1. Einleitung

2. Der Klimawandel: ein auch im Alltag unterschätztes systemisches Risiko 25. 2.1. Was sind systemische Risiken. 27. 2.2. Klimawandel als systemisches Risiko.
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Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter www.oekom.de. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2014 oekom Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH, Waltherstraße 29, 80337 München Umschlaggestaltung: Elisabeth Fürnstein, oekom Umschlagabbildung: © chones – Fotolia.com Druck: Digital Print Group, Nürnberg

Dieses Buch wurde auf 100%igem Recyclingpapier gedruckt. Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-86581-469-2

Dirk Scheer, Wilfried Konrad Ortwin Renn, Oliver Scheel

Energiepolitik unter Strom: Alternativen der Stromerzeugung im Akzeptanztest

Inhalt

Vorwort 1. Einleitung 1.1. 1.2. 1.3.

Energiepolitik unter Strom: Herausforderungen der Transformation des Energiesystems Die gesellschaftliche Akzeptanz von Technologien Untersuchungsrahmen und Zielsetzung

2. Der Klimawandel: ein auch im Alltag unterschätztes systemisches Risiko 2.1. Was sind systemische Risiken 2.2. Klimawandel als systemisches Risiko 2.2.1. Stand der Klimaforschung 2.2.2. Reaktionen auf die Klimarisiken 2.2.3. Klimaschutz als Paradebeispiel für systemische Risiken 2.3. Gründe für die Unterschätzung der Klimarisiken in der Öffentlichkeit 2.4. Fazit

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3. Die Untersuchungsmethode: Fokusgruppen im Mixed-Method-Design

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3.1. Design der hybriden Fokusgruppen 3.2. Praxis der hybriden Fokusgruppen 3.2.1. Vorbereitung: Informationsmaterial und Erhebungsinstrumente 3.2.2. Durchführung: Moderation und Ablauf der Fokusgruppen 3.2.3. Auswertung: Integration qualitativer und quantitativer Daten 3.3. Fazit

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4. Die Bewertungsgrundlage: Zukünftige Stromtechnologien und Strommixe

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4.1. Stromtechnologien im Überblick 4.1.1. Auswahl der Stromtechnologien 4.1.2. Kurzdarstellung der Stromtechnologien 4.2. Strommixe im Überblick 4.2.1. Klimaschutzstrategien im Strom-Energiemix 4.2.2. Konsolidierung über einen Delphi-Workshop 4.2.3. Erarbeitung von exemplarischen Strommixen 4.2.4. Kurzdarstellung der Strommixe 4.3. Fazit

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5. Das Befragungssample: Soziodemographie, Interaktion und Einstellung

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5.1. 5.2. 5.3. 5.4.

Soziodemographische Aspekte Information und Interaktion: Verständnis und Einfluss Einstellung zum Klimawandel Fazit

6. Akzeptanzprofile der Stromtechnologien 6.1. Die quantitative Bewertung von Stromtechnologien 6.1.1. Das Ranking der Stromtechnologien 6.1.2. Einflussfaktoren: Soziodemographie, Klimabewusstsein und NIMBY-Effekt 6.1.3. Technologie im Fokus: Die Bewertung von CCS 6.2. Die qualitative Bewertung von Stromtechnologien 6.2.1. Entwicklung eines Kategoriensystems 6.2.2. Fossile Stromtechnologien 6.2.3. Nukleare Stromtechnologien 6.2.4. Erneuerbare Stromtechnologien 6.3. Vergleichende Betrachtung

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6.3.1. Eine qualitative Akzeptanzmatrix für Stromtechnologien 6.3.2. Ländervergleich zwischen USA und Deutschland 6.4. Fazit

7. Akzeptanzprofile der Strommixe 7.1. 7.1.1. 7.1.2. 7.2. 7.2.1. 7.2.2. 7.2.3. 7.3. 7.3.1. 7.3.2. 7.3.3. 7.4.

Die quantitative Bewertung von Strommixen Das Ranking der Strommixe Einflussfaktoren: Soziodemographie Die qualitative Bewertung von Strommixen Fossile Klimaschutzstrategie Nukleare Klimaschutzstrategie Erneuerbare Klimaschutzstrategie Vergleichende Betrachtung Entscheidungsprozesse bei der Strommixbewertung Eine qualitative Akzeptanzmatrix für Strommixe Ländervergleich zwischen USA und Deutschland Fazit

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8. Schlussbetrachtung

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9. Literatur

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10. Abbildungen und Tabellen

