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23.05.2014 - Als Wildbienen-Pate kann man nicht bloss mithelfen, diese wichtigen. Bestäuber zu vermehren. Man erhält auch einen Einblick in die ...
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Jungunternehmen

Jung, grün, smart Ein Chemie-Doktorand entwickelt einen veganen Burger, ein Ingenieur sammelt gebrauchte Fenster, und einem Doktoranden geht ein Licht auf: Mit ­originellen Ideen und grossem Engagement weisen Jungunternehmer den Weg in eine grüne Wirtschaft. Von Claudia Peter, Bilder: Nelly Rodriguez

E Captain Plant: Jungunternehmerin Christina Schürch mit ihren leckeren Burger-Kreationen. Sie sind vegan, also rein pflanzlich. Was einmal mehr zeigt: Genuss und Klimaschutz schliessen sich nicht aus. Jetzt will das Start-up im Franchising-­System die Schweiz erorbern.

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in knuspriges Brötchen, frisches Gemüse und ein würziger Amarant-LinsenBratling: Der Burger von Captain Plant schmeckt frisch und saftig. Dass er dazu noch vegan ist, also rein pflanzlich, dürfte für viele Geniesser Nebensache sein. Aus Umweltsicht aber ist es die Hauptsache: 100 Gramm Rindfleisch produzieren 1550 Gramm CO2 – bei gleich viel Gemüse sind es gerade mal 20 bis 90 Gramm! Captain Plant ist eines von vielen Jungunternehmen oder Start-ups in der Schweiz, die mit innovativen Ideen etwas für den Klimaschutz tun. Die Idee zu Captain Plant hegte Firmengründer Jens Hermes, seit er vor einigen Jahren zum Veganer wurde: «Ich habe immer gewitzelt: Wenn ich meinen Doktortitel in Chemie habe, mach ich eine vegane Fastfood-Kette auf.» Wichtig waren ihm und seinen zwei Partnern, einen preiswerten, gesunden Imbiss anzubieten, der vor allem auch gut schmeckt und satt macht. «Unser Burger bedeutet kein Verzicht. Er soll die Menschen sogar noch mehr begeistern als fleisch-

haltige Burger.» Das Konzept scheint aufzugehen. Bei Test-Events, wie zum Beispiel an der Street Parade, verkauften sich die Burger gut – auch bei NichtVeganern. Als nächstes will Captain Plant in Basel einen ersten Imbiss eröffnen und nachher im FranchisingSystem die ganze Schweiz mit ihren Burgern erobern. Um ihr Ziel zu erreichen, hat Captain Plant an einem Wettbewerb teilgenommen, der von den Start-up-Förderern Impact Hub und Climate-KIC sowie vom WWF Schweiz getragen wird. Die Idee dahinter: Projekte für eine nachhaltige Wirtschaft fördern und engagierte Personen dabei unterstützen, eigene Geschäftsideen zu entwickeln (siehe Box). Dazu Holger Hoffman-Riem, Projektleiter beim WWF Schweiz: «Viele dieser Start-ups haben das gleiche Problem – nämlich sehr wenig Business-Erfahrung.» Dort setzt der Wettbewerb an. Die frischgebackenen Geschäftsleute sollen lernen, wie sie mit ihren grünen Jung­unternehmen bestehen können. Und sie erhalten einen finanziellen Zuschuss, um erste Investitionen tätigen zu können.

Den bekam auch das Lausanner Startup LED Safari. Die Jungfirma hat eine LED-Solarlampe entwickelt, die mit nur fünf Bauteilen von jedem selber zusammengebaut werden kann und nur zwei US-Dollar kostet. Damit ist sie viel günstiger als die in Entwicklungsländern übliche Kerosinlampe – und erst noch ungefährlich und klimafreundlich. Die vier Studenten Govinda Upadhyay, Elisa Wepfer, Naomi Savioz und Vincenzo Capogna sind mit Herzblut bei der Sache. «Wir haben bereits drei Feldprojekte in Indien, ­Kenia und Tansania durchgeführt. In Workshops haben wir der Lokalbevölkerung erklärt, wie sie die Lampen selber bauen können», erklärt Govinda Upadhyay, Initiator des Projekts und Entwickler der Lampe. «Die Lampen kamen super an, und die Leute waren unglaublich kreativ.» Bewusst wählen LED Safari für ihr Projekt den Weg eines Unternehmens und nicht jener einer Hilfsorganisation. «Wir werden als Unternehmen ernster genommen», ist sich Upadhyay sicher. Trotzdem möchte er nicht einfach ein Produkt verkaufen: «Erst wenn die

