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Historische Techniken und Rezepte

Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum

Historische Techniken und Rezepte – vergessen und wiederentdeckt Beiträge des 7. Konservierungswissenschaftlichen Kolloquiums in Berlin / Brandenburg am 25. Oktober 2013 in Potsdam Mit Beiträgen von Thomas Danzl, Thomas Drachenberg, Jörg Freitag, Klaus Häfner, Stefan Heinrich, Stefan Klappenbach, Karin Kraus, Kathrin Lange, Thomas Schelper, Anne Charlotte Schlüter, Stefan Simon, Regina Urbanek, Jörg Weber

Lukas Verlag

Arbeitshefte des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums, Nr. 29 (2013)

Herausgeber Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum, Landeskonservator Dr. Thomas Drachenberg Wünsdorfer Platz 4 D – 15806 Zossen (Ortsteil Wünsdorf)

Titelbild Detail des Fußbodens im Marmorsaal des Neuen Palais und Rekonstruktion einer historischen Steinbügelsäge Fotos: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Bildnachweis Die Abbildungen in den einzelnen Beiträgen stammen, sofern nicht anders angegeben, von den Autoren.

©  by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 2013 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstraße 57 D–10405 Berlin www.lukasverlag.com Redaktion: Dr. Bärbel Arnold (BLDAM) Umschlag: Lukas Verlag Lektorat und Gestaltung: Susanne Werner (Lukas Verlag) Druck: Elbe Druckerei Wittenberg Printed in Germany ISBN 978–3–86732–179–2

Inhalt

Vorwort 6 Thomas Drachenberg (Wünsdorf) Vorwort 7 Stefan Simon (Berlin) Vergessen – Fluch oder Segen 9 Thomas Danzl (Dresden) Die historische Technik der Flammleisten Rekonstruktionsversuche an den Fachhochschulen Hildesheim, Potsdam und am Rijksmuseum Amsterdam Jörg Weber (Potsdam)

14

Historische Abformtechniken der Gipsformerei Berlin Gipsstuck- und Gelatineformen Thomas Schelper (Berlin)

25

Kalk-Rinderkot- und Kalk-Kasein-Tünchen Eine Untersuchung zweier Absperrmittel auf Kalkbasis für die Behandlung von Verrußungen und Versottungen Anne Charlotte Schlüter (Potsdam)

32

Fasstechniken an mittelalterlichen Kölner Steinbildwerken Neue Erkenntnisse und Rezeption Regina Urbanek (Köln)

41

Über das Löschen des Kalkes Karin Kraus (Mainz)

50

Von Tretmühlen und alten Klebeverfahren Die Anwendung der Steinschneidetechnik in den Potsdamer Schlössern Stefan Klappenbach (Potsdam)

57

Traditioneller Bleiverguss am Beispiel der Sicherungsanker an den Attikaskulpturen auf dem Neuen Palais Kathrin Lange, Stefan Heinrich (Potsdam)

63

Die Venusgrotte in Linderhof Innovative Bautechniken um 1880 Klaus Häfner (München)

73

Drücken, Formstanzen und Ziehen Umformtechniken für Bleche im 19. Jahrhundert Jörg Freitag (Potsdam)

81

Autorenverzeichnis

96

Vorwort

Die diesjährige Tagung »Historische Techniken und Rezepte – vergessen und wiederentdeckt« ist die 7. Folge einer inzwischen überregional etablierten Serie der konservierungswissenschaftlichen Kolloquien in Berlin und Brandenburg. In dieser Reihe wird der jeweils aktuelle Forschungsstand anhand sorgsam ausgewählter Themengebiete diskutiert und publiziert. In der bewährten Zusammenarbeit des Brandenbur­ gischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums (BLDAM) mit der Stiftung Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), dem Rathgen-Forschungslabor (Stiftung Preußischer Kulturbesitz), der Fachhochschule Potsdam und dem Forschungsinstitut für Denkmalpflege und Archäometie (FIDA e.V.) stellt das diesjährige Kolloquium das Thema der historischen Techniken und Rezepte in den Mittelpunkt. Im Zeitalter einer schnellen Erneuerung und Austauschbarkeit von industriell hergestellten Produkten bewundern wir nicht nur die lange Haltbarkeit der handwerklich hergestellten Stücke, den heute fast noch kostbarer erscheinenden Zeitaufwand, der für die Herstellung verwendet wurde, und die ästhetische und technische Qualität, die selbstverständlich eine Einheit bilden. Handwerkstechniken werden heute oft nur noch von wenigen ausgeübt, in einigen Fällen sind sie gar nicht mehr bekannt. Oft müssen wir heute mit Hilfe aufwendiger natur­ wissenschaftlicher und restauratorischer Untersuchungen die einzelnen Arbeitsschritte der Handwerkstechniken und die Zusammensetzung der Rezepte mühsam nachvollziehen. Dies ist aber für das Verständnis, einen sachgerechten Umgang und die eventuell notwendige Reparatur der oft wertvollen Einzelstücke eine wichtige Voraussetzung.

