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16. Jahrgang, 2014 Herausgegeben vom Fachverband Homosexualität und Geschichte e.V.

Redaktion Andreas Brunner (Wien), Stefan Micheler (Hamburg), Andreas Niederhäuser (Basel), Herbert Potthoff (Köln)

Männerschwarm Verlag Hamburg 2014

Redaktion Invertito c/o Centrum Schwule Geschichte Postfach 27 03 08 50509 Köln [email protected] www.invertito.de

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet die Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© Männerschwarm Verlag GmbH, Hamburg 2015 Umschlaggestaltung: Stefan Micheler nach einer Idee von Jens Rassmus Korrektorat: Ines Klingenberg & Jakob Michelsen, Hamburg Übersetzungen: Wayne Yung, Berlin Druck: SOWA Sp. z.o.o., Warschau 1. Auflage 2015 ISBN Buchausgabe: 978-3-86300-197-1 ISBN Ebook (PDF): 978-3-86300-198-8 Männerschwarm Verlag GmbH Steindamm 105, 20099 Hamburg www.maennerschwarm.de

Invertito Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten Jahrgang 16, 2014 EDITORIAL

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HAUPTBEITRÄGE Hans-Peter Weingand „ ... daß dieses Laster mehr eine Religions Sache seye“. Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen und Strafrecht in Österreich 1781–1852

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Karl Peder Pedersen „Ich bin ein höchst vollständiges und makelloses Exemplar der Rasse und wurde deshalb auch wie ein kostbarer Schatz empfangen.“ Über den dänischen Amtsverwalter Poul Andræ (1843–1928), die Konträrsexualität und die Ärzte

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Rüdiger Lautmann Preußisch-deutscher Militarismus und Homophobie

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Lothar Zieske Gentlemen unter sich – eine gegen England gerichtete homophobe Hetzschrift aus dem Jahr 1940

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Sophie Kühnlenz „Aufstand der Perversen“. Zur Rezeption von Rosa von Praunheims Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt in Medienberichten der Bundesrepublik Deutschland

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KLEINERE BEITRÄGE Silke Opitz Sascha Schneider – Ideenmaler & Körperbildner. Ein Nachblick zur Ausstellung in der Kunsthalle Weimar 2013

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Christopher Treiblmayr Die Österreichische Liga für Menschenrechte und ihre Stellung­ nahmen zu Homosexualität. Ein Werkstattbericht

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Kevin Heiniger Digitale Daten im Schwulenarchiv Schweiz – ein Projektbericht

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Thierry Delessert „Homosexualität in der Schweiz seit Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Ausbruch der Aids-Epidemie“. Ein Projekt des Schweizerischen Nationalfonds am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Lausanne

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„Offener Brief“ und Stellungnahmen

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REZENSIONEN Erwin In het Panhuis: Online-Bibliographie zur Homosexualität (Hans-Peter Weingand)

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Christopher Keppel & Joachim Bartholomae: „Schlaffe Ghaselen“ und „Knoblauchsgeruch“. Platen, Immermann und Heine streiten über freche Juden, warme Brüder und wahre Poesie (Wolfgang Wagner)

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Jeffrey Weeks: Sexuelle Gleichberechtigung (Stefan Micheler)

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Rolf Thalmann (Hg.): „Keine Liebe ist an sich Tugend oder Laster.“ Heinrich Hössli (1784–1864) und sein Kampf für die Männerliebe (Helmut Puff)

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Marita Keilson-Lauritz: Kentaurenliebe. Seitenwege der Männerliebe im 20. Jahrhundert (Herbert Potthoff)

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Gottfried Lorenz: Töv, di schiet ik an. Beiträge zur Hamburger Schwulengeschichte (Martin Sölle)

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Gottfried Lorenz und Ulf Bollmann: Liberales Hamburg? Homosexuellen208 verfolgung durch Polizei und Justiz nach 1945 (Mirko Nottscheid) Erwin In het Panhuis: „Hinter den schwulen Lachern“. Homosexualität bei den Simpsons (Stefan Micheler)

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ENGLISH ABSTRACTS

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AUTORINNEN UND AUTOREN

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Editorial

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Liebe Leserinnen und Leser, der vorliegende 16. Jahrgang von Invertito bietet Ihnen einmal mehr eine Reihe von spannenden Beiträgen zur Geschichte der Homosexualitäten. Mit Hans-Peter Weingand wird der Band von einem Autor eröffnet, der schon mehrmals die Ergebnisse seiner Forschungen in unserem Jahrbuch publiziert hat. Es freut uns daher besonders, dass er 2014 für seine Studie Homosexualität und Kriminalstatistik in Österreich (Invertito 13, 2011) einen von der agpro (austrian gay professionels) verliehenen und finanziell u.a. von der Stadt Wien unterstützten Forschungspreis für wissenschaftliche Arbeiten erhalten hat. Im aktuellen Beitrag beleuchtet er anhand der Auswertung eines privaten Juristen-Nachlasses aus dem 18. Jahrhundert die Diskussion um die Strafbarkeit und das Strafmaß für gleichgeschlechtliche Handlungen vor allem unter dem „aufgeklärten“ österreichischen Monarchen Joseph II. Obwohl in den Diskussionen zu Beginn der 1780er durchaus die Möglichkeit einer vollständigen Entkriminalisierung gleichgeschlechtlicher Handlungen aufschien, setzte sich im 19. Jahrhundert eine sehr restriktive Gesetzgebung durch, die letztlich erst mit der Aufhebung des § 209 im Jahre 2002 ihr Ende fand. Auch der folgende, dankenswerterweise von Raimund Wolfert aus dem Dänischen ins Deutsche übersetzte Beitrag fußt auf einem besonderen Quellenfund. Karl Peder Pedersen wertet die Tagebücher und andere Materialien des dänischen Juristen Poul Andræ (1843–1928) aus und vermag dabei aufzuzeigen, dass der aus einer begüterten und angesehenen Familie stammende Andræ als einer der ersten in seinem Heimatland für die Belange der Homosexuellen eintrat. Mit seinen Aufzeichnungen liegt eine einzigartige Quelle zur Frühphase homosexueller Identitätsfindung vor. Rüdiger Lautmann hat ebenfalls schon mehrmals in Invertito publiziert. Diesmal geht er der Frage nach dem Verhältnis von preußischem Militarismus und Homophobie nach, wobei er in prononcierter Weise die These vertritt, dass mit dem Sturz von Eulenburg und des mit ihm verbundenen Beraterkreises eine mäßigend auf den Kaiser einwirkende Stimme verlorengegangen sei, was dessen Politik auf einen Kurs gelenkt habe, der letztlich in den Ersten Weltkrieg geführt habe. Lothar Zieskes Beitrag widmet sich einer bisher nicht beachteten nationalsozialistischen Propagandaschrift von 1940, in der sich Diffamierungen gegen den Kriegsgegner England aufs engste mit der Hetze gegen Homosexuelle als vermeintliche „innere“ Staatsfeinde verbinden. Mit dem Beitrag von Sophie Kühnlenz machen wir einen Sprung in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie beleuchtet zum einen die Reaktio-