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Gute Ideen gesucht! Jedes Jahr schreiben der Impact Hub, Climate-KIC und der WWF Schweiz mehrere Wettbewerbe für innovative Geschäftsideen aus. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt – wichtig ist einfach, dass das Projekt einen Beitrag zum Klimaschutz liefert und dass das Unternehmen am Ende selbsttragend werden kann. Die besten WettbewerbsProjekte erhalten ein Coaching, einen Arbeitsplatz im Impact Hub und eine Anschubfinanzierung. Projektideen können noch bis zum 24. Juni eingereicht werden. Ein Online-Voting und eine ­Jury bestimmen über die Auswahl der Projekte. Am 19. Juni findet eine InfoVeranstaltung für interessierte WWFMitglieder und Teilnehmer statt. Weitere Informationen:

https://  innovate4climate.ch (unter Events)

REwinner: Morgan und ­Marina Altman etablieren den Recyclinggedanken in der Baubranche – vorerst exportieren sie noch intakte SecondhandFenster nach Osteuropa.

Menschen verstehen, wie unsere ­Lampe funktioniert und dass sie günstiger ist als die herkömmlichen Kerosinlampen, werden sie unsere Technologie auch nutzen», erklärt er. Auch wenn die Lampe in erster Linie ein humanitäres Bedürfnis erfüllt, ist das Klimaschutzpotenzial enorm. Das Lausanner Unternehmen will in den nächsten fünf Jahren mindestens 20 400 Tonnen CO2 einsparen.

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Alte Fenster sind neue Fenster Zurzeit tüftelt LED Safari an einem Business-Modell, um die LED-Solarlampe im grossen Massstab unter die Leute zu bringen. Morgan und Marina Altman von der Firma ReWinner sind da schon einen Schritt weiter. Die bestechend einfache Idee hinter ihrem Geschäftsmodell: Was in der Schweiz auf Baustellen im Rahmen von Sanierun-

gen ersetzt wird, ist in Osteuropa häufig immer noch qualitativ besser als dort existierendes Material. Das Ehepaar will die Wiederverwendung solcher Baumaterialien organisieren und schlägt damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. In der Schweiz fällt das Entsorgungs­problem weg, im Osten werden kostspielige Sanierungen günstiger. Noch intakte Fenster, Türen, Heizsysteme oder sanitäre Anlagen können so weiter genutzt werden.Im

LED Safari: Günstig und klimafreundlich ist die LED-Solarlampe der jungen Forscher Naomi Savioz, Govinda Upadhyay und Elisa Wepfer (von links) der Firma LED Safari. Sie soll in Entwicklungsländern eine Alternative zu den teuren und ­gefährlichen Kerosinlampen bieten.

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Jungunternehmen Wegwerfzeitalter wirkt die Idee schon fast revolutionär. Sie bekommt aber zunehmend Relevanz: Wenn es uns nicht gelingt, die Ressourcenverschwendung zu stoppen, werden wir beim Lebensstandard bald massive A ­ bstriche machen müssen – weil die Preise für gewisse Rohstoffe in astronomische Höhen schnellen. Ganz abgesehen von den Umweltfolgen der bedenkenlosen Verschwendung. Genau deshalb will der Bund mit seinem Aktionsplan «Grüne Wirtschaft» Rahmenbedingungen schaffen, die sowohl umwelt- als auch wirtschaftspolitischen Interessen dienen. Ein Schwerpunkt des Aktionsplans ist die Wiederver­wertung von Rohstoffen.

WIldbiene + Partner: Claudio Sedivy und Thomas Strobl vermieten Wildbienen für die Bestäubung von ­Obst­anlagen an Bauern. Gezüchtet werden die Tiere von «Gotten und Göttis» – Menschen, denen es Spass macht, ein Wildbienenhäuschen bei sich aufzuhängen.

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und ich stosse Diskussionen an.» Wie auch bei anderen Start-up-Wettbewerben üblich, werden die Teams nach dem Sieg weiter begleitet. Dazu nochmals Holger Hoffman-Riem: «Es geht uns ja vor allem darum, dass die Projekte letztendlich umgesetzt werden.» Schliesslich sind die Start-ups für den WWF wichtige Partner: Sie sind mit ihren konkreten Projekten eine Art Leuchttürme für nachhaltiges Wirtschaften. Anders als normale WWFFeldprojekte können sich erfolgreiche Start-ups mit der Zeit selber ­finanzieren und brauchen keine wiederkehrenden Beiträge. Das Beste: Wenn die Unternehmen ihre Ideen erfolgreich vermarkten können, tut sich ein riesiges Klimaschutzpotenzial auf!