Die Tagung behandelt Aspekte des »Vergessens« und des »Erinnerns« in unserer heutigen Zeit genau so, wie die Frage nach der Authentizität von Herstellungs- und Bautechniken bei Materialien wie Holz, Stuck, Kalk, Gips, Marmor, Stein, Metall und deren Fassungen. Welche Rezepte sind damals zur Anwendung gekommen? Welchen Aufwand bereiteten sie und welche Qualität erzeugen Sie bis heute? Sind sie ­heute noch für uns nutzbar? Wie kann man die entstandenen Produkte erhalten? Bewährt hat sich das Prinzip, exzellente Fachleute auf der Tagung zu Wort kommen zu lassen, die Beiträge und Themen dort zu diskutieren und schon während der Veranstaltung den Tagungsband in der Hand zu halten. Es ist den Veranstaltern darüber hinaus zu danken, dass sie mit der Kolloquiumsreihe eine interdisziplinäre Plattform für Denkmalpfleger, Architekten, Ingenieure, Kunsthistoriker, Restauratoren und Naturwissenschaftler geschaffen haben. Damit entstand über die letzten Jahre ein regional und überregional wirkender Kommunikationsraum zum Nutzen der Denkmalbesitzer. Ich bin daher sehr froh, auch in diesem Jahr den Tagungsband, der in einer guten Tradition in unserer Reihe »Arbeitshefte des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums« erscheint, herausgeben zu können. Es bleibt der Tagung zu wünschen, dass sie wie die vorangegangenen Veranstaltungen ein Erfolg wird! Ich danke allen, die an der inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitung beteiligt waren und hoffe auf eine Fortsetzung im kommenden Jahr. Dr. Thomas Drachenberg Landeskonservator

Vorwort

An einem nebligen Abend im Spätwinter 2007 haben hoch über der Stadt Innsbruck im malerischen Restaurant Seegrube einige gute und alte Kollegen und Freunde aus Potsdam, Berlin, Wien und Dresden gemeinsam bei einem Glas Wein das Konzept für eine Tagungsreihe entwickelt, die sogleich unter den programmatischen Namen »Konservierungswissenschaftliches Kolloquium in Berlin / Brandenburg« gestellt wurde. Von Beginn an war es unser gemeinsames Ziel, durch sorgfältig ausgewählte Themen und eine Mischung erfahrener und guter Referenten auch aus dem wissenschaftlichen Nachwuchs, der Konservierungswissenschaft in unserer Region Berlin-Brandenburg in jährlicher Folge ein sowohl wirtschaftlich attraktives als auch intellektuell anregendes Forum zu bieten. Restauratoren und Konservierungswissenschaftler, Architekten, Archäologen und Kunsthistoriker, Kuratoren und Wissenschaftler aus den Museen und der Denkmalpflege sowie Studenten und Professoren sollen hier eine Gelegenheit zum interdisziplinären und fachlichen Austausch finden. Das gelingt seit nunmehr sieben Jahren ganz gut. Als Veranstalter haben sich wichtige Vertreter und »stakeholder« der Kulturerbeforschung und Denkmalpflege der Region, das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (BLDAM), die Fachhochschule Potsdam, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, vertreten durch das Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu Berlin, zusammengeschlossen. Übereinstimmend wurde 2007 auch festgelegt, dass die praktische Durchführung des jährlich im Herbst stattfindenden Kolloquiums zunächst beim Forschungsinstitut für Denkmalpflege und Archäometrie e.V. (FIDA e.V.) als fünftem Partner liegen solle. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist ein glücklicher und dankbarer Partner in diesem Veranstalterkonsortium. Als einen Beitrag zur besseren Vernetzung der Veranstalter haben wir unlängst ein Rotieren des Veranstaltungsortes im Veranstalterkonsortium vorgeschlagen. Nach meiner Überzeugung würde die dadurch geförderte Vernetzung das Konservierungswissenschaftliche Kolloquium Berlin/Brandenburg in den beteiligten Einrichtungen stärker verwurzeln und könnte damit die Perspektiven einer Verstetigung unserer erfolgreichen Kolloquiumsreihe verbessern. In den letzten sechs Jahren hat sich das Kolloquium nämlich weit über die Region Berlin-Brandenburg hinaus zu einem attraktiven und geschätzten Forum des interdisziplinären Austauschs über konservierungswissenschaftliche Fragestellungen entwickelt. Das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum gibt seit Beginn der Reihe die Tagungsbeiträge pünktlich zur