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nen der Mainstream-Medien auf Rosa von Praunheims erstmals 1971 auf der Berlinale gezeigten Film Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt, geht zum anderen auf die Auseinandersetzungen innerhalb der schwulen Community ein und fragt nach der Bedeutung, die der Film für die schwule Emanzipationsbewegung der 1970er Jahre hatte. In der Rubrik „Kleinere Beiträge“ liefert Christopher Treiblmayr einen Werkstattbericht zu seinen Forschungen über die Tätigkeiten der 1926 gegründeten Österreichischen Liga für Menschenrechte, die nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1970er Jahre hinein anstelle der in Österreich nicht existierenden Homosexuellenbewegung für die rechtliche Besserstellung der Homosexuellen eintrat – ein Engagement, das innerhalb der Vereinigung keineswegs unumstritten war. Die Kunsthistorikerin und Kuratorin Silke Opitz, aktuell an der Kunsthalle Erfurt tätig, wirft einen Blick zurück auf die von ihr 2013 kuratierte Weimarer Ausstellung zum homosexuellen Maler Sascha Schneider, der vor allem mit seinen Illustrationen zu Karl Mays Büchern bekannt geworden ist, und gibt einen Einblick in dessen Leben und Werk. Kevin Heiniger berichtet in seinem kurzen Beitrag vom Erfolg, aber auch von den Schwierigkeiten beim vom schweizerischen Schwulenarchiv initiierten Projekt, die digitalen Daten der verschiedenen Schweizer Homosexuellenorganisationen zu sammeln, zu sichern und zu archivieren, und Thierry Delessert weist auf ein an der Universität Lausanne angesiedeltes, vom Schweizerischen Nationalfonds unterstütztes Forschungsprojekt hin, das sich dem Thema männlicher und weiblicher Homosexualität vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zum Ausbruch der Aids-Epidemie in den 1980er Jahren widmet. Jan-André Jodjohns Beitrag Die Gemeinschaft der Eigenen, die Männerund die Frauenemanzipation – Zu Ideen und Motiven einer Zusammenarbeit zwischen Männerbund und Frauenbewegung in Invertito 14 (2012) hat zu einem „Offenen Leser_innenbrief“ geführt. Auf Wunsch der Unterzeichner_innen drucken wir, aus zeitlichen Gründen erst in dieser Ausgabe, sowohl den „Offenen Brief“ als auch die erbetenen Stellungnahmen der Redaktion, des Verlages und des Autors ab. Den Abschluss bildet wie immer eine kleine Auswahl an Besprechungen aktueller Publikationen aus dem Bereich der Geschichte der Homosexualitäten. Wir danken Sabine Puhlfürst, die die Redaktion im Sommer 2014 verlassen hat, für ihre langjährige Arbeit. Die Redaktion

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Hans-Peter Weingand

„ ... daß dieses Laster mehr eine Religions Sache seye“. Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen und Strafrecht in Österreich 1781–1852 Übersicht Das Allgemeine Gesetz über Verbrechen und derselben Bestrafung von 1787 machte aus dem potenziell mit Todesstrafe bedrohten Delikt „Unkeuschheit wider die Natur, oder sodomitische Sünd“ ein von Verwaltungsbeamten zu ahndendes Delikt mit einem Monat Haftstrafe. Durch erstmals ausgewertete Quellen kann die 1781 begonnene Diskussion zwischen den beteiligten Juristen, in die auch Kaiser Joseph II. (1741–1790) einbezogen war, nachgezeichnet werden. Vorschläge prominenter Juristen für die Entkriminalisierung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen waren dabei nicht mehrheitsfähig. Die Haltung der Juristen reichte von der Belassung des Delikts im religiösen Kontext bis hin zur Übernahme von Argumenten der Aufklärung, die besagten, dass gleichgeschlechtliche Handlungen zu einer Schwächung der Gesundheit führten und damit indirekt auch einen negativen Einfluss auf den Staat hätten. Die dominierenden Vorstellungen einer penetrativen Sexualität als Notwendigkeit zur Vollendung des Delikts führten in den Entwürfen zur Einschränkung des Delikts auf Männer, während die konkreten gesetzlichen Umsetzungen 1787, 1796, 1803 und 1852 dann doch wieder an das prinzipielle Verbot gleichgeschlechtlicher Kontakte anknüpften. Ab 1803 war das Delikt erneut ein Kriminalverbrechen, das mit potenziell einem Jahr Kerkerstrafe sanktioniert wurde. 1852 wurde das Strafmaß auf fünf Jahre erhöht, das bis zur Abschaffung 1971 gültig blieb.

2007 zeichnete Klaus Berndl in einem Beitrag in Invertito anhand archivalischer Quellen die Diskussion rund um die Bestrafung gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen im Rahmen der Strafrechtsreform im Preußen des späten 18. Jahrhunderts nach.1 Für Österreich galt dies lange Zeit als undurchführbar, da der dafür relevante Quellenbestand verloren ist: Beim Berndl, Klaus: Die Aufhebung der Todesstrafe für „unnatürliche Sünden“ in Preußen, 1794, in: Invertito. Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten 9, 2007, S. 8-37.

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Justizpalastbrand 1927 waren ca. 75% des Staatsarchivs des Innern und der Justiz vernichtet worden und ein erheblicher Teil der restlichen Bestände konnte nur schwer beschädigt geborgen werden. Die Erkenntnis der Bedeutung eines privaten Juristen-Nachlasses2 für die Diskussion des Strafrechts unter Kaiser Joseph II. in Österreich und den habsburgischen Erbländern ermöglicht erstmals die Rekonstruktion einer mehrjährigen Debatte, die schließlich dazu führte, dass 1787 ein Delikt mit drohender Todesstrafe zu einem Delikt mit geringer Strafandrohung in der Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden transformiert wurde. Die Quellen zeigen, dass 1781 für eine kurze Zeit die reale Möglichkeit einer vollständigen Entkriminalisierung bestand, sie beinhalten aber bereits auch die im Strafrecht von 1803 vorgenommene Rückkehr zu einer einjährigen Kerkerstrafe. Angesichts dieser Bandbreite an Möglichkeiten ist man an Franz Grillparzers Ausführungen über Österreich erinnert: „Das ist der Fluch von unserm edeln Haus: auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben. Ja oder nein, hier ist kein Mittelweg.“3 Ausgangslage und erste Diskussion 1781 Die Constitutio Criminalis Theresiana, das unter Maria Theresia (1717– 1780) vereinheitlichte Strafrecht von 1768 für alle habsburgischen Erbländer, ahndete als „Unkeuschheit wider die Natur, oder sodomitische Sünd“ sexuelle Handlungen mit Tieren, Leichen, gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen „oder auch Weib mit Mann wider die Ordnung der Natur“ und Selbstbefriedigung. Als mildernde Umstände galten „grosse Jugend, Unverstand, und Dummheit“, eine fehlende Vollbringung der Tat oder fehlender Samenerguss: „Ein Knabenschänder, oder aber da sonst ein Mensch mit dem anderen sodomitische Sünd getrieben hätte, der solle anfangs enthauptet, und nachfolgends dessen Körper samt den Kopf verbrennet [werden].“4 Erstmals ausgewertet in: Ammerer, Gerhard: Das Ende für Schwert und Galgen? Legislativer Prozess und öffentlicher Diskurs zur Reduzierung der Todesstrafe im Ordentlichen Verfahren unter Joseph II. (1781–1787) (= Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Sonderband 11), Innsbruck/Wien u. a.: StudienVerlag 2010. 3 Grillparzer, Franz: Ein Bruderzwist in Habsburg. Trauerspiel in fünf Aufzügen, Stuttgart: J. G. Cotta 1872, S. 65. 4 Constitutio Criminalis Theresiana, „Art. 74, von der Unkeuschheit wider die Natur“. Vgl. zur Vorgeschichte und als Überblick für Österreich: Weingand, Hans-Peter: Vom Feuertod zu einem Monat Gefängnis. Gleichgeschlechtliche 2

