Am Beispiel meines Bruders

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Königs Erläuterungen und Materialien Band 475

Erläuterungen zu

Uwe Timm

Am Beispiel meines Bruders von Rüdiger Bernhardt

Über den Autor dieser Erläuterung: Prof. Dr. sc. phil. Rüdiger Bernhardt lehrte neuere und neu­este deutsche sowie skandinavische Literatur an Univer­sitäten des Inund Auslandes. Er veröffentlichte u. a. Monografien zu Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann, August Strindberg und Peter Hille, gab die Werke Ibsens, Peter Hilles, Hermann Conradis und anderer sowie zahlreiche Schulbücher heraus. Seit 1994 ist er Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf Hiddensee. 1999 wurde er in die Leibniz-Sozietät gewählt.

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1. Auflage 2008 ISBN: 978-3-8044-1879-0 © 2007 by Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelabbildung: Uwe Timm © Isolde Ohlbaum Druck und Weiterverarbeitung: Tiskárna Akcent, Vimperk



Inhalt

Vorwort .........................................................................

5

1. 1.1 1.2 1.3

Uwe Timm: Leben und Werk ..................................... 7 Biografie ......................................................................... 7 Zeitgeschichtlicher Hintergrund ..................................... 15 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken .... 20

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7

Textanalyse und -interpretation ................................. Entstehung und Quellen ................................................. Inhaltsangabe ................................................................. Aufbau ........................................................................... Personenkonstellation und Charakteristiken ................... Sachliche und sprachliche Erläuterungen ....................... Stil und Sprache . ............................................................ Interpretationsansätze ....................................................

3.

Themen und Aufgaben ............................................... 89

4.

Rezeptionsgeschichte . ................................................. 91

5.

Materialien ................................................................... 96



Literatur . ...................................................................... 100

23 23 33 43 51 54 77 82

(Zitiert wird nach: Uwe Timm: Am Beispiel meines Bruders. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, dtv 13316. Ungekürzte, vom Autor neu durchgesehene Ausgabe April 2005, 3. Auflage 2006)





Vorwort

Vorwort Mit dem Buch Am Beispiel meines Bruders wurde Uwe Timm bekannter als je zuvor; dabei schreibt der Autor seit seiner Lehrlingszeit und wurde als Lyriker, Hörspielautor, Verfasser von Agitprop-Stücken, Kurzgeschichten und Essays ebenso bekannt wie als Romanautor; er zählt zu den erfolgreichsten Autoren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, wenn ihm auch höchste Auszeichnungen wie der Büchner-Preis bisher versagt blieben. Am Beispiel meines Bruders erreichte ähnliche Aufmerksamkeit wie Hans-Ulrich Treichels Der Verlorene (1998), mit dem Timms Buch Ähnlichkeiten hat. Noch rigoroser als Treichel befragte Timm seine Familiengeschichte, die der Entwicklung des Schriftstellers konträr entgegenzustehen schien: Ein Bruder, der sich freiwillig zur SS meldete, war schwer vereinbar mit einem Schriftsteller, der zeitweise sehr links engagiert, sogar parteilich gebunden war und als ein Linker gilt, Ungerechtigkeiten und Menschenverachtung rigoros bekämpft und sich der sozialen Wirklichkeit kritisch stellt. Noch schwieriger war die Antwort auf die Frage, warum dieser Bruder, der sich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet hatte, nach seinem Tod und der Niederlage des Nationalsozialismus der Familie als Held und Vorbild galt („Auf diesen Jungen war er [der Vater, R. B.] stolz.“ 54). Der Text hat viel Aufmerksamkeit erhalten, Dutzende von Kritiken lobten ihn enthusiastisch. Eine Ursache dafür war, dass er nicht nur literarische Bedürfnisse befriedigt, sondern viele Interessenten anspricht: Er ist Erzählung und Essay, Sachbuch – auf seiner Bestsellerliste setzte „Der Spiegel“ das Buch auf die Sachbuchliste – und Autobiografie, Familiengeschichte und Geschichtsabriss, Kriegsbericht und Dokumentation. Die Grenzen zwischen fiktiver und nichtfiktiver Literatur werden durchgehend aufgehoben. Das Buch weist Elemente einer Zeitgeschichte auf, aber auch einer Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts und einer kleinbürgerlichen Familiengeschichte. Dass diese historisierenden Elemente nicht dominieren, hängt mit der privaten Geschichte des Bruders zusammen, die das Beispiel Vorwort