jeweiligen Tagung als Arbeitshefte heraus. Diese Tagungsbände haben erheblich zum nachhaltigen Erfolg unseres Formats beigetragen, dafür möchte ich den Kollegen Thomas Drachenberg und Bärbel Arnold im Namen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz meinen besonderen Dank aussprechen. Mit ihrer Orientierung auch auf den wissenschaftlichen Nachwuchs in Konservierung und Denkmalpflege leistet die Tagungsreihe zudem einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeitsdebatte. Die Forschungsallianz Kulturerbe, zu der sich die Fraunhofer Gesellschaft, die Leibniz Gemeinschaft und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 2008 zusammengeschlossen haben, hat sich die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ebenfalls zum Ziel gesetzt. Kurz vor der Sommerpause hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der beiden Regierungsfraktionen und der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen nun die Bundesregierung dazu aufgefordert, »in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür zu schaffen und zu verstärken, dass der Kulturgüterschutz einer höheren Priorität als bisher bedarf«.1 Im Konservierungswissenschaftlichen Kolloquium in Berlin / Brandenburg leisten Veranstalter und Referenten ihren jeweils eigenen Beitrag zu dieser Debatte – auch in diesem Jahr. Das diesjährige, siebte Konservierungswissenschaftliche Kolloquium stellt das Thema der historischen Techniken und Rezepte in den Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen. Hier geht es um die Bedeutung handwerklicher und kunsttechnologischer Prozesse, deren Kenntnis oft eine wichtige Voraussetzung nicht nur für zielführende Restau­ rierungsanstrengungen, sondern auch für die Erarbeitung der Werte, der Bedeutung eines Objektes überhaupt ist. Moderne Konservierungskonzepte sind entlang der Ermittlung dieser Werte und ihrer Erhaltung ausgerichtet. Viele Handwerkstechniken sind im Zuge der zunehmenden Automatisierung von Fertigungsprozessen, der sich enorm entwickelnden Vervielfältigung- und Reproduktionsmöglichkeiten in den letzten beiden Jahrhunderten verloren gegangen. Die Staatlichen Museen zu Berlin sind sehr stolz, dass zu ihren Einrichtungen schon seit 1819 (fast siebzig Jahre länger als unser Forschungslabor) die Gipsformerei gehört, die sich auch der Erhaltung historischer Abformtechniken als Handwerk verschrieben hat. Die Gipsformerei ist immer einen Besuch wert! Techniken der Steinbearbeitung und -verklebung sowie des Bleivergusses, frühe industrielle Umformtechniken für Bleche, die Rekonstruktion von Flammleisten für historische Schränke, mittelalterliche Fasstechniken sowie die seinerzeit in der Venusgrotte von Schloß Linderhof zum Einsatz gekommenen hochmoderne Bautechniken – Technik und Handwerk gehen Hand in Hand und stehen eindeutig im Vordergrund unseres diesjährigen Kolloquiums.

8

Ob zur Technologie des Kalklöschens oder der Auswirkung der Zugabe von Rinderkot auf die Wassertransport­ parameter von Kalktünchen, überall spielen aber auch natur­wissenschaftliche Untersuchungsverfahren eine wichtige Rolle. Noch 1948 konnte sich der bekannte Scholar Bernard Berenson zu der Behauptung versteigen: »the technique likewise seems revealed clearly enough on the surface if it is in a fair state, – clearly enough for the historian of art, if not for the historian of technique«.2 Eine lächerliche Aussage, wie man heute schnell feststellen wird. Wohlgemerkt waren damals die nahezu einzigen naturwissenschaftlichen Methoden, auf die in der Untersuchung von Kunst- und Kulturgut zurückgegriffen wurde, die Photographie und der Röntgentechnik. Heute unbestritten und unabdingbar in den musealen und denkmalpflegerischen Werkstätten, wurden sie damals von vielen Geisteswissenschaftlern belächelt. Warum sollte es den modernen konservierungswissenschaftlichen Verfahren heute anders ergehen? Aber sie sind unersetzlich. Gemeinsam mit den Restauratoren, deren

Vorwort

Untersuchungstechniken oftmals auf dem erfahrenen Einsatz der feinen Instrumente »Hände« und »Augen« basieren, nur gemeinsam in echten interdisziplinären Studien können viele technologische Fragen über die Herstellung, Nutzung und Verwitterung oder Alterung von Objekten geklärt und damit Werte und Kontext bestimmt werden. Ich danke den Partnern im Veranstalterkreis sehr herzlich, allen, die an der Vorbereitung beteiligt waren, vor allem den Autoren und Referenten, aber auch den fleißigen Händen im Hintergrund, die es Jahr für Jahr schaffen, unser Kolloquium in diese angenehme, nahezu familiäre Atmosphäre einzubetten. Ich hoffe, dass wir die Tagungsreihe auch in Zukunft gemeinsam fortsetzen können, und wünsche auch dieser Tagung einen erfolgreichen Verlauf. Stefan Simon Anmerkungen 1 Plenarprotokoll 17/250, Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 250. Sitzung, Berlin, Donnerstag, 27.6.2013, 32217 bzw. 32437-32442. 2 Bernard Berenson (1948): Aesthetics and History in the Visual Arts (St. Clair Shores), Michigan, Scholarly Press Inc., reprint 1979.