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Dieses Gesetz galt schon im Jahr seiner Einführung als anachronistisch. Bereits im Kundmachungsschreiben war angeführt, dass das Gesetz eine Kompilation bestehender Normen und keine Neuordnung des Strafrechts darstelle.5 Kurz nach dem Tod Maria Theresias gab es Bestrebungen, das Strafrecht zu revidieren und die Todesstrafe abzuschaffen resp. auf bestimmte Handlungen zu beschränken. Ihr Sohn und Nachfolger Joseph II. (1741–1790) beauftragte im Februar 1781 die Oberste Justizstelle, sich dahingehend zu äußern, ob und in welchen Fällen die TodesJoseph II. (1741–1790) strafe beibehalten werden Ausgehend von der Abschaffung der Todesstrafe solle. Im März erteilte er Initiator des „Allgemeinen Gesetzes über Verbrechen und derselben Bestrafung“ 1787. schließlich der bereits bestePorträt mit der Kaiserkrone und Justitia im Hinhenden Kompilationshoftergrund von Martin Johann Schmidt, kommission den Auftrag, genannt Kremser Schmidt (museumkrems). „den Criminal Codicem auf eine der dermaligen Criminal Justiz=Pflege, und einem Gesetzbuch angemessene Art einzurichten“.6 In der Folge diskutierte die Kommission grundsätzlich die Frage der Todesstrafe und (zukünftiger) Strafgattungen. Im Weiteren wurden die in der Constitutio Criminalis Theresiana normierten Delikte einzeln besprochen und die unterschiedlichen Meinungen der Juristen darüber referiert und protokolliert. Am 8. August 1781 diskutierten neun sexuelle Handlungen und Strafrecht in Österreich 1499–1803, in: Invertito. Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten 1, 1999, S. 102-109. 5 Ammerer 2010, S. 38f. 6 Ammerer 2010, S. 82.

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Juristen – darunter der Präsident der Kommission Franz Wenzel Graf von Sinzendorf (1724–1792) und der Referent der Kommission Franz Georg Ritter von Keeß (1747–1799) – das Delikt „Unkeuschheit wider die Natur, oder sodomitische Sünd“.7 Das von Keeß redigierte Protokoll dieser Besprechungen sowie zahlreiche weitere Dokumente zur Strafrechtsreform befinden sich in seinem Nachlass im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Obwohl bereits 1937 in gedruckten Inventaren erwähnt ist, dass dieser Bestand zum Großteil aus Akten der Kompilationshofkommission besteht,8 wurde er jahrzehntelang nicht als Quelle herangezogen. Dank der Nutzung dieser Quelle sind nun Motive und Entscheidungsfindung nachvollziehbar. Einheitliche Meinung (unanima) war am 8. August 1781, nur gewisse sexuelle Handlungen mit einem Tier oder unter Männern zu ahnden, Selbstbefriedigung usw. spielte keine Rolle mehr. Präsident Sinzendorf hatte sogar vorgeschlagen, da „dieses Laster mehr eine Religions Sache seye“, auch diese Fälle aus dem Kriminalrecht zu entfernen und nur bei öffentlichem Ärgernis zivilrechtlich einzuschreiten: „Die unanima haben zuförderst erwogen, daß, nun das wichtige Gesez mit einem Geiste der Philosophie zu behandeln, bei diesem Laster nur zwei Fälle bestimmt werden konnten, nemlichen die Vermengung mit dem Viehe und die Knabenschändung. Alle übrigen in diesem artickl enthaltenen fleischlichen Ueppigkeiten seyen zwar der Religion und guten Sitten zuwider, nehmeten auch insoweit einigen Einfluß auf den Staat, daß auch durch diese die Gesundheit der Menschen geschwächet würde. Allein alle Debouchen könnten nicht criminaliter bestraft werden. Obschon gehört, daß das Präsidium dafür hielte, daß auch die erste zwey Fälle aus dem Criminalia hinweggelassen werden sollen, in Erwägung, daß dieses Laster mehr eine Religions Sache seye, und also blos das etwo unterlofene Aergernuß actione civile mit mässigen Züchtigungen behandelt werden solle.“9 Ammerer 2010, S. 233f. und S. 240, Anm. 36. Bittner, Ludwig (Hg.): Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs aufgebaut auf der Geschichte des Archivs und seiner Bestände 2: Geschichte und Inventare der Archive des Hauses Habsburg-Lothringen, der Hofstäbe und des Kabinettsarchivs (= Inventare österreichischer staatlicher Archive 5, 5), Wien: Holzhausen 1937, S. 196-197. 9 Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien (im Folgenden: HHStA), Kabinettskanzlei, Nachlass Keeß, Karton 1 (Compilationskommission 1781): Concept eines Vortrages der Compilations Commission betr. die 7 8

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Wenn es nach Sinzendorf gegangen wäre, hätte die Kommission (10 Jahre vor dem revolutionären Frankreich) nicht nur die Todesstrafe beseitigt, sondern eine prinzipielle Entkriminalisierung einfacher gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen eingeleitet. Die anderen acht Juristen lehnten eine so weitgehende Entkriminalisierung jedoch ab. Einstimmigkeit herrschte dagegen beim Strafmaß: mit „zeitlichem Gefängniß“ war an eine Strafdrohung von zwei bis sechs Jahren gedacht und bei öffentlichem Ärgernis sollte die Ausweisung des Täters möglich sein: „Allwie alle Stimmen erachteten, daß die Criminalstrafe nicht blos geeignet seye, das begangene Laster zu rächen, sondern mehr dasselbe durch die Furcht der Strafe abzuhalten. Da nun die Bestialität und Sodomie auf die Population schädlichen Einfluß nehme, die Sitten ungemein verderbe und die Menschheit abwürdige, so waren dann die unanima zwar bestanden: die Todesstrafe bey diesem Verbrechen aufzuheben, aber dennoch hievon, soweit nemlichen die Vermischung mit dem Viehe, dann zwischen Mann und Mann einschreitet, in dem Criminal geseze Erwehnung zu machen, zur Strafe aber festzusezen, daß der Verbrecher mit zeitlichen Gefängnuß oder Arbeit beleget, diese mit Fasten, Karbatschstreichen und auch Geldbussen verschärfet, übrigens bey entstandener Aergernuß der Verbrecher aus dem Bezirke, allwo er sich des Lasters schuldig gemacht, abgeschafet, auch das Vieh ohne allem Aufsehen, wie auch ohne daß der unschuldige Eigenthümer zu Schaden gehe, beseitiget werden solle, von welchem lezten jedoch in dem geseze keine Erwehnung zu machen ist.“10 Nach Abschluss dieser Debatten gab Keeß zusätzlich ein mit 21. August 1781 datiertes „Votum“ als Gutachten für den Kaiser ab, in dem er Vorschläge machte und sich auch kritisch über den bestehenden Strafkatalog äußerte. „Unkeuschheit wider Natur, die aber nur dann zu verstehen ist, wann sich ein Mensch mit einem Viehe vermenget“, solle, wie auch von der Kommission vorgeschlagen, mit Gefängnis von zwei bis sechs Jahren bestraft werden.11 Dann gebe es jedoch eine Reihe von Delikten, „bei welchen mir unbegreiflich ist, mit welchem Geiste einer Philosophie diese noch in dem dermaligen Jahrhunderte in ein Kriminalsistem haben eingeflochten Grundsätze des künftigen Criminal-Gesetzes, § 39; vgl. Ammerer 2010, S. 255f. (Zitat unvollständig). 10 Ammerer 2010, S. 255f. Aus § 15 geht hervor, dass bei „zeitlicher Dauer“ im Strafsystem zwei bis sechs Jahre gemeint waren. 11 Abgedruckt als Anhang 5 in: Ammerer 2010, S. 527-553, S. 542.

