8 Lesung: Johannes 16,22-28 9 Predigt: “Augen, die

Manchmal aber flüstert uns der Heilige Geist Gottes eine Vision ein. Noah bekam von. Gott die Vision eine Arche zu bauen. Ich bin ziemlich sicher, dass Noah, ...
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Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 3. Mai 2015

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Lesung: Johannes 16,22-28 22 Jetzt seid ihr traurig, aber ich werde euch wieder sehen, und dann werdet ihr euch freuen, und niemand kann euch diese Freude nehmen. 23 Wenn es so weit ist, werdet ihr mich um nichts mehr bitten m¨ ussen. Ich versichere euch: Dann k¨onnt ihr selbst zum Vater gehen und ihn bitten, und er wird eure Bitte erf¨ ullen, weil ihr in meinem Namen bittet. 24 Bis jetzt habt ihr das nicht getan. Bittet in meinem Namen, und ihr werdet empfangen, dann wird eure Freude vollkommen sein. 25 Bis jetzt habe ich u ¨ber diese Dinge in Gleichnissen geredet, aber es kommt die Zeit, in der das nicht mehr n¨otig sein wird; dann werde ich o↵en mit euch reden und euch alles u ¨ber den Vater erz¨ahlen. 26 Und dann werdet ihr in meinem Namen bitten. Ich sage nicht, dass ich den Vater f¨ ur euch bitten werde, 27 denn der Vater selbst hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin. 28 Ich kam vom Vater in die Welt, und ich werde die Welt verlassen und zum Vater zur¨ uckkehren

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Predigt: “Augen, die sehen.”

Liebe Gemeinde Heute redet man gerne von Vision. Wenn man ein Interview f¨ ur eine m¨ogliche Arbeitsstelle f¨ uhrt, dann stellt man gerne die Frage: “Wo sehen Sie Sich in 5 Jahren?” Man will herausfinden, ob die interviewte Person sich u ¨ber die Zukunft gedanken gemacht hat, ob sie oder er ihre oder seine Karriere durchdacht hat. Man will wissen, ob die Interviewte eine Vision f¨ ur die eigene Zukunft hat. Das ist wichtig, weil man Leute sucht, die

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die notwendigen Fertigkeiten haben, die aber der Erreichung ader Ziele der eigenen Firma dienen. Man will ja Menschen anstellen, die zur Firma passen. Man redet deshalb gerne von Leitbild oder von der Vision einer Firma. Wir denken dabei an die Ziele, die eine Firma in Zukunft erreichen will, die Art und Weise, wie sie plant zu wachsen und ihre Reichweite st¨andig zu erweitern. Wenn wir von Vision reden, dann reden wir von etwas, was noch nicht exitiert, ausser in der unsichtbaren Gedankenwelt. Man strebt etwas an, was noch nicht Realit¨at ist. Das ist eine Vision in unserem gel¨aufigen Verst¨andnis. Auch in der Wissenschaft, in der Architektur, in der Kunst und im Ingenieurwesen bewegt man sich vor allem in der Welt der Visionen. Bevor der Ei↵elturm entstand, existierte er in den Gedanken des Ingenieurs Gustave Ei↵el. Aber auch unsere eigenen Projekte von den Kleinsten zu den Gr¨ossten entstehen zuerst in unseren Gedanken. Alles, was getan wird, geschieht zuerst in der unsichtbaren, ungreifbaren und faszinierenden Welt unserer Gedanken. Wir w¨ urden nie auf die Idee kommen, einen Beweis f¨ ur die Existenz der unsichtbaren Gedankenwelt zu fordern. Sie ist o↵ensichtlich. Ab und zu sind die Visionen eine Herausforderung. Ab und zu kann man wegen der eigenen Vision augelacht werden. Ein Mann hatte einst eine Vision. Er wollte ein grosses Schi↵ bauen. Der Konstruktionplan existierte allein in seinem Kopf. Alle lachten ihn aus, auch seine Freunde, weil dieser Mann nicht ann¨ahernd in der N¨ahe vom Wasser wohnte. Seine Vision war absurd. Aber er folgte seiner Vision treu nach. Er u ¨berwand den Widerstand von Freunden und Kollegen. Wie gut, dass es dort, wo er und seine Familie wohnten, viele B¨aume gab. An Konstruktionsmaterial fehlte es nicht. Auch am Schluss, als das grosse Werk in der Mitte des Landes stand, verspotteten ihn die Leute: “Und jetzt?” Dies ging so weiter bis eine grosse Flut kam. Das Land wurde u ¨berschwemmt. Viele Menschen starben. Aber Noah und seine Familie konnten in das Schi↵ steigen und die Katastrophe u ¨berleben. Ab und zu wenn jemand eine Vision u ¨ber ein Projekt oder u ¨ber die eigene Zukunft hat, muss er oder sie auch mit Widerstand rechnen. F¨ ur unsere Visionen k¨onnen wir verspottet werden. Wir m¨ ussen Hindernisse u ¨berwinden. Manchmal k¨onnen wir selbst Zweifel haben. ¨ Ab und zu kommen wir zur Uberzeugung, dass unsere Vision nicht so gut war, wie wir

