und ihre Zufriedenheit mit dem Verhandlungsergebnis hängen davon ab, inwieweit sie in der Verhandlung und durch das Verhandlungsergebnis ihre Bedürfnisse befriedigen können. Das Auto unseres Beispiels ist lediglich das Objekt, auf das die Beteiligten ihre Bedürfnisse projizieren. Beispiel aus der Arbeitswelt Ein Einkäufer in der Industrie interessiert sich z.B. für Schrauben bestimmter Spezifikation, weil diese in der Fertigung seines Betriebes benötigt werden, und er ist vielleicht darauf aus, diese zu günstigeren Konditionen zu beschaffen als bisher, weil seine Vorgesetzten das von ihm verlangen. Sein Verhalten wird aber nie und nimmer

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von diesen Vorgaben bestimmt, sondern allein von seinen Bedürfnissen, deren Befriedigungsmöglichkeiten durch die Vorgaben lediglich ermöglicht, eingegrenzt und in bestimmte Richtungen gelenkt werden, aber natürlich nicht mit ihnen identisch sind. Seinen Beruf mag der Einkäufer z.B. ausüben, um seinen Lebensunterhalt auf möglichst interessante Weise zu verdienen. Da stecken Bedürfnisse wie "Sicherheit", "Versorgung", "Neugier", "Anerkennung", "Geltung" dahinter. Durch bedarfsgerechten und kostenbewußten Einkauf sichert er sich diese Quelle seiner Bedürfnisbefriedigung, gewährleistet er sein Einkommen, verschafft er sich die Anerkennung seiner Person und seiner Leistungen durch seine Vorgesetzten und Kollegen. Darüberhinaus strebt er vielleicht zuverlässige Beziehungen zu Lieferanten an, um seine Ruhe zu wahren, sich Ärger mit zu spät eintreffenden oder fehlerhaften Lieferungen und den daraus möglicherweise entstehenden Streit mit Vorgesetzten und Kollegen zu ersparen. Im direkten Kontakt mit Menschen mag es ihm wichtig sein, zu dominieren und als wichtiger Repräsentant seines Unternehmens anerkannt zu werden. Nur vordergründig geht es in Einkaufsverhandlungen um Produkte, in Wirklichkeit geht es um die Bedürfnisse der damit befaßten Menschen. Verhandelt wird nicht um Objekte, sondern um Objekt-Nutzen Verhandlungsgegenstand und Verhandlungsobjekt sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Ersteres ist lediglich die subjektive Anschauung, die Verhandlungspartner vom letzteren haben. Daraus folgt erstens, daß es in Bezug auf ein Verhandlungsobjekt so viele Verhandlungsgegenstände geben kann, wie Partner an einer Verhandlung teilnehmen, und zweitens, daß Verhandlungsgegenstände als subjektive Wirklichkeiten gestaltbar sind (►3.6.1). Verhandler nutzen die Gestaltbarkeit des Verhandlungsgegenstandes zur Beeinflussung ihrer Partner, indem sie diesen diejenige Wirklichkeit suggerieren, die ihnen die Zustimmung zu den Forderungen des Verhandlers nahelegt (►2.3.5, 2.3.6, 3.3). Erweist sich ein Verhandlungspartner bspw. als stark sicherheitsmotiviert, wird ihm die Kandidatur als Betriebsrat vielleicht mit dem Hinweis auf erweiterten Kündigungsschutz und den Zugang zu wichtigen Informationen zur Geschäftslage schmackhaft gemacht, während ihm bei vorherrschender Geltungsmotivation vor allem die Exklusivität der Position und die damit verbundenen persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten sowie der direkte Draht zur Geschäftsleitung bewußt gemacht werden müßte. Bedürfnisse und Interessen In einem späteren Kapitel (►3.6.3) können Sie mehr über menschliche Bedürfnisse und ihre Auswirkungen auf das menschliche Verhalten erfahren. Hier soll nur noch