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werden können“12 und die, wie Blutschande, Ehebruch oder Kuppelei allenfalls zivilrechtlich auf Anzeige zu ahnden seien. Mehrere Delikte sollten jedoch im Kriminalsystem unterbunden werden, so. z. B. „Hexerei, Zauberei, Wahrsagerei und dergleichen“, der Selbstmordversuch, die „fleischliche Vermischung mit Ungläubigen“, aber auch die „Unkeuschheit wider Natur, die gemäß a: 74 §: 1 zwischen Personen einerlei Geschlechts, besonders zwischen Weib und Weib begangen werden solle“.13 Keeß gehörte also offenbar zu den Juristen, welche das Delikt bei Frauen mangels Penetration für nicht verübbar erachteten.14 Franz Georg Edler von Keeß (1747–1799) Nach Diskussion der verHofrat bei der Obersten Justizstelle, schiedenen Meinungen und Mitglied der Kompilationshofkommission. Argumente im Staatsrat Bildnis in Ordenstracht des St. Stephan-Ordens mit einer Büste Josephs II. erfolgte am 1. Dezember (Sammlung Weingand) eine erste Entschließung durch den Kaiser, die auch Aufträge zur Ausgestaltung von Normen enthielt. So war Joseph II. der Ansicht, dass „das Crimen Bestialitatis grösten Theils nur aus Unwissenheit des ächten Religions Unterrichts und aus Dummheit begangen wird“ und plädierte neben der „Hinwegschaffung des Viehes Ammerer 2010, S. 543; S. 167. Ammerer 2010, S. 544. 14 Dazu umfassend Steidele, Angela: Von keuschen Weibern und lüsternen Tribaden. Der Diskurs über sexuelle Handlungen zwischen Frauen im 18. und 19. Jahrhundert, in FORUM Homosexualität und Literatur, Heft 35/1999, S. 5-34. 12 13

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ohne Aufsehen und Schaden des Eigenthümers“ für Gefängnis unbestimmter Dauer „bis zur anerkannten Besserung und erhaltenen gründlichen Religions Unterricht“. Bei sexuellen Handlungen zwischen Männern sei sowohl der aktive als auch der passive Part zu bestrafen, dies sollte den josephinischen Egalisierungsstrategien entsprechend insbesondere auch für Adelige gelten:15„Die Knabenschändung belangend, da ist, wenn das würklich vollzogene Verbrechen erprobet worden, sowohl der patiens, als agens und Verführer zu härtesten Arbeit zu condemnieren: Bey diesem Verbrechen hat auch aller Geburts-Vorrecht aufzuhören, und muß der Edelmann, wenn er sich einer so abscheulichen Handlung schuldig gemacht, von seinem Stande degradieret, und nachher mit der obigen Strafe, so wie der gemeine Mann angesehen, und behandelt werden.“16 Exkurs: Sprache Gerhard Ammerer interpretierte diese Äußerung von Joseph II. fälschlich als Jugendschutzbestimmung und ging davon aus, dass mit „Knabenschändung“ nur „homosexuelle Handlungen mit Minderjährigen“ gemeint seien.17 Dies ist keineswegs der Fall, wie einerseits die weitere Strafrechtsdiskussion und andererseits ein Blick in zeitgenössische Nachschlagwerke zeigt. Johann Christoph Adelung, der Schöpfer des ersten Großwörterbuches der deutschen Sprache, schrieb 1775: „Der Knabenschänder, des -s, plur. ut nom. sing. Eine Person männlichen Geschlechtes, welche Knaben, und in weiterer Bedeutung, andere Mannspersonen schändet, d. i. zur Befriedigung der Wollust mißbraucht. Daher die Knabenschänderey, und das Bey- und Nebenwort knabenschänderisch.“18 Wobei als „Missbrauch“ damals jede Art mann-männlichen Geschlechtsverkehrs gewertet wurde, ohne damit zwingend Gewaltanwendung zu meinen. So wurde in einem 1782 in Wien erschienenen Werk der Gerichtsmedizin bei Sodomie einerseits zwischen „Knabenschändung (Paederastia), oder jene äusserst schändliche Nothzüchtigung, die eine Mannsperson an einer anderen begehen kann“ und andererseits sexuellen Kontakten zu Tieren differenziert.19 17 18

Ammerer 2010, S. 176f. Abgedruckt als Anhang 6 in: Ammerer 2010, S. 553-561, S. 559. Ammerer 2010, S. 175. Adelung, Johann Christoph: Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches. 2. Theil, von F – K, Leipzig: Breitkopf 1775, Spalte 1651. 19 Plenk, Johann Jakob: Anfangsgründe der gerichtlichen Arztneywissenschaft und Wundarztneykunst, Wien: Rudolf Gräffer 1782, S. 157f. 15 16

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Ähnlich auch die Ausführungen in der von Johann Georg Krünitz begründeten Oeconomisch-technologischen Encyklopädie, eines der umfangreichsten Nachschlagewerke des deutschen Sprachraumes, deren 242 Bände zwischen 1773 bis 1858 erschienen sind. Im 41. Band findet sich 1787 folgende Definition – und nebenbei bemerkt einer der ersten Nachweise für die Verwendung von „warm“ in diesem Zusammenhang: „Knaben=Schänderey, Knaben=Schändung, Päderastie, Gr. und Lat. Paederastia, Fr. Péderastie, ein unnatürliches Laster der Unkeuschheit, da eine Person männliches Geschlechtes, Knaben oder auch andere Mannspersonen zur Befriedigung der Wollust mißbraucht; eine verbrecherische Liebe, die a posteriori sucht, was die Natur a priori zu suchen lehrte. Knaben=Schänderey treiben, Fr. garçonner. Mit einem gelindern Ausdrucke werden die Knaben=Schänder, oder Päderasten, socratische Liebhaber, oder Warme, genannt.“20 Der Entwurf von 1783 Franz Georg Ritter von Keeß hatte schon im ersten Jahresdrittel 1782 einen Entwurf für ein kaiserliches Vorwort des neuen Strafgesetzes verfasst, welches den 1. Mai als Tag des Inkrafttretens des neuen Strafgesetzes vorsah. Doch das Strafrecht war in den Gremien des Hofes 1782 nicht zentrales Thema.21 Keeß erarbeitete einen ersten Gesamtentwurf der Kriminalnormen mit 219 Paragraphen, der dann im Februar 1783 in sechs Sitzungen von der Kompilationshofkommission beraten wurde. In den §§ 66 und 67 behandelte Keeß sexuelle Handlungen mit Tieren und berücksichtigte die Einwendungen des Kaisers von 1781. Die §§ 68 und 69 betrafen sexuelle Handlungen zwischen Männern, hier jedoch ohne Verweis auf den Umgang mit adeligen Tätern.22 Diese Vorschläge wurden am 12. Februar 1783 in der Kommission diskutiert und prinzipiell angenommen: „ad 66.67.68.69 wo von den Verbrechen der Unzucht wid Natur geredet werde, hat man sich mit dem Entwurf einverstanden und diese §§ 51.52.53.54 des neuen gesezes beibehalten.“23 Kleine Ergänzungen bzw. Streichungen im Gesamtentwurf Krünitz, Johann Georg: Oeconomisch-technologische Encyklopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft und der Kunstgeschichte, Bd. 41, Berlin: Pauli 1787, Spalte 161. Digital zugänglich unter: http:// www.kruenitz1.uni-trier.de/ 21 Ammerer 2010, S. 279f. 22 HHStA, Kabinettskanzlei, Nachlass Keeß, Karton 2a (Compilationskommission 1783): Gesamtentwurf mit 219 §§. 23 HHStA, Kabinettskanzlei, Nachlass Keeß, Karton 2a (Compilationskommission 20

