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Wir waren neun Mann mit einem Unteroffizier als Führer. Gegen 9h .... Und wieder Sausen und Pfeifen - krach - krach - ein Mann geht die Straße herauf.
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HERMANN KÖBELE (1897-1945): KRIEGSTAGEBUCH 1917

Anhang

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HERMANN KÖBELE (1897-1945): KRIEGSTAGEBUCH 1917

Anhang Eingelegter Notizzettel [recto] Zur Ergänzung v. Erinnerungen. z. B. 1) Haussy-Ferm 28. III. - 9. IV. 2) 21. III. - 28. III. 3) 24. IV. - 10. V. "Iltis" 4) Reimszeit 24. V. - 23. VI. 5) Carignan. 6) Pinon. 7) Stellung Soissons 7. VIII. - 12. VIII. Einschiebsel ins Tagebuch an vielen Stellen. Namensverzeichnis. Ortsverzeichnis. Karte! Zeittafel. - Photos eingefügt. [verso] Wichtig: Rg. 333 [Kurzschrift, ein Zitat, darin in Klarschrift Couzy le Chateau] [zwei weitere Zeilen Kurzschrift, darin in Klarschrift Hörmann in La Selve!] Eingelegter Notizzettel [nur recto] Das 1. F.A.R. im Weltkrieg. (R.gesch. v. Rud. v. Xylander) Badonviller 12. 8. 14 Saarburg 18. 8. 14.ff. Somme (Cartigny-Lifons) 23. 9. 14 ff. Picardie 25. 10. 14 - 24. 10. 15 (Peronne) Vimy 10. 11. 15 - Mai 16 Verdun 24. 5. 16 - 16. 7. 16 St. Michiel: 7. 16 - 4. 5. 17 Bildung der III. Abt. 12. 1. 17. K[ommandant] Hauptm. v. Wachter Adj[utant] Lt. Frhr. v. Bechtoldsheim Beo. Off. Lt. Schlagintweit 8. Bttr. Obl. Schmitt 9. [Bttr.] Obl. Deiglmayr Lt. Leu Vw. Schlieper 7. Bttr. Lt. v. Beyschlag

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Zwei Feldpostkarten mit Zeichnungen

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Zwei lose karierte Blätter Erinnerung Ein heller Tag floß aus der Regennacht. Ich stand noch traumhaft in den Dämmerungen, Worin das Regenrauschen war verklungen Und blaß aus Nebeln war das Sein erwacht. Gleichwie ein Strahlenbund aus dunklem Schacht Beginnts am Horizont sich sanft zu Lüften, Die Morgenröte naht mit Rosendüften Vom Lager springt der junge Tag mit Macht. Ich hört ein Lied, das du so oft gesungen, Des Heimatton mir tief ins Herz gedrungen, Als wir eins unterm Haselstrauch gesessen. Im Morgengraun konnt ich mein Leid ermessen. Ich stand vom hellen Sonnenstrahl umrungen Des Lebens Morgen, ach, ist längst vergessen! Carignan, 14. 7. 18 Der einsame Tod. Ob unter hundert Menschen du und ob allein: Dich reißt aus dem Bunde der Seelen die Todesnot. Alle Bande brechen, du hast nur dich, nur dich Und Himmel und Erde Auf der Wahlstatt bettet kein Freund dich zurecht, Es steht um dein Haupt nicht der Kranz deiner Lieben Und keine Frau weint, daß du das Scheiden bereutest. Du gehst einsam dahin Ob dich aus sicherer Ruhe das Geheul der Granate reißt, Obs dich im Lauf trifft wie den springenden Hirsch Und alle Sinne wandelt in falternde Dämonen Du bist allein So schrei, Todwunder, schrei nach Hilfe! Doch wünsche deinen Freunden nicht den Tod! Die schreckliche Gefahr hat sie zerstreut Jeden für sich Ja, deine Feinde könnten dich retten. Da drüben, schweißbedeckt, am Geschütz hantieren Und nicht denken: "Hats einen - oder nicht?" Und nur feuern So hast du nur deinen Gott da droben, Der über all dem noch freundlich herunterschaut, Dir Hoffnungslosem in verzeihender Güte lächelt Und dich aufnimmt. In der Erde dann ruhst du sanft und still. Dein Tod war einsam, mein treuer Bruder! Dein Sterben war ein trostloses Brechen Aber deine Ruhe ist ein geselliger Friede!  am 11. 8. 18. Stellung vor Soissons. 4