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Vorwort Die vorliegende Buchveröffentlichung ist Ergebnis eines von der Stiftung Mercator finanzierten und vom Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart (ZIRIUS) durchgeführten Forschungsprojektes. Die Studie wurde von April 2010 bis Juli 2013 von ZIRIUS umgesetzt. Zwei grundlegende Zielsetzungen waren Gegenstand des Forschungsvorhabens: Zum einen wurde auf methodischer Ebene ein integrierter Fokusgruppenansatz entwickelt und erprobt, der qualitative und quantitative Methoden der empirischen Sozialforschung kombiniert. Dieser Fokusgruppenansatz im Mixed-Method-Design beinhaltet eine Datentriangulation aus standardisierten und qualitativen Erhebungsmethoden, die gleichzeitig zum Einsatz kamen und während der Datenerhebung angewendet wurden. Zum anderen wurden auf inhaltlicher Ebene Präferenzen und Einstellungen sowie Bedenken und Befürchtungen von Bürgern1 zu Technologien der Stromerzeugung sowie zu zukünftigen klimaverträglichen Strommixen vergleichend erforscht. Die gesellschaftliche Akzeptanz von Stromtechnologien und Strommixen ist ein zentraler Erfolgsfaktor für eine umwelt- und gesellschaftsverträgliche Transformation des Energiesystems. Im Laufe des Projektes wurden bereits selektive Ergebnisse anderweitig veröffentlicht. Der integrierte Fokusgruppenansatz wurde als Buchbeitrag über Fokusgruppen in der empirischen Sozialwissenschaft vorgestellt (Scheer et al. 2012a). Die empirischen Ergebnisse zur gesellschaftlichen Akzeptanz von Carbon Capture and Storage (CCS) wurden in einem Buchbeitrag zur Akzeptanzforschung zu CCS in Deutschland öffentlich gemacht (Scheer et al. 2012b). Schließlich wurden die quantitativen Ergebnisse der Studie in dem 1

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.

10 englischsprachigen Journal Energy, Society and Sustainability präsentiert (Scheer et al. 2013). In diesem Buch werden nun alle veröffentlichten und nicht veröffentlichten Ergebnisse zusammengeführt und in einer kondensierten Fassung publiziert. Der Schwerpunkt der Buchveröffentlichung liegt insbesondere auf der integrierten Darstellung der quantitativen und bislang unveröffentlichten qualitativen Ergebnisse. Das Buch wäre ohne eine Vielzahl von Unterstützungsleistungen nicht möglich gewesen, für die wir sehr dankbar sind. Zunächst möchten wir der Stiftung Mercator und insbesondere Herrn Dr. Lars Grotewold als Projektverantwortlichem der Stiftung herzlich für die immerwährende Unterstützung danken. Ein großer Dank gilt auch allen 130 an der Studie beteiligten Bürger, die sich für die Vorbereitung auf und die Teilnahme an den Fokusgruppen sehr viel Zeit genommen haben. Dr. Lauren Fleishman hat uns intensiv begleitet bei der methodischen und inhaltlichen Anpassung unseres Ansatzes an ihre US-amerikanische Studie. Zudem danken wir ihr sehr, dass sie uns die Möglichkeit eröffnet hat, an einer Fokusgruppe an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (Pennsylvania) teilzunehmen und die Umsetzung der Forschungsmethode näher kennen zu lernen. Darüber hinaus haben neben den Autoren eine ganze Reihe von Kollegen von ZIRIUS im Laufe des Projektes mitgearbeitet und wertvolle Beiträge geleistet. Sandra Wassermann danken wir sehr für ihre federführende Auswertung der qualitativen Fokusgruppenergebnisse. Unser Dank gebührt ebenfalls Frank Ulmer für die professionelle Vorbereitung und Moderation der fünfzehn Fokusgruppen sowie Andreas Hohlt für die inhaltliche Erarbeitung des Fokusgruppenmaterials und die Mitwirkung an der Aufarbeitung der qualitativen Daten. Teresa Unangst hat uns als wissenschaftliche Hilfskraft vielfältig bei organisatorischen und inhaltlichen Arbeiten unterstützt. Dr. Wolfgang Weimer-Jehle und Dr. Michael Zwick berieten uns zur vergleichenden Kosten- und Emissionsrechnung und der Auswertung der quantitativen und qualitativen Daten. Nicole Bächtle von der Universität Stuttgart hat das Vorhaben geduldig und professionell administrativ betreut. Ihnen allen sei sehr herzlich gedankt für die Zeit und Geduld, die sie aufgebracht haben, und die Unterstützung, die sie uns haben zukommen lassen. Dirk Scheer, Wilfried Konrad, Ortwin Renn, Oliver Scheel Stuttgart im November 2013

1. Einleitung 1.1.

Energiepolitik unter Strom: Herausforderungen der Transformation des Energiesystems

Die Transformation des Energiesektors ist derzeit in aller Munde und steht hoch oben auf der politischen Agenda in einer ganzen Reihe von entwickelten und weniger entwickelten Ländern. Eine zentrale Triebfeder für den avisierten Umbau des Energiesystems ist die Problematik der anthropogen verursachten Erderwärmung und des Klimawandels. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur ist der Energiesektor weltweit für über zwei Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich; trotz der jüngsten positiven Entwicklung in den USA und China erreichte der energiebezogene CO 2-Ausstoss mit 31,6 Gigatonnen ein Rekordhoch im Jahr 2012 (IEA 2013). Für Deutschland stellt sich die Situation zwar etwas günstiger dar. Dennoch war die Energiewirtschaft im Jahr 2011 mit ca. 47% für knapp die Hälfte aller CO 2-Emissionen verantwortlich, gefolgt vom Verkehr (21%), der Industrie (15%), den Haushalten (11%) sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistung mit 6% (UBA 2013b). Die europäische und deutsche Klimapolitik haben sich vor diesem Hintergrund ambitionierte Ziele gesetzt. Die Europäische Union hat ihre Klimaziele 2008 in einem Klimapaket zusammengefasst. Danach sollen die Treibhausgasemissionen der Industrieländer bis 2050 um 60% bis 80% unter das Niveau von 1990 gesenkt werden. Liegt bis 2020 ein internationales Klimaabkommen vor, verspricht die EU bis 2020 eine CO2-Reduktion von 30%; liegt kein entsprechendes Abkommen vor, so sollen immerhin mindestens 20% CO2 eingespart werden.