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bzw. im Ergebnis der Kommission24 spiegeln jedoch einige Überlegungen wider, weshalb die Fassungen hier gegenübergestellt werden. Dazu kommt, dass Joseph von Sonnenfels (1732/1733–1817) mit der endgültigen Ausformulierung beauftragt worden war25 und auch hier Veränderungen vornahm. Das Delikt war im dritten Kapitel eingereiht „von denen Kriminal Verbrechen, welche auf Gott und Religion eine unmittelbare Beziehung nehmen“. Die widernatürliche Unzucht wurde also als Religionsdelikt behandelt und gemeinsam mit Gotteslästerung, Meineid der Beamten und falschem Schwur abgehandelt. Die drei Varianten mit einer Strafandrohung von einem bis fünf Jahren Gefängnis lauteten wie folgt: Gesamtentwurf Keeß § 68: Der Unzucht wider die Natur macht sich auch jener Mann schuldig, der sich mit einem ander Mann oder Knaben fleischlich vergeht, oder diese schändliche That an seinem Körper [eingefügt: freywillig] geduldet hat. § 69: Die Strafe dieses Verbrechens ist zeitliches aber hartes Gefängnis, das mit Karbatschstreichen nach Maß des gegebenen Aergernisses zu verschärfen ist. Ergebnis Kommission § 53: Auch jener Mann ist der widernatürlichen Unzucht schuldig, der sich mit einem anderernen Mann, oder Knaben fleischlich vergehet [gestrichen: vermenget] oder diese schändliche Vergehung an seinem Körper willig duldet. § 54: Die Strafe dieses Verbrechens ist zeitliches aber hartes Gefängnis, das [Einfügung: das mit Verlustigung des Adels, bey eingetretenen besonderen Aergernisse] nach Maßgabe angemessen mit Streichen zu verschärfen ist. Redaktion Sonnenfels § 53: Der Mann der sich mit einem anderen Mann, oder Knaben fleischlich vermenget, oder diese Schändlichkeit an seinem Körper duldet, ist gleichfalls widernatürlicher Unzucht schuldig. § 54: Die Strafe dieses Verbrechens ist zeitliches aber hartes Gefängnis, das immer mit Verlust des Adels, bei eingetretenen besonderen Aergernisse aber auch durch Streichen zu verschärfen ist. Es zeigt sich, dass mit „vergeht“ bzw. „vermengt“ eindeutig an Penetration (mit erfolgter Ejakulation) gedacht wurde. Auch das Dulden durch den pas1783): Protokoll, „die 12. Februari 1783“. HHStA, Kabinettskanzlei, Nachlass Keeß, Karton 2a (Compilationskommission 1783): Gesetzesentwurf vom Februar 1783 mit 206 §§. 25 Vgl. Ammerer 2010, S. 285. 24

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siven Partner reichte für das Delikt aus.26 Diese Herangehensweise erklärt auch, warum man von einer Bestrafung bei Frauen absehen wollte. Johann Jakob Cella, der 1787 mit Über Verbrechen und Strafe in Unzuchtsfällen die erste Monographie zum Sexualstrafrecht vorgelegt hat und die damalige juristische Fachliteratur referiert, macht deutlich, dass üblicherweise Analverkehr als Voraussetzung für das Delikt galt, gegenseitige Masturbation nur als Form der Onanie gesehen und die Frage diskutiert wurde, „in wie weit Weib mit Weib eine wirkliche sodomiam sexus begehen könne“.27 Die Erwartung der Kommission auf rasche Kundmachung wurde abermals enttäuscht. Der Kaiser entschied, zunächst auch den zweiten Teil, die „politischen Strafgesetze“, also das Polizeistrafrecht, auszuarbeiten und eine gänzlich neue Organisation der Kriminalgerichte vorzunehmen. Der Entwurf für das Kriminalstrafrecht wurde weiters einer breiten Begutachtung (Staatsrat, Hofkriegsrat, Oberste Justizstelle, Appelationsgerichte) unterzogen. Es gab unterschiedliche Ansichten, welche Delikte aus dem Kriminalstrafrecht auszuscheiden und in das Polizeistrafrecht aufzunehmen seien.28 Gewichtige Stimmen, wie Staatskanzler Wenzel Anton Graf Kaunitz (1711–1794) und Staatsminister Carl Friedrich Anton Graf Hatzfeldt (1718–1793), waren z. B. gegen die Ahndung der Religions- und Sittlichkeitsdelikte im Kriminalstrafrecht.29 1785 ordnete Kaiser Joseph II. schließlich an, Delikte wie Gotteslästerung oder widernatürliche Unzucht aus dem Kriminalstrafrecht zu streichen und unter die sogenannten politischen Verbrechen einzureihen. Dies sollte weitreichende Folgen haben, insbesondere was die Strafhöhe betrifft.30 Exkurs: Verfolgung Sodomie war ein Delikt, das selten vor Gericht verhandelt wurde. Im Zuge der Strafrechtsreform wurde für 1784 eine „Verbrechen Tabelle“ angelegt, gegliedert nach Kronländern und den Delikten und hier speziell nach „Verbrechen, so aus dem neuen Kriminalgesetzbuch wegbleiben sollen“, darun Eder, Franz X.: Kultur der Begierde. Eine Geschichte der Sexualität, 2. erw. Aufl., München: Beck 2009, S. 156f. 27 Cella, Johann Jakob: Über Verbrechen und Strafe in Unzuchtsfällen, Zweibrücken u. Leipzig: Ludwig Philip Hahn 1787, S. 63. 28 Ammerer 2010, S. 300 u. S. 306f. 29 Vgl. Hock, Karl von / Bidermann, Hermann: Der österreichische Staatsrath (1760–1848). Eine geschichtliche Studie, Wien: Braumüller 1879, S. 315. 30 Ammerer 2010, S. 302, Anm. 231 und 307 (mit nicht transparenten Quellen). 26