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Am 9. 8. Gerl gef[allen] Drei gefaltete Briefbögen in 8° [1] Samariter... Acht Tage schon lagen wir vor Reims. Die Munition staute sich an in der Stellung, jede Nacht kamen Kolonnen. Doch hatten wir noch keinen Schuß getan. Vom Kamm des Hügels aus sah man die Stadt in fast märchenhafter Ruhe liegen. Nur rechts der Kathedrale brannte es gleichmäßig und lautlos schon seit Tagen. Wir bauten nur die Munition um und erneuerten tagtäglich die Fliegerdeckung. Sonst schliefen wir im Unterstand oder lagen nackt in der Sonne draußen. Es wurde idyllisch und langweilig. Da kam eines Abends der Befehl, der größte Teil der Mannschaft solle ins Lager, vier Mann mit einigen Dienstgraden sollten als Wachtkommando bleiben. [2] Ich ging ungern ins Lager, weil ich fürchtete, wir würden sehr bald wieder vorkommen und nur die Unannehmlichkeiten des Umzugs haben.Wir waren neun Mann mit einem Unteroffizier als Führer. Gegen 9 h kam der Wagen. Er war bald vollbepackt, doch wurde bis zum Anbruch der Dämmerung gewartet. Schon bevor wir aufbrachen, begannen mehrere Batterien zu feuern. Dies beunruhigte uns; denn wir wußten, daß die Antwort nicht auf sich warten lassen würde. Wir hatten auch die Straße noch nicht erreicht, als die ersten Schüsse oben einschlugen. Die Pferde liefen von selbst an, sodaß [!] wir, die wir aufgesessen waren, auf dem zerrissenen Weg schier vom Wagen geschleudert wurden. Doch waren wir doch zufrieden, da wir im letzten Augenblick erfahren hatten, daß die Batterie feuerbereit zu machen [3] hätte, und das Schießen bei Nacht keines Mannes Lieblingsbeschäftigung war. Wir waren auch noch keine halbe Stunde gefahren, als wir zu singen begannen und sehr lustig wur-den, bis auf einige Junge, denen das sich steigernde Feuergefecht Unbehagen verursachte. Im Grunde war ich auch etwas besorgt. Der Fahrer gefiel mir nicht. Wir fragten: "Findest du auch zu-rück?" Er nickte nur und gab eine unverständliche verworrene Erklärung ab über den Weg. "Über Berry willst du fahren? Warum nicht direkt über Witry-Lavannes? Solchen Umweg zu machen!" Der Fahrer murmelte ärgerlich vor sich hin und hieb auf die Pferde ein. In Berry hatten wir am ersten Tag unser Lager gehabt. Eine schwere Batterie zog das Feuer auf den Ort. Einmal flog ein großes Munitionsdepot auf, ein andermal lagen die Einschläge mitten [4] im Lager. So war es denn zurückverlegt worden. Überhaupt war der Ort bald darauf völlig verlas-sen, nur die Batterie blieb und die Beschießung ließ Tag für Tag nicht auf sich warten. Wir fluchten alle auf den leichtsinnigen Fahrer. Es war aber nichts mehr zu machen. Wenn hier was passierte, war nirgends Hilfe. Da - ein Sausen - ein schwerer Schlag im Wald oberhalb Berry. Alle schraken zusammen. Bei solchen Gelegenheiten zieht man den äußersten Fall in den Bereich der Möglichkeiten. "Jetzt kommts schon", sagte einer in heller, ausbrechender Angst. Das war mir unangenehm; denn ich wollte ruhig bleiben. "Ach was", sagte ich fast spöttisch, "der war noch nicht im Ort. Zwischen den Häusern ist Schutz - und wir wollen schon Tempo fahren!" Nun tauchte schon die erste Ruine [5] auf und der Berg, an dessen Hang der Ort hingebaut war gewann immer mehr an Steilheit. Abermals schlugen Schüsse in der Nähe ein. Da begannen die Pferde zu laufen und der Wagen raste den Berg hinab. Die Bremse blieb völlig wirkungslos. Ich klammerte mich krampfhaft auf Tornistern und Decken fest um nicht abgeschleudert zu werden. In der Dunkelheit glitt Ruine an Ruine vorbei; da ein Loch in der Mauer, durch das der blasse Himmel schien, offene Fenster und Türen, die mir schier schreckhaft gespenstisch vorkamen. Ich hörte nur auf das furchtbare Krachen, das über das Rasseln des Wagens gellend hinein schrie. War der Berg noch nicht zu Ende? Da - es wurde etwas eben - aber danach kam noch ein gefährlicher Abhang. - Herrgott, Fahrer, hau ein! Aber brems, brems um Gotteswillen!! Wir sind sonst alle hin!!