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gedacht hatten. Manchmal stossen wir auf scheinbar un¨ uberwindbare Hindernisse, die uns verstehen lassen, dass unsere Vision nicht realisierbar ist. Dann verlassen wir diese Vision oder wir passen sie an die Situation an. Manchmal aber fl¨ ustert uns der Heilige Geist Gottes eine Vision ein. Noah bekam von Gott die Vision eine Arche zu bauen. Ich bin ziemlich sicher, dass Noah, als Empf¨anger der Vision Gottes, einige Zweifel hatte: “Wieso gerade ich, oh Gott? Wieso gerade hier, oh Gott? Es gibt kein Meer.” Wenn Gott eine Vision gibt, dann kommt man immer zur gleichen Frage: Kann ich Gott vertrauen, der mir diese Vision gegeben hat? Wenn Gott eine Vision schenkt, dann geht es nie prim¨ar um die Vision selbst, sondern es geht um Gott. Es geht darum, ob ich ihm v¨ollig und ganz vertraue oder nicht. Es geht darum zu realisieren, dass eine Vision, die Gott gibt, Realit¨at werden wird. So glaubte Noah Gott. Die Flut kam. Und die Vision, die Noah von Gott bekam, wurde sichtbar. Der Glaube von Noah war wie Augen, die ihn bef¨ahigten, in die unsichtbare Welt Gottes hinein zu sehen. So begann Noah durch den Glauben, Dinge zu sehen und zu verstehen, die man mit blossen Augen nicht sehen kann, die aber wahr sind. Gegen alle Vernunft baute er ein riesieges Schi↵ im Landesinneren. Dieser Begri↵, dass der Glaube wie Augen ist, die bef¨ahigen in die geistliche Welt Gottes hinein zu sehen und entsprechend zu handeln, steht im Zentrum des 11. Kapitels des Hebr¨aerbriefes. ¨ Der Glaube ist sicher sein u ¨ber Dinge, die man ho↵t. Er ist das Uberzeugtsein u ¨ber Dinge, die man nicht sieht. (Hebr¨aer 11,1) Der Glaube ist also wie neue Augen, die uns erlauben einen Blick in die geistliche, unsichtbare Welt Gottes zu werfen. Wenn man die Augen des Glaubens trainiert, dann o¨↵net sich diese wunderbare neue Welt Gottes vor uns, und sie ist sicherer und konkreter als diese Welt, die wir mit unsern physischen Augen betrachten. Der ganze 11. Kapitel des Hebr¨aerbriefes gibt uns ein Beispiel nach dem anderen von Menschen, die diese neuen Augen des Glaubens hatten und die Gottes Welt betrachten konnten. Sie lebten und handelten nach der geistlichen, sonst unsichbaren Realit¨at, die sie mit den Augen des Glaubens sehen und sp¨ uren konnten. F¨ ur sie war Gott nicht nur eine Idee, sondern eine Realit¨at.