Vorwort einer Verführung, „aus Idealismus“ (19), bietet. Der Text ist, obwohl von geringem Umfang, auch eine Zusammenfassung des bisherigen Schaffens Timms. Fast alle seine Werke, Figuren, Themen und Bekenntnisse sind, oft in Namen oder Handlungsfragmenten, erkennbar. Die Mischung unterschiedlichster ästhetischer, informativer, politischer und sozialökonomischer Elemente verhinderte, dass die Kritik dem Text literarische Qualitätsmerkmale auflegte. Sie konzentrierte sich auf die zeitgeschichtlichen Inhalte. Diese Geschichte einer Kindheit und Jugend stellt sich in eine lange Reihe, die von Christa Wolfs Kindheitsmuster (1976) über Christoph Heins Buch Von allem Anfang an (1997), Hans Ulrich Treichels Der Verlorene (1998) bis zu Günter Grass’ Im Krebsgang (2002) reicht, um nur einige Titel aus einer summierenden Reihe zu nennen. Es werden Kindheiten im Faschismus und Nationalsozialismus beschrieben oder sie sind dadurch geprägt und beeinträchtigt worden. Timms Text unterscheidet sich von den genannten Titeln, indem die Jugend des Bruders ausschließlich im Nationalsozialismus verläuft und dort zu Ende geht, weil der Bruder als 19-Jähriger nach schwerer Verwundung stirbt. Die vorliegenden Erläuterungen stellen Timms Am Beispiel meines Bruders im Ensemble ähnlicher Texte dar, lassen die aus dem Collage-Charakter resultierenden Beziehungen gattungsübergreifend erkennbar werden und beschreiben den Stellenwert des Textes in aktuellen Diskussionen zum Opfer-Täter-Verhältnis im Nationalsozialismus. Darüber hinaus werden die autobiografischen Beziehungen akzentuiert und die Kontinuität in Timms vielfältigem Werk vom Beginn bis in die Gegenwart herausgearbeitet.

 ���� Die Begriffe ��������� „Nationalsozialismus“ ���������������������� und ���� „Faschismus“ ������������� werden ��������������� synonym verwendet. ����������������� Unter „Natio� ������� nalsozialismus“ versteht die Wissenschaft wertneutral eine Herrschaftsform, mit „Faschismus“ werden die verbrecherischen Elemente betont. Deshalb gibt es für die Gegner des Dritten Reichs auch nicht den Begriff der „Antinationalsozialisten“, wohl aber den der „Antifaschisten“. Sollen Unterscheidungen zwischen vergleichbaren Ländern hervorgehoben werden, wird z. B. vom „ita� lienischen Faschismus“ gesprochen. Vgl. Wolfgang Schivelbusch: Entfernte Verwandtschaft. Faschismus, Nationalsozialismus und New Deal 1933–1939. München: C. Hanser Verlag, 2005.



Vorwort

1.1 Biografie

1. Uwe Timm: Leben und Werk 1.1 Biografie Jahr 1940

Ort

Ereignis

Hamburg

1943

Ukraine



Coburg

1945

Hamburg

1946

Hamburg

Uwe Hans Heinz Timm am 30. März als Sohn eines Präparators und Kürschners geboren. 16. Oktober: Der Bruder KarlHeinz Timm stirbt nach schwerer Verwundung (19. September) im Feldlazarett. Die Mutter und Uwe werden eva3 kuiert. Spätsommer: Rückkehr nach Ham5 burg. Besuch der Volksschule Bismarck6 straße. Kürschnerlehre in der Firma Le- 15­–21 vermann; er übernimmt nach dem Tod des Vaters 1958 die hoch verschuldete väterliche Kürschnerei, entschuldet sie und leitet sie bis 1961. Literarische Interessen (Kleist, 17 Storm u. a.) und erste literarische Versuche.

1955–61 Hamburg

1957



Hamburg

Alter

Bei ������������������������������������������������������������� unterschiedlichen Angaben, etwa dem Eintritt in die DKP, für ����������������� den sich die Jahre ��������������� 1971 und 1973 finden, oder der Rückkehr nach Hamburg (69), wurde die bei Hielscher verwendete Angabe gewählt.

1. Uwe Timm: Leben und Werk



1.1 Biografie Jahr

Ort

Ereignis

Alter

1961–63 Braunschweig Vorbereitung auf das Abitur am 21–23 Braunschweig-Kolleg, einem Gymnasium für Erwachsene (zweiter Bildungsweg), das Timm gemeinsam mit Benno Ohnesorg besuchte. 1963–66 München Studium der Philosophie und Ger- 23–26 manistik an der Ludwig-Maximilians-Universität. Engagement beim SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) und seit 1965 Beschäftigung mit dem Marxismus, Freud, Heidegger und Adorno. 24 1964 Geburt der Tochter Katharina. 1966/67 Paris Stipendiat der Sorbonne. Liest 26/27 Marcuse und Marx. 27 1967 Paris Gedichtveröffentlichung in „l’arbre“ (Nr. 4 und 5), ein gemeinsam mit Diederich Hinrichsen geschriebenes Theaterstück nahm kein Verlag an. München Rückkehr. Arbeitet bis 1969 „politisch im Umfeld des SDS“. Hamburg Einige Monate beteiligt er sich an der Arbeit der Gruppe „Hamburg links-literarisch“. Er schreibt gemeinsam mit Uwe Wandrey und Peter Schütt Agitprop-Gedichte, die er öffentlich liest. Prägung durch die Studentenbewegung. 