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ter u. a. Sodomie und Hexerei. Die für sieben bis zehn Jahre vorliegenden Zahlen sind sehr aufschlussreich. In den habsburgischen Erblanden, die mit 8,6 Millionen EinwohnerInnen31 von den Vorlanden im Breisgau bis zur Grenze nach Ungarn und von Böhmen und Schlesien bis nach Istrien reichten, wurden damals jährlich im Schnitt 1593,2 Kriminalverfahren wegen Diebstahl, 249,1 wegen Mord und Kindsmord, 25,8 wegen Hexerei und nur 13,8 wegen Sodomie geführt.32 „Fast überall kann man leichter zur Gewißheit des Verbrechens gelangen, als bei der Sodomie“, konstatierte 1784 ein gängiges Handbuch. Ein Geständnis des Schuldigen begleitet von anderen Nebenumständen bzw. eine Zeugenaussage und andere unzweifelhafte Indizien seien notwendig und offenbar nicht leicht zu erlangen.33 Zum Vergleich: Bei 7 Millionen EinwohnerInnen gab es im Österreich des Jahres 1955 bei vergleichbaren Delikten 62 Verurteilungen wegen Mord und Kindsmord und 853 wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen bzw. solcher mit Tieren. Unter Berücksichtigung der Bevölkerung war quantitativ die Strafverfolgung in Österreich 1955 somit ca. um den Faktor 76 höher als 170 Jahre zuvor. Allein durch ein wesentlich feinmaschigeres Polizei- und Justizsystem ist dies nicht erklärbar. Den ca. 3.000 Kriminalverfahren 1784 standen 1955 ca. 110.000 Verurteilungen wegen Verbrechen, Vergehen und Übertretungen gegenüber, das ist „nur“ eine Zunahme um den Faktor 45. Der Grund dafür liegt an der deutlichen Zunahme von Diskursen über die Arten und Unterarten von Homosexualität seit dem 19. Jahrhundert. Eine Folge davon waren Gegen-Diskurse, in denen auf Rechtmäßigkeit oder „Natürlichkeit“ der Homosexualität gepocht wurde. Eine andere Folge war jedoch die starke Zunahme der sozialen Kontrollen.34

Goehlert, J. Vincenz: Die Ergebnisse der in Österreich im vorigen Jahrhundert ausgeführten Volkszählungen im Vergleiche mit jenen der neuern Zeit, Wien: Hof- und Staatsdruckerei 1855, S. 16. 32 Durchschnittswerte nach Ammerer 2010, S. 342-344. Das Original ist wegen falscher Quellenangabe derzeit nicht auffindbar. 33 Hupka, Christoph: Sätze über das peinliche Recht nach der Theresianischen Halsgerichtsordnung mit angehängten Abweichungen vom Karolinschen Rechte, Wien: Anton Gassler 1784, S. 128. 34 Foucault, Michel: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit Bd. 1, Frankfurt/M: Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 716, 2010, S. 101. 31

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Das Allgemeine Gesetz über Verbrechen und derselben Bestrafung von 1787 Im Nachlass von Keeß ist unter dem Titel „Text des Gesetzes über die politischen Verbrechen“ auch der Entwurf von Sonnenfels erhalten, der im März 1786 per kaiserlicher Order mit der Abfassung dieses zweiten Teils des Strafgesetzes beauftragt worden war.35 Eingereiht in das fünfte Kapitel „Von den Verbrechen, die zum Verderbnisse der Sitten führen“ schlug Sonnenfels nach Bestimmungen zu Gotteslästerung, Störung von Gottesdiensten, Religionsstörung und Unzucht in der Öffentlichkeit durch Entblößung folgende Bestimmungen vor: § 74: Wer die Menschheit in dem Grade abwürdiget, um sich mit einem Viehe, oder mit seinem eigenen Geschlechte fleischlich zu vergehen, macht sich eines politischen Verbrechens schuldig. § 75: Ist das Verbrechen [gestrichen: auf eine Art] so begangen worden, daß öffentliches Aergerniß dadurch erreget hat, so ist zur Strafe [gestrichen: öffentliche] Züchtigung mit Streichen, und zeitliche harte Arbeit bestimmt. Ist aber dasselbe nur wenigen bekannt geworden, so ist der Thäter mit zeitlichen harten Gefängnisse zu belegen, so durch Fasten [gestrichen: und geheime] Züchtigung mit Streichen zu verschärfen ist. Zwei Stimmen in der Hofkommission wollten dem § 75 beisetzen: „Auch soll der Thäter von dem Orte, wo er öffentlich Aergernis gegeben hat, abgeschafft werden.“36 In diesem Gesetz war die Strafhöhe wesentlich geringer als im Kriminalstrafrecht. Wie dem § 15 zu entnehmen ist, war unter „zeitlich“ ein Zeitraum von einem Tag bis zu einem Monat zu verstehen. Argumentiert wurde nicht mehr mit religiösen Begriffen. Die Formulierung, dass das Delikt „den Menschen noch tief unter das Vieh herabwürdigt“, fand sich bereits 1783 im „Geist der teutschen Criminal-Geseze“ von Julius von Soden.37 Sonnenfels selbst hatte in seinen Schriften „Knabenschänderei und Sodomie“ als bevölkerungspolitisch problematisch erörtert.38 Keine Diskussion gab es offenbar zur kurzen Deliktdefinition, die nun Frauen wieder einschloss. Es ist gut Vgl. Ammerer 2010, S. 310 und Hatschek, Otto: Studien zum österreichischen Polizeistrafrecht, Berlin: Decker 1910, S. 10. 36 HHStA, Kabinettskanzlei, Nachlass Keeß, Karton 6 (Varia 1784-1788): „Text des Gesetzes über die politischen Verbrechen …“, zu §§ 74 und 75. 37 Soden, Julius von: Geist der teutschen Criminal-Geseze, Band 3, Dessau: Buchh. d. Gelehrten 1783, S. 42. 38 Sonnenfels, Joseph von: Politische Abhandlungen, Wien: Kurzböck 1777, S. 260. 35

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English Abstracts Hans-Peter Weingand „ ... daß dieses Laster mehr eine Religions Sache seye“. Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen und Strafrecht in Österreich 1781–1852 “... that this vice be more a religious matter.” Homosexual Acts and Criminal Law in Austria, 1781–1852 With the 1787 implementation of the “General Legal Code on Crimes and their Punishments,” the offense of “Unchastity against Nature, or Sodomite Sin,” which had been potentially punishable by death, now became an offence to be punished by civil officials with a month’s imprisonment. Through sources now analyzed for the first time, the contemporary discussions between the participating jurists, beginning in 1781 and including the involvement of the Emperor Joseph II (1741–1790), can now be traced. At the time, proposals by prominent jurists for the decriminalization of consensual sexual activities between members of the same sex could not win majority support. The positions of the jurists ranged from leaving the offense within the religious realm to adopting arguments from the Enlightenment – which assumed that same-sex activities led to a weakening of health and thus had an indirectly negative effect on the state too. The dominant assumption that penetrative sex was necessary for committing this offense led to draft proposals limiting it to men, but then the concrete laws passed in 1787, 1796, 1803 and 1852 ultimately reaffirmed the universal ban on same-sex contacts. Beginning in 1803, the offense once again became a criminal felony, potentially punishable with a year’s incarceration. In 1852, the sentencing limit was increased to five years, remaining in effect until decriminalization in 1971. Karl Peder Pedersen „Ich bin ein höchst vollständiges und makelloses Exemplar der Rasse und wurde deshalb auch wie ein kostbarer Schatz empfangen.“ Über den dänischen Amtsverwalter Poul Andræ (1843–1928), die Konträrsexualität und die Ärzte “I am a supremely complete and flawless exemplar of the race, and as a result, was also received as a precious treasure.” On the Danish Civil Servant Poul Andræ (1843–1928), Contrary Sexuality and the Physicians Throughout his life, the Danish jurist Poul Andræ (1843–1928) was a man of the written word. Beyond his extensive body of work as an author, he also kept diaries in which he documented the course of his emotional development as a homosexual man. It was not until 2012 that transcripts of these diaries could be analyzed by the archivist Karl Peder Pedersen, along with other materials concerning Poul Andræ within the holdings of the Danish National Archives and the Royal Library in Copenhagen. These documents allowed him to trace the man’s life journey, both internally and externally. In doing so, he shows that Andræ was a self-assured activist and an early campaigner for the interests of homosexuals. Through his efforts, Andræ kept in contact with physicians, pioneers of the homosexual movement and