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So erw¨ahnt der Autor vom Hebr¨aerbrief viele solcher Menschen, die im Glauben das gesehen haben, was sonst unsichtbar war: Abel, Enoch, Noah (den wir vorhin betrachtet haben), Abraham, Sarah, Isaak, Jakob, Joseph, Mose, Joshua, Rahab, und viele, viele mehr. Dann macht der Autor des Hebr¨aerbriefes eine unglaubliche Beobachtung. Keine und keiner der erw¨ahnten Helden des Glaubens hat die Erf¨ ullung der Vision erlebt, die sie von Gott im Glauben bekommen haben. Sie sind alle vorher gestorben. Er nimmt das Beispiel von Abraham. Abraham wie Noah bekam eine Vision von Gott. Er sollte seine Elternfamilie und sein Land verlassen, und in ein neues, fernes Land ziehen. Gott versprach ihm, dass der Nachkomme von Abraham zu einem Volk werden w¨ urde, und dass er ein Land bekommen w¨ urde. Das Land, das ihm Gott zeigen w¨ urde. Als Abraham starb hatte er nur einen Sohn und er hatte kein Land bekommen, sondern er lebte in Zelten wie ein Nomade, wie ein Fremder in einem fremden Land. Trotzdem war Abraham nicht entt¨auscht. Seine Glaubensaugen betrachteten mit Sehnsucht die unsichtbare Realit¨at der Welt Gottes: Hebr¨aer 11,9a,10 9 Er vertraute Gott. Das gab ihm die Kraft, als Fremder in dem Land zu leben, das Gott ihm versprochen hatte. . . . 10 Denn Abraham wartete auf die Stadt, die wirklich auf festen Fundamenten steht und deren Gr¨ under und Erbauer Gott selbst ist. Eigentlich, sagt der Autor des Hebr¨aerbriefes, dass das, was f¨ ur Abraham wahr ist, auch f¨ ur alle anderen Frauen und M¨anner gilt, die Gott vertrauen: Hebr¨aer 11,13-16 13 Alle, die hier erw¨ahnt wurden, haben sich ganz auf Gott verlassen. Doch sie starben, ohne dass sich Gottes Zusage zu ihren Lebzeiten erf¨ ullte. Lediglich aus der Ferne haben sie etwas davon gesehen und sich dar¨ uber gefreut; denn sie sprachen dar¨ uber, dass sie auf dieser Erde nur G¨aste und Fremde seien. 14 Wer aber zugibt, hier nur ein Fremder zu sein, der sagt damit auch, dass er seine wirkliche Heimat noch sucht. 15 Unsere Vorfahren betrachteten das Land, aus dem sie weggezogen waren, nicht als ihre Heimat; dorthin h¨atten sie ja jederzeit zur¨ uckkehren k¨onnen.