Verliebt ins eigene Unternehmen

Fleissig wie die Biene

Genau das tun die Jungunternehmer von ReWinner: «Wir sind in unser Start-up verliebt», sagen Marina und Morgan Altman. Bald wird ein erster Warentransport aus der Schweiz nach Lettland reisen. Die Vorbereitung dazu war aufwendig. «Der Aufbau eines Netzwerks, hier und in den Abnehmerländern, braucht sehr viel Zeit», meinen sie rückblickend und sehen den ­Gewinn des Innovate4climate-Wett­ bewerbs als wichtigen Schritt: «Die Kontakte des WWF Schweiz und seiner Partner war sehr hilfreich für uns.» Wenn das Projekt erst mal läuft, sind die Ausbaumöglichkeiten riesig: «Wir wollen eine Art Marktplatz für wiederverwendbare Baumaterialien und ein europaweites Netzwerk auf­ bauen», sagen die beiden ReWinnerGründer. Sie suchen nun nach weiteren Bauherren, Architekten und anderen Beteiligten aus der Baubranche als Partner in der Schweiz – und als Agenten in osteuropäischen Ländern. Holger Hoffmann-Riem vom WWF Schweiz begleitet die Start-ups in der Projektphase eng. Er berät sie, hält aber auch den Finger auf Schwachstellen und stellt kritische Fragen: «Ich sorge dafür, dass sich die Wettbewerbsteilnehmer untereinander austauschen und wo immer möglich zusammenarbeiten,

Klimaschutz ist immer auch Naturschutz, und genau darum kümmert sich die Firma Wildbiene + Partner. In Obstanlagen werden heute häufig Hummelvölker aus dem Ausland für die Bestäubung eingesetzt. Diese werden nach dem Gebrauch kurzerhand vernichtet. Hier bieten die Wildbienen von Claudio Sedivy und Thomas Strobl eine effiziente und nachhaltige Schweizer Alternative. «Wir können den Bauern Wildbienen liefern und ihnen gleichzeitig zeigen, was sie zu deren Förderung tun können», sagt Strobl. Gleichzeitig tragen Wildbiene + Partner etwas zum Erhalt der Biodiversität bei, indem sie Nistplätze für die gefährdeten Wildbienen fördern und die Bevölkerung mit «Bienen-Patenschaften» und Schulbesuchen über die Bedeutung dieser Tiere aufklären. «Als WildbienenPate erhält man ein Bienenhäuschen und eine Box mit Bienenkokons. So steht schon am Anfang ein Erfolgserlebnis», sagt Strobl. Als Wildbienen-Pate kann man nicht bloss mithelfen, diese wichtigen Bestäuber zu vermehren. Man erhält auch einen Einblick in die faszinierende Welt dieser nützlichen Insekten. Im Herbst sendet man das Häuschen wieder zurück, die Unternehmer reinigen es, behalten einen Teil der neuen

­ okons für die Obstbauern und senden K es im Frühling mit einem neuen Set ­Kokons wieder zurück. Wildbiene + Partner sind dank der Starthilfe durch den Start-up-Wettbewerb bereits mit viel Schwung unterwegs: «Diesen Frühling haben wir die erste Ladung Häuschen verschickt – es waren über 300!» Die Wildbiene, emsig und fleissig, ist auch ein Symbol für die Wirtschaft. Sie ist ein Puzzleteil eines grossen Ganzen, ein kleines Rädchen, das viel bewegt. Genau wie die Start-ups, die unermüdlich mit ihren innovativen Ideen grosse Dinge in Bewegung setzen.  ■ Die Web-Links zu allen beschriebenen und weiteren Start-ups finden Sie unter: www.  wwf.ch/startup

Der WWF und die Wirtschaft Die Wirtschaft trägt eine grosse Verantwortung für die Umwelt. Der WWF ­findet: Unternehmen müssen diese Verantwortung wahrnehmen. Das bedeutet: Weniger CO2 ausstossen und nachhaltiger mit Ressourcen umgehen. Der WWF bewegt die Wirtschaft. Indem er medial und politisch Druck ausübt und mit Partnerfirmen Zielsetzungen zur Verbesserung ihres Fussabdrucks aushandelt. Er unterstützt Start-ups und setzt sich an Runden Tischen für umwelt- und sozialgerechte Anbau- und Produktionsmethoden ein – zum ­Beispiel bei Palmöl und Soja. Und er ­unterstützt nachhaltige Labels. www.  wwf.ch/zusammenarbeit

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