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other like-minded people, both in Denmark and abroad. He was the first Dane to publicly speak for equal rights for homosexuals. In later years, Andræ became a member of the Scientific-Humanitarian Committee (aka the WhK). Poul Andræ’s great achievement was not only in campaigning among his contemporaries for understanding and tolerance towards homosexuals – with his records, he also ensured that we now have an important primary source from the early history of homosexual identity formation. Rüdiger Lautmann Preußisch-deutscher Militarismus und Homophobie Prussian-German Militarism and Homophobia Rüdiger Lautmann examines the influence of militarism on homophobia at the time of the German Empire. The development of Prussia was dominated by an aggressive and destructive militarism that shaped the entire society and was accompanied by a particular image of manhood: the ideal of the officer and the soldier. The domestic policies of the German Empire were geared towards strengthening the power of the Kaiser, building up the nation and suppressing socialist tendencies. The advancing militarization of German society also stimulated a discussion of men desiring men. Homosexuality was seen as an omnipresent threat to men in general. Even within their own debates, homosexuals became split into “masculinist” and “feminist” camps. The homophobic panic seen around the year 1905 did not just strip high-ranking military staff and imperial advisors of their offices – according to Lautmann, it also played a part in steering politics down a path that ultimately led to World War I, in that the homophobic campaign helped to cut off moderating voices, leaving the Kaiser among the warmongering factions. Even after the end of the imperial period, Prussian-German militarism would continue exerting a disastrous influence. Lothar Zieske Gentlemen unter sich – eine gegen England gerichtete homophobe Hetzschrift aus dem Jahr 1940 Gentlemen unter sich: a 1940 Homophobic Propaganda Brochure Directed Against England In 1940, an official Nazi propaganda brochure entitled Gentlemen unter sich (“Gentlemen Among Themselves”) was published by Friedrich Seekel (1910–1960), a police detective and instructor at the “Leadership School of the Security Police and Security Service” in Berlin. His goal was to inflame German sentiment against the English by trying to demonstrate (e.g. with historical examples) that the male population of England, especially among members of the upper classes, was largely homosexual. On the one hand, Seekel’s propaganda made use of typical prejudices of the time, which were not just limited to the German Reich. On the other hand, he also included unacknowledged quotations from relevant emancipatory texts, such as those of the Berlin sexual researcher Magnus Hirschfeld, who had been proscribed by the National Socialists. In view of the Nazi regime’s brutal persecution of both male and female homosexuals, Seekel’s propaganda had a much graver impact than these same prejudices would have had in other countries at the time.

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Seekel not only accepted this damaging consequence, he also reinforced the content of his text with the defamatory image of the homosexual as an “enemy of the state” to be persecuted without mercy, as propagated by the SS in their magazine Das Schwarze Korps and throughout society. Sophie Kühnlenz „Aufstand der Perversen“. Zur Rezeption von Rosa von Praunheims Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt in Medienberichten der Bundesrepublik Deutschland “Uprising of the Perverted” The Response in West German Media to Rosa von Praunheim’s Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt According to Rosa von Praunheim’s argument, gays are complicit in their own oppression. While the film’s title is directed at mainstream society, its content is directed at gays themselves: the filmmakers wanted to illustrate the situation of gays in a repressive social environment. Anger, disgust, verbal attacks and physical assaults were among the products of this environment – as were political movements, activism, solidarity and the development of a confident gay consciousness. This study examines reactions to the film in the “mainstream” media and controversies within the gay scene.These include comments from both the gay press and interviews with 1970s gay rights activists. Some of the question explored in the study are: Why did this film provoke such strong reactions? What effect did it have on the gay rights movement during the 1970s? And to what extent was it actually a necessary “agent provocateur” in triggering an overdue discussion – including within the gay community – of homosexuality’s social significance? Christopher Treiblmayr Die Österreichische Liga für Menschenrechte und ihre Stellungnahmen zu Homosexualität. Ein Werkstattbericht The Austrian League for Human Rights and its Stance on Homosexuality: a Workshop Report Founded in 1926, the League for Human Rights is Austria’s oldest human rights organization. Disbanded in 1938 after the “Anschluss” of Austria into the Third Reich, it resumed its work towards comprehensive human rights protections immediately after World War II. The League’s commitment to homosexual rights is one of its most controversial fields of activity. From the late 1940s into the 1970s, and to some extent even later, it acted as a kind of substitute for Austria’s nonexistent homosexual movement, although it still saw itself as “state supportive” and – as an association anchored in the country’s political elite – certainly not as a homosexual organization. The League’s attention to this sociopolitically contentious field was based on its work in sexual reforms, a line of tradition stretching back to Austria’s First Republic. This article traces early activities in this field, both in the 1930s and in the postwar period up to the early 1950s, as key phases for the League’s later positioning during Austria’s Second Republic.

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Autorinnen und Autoren Thierry Delessert Jg. 1965, Promotion im Fachbereich politische Wissenschaften an der Universität Lausanne. Aktuell als Historiker im vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten, dem Wirtschafts- und Sozialgeschichtlichen Institut der Universität Lausanne angegliederten Forschungsprojekt „Homosexualités en Suisse de la fin de la Seconde Guerre mondiale aux années sida“ tätig. Neben den aktuellen Veröffentlichungen Les homosexuels sont un danger absolu. Homosexualité masculine en Suisse durant la Seconde Guerre mondiale, Lausanne 2012 und Homosexualités masculines en Suisse. De l’invisibilité aux mobilisations, Lausanne 2012 (Coautor Michael Voegtli) diverse wissenschaftliche Aufsätze zur Geschichte der Homosexualitäten. Kevin Heiniger Jg. 1979, lic. phil. (Basel), Historiker und Präsident des Vereins Schwulenarchiv Schweiz, arbeitet an einer Dissertation zur Jugendfürsorge in der Schweiz (20. Jh.). Sophie Kühnlenz Jg. 1989, 2009–2010 Studium der Geschichte, Kunstgeschichte, Sprache und Kommunikation an der Universität Siegen, 2010–2013 Studium der Geschichte, Biologie, Friedens- und Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg, 2013: Bachelor of Arts in Geschichte (Bachelor-Arbeit bei Prof. Dr. Winterhager: „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt.“ (1971) Filmanalyse, Rezeption und Bedeutung für die bundesdeutsche Schwulenbewegung), November 2013: Vorstellung der Kernthesen und Ergebnisse der Bachelor-Arbeit beim 1. LSBTI*-Wissenschaftskongress der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld in Berlin, seit Oktober 2014: Master „Public History“ an der Freien Universität Berlin. Rüdiger Lautmann Jg. 1935, Dr. phil., war von 1971 bis 2010 Prof. für Soziologie an der Universität Bremen und lebt jetzt in Berlin. Arbeitsgebiete: Geschlecht und Sexualität, Recht und Kriminalität. Einige Buchpublikationen (als Autor oder Herausgeber): Seminar: Gesellschaft und Homosexualität (1977); Männerliebe im alten Deutschland. Sozialgeschichtliche Abhandlungen (1992); Die Gleichheit der Geschlechter und die Wirklichkeit des Rechts (1993); Homosexualität. Handbuch der Theorie- und Forschungsgeschichte (1993); Der Homosexuelle und sein Publikum (1997); Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle (2002); Soziologie der Sexualität (2002); Lexikon zur Soziologie (2009); Migranten in der deutschen Polizei (2010); Capricen – Momente schwuler Geschichte (2014); Was ist Homosexualität? Forschungsgeschichte, gesellschaftliche Entwicklungen und Perspektiven (2014); Strafrecht und Soziologie (2014). Homepage: www.lautmann.de. Stefan Micheler Jg. 1970, Dr. phil., Historiker, Gymnasiallehrer in Hamburg, Lehrbeauftragter für Neuere Geschichte an der Universität Hamburg. Veröffentlichungen und Projekte: www.StefanMicheler.de.