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16 Nein, sie sehnten sich nach einer besseren Heimat, nach der Heimat im Himmel. Deshalb bekennt sich Gott zu ihnen und sch¨amt sich nicht, ihr Gott genannt zu werden; denn f¨ ur sie hat er seine Stadt im Himmel gebaut. Jesus selbst betrachtete diese Welt nicht als seine Heimat. Er sah mit den Augen des Glaubens die Realit¨at Gottes und er versuchte non-stop die Menschen durch Wort und Tat zu u ¨berzeugen, dass sie und somit auch wir mit der Realit¨at Gottes rechnen k¨onnen/d¨ urfen/m¨ ussen. Sogar in der schrecklichsten Stunde seines Lebens erblickte er mit den Glaubensaugen seine Stelle in unmittelbarer N¨ahe Gottes und seine unermessliche Freude. Er war bereit, den Tod der Schande am Kreuz zu sterben, weil er wusste, welche Freude ihn danach erwartete. Nun sitzt er an der rechten Seite von Gottes Thron im Himmel! Hebr¨aer 12,2b ¨ Der Glaube ist sicher sein u ¨ber Dinge, die man ho↵t. Er ist das Uberzeugtsein u ¨ber Dinge, die man nicht sieht. (Hebr¨aer 11,1) Der Glaube verleiht Augen, die ein wenig in die unsichtbare Welt Gottes hinein einblicken d¨ urfen. Es ist ein Privileg. Das ist mein Wunsch f¨ ur uns alle. N¨amlich, dass wir Augen bekommen, die Gott, den Vater und Gott, den Sohn, in dieser unsicheren Welt erkennen. Ich w¨ unsche uns allen, dass wir nach dem, was wir mit den Glaubensaugen sehen, handeln. Ich w¨ unsche uns allen, dass wir eine Sehnsucht nach der Heimat, die uns Gott allein geben kann, entwickeln. Ich w¨ unsche uns, dass wir zuerst nach Gottes Reich und nach seiner Gerechtigkeit trachten. Ich w¨ unsche uns, dass wir Menschen sind, die eine Vision Gottes haben, die danach leben und sich dar¨ uber freuen. Das Neue Testament ist gef¨ ullt mit Visionen u ¨ber Gott, u ¨ber Gottes Sohn und u ¨ber das Reich Gottes. Diese sind Visionen f¨ ur uns heute, Visionen, die uns Jesus Christus o↵enbart hat. Sie sind ein Geschenk, ein Privileg. Sie sind dazu da, uns Augen f¨ ur die unsichtbare Welt Gottes zu ¨o↵nen, sodass wir schon jetzt sehen und handeln k¨onnen. Eine Vision, die uns Jesus Christus geschenkt hat, steht im Johannes Evangelium. Ich allein bin die T¨ ur. (Johannes 10, 9)

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Ich bin der Weg, ich bin die Wahrheit, und ich bin das Leben! Ohne mich kann niemand zum Vater kommen. (Johannes 14, 6) Jesus ist vom Vater gekommen und nach seinem Tod und seiner Auferstehung zum Vater zur¨ uckgegangen. Er hat somit den Durchbruch gescha↵en, der keinem anderen Menschen gelungen ist. Er ist die T¨ ur. Er ist der Weg. Er hat sozusagen die Kluft u ¨berbr¨ uckt, die zwischen der unsichtbaren Welt Gottes und dieser Welt existiert. Er hat einen neuen Weg zum Vater ge¨o↵net. Und uns will er neue Augen des Glaubens schenken, die ihn, den neuen Weg zu Gott, klar sehen. Er schenkt uns einen neuen direkten Zugang zu Gott selbst, weil er mit uns ist. Das christliche Gebet st¨ utzt sich zu 100% auf diesen neuen direkten Zugang zu Gott, den Jesus gemacht hat. Bisher habt ihr nichts in meinem Namen erbeten. Bittet, und ihr werdet empfangen; dann wird eure Freude vollkommen sein. (Johannes 16,24) Es ist mein Wunsch, dass wir t¨aglich die wahre Vision vor Augen haben, die Vision des o↵enen Weges zu Gott, den Jesus f¨ ur uns vorbereitet hat. Mein Wunsch ist, dass wir im Einklang leben mit dem, was wir mit unseren Augen des Glaubens sehen. Manchmal gibt es Widerstand, manchmal gibt es Zweifel, manchmal gibt es Verspottung. Aber es lohnt sich, weil die Vision, die uns Gott schenkt, wahr ist. Sie entt¨auscht uns nie. ¨ Der Glaube ist sicher sein u ¨ber Dinge, die man ho↵t. Er ist das Uberzeugtsein u ¨ber Dinge, die man nicht sieht. (Hebr¨aer 11,1) Amen.