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1. Einleitung

Die derzeit geltenden deutschen Ziele wurden maßgeblich über die von der christlich-liberalen Regierung vollzogenen Energiewende formuliert. Danach wird eine Verbesserung der Energieeffizienz um rund 40% bis 2050 anvisiert. Die Kernenergienutzung soll über den Ausstiegsbeschluss bis zum Jahr 2022 vollständig auslaufen. Während der Anteil der fossilen Brennstoffe von heute rund 80% auf 20% reduziert werden soll, sollen erneuerbare Energiequellen im Jahr 2050 einen Anteil von 80% an der Endenergieversorgung haben. Die Realisierung dieses massiven Umbaus der Energiewirtschaft erfordert darüber hinaus den Ausbau von Stromnetzen und Stromspeichertechnologien. Fasst man diese Zielsetzungen Europas und Deutschlands zusammen, ist nicht weniger als eine Revolution im Energiesektor zu erwarten. Die Energiewirtschaft steht vor der komplexen Herausforderung eines grundlegenden Umbaus des Kraftwerks- und Technologieportfolios, der die Energieversorgung einschneidend verändern wird. Der Blick auf Europa zeigt, dass höchst unterschiedliche Strategien in den einzelnen EU-Ländern verfolgt werden (Fischer 2011). Frankreich stellt mit derzeit 20 Nuklearkraftwerken und 59 Reaktorblöcken über ein Drittel aller in der EU betriebenen Kernkraftwerke und erzeugt ca. 75% seines Strombedarfs in Atommeilern. In Ergänzung von Wasserkraft und Erdgas ist der französische Strommix beinahe CO2-emissionsfrei. Polen dagegen produziert ca. 95% der Elektrizität über Kohleverstromung mit entsprechendem CO2-Ausstoss. Die in Polen verfolgte Klimaschutzstrategie baut vor allem auf vermutete riesige Schiefergasvorkommen und den Bau von Kernreaktoren. Italien verzichtet vollständig auf die Atomenergie, auch wenn französischer Atomstrom importiert werden muss. Das Rückgrat der italienischen Stromversorgung beruht mit über 50% auf Gaskraftwerken. Die Erneuerbaren tragen zu einem Fünftel, Kohle nur zu ca. 15% zum Strommix bei. Großbritannien setzt mit seiner ambitionierten Klimapolitik auf einen Mix aus Kohle, Kernenergie und Erneuerbaren. Wichtiger Bestandteil ist dabei die Anwendung der CO2-Abscheide- und Speicherungstechnologie. Auch die Haltung zur Atomenergie ist in Europa sehr unterschiedlich (Fischer 2011). Während einige EU-Mitgliedsländer wie Bulgarien, Finnland, die Niederlande, Schweden oder Ungarn den Bau weiterer Kernkraftwerke planen, verzichten Länder wie Slowenien und Spanien explizit auf den Neubau, ohne allerdings die in Betrieb befindlichen Reaktoren auslaufen zu lassen. Länder wie Dänemark, Griechenland, Italien oder Österreich kommen

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hingegen ganz ohne eigenen Atomstrom aus. Es gibt allerdings auch Wechselwillige: während in Belgien und Deutschland explizit der Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen wurde, planen die bislang ohne Atomkraftwerke auskommenden Länder Polen und Litauen den Atom-Einstieg. In Deutschland ändert sich durch den Umbau des Energiemixes die Bedeutung fossiler Energietechnologien. Sie gelten nicht länger als zentrale Träger der deutschen Energieversorgung, sondern als Brückentechnologien auf dem Weg in die post-fossile Energiezukunft. Ein Blick auf die Entwicklung des deutschen Strommixes über die letzten zwei Jahrzehnte zeigt die Veränderung nach einzelnen Energieträgern (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1: Bruttostromerzeugung in Deutschland von 1992 bis 2012 nach Energieträgern

Quelle: eigene Zusammenstellung nach AG Energiebilanzen (2013) Über lange Zeit war die deutsche Stromversorgung getragen von Kohleverstromung und Kernenergie. Flexible Gaskraftwerke haben dabei zunehmend an Bedeutung gewonnen. Mit der Einführung des Erneuerbare-EnergienGesetzes (EEG) durch die rot-grüne Koalition im Jahr 2000 hat sich eine