Autorinnen und Autoren

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Mirko Nottscheid Jg. 1971, Dr. phil., Literaturwissenschaftler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik der Universität Hamburg. Promotion über Karl Kraus und Frank Wedekind (2006). Forschungsschwerpunkte: Deutsche Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, Editionsphilologie, Literarisches Leben, Hamburger Nachkriegsliteratur, alternative Literaturgeschichte. Letzte Buchveröffentlichungen: Wissenschaft ohne Universität, Forschung ohne Staat. Die Berliner Gesellschaft für deutsche Literatur, 1888–1938 (mit HansHarald Müller, 2011); Der Nachlass Wilhelm Scherers in Berlin (Mithg., 2012); ANDOCKEN. Hamburgs Kulturgeschichte 1848–1933 (Mithg., 2012); Disziplinenentwicklung als „community of practice“. Der Briefwechsel Wilhelm Scherers mit August Sauer, Bernhard Seuffert und Richard Maria Werner, 1876–1886 (Mithg., in Vorb.). Silke Opitz Jg. 1970, Kunsthistorikerin, Ausstellungskuratorin, Autorin und Dozentin. Nach dem Studium der Kunstgeschichte, Neueren deutschen Literatur und Medienwissenschaften in Marburg/Lahn (Magister) und Canterbury im Jahr 2000 Promotion an der Bauhaus-Universität Weimar und anschließend dort von 2002 bis 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin. Im Anschluss Kuratorin des Kunstvereins Ludwigsburg und derzeit in dieser Funktion an der Kunsthalle Erfurt beschäftigt. Sie hat zahlreiche Ausstellungen zur zeitgenössischen und klassisch-modernen Kunst im In- und Ausland realisiert, darunter Einzelpräsentationen und Retrospektiven, u.a. von Otto Dix unter dem Aspekt floraler Symbole und Motive sowie die Ausstellung von Sascha Schneider 2013 in Weimar. Neben entsprechenden Publikationen hat sie auch ein Kinderbuch zum Bauhaus verfasst. Karl Peder Pedersen Jg. 1952, Studium der Geschichte und Geographie an den Universitäten in Odense und Kopenhagen; Ph. D. in Verwaltungsgeschichte 1998; Dr. phil. an der Syddansk Universitet in Odense 2014; Diplomarbeit: Enevældens amtmænd. Danske amtmænds rolle og funktion i enevældens forvaltning 1660–1848 (Die Amtmänner im Absolutismus. Rolle und Funktion der dänischen Amtmänner in der absolutistischen Verwaltung 1660–1848); seine Dissertationsschrift erschien 2014 im Syddansk Universitetsforlag unter dem Titel: Kontrol over København. Studier i den sene enevældes sikkerhedspoliti 1800–48 (Kontrolle über Kopenhagen: Studien zur Sicherheitspolizei im späten Absolutismus 1800–48). Arbeitet als Archivar und Forscher am Dänischen Nationalarchiv (Rigsarkivet) in Kopenhagen. Herbert Pothoff Jg. 1947, aus Altersgründen aus dem Gymnasialdienst ausgeschieden; Mitarbeit im Vorstand des FHG und des Centrum Schwule Geschichte Köln (u.a. Konzeption und Realisierung von Ausstellungen, Mitarbeit an Publikationen).

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Helmut Puff Jg. 1961. Professor am Department of Germanic Languages and Literatures, Department of History und an Women’s Studies an der University of Michigan in Ann Arbor (USA). Zu seinen Arbeitsgebieten gehören Geschlechtergeschichte, Geschichte der Sexualität, sowie Stadt-, Sozial- und Kulturgeschichte, mit besonderem Schwerpunkt auf Kultur, Literatur und Geschichte in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Von seinen Buchpublikationen sind zu nennen Sodomy in Reformation Germany and Switzerland 1400–1600 (2003) sowie als Herausgeber bzw. Mitherausgeber Lust, Angst und Provokation. Homosexualität in der Gesellschaft (1995) und After the History of Sexuality. German Genealogies with and beyond Foucault (2012). Martin Sölle Jg. 1956, Buchhändler, seit 1984 Mitarbeit im Centrum Schwule Geschichte, Köln, seit 2001 im Verein El-De-Haus (NS-Gedenkstätte der Stadt Köln), 2004 mit der Kompassnadel des Schwulen Netzwerks NRW geehrt. Christopher Treiblmayr Jg. 1975, Studium der Geschichte, Deutschen Philologie, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Theaterwissenschaft, Philosophie und Pädagogik an den Universitäten Wien und Salzburg, am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der Technischen Universität Berlin, am Birkbeck College, University of London sowie am German Department der University of California, Berkeley. Post-Doc-Assistent am Institut für Geschichte der Universität Wien bis Februar 2015. Er arbeitet an einem Habilitationsprojekt zur Geschichte der Österreichischen Liga für Menschenrechte. Aktuelle Publikation: Bewegte Männer. Männlichkeit und männliche Homosexualität im deutschen Kino der 1990er Jahre, Köln/ Wien/Weimar 2015. Wolfgang Wagner Jg. 1988, absolvierte von 2009 bis 2013 seinen B. A. in den Fächern Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft und Musikwissenschaft an der Universität Freiburg. 2013 begann er den M. A. „Deutschsprachige Literaturen“ an der Universität Hamburg. Hans-Peter Weingand Jg. 1964, Studium der Geschichte und Volkskunde in Graz. Zahlreiche Veröffentlichungen in den Gebieten Zeit-, Wirtschafts-, Sozial- und Kirchengeschichte, Gründungsmitglied Rosalila PantherInnen – Schwullesbische ARGE Steiermark. Langjährige berufliche Tätigkeit als Pressesprecher eines Forschungsunternehmens. 2014 agpro-Forschungspreis. Lothar Zieske Jg. 1944; Studium (Latein, Geschichte) in Hamburg; nach Staatsexamen (1970) und Promotion (1972) bis 2007 Schuldienst; Veröffentlichungen: „Felicitas. Eine Wortuntersuchung“ (1972), „Das sechzigste Jahr.“ Erzählung (2006), „Schreibend überleben, über Leben schreiben. Aufsätze zu Victor Klemperers Tagebüchern der Jahre 1933 bis 1959, 2013. Aufsätze zur Altertumswissenschaft und Zeitgeschichte.