Vgl. ����� Timms ����������������������� autobiografische Erzählung ��������������������� über seine Freundschaft ����������������� mit Ohnesorg, ����������������������� der 1967 auf der Anti-Schah-Demonstration in Berlin erschossen wurde: Der Freund und der Fremde. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2005.  �������������� Hielscher, S. 64 ��



1. Uwe Timm: Leben und Werk

1.1 Biografie Jahr

Ort

1969



1970

München

1971

München



Hamburg



München

Ereignis Gemeinsam mit Roman Ritter Agitprop-Stück gegen das technokratische Hochschulmodell. Der in der Tradition des Lehrstücks stehende Text wurde nicht aufgeführt. Mitautor an Nachkrieg und Unfrieden. Gedichte als Index 1945–1970, hrsg. von Hilde Domin. November: Eheschließung mit der deutsch-argentinischen Übersetzerin Dagmar, geb. Ploetz, drei Kinder. Durch die Ehefrau kommt es, „meist zu Weihnachten“, zu Besuchen in Argentinien. Beginn eines Zweitstudiums Volkswirtschaftslehre und Soziologie, nicht abgeschlossen. Gründung des Münchner Theaterkollektivs, führte u. a. Uwe Timms Die Steppensau oder Lehrjahre sind keine Herrenjahre auf. Promotion zum Dr. phil. mit der Dissertation „Das Problem der Absurdität bei Albert Camus“. Gedichtband Widersprüche (mit Zeichnungen von Carlo Schellemann), Tradition der AgitpropDichtung. Freiberuflicher Schriftsteller. Mitbegründer der „Wortgruppe München“. Mitherausgeber der „Literarischen Hefte“.

Alter 29

30

31

������������������ Hielscher, S. 108 1. Uwe Timm: Leben und Werk



1.1 Biografie Jahr

Ort

Ereignis

1972

München

Hörspiele Leerjahre, Herbert oder 32 die Vorbereitung auf die Olympiade. Gedichte in der Anthologie Für eine andere Deutschstunde (Arbeit und Alltag in neuen Texten): Timms Gedichte bedienen die Stichworte „Perspektive der Besitzenden“ und „Fabrikbesitzer“. Mitherausgeber der AutorenEdition 32–41 im Bertelsmann-Verlag, Vorabdrucke in der Zeitschrift für Literatur und Kritik kürbiskern (s. a. 1969, 2; 1972, 1; 1973, 4; 1975, 2 und öfter). Mitglied der 1968 gegründeten 33–41 DKP (Deutsche Kommunistische Partei). Mit einer Delegation der Partei Reise in die DDR. 34 Heißer Sommer. Roman. Am 30./31. März nimmt Timm engagiert an einer Arbeitstagung der DKP zu Fragen der Literatur teil und erklärt in der Diskussion ausführlich seine Arbeitsprinzipien. In eine Sammlung der politischen Lyrik der BRD werden mehrere Gedichte Timms aufgenommen.

1972–81

1973–81

1974



Alter

 ������������������������������� Uwe Timm war gemeinsam mit Uwe Friesel, �������������� Gerd Fuchs ���������������������������������������������� und Richard Hey Herausgeber der Edition.  �������������������������������� Timm entwirft im seinem Aufsatz „Zwischen ��������������������������������������� Unterhaltung und Aufklärung“ ��������������������� eine Literaturkonzep� tion, die sowohl Elemente des Trivialen als auch des Aufklärerischen enthält, eine unterhaltende aufklärerische Literatur.  ����� Vgl. Arbeitstagung der DKP zu Fragen der Literatur. München 30./31. 3. 74. München: Damnitz Verlag, 1974, S. 56, 64, 69, 132, 136, 140, 142  Denkzettel. Politische Lyrik aus der BRD und Westberlin. Hrsg. von Annie Voigtländer und Hubert Witt. Leipzig: Philipp Reclam jun., 1974 (Universal-Bibliothek Bd. 546), S. 61 ff., 173 f., 190 f., 276 f., 352 f., 454 f., 541

10

1. Uwe Timm: Leben und Werk