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[6] Plötzlich erhob sich vor uns eine dunkle Gestalt und fiel mit aller Kraft den Pferden in die Zügel. "Halt! Halt! Haltet an!" schrie der Mensch. Die Pferde schnaubten wild und hielten schließlich an standen. "Was ist denn? Weg da vorn!" Der Fahrer hatte nicht übel Lust, dem Kerl die Peitsche überzuhauen. "Da - seht doch da liegt er - helft, Kameraden, helft ihm doch!" Und wir sahen hin. Da lag einer, hilflos, zerfetzt, blutend. Und der andere erzählte schnell, hastig: "Da droben ging ein Schuß in den Munitionswagen - alle tot. Das war der Einzige, der noch etwas von sich gab. Nehmt ihn mit - oder helft mir, ihn wegzutragen." - "Ist hier kein Sani[7] tätsunterstand?" "Kameraden sind vorgegangen, ihn zu suchen." - - Was ist zu machen? Er kann doch nicht so liegenbleiben - -" Der Verwundete stöhnte laut und qualvoll auf. Die schreckliche Einsamkeit dieses Häuserfriedhofs kam mir zum Bewußtsein, da dieser Mensch seine furchtbarsten Schmerzen herausschrie. Alle redeten nun durcheinander. "Wir können auch nichts machen - wo sollen wir ihn auch hinfahren? Er stirbt uns auf dem Weg - hier ist kein Sanitätsunterstand mehr - aber da unten müssen noch Leute sein - ja, von da schicken wir welche herauf - deine Kameraden sollen einstweilen dablei[8] ben -" Wir waren alle unschlüssig. Bis der Unteroffizier kalt rief: "Steigt auf! Wir können da nicht stehen bleiben! Wir können alle hin sein - ich bin verantwortlich!" und einer um den andern sich wandte und aufstieg. Ungeheuerlich war es! Vorbeigehen mit der Miene der Rechtschaffenheit - an dem todwunden Menschen - an dem Kameraden!! Das Wort brennt wie glühendes Eisen - nein, nein, es ist unmöglich! Es kann nicht sein!! "Könnte man nicht doch helfen? Ihr werdet doch nicht--" "Anfahren!" kommandierte der Führer und die Pferde liefen. Dabei begann nun auch die schwere Batterie zu feuern. Jeder Schuß erschütterte die losen Mauern. [9] Und wieder Sausen und Pfeifen - krach - krach - ein Mann geht die Straße herauf. Wir deuten hinauf schreien - "Da droben - ein Verwundeter - helfen!" Der Wagen rast weiter - krach - krach - Herrgott - wir fliegen an die Mauer!! Wenn nur kein Auto heraufkommt - es ist ja nicht zu sehen - der arme Kamerad - wir hätten helfen sollen - wir hätten helfen sollen!! - jetzt erschlägts uns alle ---- krach - - - - - Die Häuser sind zu Ende - oh - Gott - sei - Dank! Ein Aufatmen, als seien wir der Hölle entronnen. "Jetzt ham wirs [10] aber genau beieinander gehabt!" sagt einer mit etwas starkem Anflug. "Ja, ja - und der droben?" - - - - - - - - Wir schwiegen lange. Ungeheuer bittere Empfindungen beherrschten mich. Die andern redeten. "Wir konnten auch wirklich nichts machen - er war sehr schwer verwundet, Bauch, Brust, Kopf - bis wir ihn aufgeladen hätten - und wohin dann? Bis Serannes 1½ Stunden - kein näherer Ort - man möchte ja gerne - aber das ist der Krieg - man darf sich gar nichts mehr denken dabei - und wir wären zuletzt mit ihm drauf gegangen -" Sehr gescheit gesprochen, ihr, ja, sehr richtig - aber wir hätten doch [11] helfen müssen!! Herrgott - ists möglich? Wir haben nichts getan? Nichts ... - Kamerad - - das Wort wird in mir fortbrennen, bis mein Geschoß kommt - dann schrei: "Kamerad!" ins Leere - in die entsetzliche Totenstille kalter Gemüter! --------Die Gefahr rückte weiter und weiter weg. Irrlichter tanzten in Berry - helle Blitze brachen aus den Geschützen - Donnerschläge -. Konnten da Menschen vorn sein? Nein - es war alles wie ein Friedhof auf schwarz erstarrtem Lavafeld - Am Horizont das Nachtleben der Linie. Drohendes Wetterleuchten - und da und dort die Feuerbäche [12] der Leuchtkugeln - und ihre Sterne - - - - - - - - Carignan, 21. 7. 18. 

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